Herbert Bruns

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Herbert Bruns (* 11. Juli 1920 in Wilhelmshaven; † 27. Februar 1998) war ein deutscher Biologe und Umweltschützer.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schon in seiner Schulzeit befasste Bruns sich mit der Ornithologie[1] und betreute zeitweise das Schutzgebiet Insel Mellum. Nach seinem Abitur arbeitete er 1939 als Vogelwart auf Wangerooge.

Nach Kriegsende studierte er Biologie an der Georg-August-Universität Göttingen. In dieser Zeit der Mittelknappheit unterstützte er die Analyse von großflächigen Vogelbestandsaufnahmen und Langzeituntersuchungen durch Veröffentlichungen in Periodika.[2] Er gründete 1948 die Zeitschrift Ornithologische Mitteilungen, mit der die rasche Informationsverbreitung feldornithologischer Ereignisse und Ergebnisse möglich wurde. Die von 1949 bis 1951 noch zusammen mit Dr. Otto Niebuhr herausgegebenen Ornithologischen Abhandlungen änderten beide in Biologische Abhandlungen um, damit auch andere als nur rein ornithologische Themen publiziert werden konnten.

1950 wurde Bruns in Göttingen promoviert.[3] Als Assistent an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (1951 bis 1956) untersuchte er die Möglichkeiten der biologischen Bekämpfung von Insektenkalamitäten mit Hilfe von Höhlenbrütern. In diesem Zusammenhang konnte er die Ergebnisse einer Untersuchung über chemische Schädlingsbekämpfungsmittel und ihre potentielle Nebenwirkung auf Vögel und Insekten veröffentlichen.[4]

In Hamburg war er von 1956 bis 1962 als wissenschaftlicher Leiter des staatlichen Vogelschutzes tätig.[5] In dieser Zeit begann er mithilfe eigener Untersuchungen, die Vorteile von Holzbeton-Nisthöhlen gegenüber anderen Nistgeräten für heimische Singvögel differenziert zu belegen.[6] Von 1961 bis 1986 veröffentlichte Bruns sechs Bände Angewandte Ornithologie, der Zeitschrift der Internationalen Union für Angewandte Ornithologie. Zu ihrem Präsidenten wurde Bruns 1962 gewählt.[7]

Seine ökologische Orientierung trat 1964 mit seiner Zeitschrift Das Leben offen zutage, die er später in Leben und Umwelt (letztes Erscheinungsjahr 1995) umbenannte. Beachtung fand seine Absicht, den international gebräuchlichen Ansatz der Bioprotektion („protection of life, protection de la vie“) in die Diskussion um die Ziele des Umweltschutzes in Deutschland einzubringen.[8][9] Er gründete 1965 den Bund für Lebensschutz e. V. und leitete ihn. Zuvor war er mehrere Jahre Geschäftsführer der deutschen Sektion des Weltbundes zum Schutz des Lebens.[10][11]

Bernhard Grzimek gewann ihn für die Mitarbeit an Grzimeks Tierleben.[12] In dieser Reihe wurde er als Leiter des Instituts für Biologie und Lebensschutz / Schlangenbad geführt. Mit ökologischer Grundlagenarbeit und Beratung partizipierte er am politischen Einsatz von Bürgerinitiativen[13] und Naturschutzorganisationen gegen den Bau eines Hochhauskomplexes „Atlantis“ in Westerland auf Sylt.[14] Im Verlauf dieses Engagements, das bis zur Spitze der Landesregierung reichte, scheute er auch nicht vor einer sozialpolitischen Grundsatzdiskussion über „Demokratie und Gewissen“ zurück.[15]

Von 1972 bis 1980 lehrte Bruns als Professor an der Pädagogischen Hochschule Berlin und anschließend bis zu seiner Emeritierung 1985 an der Technischen Universität Berlin. Dabei blieben ihm naturschutzkundliche Themen ein zentrales Anliegen seiner Forschung und Lehre. Den Naturschutz vor Ort – auch wieder mit dem Ziel weiterer Forschung – realisierte er mit seiner „Biologischen Station“ nahe List mit erheblichen Eigenmitteln, unter Mitwirkung von Studenten und dem Einsatz von Zivildienstleistenden. Für Studenten wie auch für vogelkundliche Anfänger und fortgeschrittene Hobbyornithologen führte er auf Sylt Küsten- und Meeresvogelkurse durch, bei deren Verlauf er die Begegnung der Kursteilnehmer mit Land und Leuten einschloss.[16]

In seinen Veröffentlichungen bot er die Verbindung von wissenschaftlichen Arbeiten und populären Aufsätzen[17] an: Er wollte beispielsweise in der Avifaunistik Vogelfreunde, Amateurornithologen und Fachwissenschaftler gemeinsam ansprechen. An der Organisation seiner Publikationsarbeit hatte seine Frau Margarete Bruns großen Anteil, indem sie für ihn das Verlagswesen (z. B. „Biologie-Verlag“) übernommen hatte.

