Hyperprosopon argenteum

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Hyperprosopon argenteum

Hyperprosopon argenteum

Systematik
Barschverwandte (Percomorphaceae)
Ovalentaria
incertae sedis
Familie: Brandungsbarsche (Embiotocidae)
Gattung: Hyperprosopon
Art: Hyperprosopon argenteum
Wissenschaftlicher Name
Hyperprosopon argenteum
Gibbons, 1854
Hyperprosopon argenteum – aus Brehms Thierleben, 3. Aufl., Bd. 8, 1892

Hyperprosopon argenteum (englisch Walleye Surfperch) ist ein schwarmbildender Meeresfisch aus der Familie der Brandungsbarsche. Er lebt an der Pazifikküste Nordamerikas.

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie alle Brandungsbarsche ist Hyperprosopon argenteum oval scheibenförmig, also hochrückig und seitlich ziemlich abgeflacht. Er wird maximal 30 cm lang.[1] Diese Gestalt ist charakteristisch für Fische, die in der Brandungszone leben, aber strömungsarme Orte zum Nahrungserwerb aufsuchen. Die Wirbelsäule (33–37 Wirbel[2]) verläuft ganz gerade durch den Körper.

Die Färbung ist (bläulich-)silbrig[1] mit etwas dunklerem Kopf und Rücken. Oft zeigen die Fische bis zu zwölf dunkle Bänder über die Seiten, die oberhalb und unterhalb der bogigen Seitenlinie gegeneinander etwas versetzt erscheinen.[3] Manchmal sieht man auch ca. 20 horizontale, schimmernde Streifen über die Rumpfseiten. Die Schuppen sind sehr klein (ca. 80 entlang der Seitenlinie) und glattrandig (cycloid).

Flossen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Flossenformel: D VIII–X/25–28, A III/33–35, P 25–28, V I/5, C 21.

Die Brustflosse ist auffallend strahlenreich. Die mittleren Dorsalis-Hartstrahlen sind die längsten. Die Rückenflosse wird, wie bei allen Brandungsbarschen, in eine breite Furche niedergelegt (daher lautete eine frühere Bezeichnung für die Familie „Holconoti“,[4]Furchenrücken“).

Die Bauchflossen sind fast bauchständig und gegen den äußeren Rand hin schwarz gesäumt. Durch dieses Merkmal ist Hyperprosopon argenteum von ähnlichen Arten wie Hyperprosopon ellipticum leicht zu unterscheiden.[3]

Die Schwimmweise von Hyperprosopon argenteum ist – ebenfalls familiencharakteristisch – labriform. Dabei hält der Fisch Rumpf und Schwanz ruhig und rudert mit den großen dreieckigen Brustflossen. Auf Abbildungen sind diese oft stark zusammengefaltet dargestellt. Wenn sie aber dem Rumpf ausgebreitet anliegen, ist ihre Hinterkante halb so hoch wie dieser. Nur im Notfall, etwa zur Flucht oder in starker Strömung, wird die Schwanzflosse zur Beschleunigung eingesetzt – sonst nur als Steuer.

Schädel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Kopf ist zur Gänze beschuppt. Das Maul ist fein bezahnt, hinter der vorderen Zahnreihe stehen oft schon Ersatzzähne. Das Pflugscharbein (Vomer) und die daran anschließenden Gaumenbeine (Palatina) sind, wie bei der Unterordnung der Lippfischartigen allgemein, zahnlos. Der Oberkiefer kann kaum vorgeschoben werden.

