Historisches Archiv des Germanischen Nationalmuseums

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Historisches Archiv

GNM-Akten, Alter Objektkatalog
GNM-Akten, Alter Objektkatalog
Archivtyp Archive der Hochschulen und wissenschaftlichen Institutionen
Koordinaten 49° 26′ 53,7″ N, 11° 4′ 31,8″ OKoordinaten: 49° 26′ 53,7″ N, 11° 4′ 31,8″ O
Ort Kornmarkt 1, 90402 Nürnberg
ISIL DE-2462
Website www.gnm.de/historisches-archiv

Das Historische Archiv wurde 1852 als Herzstück im Abteilungsgefüge des Germanischen Museums (inzwischen Germanisches Nationalmuseum – Leibniz Forschungsmuseum für Kulturgeschichte) gegründet.[1] Erst Ende des 19. Jahrhunderts verlor der Archivgedanke an der Institution an Gewicht und gewann die museale Präsentation der Kulturgüter die Oberhand.[2] Die ursprüngliche Vision des ersten Direktors des Museums, Freiherr Hans von und zu Aufseß, galt einem „General-Repertorium“: der Erstellung eines umfassenden Verzeichnisses kulturgeschichtlicher Quellen des deutschsprachigen Raums.

Gegenüber einer derartigen, über den eigenen Bestand hinausgehenden Datenbank hielt von Aufseß das Sammeln von Originalen eher für nachgeordnet wichtig. Entsprechend sollte das Archiv als ein „deutsches Zentralarchiv“ nicht so sehr Originalunterlagen, sondern in erster Linie Kopien und Faksimiles von Inventaren und Archivalien (bis 1650) erfassen und aufnehmen. Im Anschluss an von Aufseß’ Rücktritt von der Leitung des Museums 1862 rückte die Sammlung schriftlicher Quellen und die Anschaffung neuer Objekte in den Vordergrund – ebenso ihre Neuordnung und ihre Präsentation. Auch das Archiv verzeichnete umfangreiche Zuwächse an historischem Schriftgut, das sonst großenteils einer Zweitverwertung (insbesondere durch Goldschläger und Papierhersteller) zugeführt oder anderweitig verloren gegangen wäre.[3] Dabei sah man sich bewusst nicht in Konkurrenz zu den staatlichen Archiven, sondern verstand sich in erster Linie als Auffangbecken für die verlustgefährdete Überlieferung zu Individuen, Familien und Unternehmen aller Art. Ab den 1960er Jahren begann diese Mission sich gezielt auch auf künstlerische und kunstpädagogische Nachlässe und die Schaffung eines Archivs für Bildende Kunst (ABK) zu richten.[4] Letzteres wurde 2008 als Deutsches Kunstarchiv (DKA) aus dem Archiv ausgegliedert, das seither als Historisches Archiv firmiert.

Von Aufseßs ursprünglicher, repertorialer Gedanke lebt in gewissem Sinne fort: bislang werden auch viele längst getauschte oder verkaufte Archivalien weiter erfasst. Ausgenommen von derartigen Tausch- und Verkaufshandlungen war natürlich immer das Museumsarchiv selbst.

Bestände[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bedeutend sind die Quellen zur Geschichte des Germanischen Nationalmuseums (ab ca. 1830 bis heute).

Neben den Akten zu den Ursprüngen des Museums und seinen Aktivitäten als Forschungs-, Gedächtnis-, Bildungs- und Ausstellungsinstitution reichen die Bestände des Archivs von fränkischen Adels- und Patrizierregistraturen, Teilen reichsstädtischer Überlieferung, geistlicher und weltlicher Fürsten und Korporationen bis hin zu Nachlässen von Persönlichkeiten wie Karl August Böttiger oder Sigmund von Birken, und auch Teilnachlässen, so beispielsweise Korrespondenz an Heinrich Georg Bronn, den ersten Übersetzer von Charles Darwins Origin of Species ins Deutsche, oder den fränkischen Theologen und Historiker Samuel Wilhelm Oetter. Unter den Sammlungsbeständen befinden sich Autographen (8 Regalmeter, 15.–20. Jahrhundert), eine extensive Urkundensammlung (über 70 Regalmeter, Herrscher und Privatleute, ab dem 10. Jahrhundert), wie auch eine von Verleger Curt Kabitzsch angelegte, etwa 3000 Objekte umfassende Sammlung von Bismarck-Karikaturen. Die Familienbestände schließen Archivkörper wie das Adelsarchiv von Wolkenstein-Rodenegg (13.–18. Jahrhundert) und die oft weitläufigen Registraturen Nürnberger Patrizierfamilien ein. Unter den Unternehmensarchiven ist der Bestand der 1779 von Andrea Giorgio Maria Bianchi übernommenen Rudolstädter Warenhandlung Bianchi zu nennen.