Vom 27. April 1973 an gehörte er zusammen mit Dr. Ulrich Brand und dem Ersten Vorsitzenden Hans-Helmuth Wüstenhagen dem engeren Vorstand des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz BBU an.[18] Eskalierende Differenzen mit Wüstenhagen, die teilweise das Selbstverständnis des Bürgerinitiativen-Dachverbandes im Spannungsfeld zwischen vordergründigem Umweltschutz und übergeordnetem integrativen Lebensschutz betrafen, führten im November 1973 mit vier anderen Mitgliedern des 13-köpfigen Vorstandes zum Austritt[19] aus dem BBU samt den von ihnen vertretenen Bürgerinitiativen, die vor allem im Bund für Lebensschutz zusammengeschlossen waren.[20] Die entstehende Konkurrenz zum rasch anwachsenden BBU war allerdings wenig wirkungsvoll.

Besonders in seiner Gegnerschaft zum Ausbau der Atomenergie stand Bruns als Vertreter mehrerer Verbände in regem Austausch mit dem Bundesinnenministerium, besonders unter Hans-Dietrich Genscher und Werner Maihofer, und setzte sich dort für die Schaffung eines eigenständigen Umweltministeriums[21] mit hinreichender Kompetenz in ökologischen Fragen ein. Unmittelbar nach der Selbstverbrennung Hartmut Gründlers veröffentlichte er eine chronologische Sammlung[22] der wichtigsten Korrespondenzen seines Mitstreiters und zeitweiligen BBU-Vorstandskollegen.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ornithologische Beobachtungen am Jadebusen und im Jeverland (Stadtgebiet Wilhelmshaven und Landkreis Friesland) von Herbert Bruns und Hermann Havekost, in: Die Verzeichnisse des Oldenburger Jahrbuchs, Band Nr. 48 und 49 / 1948–1949, erschienen 1949.
  • Frühgesangsbeginn unserer Vögel im Wilhelmshavener Park. in: Oldenburger Jahrbuch. Band 54/2, 1954.
  • Schutztrachten im Tierreich. Verlag A. Ziemsen, Wittenberg 1958 (= Die Neue Brehm-Bücherei, Band 207); Nachdruck: Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben 2008, ISBN 978-3-89432-653-1.
  • Waldhygiene. Band 5, Nr. 1 von Karl Gößwald, Herbert Bruns, M. Heimann, und G. Kneitz, Würzburg, Selbstverlag (Taschenbuch), 1963.
  • Wie verhalte ich mich umwelt- und lebensschutzgerecht?. 400 Ratschläge. Heft 10–12/1971 der Zeitschrift „DAS LEBEN“, Biologie-Verlag, Wiesbaden 1971.
  • Ullstein Vogelbuch – Vogelkunde, Vogelbeobachtung, Vogelliebhaberei und Vogelschutz als Wissenschaft und Hobby, in Zusammenarbeit mit Limbrunner, A. und Scherner, E. R., Ullstein Vlg., Frankfurt/M. · Berlin · Wien 1975 – 344 S – ISBN 3-550-07029-2; Sondereinband – Ullstein Tb (1996) – 380 S – ISBN 3-548-35593-5.
  • SYLT – Natur, Erholung, Forschung, Lehre, Umweltbelastung, Inselplanung und Bürgerinitiative (Untertitel: „Dokumentation vom Kampf gegen „Atlantis“ und für Sylt“), als Band 4 (Nr. 37–52) in der Reihe „BIOLOGISCHE ABHANDLUNGEN“, Biologie-Verlag, Wiesbaden 1975.
  • Die Vögel des Botanischen Gartens Berlin, Sonderdruck der Verhandlungen des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg 1976.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Manfred Temme: In memoriam Prof. Dr. Herbert Bruns. In: Corax. Heft 17, 1999, OAG – Ornithologische Arbeitsgemeinschaft für Schleswig-Holstein und Hamburg e. V.
  • Würdigung von Walther Thiede, in: Ornithologische Mitteilungen. Band 50, 1998
  • Nachruf von Hans Oelke, in: Beiträge zur Naturkunde Niedersachsens. Band 51, 1998