Sehr auffallend ist die Größe der Augen (3/8 bis 1/3 der Kopflänge).[1] Alle Brandungsbarsche sind großäugig, aber für Hyperprosopon gilt das in besonderem Maße, obwohl die Brandungsbarsche meist tagaktiv sind. Allerdings scheinen die Jungfische (0+) auch nachts Plankton zu fressen. Die größeren Fische übernachten im Tangwald vor der Küste. Grund für den englischen Trivialnamen Walleye Surfperch ist eine Lichtreflexion an einem Netzhaut-Tapetum, welches das Dämmerungssehen verbessert, ähnlich wie bei der Katze. Das Absorptionsmaximum der Sehpigmente ist, wie bei anderen Fischen dieser kaum je ganz klaren Meereszone, nach Gelb verschoben.[5]

Das Praefrontale ist in der Mitte verbreitert und stützt den Augapfel vorne. Die Brandungsbarsche haben fünf oder sechs Branchiostegalstrahlen und keine Pylorusschläuche[6].

Vorkommen und Ökologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hyperprosopon argenteum kommt zwischen der Südküste von Vancouver Island in British Columbia (Kanada) und Punta Rosarito an der Küste des Bundesstaates Baja California (Mexiko) sowie auch um die Isla Guadalupe vor.[1] Er ist in Küstennähe überall dort häufig, wo Sandgrund zwischen Felsen mit Algenbewuchs (z. B. Seetang) vorherrscht, auch an Hafenmolen und Bootsstegen.

Der Temperatur-Bereich dieser von subtropischen bis temperaten Breiten vorkommenden Art liegt zwischen 7 und 21 °C.[7] Es gibt entsprechende saisonale Wanderungen in tieferes (bis in etwa 30 m) oder seichteres Wasser. Ein Teil der Fische zieht im Sommer zum Laichen[8] in flachere Buchten wie die kalifornische Humboldt Bay.[9] Gelegentlich dringen einzelne Schulen bis in Flussmündungen vor, das Brackwasser stört sie dabei nicht. Ihre Nahrung besteht aus kleineren epibenthischen Krebsen (Flohkrebse, Meerasseln, kleine Zehnfußkrebse, Schwebegarnelen, Muschelschaler), daneben auch etwa Borstenwürmer, Fischeier und -larven.[10] Entsprechend ist die Kiemenreuse gut entwickelt (mit ca. 32 Spinen am ersten Kiemenbogen). Im Gegensatz zu denen etlicher anderen Gebärfisch-Arten sind ihre Pharyngealia (die ventralen sind verwachsen) zu schwach, um auch Schnecken oder Muscheln in nennenswerten Mengen zerquetschen zu können.[11] Die Fische verfügen über Nasen mit je zwei Öffnungen, vier ganze Kiemen und freie Pseudobranchien.

Fortpflanzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegen den Herbst zu lösen sich die Schwärme (vorher oft hunderte Tiere) allmählich auf. Nach einem Werbe-Ritual der Männchen trifft jedes Weibchen für sich eine Wahl und es kommt zur Pärchen-Bildung. Die Männchen werden danach gegen etwaige Konkurrenten aggressiv und vertreiben sie. Meist von Oktober bis Dezember erfolgt die Begattung (auch mehrmals) durch sekundenlanges Aufeinanderpressen der etwas vortretenden Geschlechtsöffnungen, wobei die verdickten Hartstrahlen der Afterflosse des Männchens die Haftung verbessern. Die Jungen kommen nach etwa fünf bis sechs Monaten[12] im nächsten Frühjahr (Februar, März im Süden, Mai bis Juli im Norden) frei. Sie sind dann schon ca. 38 mm lang[1] und weitgehend ihren Eltern gleich. Sie wurden über das Gefäßsystem der Mutter (Pseudoplazenta im Ovar)[13] ernährt. Die Eier selbst sind sehr klein und dotterarm.

Die Geschlechtsreife tritt bei fast allen Männchen und bei 60 % der Weibchen innerhalb eines Jahres ein.[12] Man kennt Fälle von bereits geschlechtsreifen neugeborenen Männchen. Im ersten Lebensjahr sind die Muttertiere selbst noch klein (etwa 10–12 cm) und haben nur drei bis fünf Junge. Später nimmt diese Zahl auf durchschnittlich 10–12 Junge[1] zu. Die größten Weibchen, bis zu 30 cm lang und ca. 1 kg schwer, aber sehr selten, können bis zu 24 Embryonen austragen. Diese sind dann im Körper des Muttertieres eng geschlichtet. Die Leibeshöhle ist dann beiderseits der Hämaldornen der Schwanzwirbel noch ausgedehnt. Solche Weibchen sind dann sieben oder acht Jahre alt, das ist die maximale Lebensspanne, die Hyperprosopon argenteum erreichen kann. Junge Weibchen sind anfangs nur unwesentlich größer als gleichaltrige Männchen, ab dem dritten Lebensjahr kann man jedoch deutlichere Größenunterschiede feststellen.[9]

