Helmut Hentrich

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Dreischeibenhaus in Düsseldorf (1957–1960)

Helmut Hentrich (* 17. Juni 1905 in Krefeld; † 7. Februar 2001 in Düsseldorf) war ein deutscher Architekt, der besonders durch seine markanten Hochhausbauten in den 1960er und 1970er Jahren bekannt wurde. Das von ihm gegründete Architekturbüro Hentrich, Petschnigg und Partner (HPP) besteht weiterhin unter dem Namen HPP Architekten.

Biografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hentrich war der Sohn des Bauingenieurs Hubert Hentrich. Schon während seiner Schulzeit interessierte er sich für Kunst, Architektur und absolvierte Praktika in den Architekturbüros von August Biebricher und Franz Brantzky.

Nach dem Abitur gab Hentrich zunächst dem Drängen des Vaters nach und nahm 1922 ein Jurastudium an der Universität Freiburg im Breisgau auf, wechselte jedoch 1924 an die Architekturfakultät der Technischen Hochschule Wien und ein Jahr später an die Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg, um bei Hans Poelzig, Heinrich Tessenow und Hermann Jansen zu studieren.

In Berlin lernte Hentrich die im Aufbruch befindliche moderne Architektur kennen, arbeitete in den Semesterferien in den Architekturbüros von Hugo Häring und Ludwig Mies van der Rohe, aber es war vor allem Hans Poelzig, der sein Architekturverständnis prägte. Während seiner Studienzeit in Berlin lernte er Albert Speer, Friedrich Tamms und Rudolf Wolters kennen, die ebenfalls dort studierten. Hentrich legte im Jahre 1928 seine Diplom-Hauptprüfung mit Auszeichnung ab.

1929 bis 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Diplom begann Hentrich 1929 ein Referendariat (als Regierungsbauführer), um sich für den Staatsdienst zu qualifizieren. Er war als Bauleiter beim Umbau von St. Andreas in der Düsseldorfer Altstadt tätig. Ebenfalls 1929 erhielt er für den Entwurf einer Hochschule für Tanzkunst den Schinkelpreis, mit dem 1892 auch sein Vater ausgezeichnet worden war,[1] und promovierte an der Technischen Hochschule Wien mit einer auf diesem Entwurf basierenden Arbeit über modernes Tanztheater.

Anfang der 1930er Jahre arbeitete er in Paris im Architekturbüro von Ernő Goldfinger und in New York im Architekturbüro von Norman Bel Geddes und unternahm ausgedehnte Reisen durch die USA, China, Indien und andere Länder.

Kopfhaus in Düsseldorf (1935–1936)

Nach Deutschland zurückgekehrt legte Hentrich 1933 die zweite Staatsprüfung zum Regierungsbaumeister (Assessor) ab. Er sollte eine Anstellung im Staatshochbauamt Gumbinnen (Ostpreußen) erhalten, wählte jedoch den Weg in die Selbstständigkeit und eröffnete im selben Jahr ein Architekturbüro in Düsseldorf. Nach anfänglicher Zusammenarbeit mit Hans Heuser gründete Hentrich 1935 mit diesem eine Büropartnerschaft (Hentrich & Heuser) und konnte sich mit Wettbewerbserfolgen und Wohnhausbauten in Düsseldorf etablieren.

Autobahntankstelle Rhynern 1937–1938, bis 2005 in Betrieb

Beide gewannen 1937 einen Wettbewerb für das Deichtor Orsoy, nahmen vermehrt an offiziellen Wettbewerben der Organisation Todt oder der Hitlerjugend teil. Bereits im Jahr zuvor war Hentrich als Mitglied in die Akademie für Städtebau, Reichs- und Landesplanung aufgenommen worden. Im Jahr 1938 war er auf der Zweiten Deutschen Architekturausstellung der Nationalsozialisten im Münchener Haus der Deutschen Kunst mit dem Modell des Reichsautobahn-Rasthofs Rhynern vertreten, der kriegsbedingt nicht gebaut wurde.[2]

Hentrich gehörte ab 1938 dem Arbeitsstab des am 30. Januar 1937 zum Generalbauinspektor (GBI) für die Reichshauptstadt Berlin ernannten Albert Speer an (u. a. Fassadenentwurf des Reichsversicherungsamtes) und war Mitglied des am 11. Oktober 1943 gegründeten „Arbeitsstab Wiederaufbauplanung“ („Wiederaufbaustab Speer“) für die im Krieg zerstörten Städte (u. a. Wiederaufbauplanungen für seine Geburtsstadt Krefeld, oder städtebauliche Entwürfe für die Neugestaltung Hamburgs durch Konstanty Gutschow). 1941–1945 war Hentrich Mitglied in der NSDAP.[3][4] In der Endphase des Zweiten Weltkriegs wurde Hentrich von Hitler in die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Architekten aufgenommen, was ihn vor einem Kriegseinsatz bewahrte.[2]

Hentrich schrieb in seinen Erinnerungen (Bauzeit. Aufzeichnungen aus dem Leben eines Architekten. Düsseldorf 1995) über seine Arbeiten im sogenannten Dritten Reich: „Die interessante Arbeit an diesen Bauten war immer nur sachbezogen und nie von politischen Aspekten gefärbt.“ Er führte Aufträge für die Organisation Todt aus.