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Mit seiner Wilhelmshavener Adresse aus dem Jahr 1938 wurde Bruns im Mitgliederverzeichnis der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft (Erscheinungsjahr 1940) erwähnt; Quelle: https://link.springer.com/article/10.1007%2FBF01670411
  2. siehe 1. Ankunft der Zugvögel und Gesangsbeginn in Nord- und Westdeutschland. 1948 und im Vergleich zu früheren Jahren (Ergebnis einer Planbeobachtung von über 110 Beobachtern zwischen Rhein und Ostsee) und 2. Ornithologische Beobachtungen vor und in dem Trondheimfjord 1942–1945 (insbesondere auf der Inselgruppe Tarven), in: Ornithologische Abhandlungen, Heft 2, Muster-Schmidt Vlg, Göttingen, 1949
  3. Heinrich, Gerd (im Auftrage des Rektors, hrsg. v.): Beiträge zur Geschichte der Pädagogischen Hochschule Berlin, Colloquium Verlag, Berlin 1980, Reihe: „Abhandlungen aus der Pädagogischen Hochschule Berlin“ Band VI, Seite 171
  4. Behandlung von Vogelnistkästen mit Kontaktinsektiziden und ihre Auswirkung auf Hornissen, Wespen und Vögel, 1953; in: Journal of Pest Science 26 (1953), S. 182–185
  5. 100 Jahre staatlicher Vogelschutz in Hamburg, auf hamburg.de
  6. siehe Bruns: Untersuchungen über die Annahme von Nistgeräten mit und ohne Marderschutzvorrichtung durch höhlenbrütende Singvögel, Sonderdruck aus: Ornithologische Mitteilungen Jahrgang 9, 1957, S. 24–26
  7. siehe Anzeiger für Schädlingskunde, Band 36, Nummer 3, 1963, Springer – Berlin – Heidelberg, S. 44
  8. Hartmut Gründler, in: „Lebensschutz als Aufgabe Gewaltfreier Aktion“, in der Zeitschrift Das Leben Nr. 12/1973; siehe auch: Bruns, Lebensschutz oder Bioprotektion als Integration von Menschen-, Tier-, Pflanzen-, Natur- und Landschaftsschutz. Wissenschaftliche Begründung und praktische Forderungen zur Erhaltung und Schaffung gesunder Lebensgrundlagen des Menschen, der Tiere und der Pflanzen. Biologische Abhandlungen aus dem Institut für Biologie und Lebensschutz. Heft 32–33, Biologie-Verlag, Wiesbaden 1969
  9. vgl. Ornithologische Mitteilungen. 1976, Heft 2, Literatur-Beilage mit Prof. Dr. Grzimek: Lebensschutz und Umweltschutz gehören zusammenDr. D. Heinemann: Vom additiven Umweltschutz zum integrierten LebensschutzProf. Dr. R. Neutra: Architektur und Lebensschutz
  10. A. Schweigart (WSL), Brief an Heisch (Luxemburg) im Europarat (Straßburg) – über BRUNS, 3. April 1970, Bundesarchiv B 136/5308, s. Einzeldokumente A6 in http://www.whfm.de
  11. H. Bruns, Erklärung „zum Brief von Bruker“, WSL-D, vom 28. September 1973, Bundesarchiv B 106/89259, s. Einzeldokumente A7 in http://www.whfm.de
  12. Grzimeks Tierleben (1968): Bd. 8, S. 242–275 u. Bd. 9, S. 446–458.
  13. z. B. mit der Naturschützerin Clara Enss, siehe Naturzentrum modernisiert, Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 31. August 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.syltinfo.de, vom 13. Mai 2003 (abgerufen am 19. November 2011)
  14. SYLT, 1975, S. 223ff, 260ff, 264f, 276ff und 361
  15. SYLT, 1975, S. 333, 360 mit 376 und 475f.
  16. z. B. Nationalökonom Manfred Wedemeyer / Klappholttal – Naturschützerin Clara Enns / Kampen (Sylt) – Schriftsteller und Zoologe Peter Kuhlemann / Rantum; siehe auch die Vogelkurs-Rückschau von Prof. Dr. S. O. Hoffmann in Ornithologische Mitteilungen. 1981, Heft 6, S. 165f
  17. Seine Auswahl der inhaltlichen Schwerpunkte des Ullstein Vogelbuches entsprach u. a. dem genannten Konzept; vgl. die Erläuterung der Anlage seines Buches, in: Ornithologische Mitteilungen. 1975, Heft 2, S. 45
  18. DIE WELT Umweltschützer fordern Atomkraftwerke – Baustopp, 29. April 1973 s. Einzeldokumente A2 – in http://www.whfm.de
  19. Brief Dr. H.-U. Brand an BBU Mitglieder – Austritt von Gründler, Bruns usw., 14. November 1973, Bundesarchiv B 106/66829, s. Einzeldokumente A3 in http://www.whfm.de
  20. BBU-Mitgliedsverzeichnis, Bundesarchiv B 106/66829, 16. Juni 1973 s. Einzeldokumente A1 – in http://www.whfm.de
  21. s. Flugblatt „Aktion Maihofer“, von BUL (Bundesfachverband Deutsche Bürgerinitiativen für Umwelt und Lebensschutz, Sprecher H. Bruns), 5. Oktober 1974, Bundesarchiv B 106/89259, s. Einzeldokumente A4 in http://www.whfm.de
  22. H. Bruns, Hartmut Gründler †, Für Wahrheit und Redlichkeit im Lebensschutz und in der Biopolitik, Biologische Abhandlungen Nr. 53–54, Biologie-Verlag, Wiesbaden 1977
  23. Auskunft des Bundespräsidialamtes
  24. Manfred Temme: In memoriam Prof. Dr. Herbert Bruns, in: Corax, Heft 17, 1999, S. 365f