Gefährdung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dank vergleichsweise geringer Sterblichkeit bei den Jungfischen sind die ein bis drei Jahre alten Jungtiere die häufigsten und haben die meisten Nachkommen, obwohl sie individuell weniger Jungfische austragen können als ältere, größere Weibchen. Die älteren Fische fallen vermehrt Räubern zum Opfer (Seelöwen, Ottern, Vögeln wie dem Kormoran sowie Raubfischen wie Thunfischen und Barschen). Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurde eine merkliche Abnahme der Bestände beobachtet. Neben der Sportfischerei, die in Kalifornien eine große Bedeutung hat und von Bootsstegen und Hafenmolen aus erfolgreich betrieben werden kann, wurde auch der kommerzielle Fang durch Chinesen in Kalifornien begonnen. Nunmehr ist der Fang teilweise zeitlich, mengen- und größenmäßig reglementiert worden,[14] es gehen aber als Beifänge und durch Wilderei noch viele Exemplare dieser Art verloren. Dennoch konnte durch diese Schutzmaßnahmen in den Jahren 2007 bis 2009 eine Erholung der Bestände der Art Hyperprosopon argenteum gegenüber den 90er Jahren festgestellt werden.[15] Als Küstenfische, die bis in die Ästuare vordringen, sind die Populationen zumindest in Teilen des Verbreitungsgebietes durch die Entwicklung von Industrie und Besiedlung und das damit verbundene Abwasseraufkommen beeinflusst.

Geschichtliches zur Taxonomie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