Nach 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Friedrich-Engelhorn-Hochhaus, Ludwigshafen (1954–1957) Abriss 2013–2014
Petruskirche in Düsseldorf-Unterrath (1955–1956)
Finnlandhaus in Hamburg an der Esplanade, innovative Hängekonstruktion 1963–1966 nach Plänen von Hentrich und Petschnigg erbaut.
TÜV Rheinland-Hochhaus in Köln-Poll (1970–1974)
RWI-Haus Düsseldorf

In der Nachkriegszeit geriet Hentrich in die Schlagzeilen, als der von Bernhard Pfau gegründete Architektenring Düsseldorf dem Leiter des Stadtplanungsamtes, Friedrich Tamms, vorwarf, ehemals hochgestellte Freunde aus dem Stab des Generalbauinspektors – zu denen neben Julius Schulte-Frohlinde, Konstanty Gutschow und Rudolf Wolters auch Hentrich gehörte – zu begünstigen. „Tatsächlich wird Düsseldorf zu einem Zentrum der ehemaligen Nazi-Prominenz“, formulierte der Architektenring in einer Denkschrift. Trotz dieser Einwände konnte Hentrich – ehrenamtliches Mitglied im Kulturausschuss der Stadt Düsseldorf – sich an den Wiederaufbauplanungen für die Stadt beteiligen; sein Architekturbüro prägte mit repräsentativen Banken und Verwaltungsbauten das Erscheinungsbild der Innenstadt. Dabei war sicherlich hilfreich, dass Hentrichs Studienfreund Friedrich Tamms Leiter des Stadtplanungsamtes und Julius Schulte-Frohlinde seit 1952 Leiter des Hochbauamtes der Stadt Düsseldorf war. Nach dem Tod von Hans Heuser im Jahre 1953 nahm Hentrich Hubert Petschnigg in das Architekturbüro auf.

Wiesen Hentrichs Geschäftshäuser der frühen Nachkriegszeit noch starke Anklänge an den Neoklassizismus der 1930er Jahre auf, so prägte später der Internationale Stil mit von Glas und Stahl bestimmter kühler Sachlichkeit die Bauten Hentrichs. Mit dem Bau des Dreischeibenhauses 1957 bis 1960 fand Hentrich weltweite Anerkennung; das Gebäude ist mit seiner signifikanten Optik nach wie vor eines der bekanntesten und bedeutendsten Hochhäuser Deutschlands. 1969 wurde die Bürogemeinschaft um sechs Partner erweitert und in HPP Hentrich-Petschnigg & Partner umbenannt. HPP gewann in der Folge zahlreiche Wettbewerbe und entwickelte sich zu einem der größten Architekturbüros der Nachkriegszeit, mit Spezialisierung auf dem Gebiet des Verwaltungsbaus. In 13 Städten Westdeutschlands und Südafrikas erbaute ihr Großbüro insgesamt über 40 Hochhäuser.[5]

Daneben war Hentrich von 1945 bis 1955 Vorstandsvorsitzender des Künstlerverein Malkasten in Düsseldorf.[6]

1960 wurde Hentrich durch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen zum Professor ernannt.

1972 wurde die Bürogemeinschaft zu einer Kommanditgesellschaft umgeformt. Zwei Jahre später übertrugen Hentrich und Petschnigg ihren beiden Partnern Hans Joachim Stutz und Rüdiger Thoma die Leitung des Büros. Sie selbst zogen sich in den Beirat des Büros zurück, nahmen aber weiter Anteil an den verschiedenen Projekten.

Hentrich besaß eine bedeutende Sammlung von antiker und islamischer Glaskunst sowie Objekte des Jugendstils und der Art Nouveau; diese Sammlung ging seit 1963 als Schenkung in die Bestände des Museum Kunstpalast als Glasmuseum Hentrich über.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1969 erhielt er die BDA-Plakette,
  • 1970 den Award of Merit of the South African Architects für das Standard Bank Center, Johannesburg,
  • 1972 die BDA-Plakette für die Hauptverwaltung Rank Xerox, Düsseldorf,
  • 1975 das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland,
  • 1979 den Europa-Nostra-Preis für den Umbau der Tonhalle Düsseldorf,
  • 1980 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland,
  • 1981 die Heinrich-Tessenow-Medaille in Gold,
  • 1985 wurde er von der Stadt Düsseldorf zum Ehrenbürger ernannt (Ehrenring der Stadt Düsseldorf).