Hamburg, Glockenlager im Freihafen

Seit 1966 ist auch das Deutsche Glockenarchiv[5] mit seinen Unterlagen zu ca. 16 000 im Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten Glocken im Historischen Archiv untergebracht.[6] Unter den Deposita ist zudem das Archiv des Pegnesischen Blumenordens, einer bis heute bestehenden literarischen Gruppe barocken Ursprungs, zu finden; wie jüngst auch die Sammlung Müller, ein Bestand primär deutschsprachiger Handschriften vom 13. bis 19. Jahrhundert.

Der Gesamtumfang des Archivguts beträgt etwa zwei Regalkilometer. Seine Bandbreite erschließt sich am besten aus der Tektonik und den Bestandslisten, welche über die Datenbank wie auch über die Homepage des Museums einsehbar sind.[7][8]

HA Online[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Historische Archiv begann 2009 mit der elektronischen Erschließung seiner Bestände und liefert den bis Frühjahr 2020 erreichten Stand seiner Daten in der ursprünglichen Datenbank online.[9] Seither erschlossene Bestände (insbesondere Teilbestände aus den Patrizierarchiven wie derer von Imhoff und Kreß von Kressenstein) wie auch der aktuelle Stand der Erschließung sind inzwischen über die Nachfolgedatenbank online recherchierbar. Während der Corona-Pandemie wurde der gesamte Datenkörper einer grundlegenden semantischen Revision unterzogen, um die Daten maschinenlesbar und dadurch Teil des semantischen Webs zu machen.[10] Dabei standen gleichzeitig ältere Standards wie ISAD(G) und das Nachfolgekonzept Records in Contexts (RiC) Pate,[11] wie auch der von Archivstandards bislang nicht einbezogene Wunsch, Archivalien und nicht-Archivalien gemeinsam entdeckbar zu machen und miteinander verknüpfen zu können. Die Nachfolgedatenbank nutzt die virtuelle Forschungsumgebung WissKI und den internationalen Standard CIDOC CRM, um die Inhalte des Historischen Archivs maximal mit den Objektsammlungen des Germanischen Nationalmuseums zu integrieren.[12] Seit Mai 2023 ist die Bestandsliste auch über die Nachfolgedatenbank online verfügbar, seit Juli eine Volltextsuche der Archivalien (beides noch in Beta-Version).[13] Die sukzessive Ausweitung der Rechercheoptionen ist bis Jahresende 2023 geplant.[veraltet]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Das Germanische Nationalmuseum. Organismus und Sammlungen. Erste Abtheilung: Organismus und literarische Sammlungen, Denkschriften des germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1856, S.ix.
  2. Birgit Jooss: Das Deutsche Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg. Vom Umgang mit schriftlichen Nachlässen von Künstlern und Kunstwissenschaftlern. In: AKMB news. Informationen zu Kunst, Museum und Bibliothek. Band 16, Heft 1, 2010, S. 16–21.
  3. Matthias Nuding: Historisches Archiv des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg. In: Archive in der Leibniz-Gemeinschaft. Abgerufen am 5. April 2023 (deutsch).; Dietrich Hakelberg: Adliges Herkommen und bürgerliche Nationalgeschichte. Hans von Aufseß und die Vorgeschichte des Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer, Dietrich Hakelberg (Hrsg.): Zur Geschichte der Gleichung „germanisch – deutsch“. Sprache und Namen, Geschichte und Institutionen (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 34). Berlin/New York 2004, S. 523–576 (doi:10.1515/9783110910964.523).
  4. Ludwig Veit: Das Historische Archiv und das Archiv für Bildende Kunst. In: Bernward Deneke, Rainer Kahsnitz (Hrsg.): Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg 1852–1977. Beiträge zu seiner Geschichte. München 1978, ISBN 3-422-00684-2, S. 521–545.
  5. Infoseite
  6. Claus Pese: Mehr als nur Kunst. Das Archiv für Bildende Kunst im Germanischen Nationalmuseum. In: Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum. Band 2. Ostfildern-Ruit 1998, S. 136–145.
  7. Sucheinstieg Datenbank. Abgerufen am 30. Dezember 2023.
  8. Suchmaske. Abgerufen am 5. April 2023.
  9. Suchmaske. Abgerufen am 7. April 2023.
  10. Anna-K. Mayer, Mark Fichtner, Kathrin Fischeidl: Developing a CIDOC-CRM based archive information system in a German GLAM institution. In: Carla Teixeira Lopes, Cristina Ribeiro (Hrsg.): International Workshop on Archives and Linked Data, 25th International Conference on Theory and Practice of Digital Libraries (TPDL), 2021.
  11. Tobias Wildi: Die Erweiterung des Provenienzprinzips. Der neue Records in Contexts-Standard. In: Archiv. theorie & praxis. Band 76, Nr. 3, Juli 2023, S. 166–173.
  12. Recherche | Objektkatalog. Abgerufen am 7. April 2023.
  13. Historisches Archiv Online. In: ais-pure. Abgerufen am 19. Juli 2023.