William P. Gibbons beschrieb Hyperprosopon argenteum im Mai 1854 in einem Vortrag vor der California Academy of Natural Sciences. Er stellte damit für diese Art auch die neue Gattung Hyperprosopon auf. In diesem Vortrag beschrieb er auch Hyperprosopon ellipticus, den er damals allerdings in die Gattung Cymatogaster stellte. Im selben Jahr wurden die Beschreibungen auch in den Proceedings of the Academy of Natural Sciences of Philadelphia veröffentlicht. Hyperprosopon bedeutet wörtlich „Übergesicht“, und da ,Gesicht’ im Griechischen wie im Deutschen auch speziell den Sehsinn meinen kann, kann der Bezug zu den „übergroßen Augen“ leicht hergestellt werden. Tarp gibt eine einfachere Erklärung an: das Gesicht sei ‚aufwärts’ gerichtet.[6] Das Artepithet argenteum bedeutet silbern. Der englische Trivialname Silver Surfperch bezieht sich aber nicht auf diese Art, sondern auf den verwandten Hyperprosopon ellipticus. Hyperprosopon argenteum wird hingegen im Englischen als Walleye Surfperch bezeichnet. Alfred Brehm nannte den Fisch Silber-Doppelloch.[16] Die Bezeichnung Doppelloch ist eine Übersetzung des Gattungsnamens Ditrema, der 1862 von A. Günther für Hyperprosopon argenteum und einige Verwandte eingeführt worden war.[17] Brehm übernahm viele wissenschaftliche Namen und Beschreibungen der Fische von Günther. Heute ist dieser deutschsprachige Name für Hyperprosopon argenteum nicht mehr in Gebrauch.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • William P. Gibbons: Description of four new species of viviparous fish, read before the California Academy of Natural Sciences, Monday evening, May 15, 1854. Daily Placer Times and Transcript, Wednesday, May 18, 1854, page 2, column 3 [newspaper]. Also published later as: Description of four new species of viviparous fishes from Sacramento River, and the Bay of San Francisco. Proceedings of the Academy of Natural Sciences of Philadelphia, 7, S. 105–106, 1854 (Erstbeschreibung)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Hyperprosopon argenteum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Hyperprosopon argenteum auf Fishbase.org (englisch)
  • Walleye Surfperch (PDF; 1,2 MB) Review of the biology and fishery of the Embiotocids of British Columbia, S. 49–50 (Überblick über die Ökologie und Biologie von Hyperprosopon argenteum)
  • Walleye Surfperch Marine Sportfish Identification: Surfperch (kurze Übersicht und Steckbrief)
  • Walleye Surfperch Common Surfperches of California (Bilder und Vergleich mit anderen Arten)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f Roger Tory Peterson, Earl S. Herald, William N. Eschmeyer: A Field Guide to Pacific Coast Fishes: North America., Houghton Mifflin Verlag, 1999, ISBN 978-0618002122, S. 230.
  2. Hyperprosopon argenteum auf Fishbase.org (englisch, abgerufen am 19. Februar 2011)
  3. a b Common Surfperches of California (Memento des Originals vom 20. Juni 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dfg.ca.gov Vergleich verschiedener Arten
  4. Louis Agassiz: On extraordinary fishes from California, constituting a new family. American Journal of Scientific Arts, ser. 2, 16, separate, S. 1–12, 1853
  5. Frederick W. Munz: The Photosensitive Retinal Pigments of Fishes from relatively Turbid Coastal Waters. In: The Journal of General Physiology, 42, 2, S. 445–459, 1958 doi:10.1085/jgp.42.2.445
  6. a b Fred Harald Tarp: A Revision of the Family Embiotocidae (The Surfperches). California Department of Fish and Game, Fish Bulletin 88, 1952 (Online)
  7. E. D. Lane, W. Wulff, A. McDiarmid, D. E. Hay, B. Rusch: A review of the biology and fishery of the Embiotocids of British Columbia. S. 49. (Online; PDF; 1,2 MB)
  8. H. W. Frey: California's living marine resources and their utilization. Calif. Fish Game, Sacramento 1971
  9. a b Robert D. Anderson and Charles F. Bryan: Age and Growth of Three Surfperches (Embiotocidae) from Humboldt Bay. California Transactions of the American Fisheries Society, 99, S. 475–482, 1970 doi:10.1577/1548-8659(1970)99<475:AAGOTS>2.0.CO;2
  10. John R. Moring: Feeding of Underyearling Walleye Surfperch, Hyperprosopon argenteum, in a Northern California Bay. Estuaries, 7, 1, 1984, S. 103. (doi:10.2307/1351961)
  11. Edward E. DeMartini: A correlative study of the ecology and comparative feeding mechanism morphology of the Embiotocidae (surf-fishes) as evidence of the family's adaptive radiation into available ecological niches. Wasmann J. Biol., 27, S. 177–247, 1969
  12. a b Michael H. Horn: Intertidal Fishes: Life in Two Worlds. Academic Press, 1998, ISBN 978-0123560407, S. 168.
  13. John Keast Lord: Ditrema argenteum. In: The naturalist in Vancouver Island and British Columbia. Vol. 1, S. 106–120, 1866 (Volltext bei google books)
  14. North-Central Management Area: San Francisco Bay District Current California Ocean Recreational Fishing Regulations, Department of Fish and Game, Kalifornien, Update vom 1. Dezember 2010
  15. Surf Fish Population Study (Memento des Originals vom 12. November 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dfg.ca.gov Department of Fish and Game, Kalifornien
  16. Alfred Edmund Brehm: Brehms Tierleben. Allgemeine Kunde des Tierreichs. Band 8. Dritte Auflage, Bibliographisches Institut, Leipzig und Wien 1892, S. 204–205
  17. Albert Carl Ludwig Gotthilf Günther: Catalogue of the Acanthopterygian fishes in the collection of the British Museum, Vol. 4, London 1862, S. 245