Bauten (Hentrich und Partner)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gudrun Escher: Pragmatiker zuerst. Helmut Hentrich 1905–2001. In: DBZ 4/2001, S. 18–19.
  • bh: Architekt, Sammler und Mäzen – Helmut Hentrich wurde achtzig. In: Weltkunst, Jg. 55 (1985), Heft 13, S. 1910.
  • Helmut Hentrich: Bauzeit. Aufzeichnungen aus dem Leben eines Architekten. Droste, Düsseldorf 1995, ISBN 3-7700-1037-X.
  • Henry-Russell Hitchcock: Bauten und Entwürfe. HPP Hentrich-Petschnigg & Partner. Düsseldorf, Econ 1973, ISBN 3-430-14333-0.
  • HPP Hentrich-Petschnigg & Partner: 50 Jahre HPP. Düsseldorf 1983.
  • Sabine Tünkers: Hentrich, Heuser, Petschnigg 1927–1955. VDG, Weimar 2000, ISBN 3-89739-095-7.
  • Wolfgang Voigt: Dreischeibenhaus und Schloss: Helmut Hentrich. In: ders. / Uwe Bresan (Hrsg.): Schwule Architekten – Gay Architects. Verschwiegene Biografien vom 18. bis zum 20. Jahrhundert – Silent Biographies from 18th to 20th Century. Wasmuth & Zohlen, Berlin 2023, ISBN 978-3-8030-2378-0, S. 162–171.
  • Klaus-Dieter Weiß: Architektenporträt Helmut Hentrich. Perfektion versus Philosophie? In: Der Architekt 1/1986, S. 37–41.
  • Agnes Wolf: Helmut Hentrich. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 72, de Gruyter, Berlin 2012, S. 81f.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Helmut Hentrich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 150 Jahre Schinkel-Wettbewerb – Preisgekrönte Ideen und Projekte. Wettbewerbssieger 1852–2006@1@2Vorlage:Toter Link/www.berliner-volksbank.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., abgerufen am 12. Juni 2010
  2. a b Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 234–235.
  3. Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Duisburg, 4 Unterlagen: NW 1002-T Nr. 39456, Entnazifizierungsakte; NW O Nr. 28535 und Nr. 50627, Ordensakten; NW OA Nr. 1431 Ausländische Orden.
  4. HPP Architekten GmbH, Geschichte
  5. Werner Durth: Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900–1970. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1992, ISBN 3-423-04579-5, S. 456 f.
  6. 1848-1998. Hundertfünfzig Jahre Künstlerverein Malkasten, Hrsg. Künstlerverein Malkasten, Düsseldorf, 1998, ISBN 3-00-003401-3, Seite 153
  7. a b c d e Der Baumeister, Jahrgang 1939, Heft 6.
  8. a b c Der Baumeister, Jahrgang 1943, Heft 6.
  9. Hiltrud Kier: Architektur der 50er Jahre. Bauten des Gerling-Konzerns in Köln. 1. Auflage. Insel Verlag, Frankfurt am Main / Leipzig 1994, ISBN 3-458-33317-7, S. 64.
  10. https://www.krefeld.de/C1257CFB0035577F/html/7A51A49DA21801A8C1257CC30053336A/$file/LVR_Gutachten%20Rheinuferstr10%20vom%2027.01.2014_1.pdf
  11. Krefeld: Abriss des alten Bayer-Kasinos beginnt. Westdeutsche Zeitung, 21. August 2019, abgerufen am 5. Mai 2020.
  12. a b c Der Baumeister, Jahrgang 1963, Heft 7.
  13. Der Baumeister, Jahrgang 1965, Heft 12.
  14. http://www.moderne-regional.de/muenster-ofd-wird-niedergelegt/ Münster: OFD wird niedergelegt
  15. Karl Wilhelm Schmitt: Einfamilienhäuser. Neubauten und Umbauten. DVA, Stuttgart 1976.
  16. Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen (Hrsg.): Postbauten. Karl Krämer Verlag, Stuttgart 1989, S. 88 f.
  17. Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen (Hrsg.): Postbauten. Karl Krämer Verlag, Stuttgart 1989, S. 98 f.
  18. Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen (Hrsg.): Postbauten. Karl Krämer Verlag, Stuttgart 1989, S. 116 f.
  19. Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen (Hrsg.): Postbauten. Karl Krämer Verlag, Stuttgart 1989, S. 162 f.
  20. Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen (Hrsg.): Postbauten. Karl Krämer Verlag, Stuttgart 1989, S. 224 f.