Hilfsverein der deutschen Juden

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Eine Werbeanzeige von 1936, herausgegeben vom Hilfsverein der deutschen Juden berät auswanderungswillige Jüdinnen und Juden hinsichtlich einer Niederlassung in Südamerika. In der Sammlung des Jüdischen Museums der Schweiz.

Der Hilfsverein der deutschen Juden wurde auf Anregung von Paul Nathan am 23. Mai 1901 in Berlin gegründet.[1] Mit ihren finanziellen Mitteln wollten deutsche Juden die wirtschaftliche und kulturelle Lage der Juden in Osteuropa verbessern.

Aufgabe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Satzung sah als Vereinszweck vor:

§ 1 – Der H. setzt sich unter Ausschluß jeder gewinnbringenden Tätigkeit für die Mitglieder das humanitäre Ziel, die sittliche, geistige und wirtschaftliche Entwickelung der Glaubensgenossen zu fördern.
§ 2 – Der H. will seine Tätigkeit insbesondere den Glaubensgenossen im östlichen Europa und in Asien zuwenden. Der Sitz des Hilfsvereins der deutschen Juden ist in Berlin.

Der antizionistische Verein hatte im Jahr 1907 5.000 Mitglieder und eine Jahreseinnahme von 100.000 Mark. Er förderte Wirtschaftsunternehmungen in Russland und Galizien, unterstützte jüdische Vorschusskassen in Rumänien und Galizien und subventionierte Schulen im Nahen Osten. Bis 1907 brachte er für die durch das Pogrom von Kischinjow (1903) geschädigten russischen Juden 550.000 Mark auf. Der Verein initiierte die Einigung aller großen jüdischen Hilfsorganisationen. Schemarjahu Levin und Oscar Tietz engagierten sich im Hilfsverein. Zwischen 1901 und 1913 unterstützte der Hilfsverein die Auswanderung von 200.000 russischen Juden nach Übersee, die sich in deutschen Häfen einschifften.[2]

Nach der Niederlage des Deutschen Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg verlor der Hilfsverein an Gewicht in internationalen Angelegenheiten des Judentums; er schloss sich aber der Alliance Israélite Universelle und anderen nichtzionistischen Organisationen an. Er verweigerte sich den Bemühungen um eine gemeinsame Vertretung der Juden beim Völkerbund.[3] Mit der Unterstützung des Hilfsvereins wurde das Technikum Haifa (später Technion) gegründet, das 1924 im britischen Mandatsgebiet Palästina seinen Lehrbetrieb aufnahm.

Um 1930 hatte der Hilfsverein in Deutschland 290 Ortsvertretungen.[4] Sie widmeten sich vor allem der Beratung und Unterstützung von Juden, die aus oder über Deutschland auswandern wollten. Zwischen 1921 und 1936 waren das 350.000.[3]

In der Zeit des Nationalsozialismus musste der Verein sich umbenennen in Hilfsverein der Juden in Deutschland. Die Auslandshilfe konnte er nicht fortsetzen. Er wurde 1939 offiziell aufgelöst, bestand aber bis 1941 als Wanderungsabteilung („emigration section“) der Reichsvertretung der Juden in Deutschland. Von 1933 bis 1941 half er 90.000 Juden bei der Emigration in überseeische Staaten, aber nicht nach Palästina.[3]

Berichte und Buchreihen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Geschäftsbericht des Hilfsvereins der Deutschen Juden, erstattet der Generalversammlung, 1903–1919.
  • Jahresbericht (1927–1936)
  • Aus der Arbeit des Hilfsvereins der Deutschen Juden (ab 1934)
  • Schulbücher des Hilfsvereins der deutschen Juden. Berlin 1912.
  • Abraham Zvi Idelsohn: Liederbuch. Sammlung hebräischer und deutscher Lieder für Kindergärten, Volks- und höhere Schulen. Berlin 1912.

Die Berichte und Bücher sind im Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg zu erhalten.

Bedeutende Persönlichkeiten des Hilfsvereins[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hilfsverein der deutschen Juden. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 9: Hautgewebe–Ionĭcus. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1907, S. 334–335 (zeno.org).
  • Hilfsverein der deutschen Juden (Hrsg.): Festschrift anläßlich der Feier des 25jährigen Bestehens des Hilfsvereins der Deutschen Juden, gegründet am 28ten Mai 1901. 1926.
  • Edmund Burkard: Hilfsverein der Deutschen Juden 1901–1936. Münster (Westfalen) 1971.
  • David Hamann: Ein Billett von Brody über Berlin nach New York: Organisierte Solidarität deutscher Juden für osteuropäische jüdische Transmigrant*innen 1881/82 (= Europäisch-jüdische Studien Bd. 67), Berlin/Boston 2023, ISBN 9783111063621.
  • David Hamann: Migration organisieren. Paul Nathan und der Hilfsverein der deutschen Juden (1881–1914/18). In: Kalonymos 19 (2016), 2, S. 6–10. [online]
  • David Hamann: Von Hamburg in die Welt – Jüdische Auswanderung und der Hilfsverein der deutschen Juden, 2016, Teil der Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte [online].
  • Lemma Hilfsverein der deutschen Juden. In: Encyclopaedia Judaica. Band 8. He – Ir. Jerusalem 1973, Sp. 479–481 (en).
  • Kirsten Moneke: Die Emigration der deutschen Juden nach Argentinien (1933–1945). Zur Rolle der jüdischen Hilfsvereine. Westfälische Wilhelms-Universität, Lateinamerika-Zentrum, Münster (Westfalen); Röhrig, St. Ingbert 1993, ISBN 3-86110-007-X.
  • Andreas Reinke: Hilfsverein der deutschen Juden. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 3: He–Lu. Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02503-6, S. 40–43.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. David Hamann: Migration organisieren - Paul Nathan und der Hilfsverein der deutschen Juden (1881–1914/18). In: Kalonymos. Band 19, Nr. 2, 2016, S. 6–10.
  2. Der Hilfsverein der deutschen Juden: seine Tätigkeit und seine Aufgaben. Bayerische Israelitische Gemeindezeitung, Heft 10, S. 302, 20. Oktober 1927, abgerufen am 18. Juni 2014 (Digitalisat an der Goethe-Universität Frankfurt).
  3. a b c Hilfsverein der deutschen Juden, in Encyclopaedia Judaica 1971
  4. Stuttgart (Zeichen der Erinnerung) (Memento des Originals vom 5. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.zeichen-der-erinnerung.org