Geodaten zu dieser Seite vorhanden

Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Höhlen und Eiszeitkunst
der Schwäbischen Alb
UNESCO-Welterbe UNESCO-Welterbe-Emblem

Vogelherdhöhle von innen
Vertragsstaat(en): Deutschland Deutschland
Typ: Kultur
Kriterien: (iii)
Referenz-Nr.: 1527
UNESCO-Region: Europa und Nordamerika
Geschichte der Einschreibung
Einschreibung: 2017  (Sitzung 41)

Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb[1] ist ein von der UNESCO gelisteter Eintrag des Weltkulturerbes in Deutschland.[2] Das Erbe umfasst neben der Eiszeitkunst sechs Höhlen auf der Schwäbischen Alb, in denen die ältesten Artefakte menschlichen Kunstschaffens gefunden worden sind. Da die nicht seltenen geologischen Formationen der Höhlen jedoch nur durch die Kunstwerke zu Weltkulturerbe erklärt werden konnten, entschied die UNESCO, hier die Eiszeitkunst als konstitutives Element mit in die Kulturerbedefinition aufzunehmen.

Die Fundstellen wurden als „Wiege der Kunst“ bezeichnet[3] und stellen eine der ersten Siedlungsgegenden des modernen Menschen in Europa dar.[4]

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Aurignacien war eine Kulturepoche, die etwa von 42.000 v. Chr. bis 31.000 v. Chr. dauerte. In Mitteleuropa ist es die älteste Kultur der jüngeren Altsteinzeit (Jungpaläolithikum). Klimageschichtlich fällt diese Epoche in die letzte Kaltzeit im Jungpleistozän, die in Süddeutschland als Würm-Kaltzeit bezeichnet wird.

Im Aurignacien breitete sich der anatomisch moderne Mensch (Homo sapiens) über Europa aus, während der Neandertaler verschwand. Auch wenn ornamentale künstlerische Formen bereits aus älterer Zeit bekannt sind, traten im Aurignacien erstmals figürliche künstlerische Darstellungen als Höhlenmalerei und Jungpaläolithische Kleinkunst auf, nahm also die bildende Kunst ihren Anfang. Aus dem Aurignacien stammen auch die ersten Knochenflöten, die zweifelsfrei als solche anerkannt werden und die auch die Ausübung von Musik in dieser Zeit belegen. Die Kunst des Aurignacien und späterer Epochen der letzten Kaltzeit wird auch zusammenfassend als Eiszeitkunst bezeichnet.

Einschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Gruppe von sechs Höhlen der Schwäbischen Alb (auch Schwäbischer Jura genannt) war 2015 auf Vorschlag von Baden-Württemberg mit der Bezeichnung Höhlen der ältesten Eiszeitkunst auf die Vorschlagsliste Deutschlands zur Aufnahme in das UNESCO-Welterbe gesetzt worden.[5] 2017 wurden die Höhlen aufgrund eines Beschlusses der 41. Sitzung des Welterbekomitees unter der Bezeichnung Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb als Kulturerbe in die Liste des UNESCO-Welterbes eingetragen.[6] Zusammenfassend heißt es dazu:[2]

„Die sechs Höhlen haben seit den 1860er Jahren Gegenstände aus der Zeit von vor 43.000 bis 33.000 Jahren offenbart. Darunter sind geschnitzte Tierfiguren (u. a. Höhlenlöwen, Mammuts, Pferde und Rinder), Musikinstrumente und persönliche Schmuckstücke. Andere Figuren stellen Kreaturen dar, die halb Tier, halb Mensch sind, und es gibt eine Statuette einer Frau. Diese archäologischen Stätten zeigen einige der ältesten figurativen Kunstwerke der Welt und geben Aufschluss über die Ursprünge der menschlichen künstlerischen Entwicklung.“

Die Eintragung erfolgte aufgrund des Kriteriums (iii).[2]

„(iii): Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura gibt ein außergewöhnliches Zeugnis der Kultur der ersten modernen Menschen, die sich in Europa niedergelassen haben. Außergewöhnliche Aspekte dieser Kultur, die in diesen Höhlen erhalten geblieben sind, sind Beispiele von geschnitzten Figuren, Gegenständen des persönlichen Schmucks und Musikinstrumenten. Die Kunstobjekte gehören zu den ältesten der Welt und die Musikinstrumente sind die ältesten, die bis heute weltweit gefunden wurden.“

Umfang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Welterbestätte umfasst zwei voneinander getrennte Areale, eines im Tal der Ach im Alb-Donau-Kreis und eines im Lonetal im Grenzgebiet von Alb-Donau-Kreis und Landkreis Heidenheim.[7] Sie haben insgesamt einen Schutzbereich von 462,1 ha und sind jeweils von einer Pufferzone umgeben, die insgesamt eine Fläche von 1.158,7 ha haben.[2] Jedes dieser Areale enthält drei Höhlen, die in den folgenden Tabellen jeweils in Richtung flussabwärts sortiert sind.

Ref.-Nr. Bezeichnung Höhlen Gemeinde Kreis Schutzbereich Pufferzone
1527-001 Achtal Hohler Fels (Lage) Schelklingen Alb-Donau-Kreis 271,7 ha 766,8 ha
Sirgensteinhöhle (Lage) Blaubeuren
Geißenklösterle (Lage)
1527-002 Lonetal Bocksteinhöhle (Lage) Rammingen Alb-Donau-Kreis 190,4 ha 391,9 ha
Hohlenstein-Stadel (Lage) Asselfingen
Vogelherdhöhle (Lage) Niederstotzingen Landkreis Heidenheim

Höhlen und Funde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus den Höhlen des Ach- und Lonetales und ihrer Umgebung sind (Stand 2016) insgesamt mehr als 50 figürliche Darstellungen sowie Fundstücke und Relikte von 24 Flöten aus dem Aurignacien bekannt.[8] Die häufig aus Mammutelfenbein geschnitzten Figuren und Musikinstrumente sind „das beeindruckendste frühe Ensemble von Kunstwerken, das bislang bekannt ist“.[9]

Die im Hohlen Fels gefundene Venusfigurine zählt mit einem Alter von ca. 42.000 bis 38.000 Jahren weltweit zu den ältesten bekannten figürlichen Darstellungen des menschlichen Körpers, der ähnlich alte Löwenmensch vom Hohlenstein-Stadel stellt einen Menschen mit dem Kopf und den Gliedmaßen eines Höhlenlöwen dar. In den anderen Höhlen wurden ähnlich einzigartige Funde gemacht, beispielsweise die etwa 40.000 Jahre alten Tierfigurinen der Vogelherdhöhle oder die 42.000 bis 43.000 Jahre alten Knochenflöten aus dem Geißenklösterle.

Bild der Höhle Name Beschreibung Funde Bild eines Fundes
Hohler Fels
weitere Bilder
Hohler Fels Die Höhle besteht aus einem 15 Meter langen Gang und einer darauffolgenden Halle, die mit einer Grundfläche 500 m² und einem Rauminhalt von 6000 m³ eine der größten der Schwäbischen Alb ist. Venusfigurine aus Mammut-Elfenbein, Flöte aus der Speiche eines Gänsegeiers, blattförmig bearbeitete Horn­stein­spitze[10] Venusfigur
weitere Bilder
Sirgensteinhöhle
weitere Bilder
Sirgensteinhöhle Die Gesamtlänge der Höhle beträgt 42 Meter bei maximal 10 Metern Höhe. Im hinteren Teil wird die Höhle durch natürliche Öffnungen in der Decke erhellt. 5000 Silexartefakte, Geschossspitzen, Pfrieme und Glätter Geschossspitze
weitere Bilder
Geißenklösterle
weitere Bilder
Geißenklösterle Die Halbhöhle ist durch zwei vor­springende Felswände geschützt. Sie liegt etwa 60 m über der Talsohle des Achtals. Adorant, in Elfen­bein­plättchen graviertes Mensch-Tier-Mischwesen, Flöten aus Knochen und Elfenbein Adorant
weitere Bilder
Bocksteinhöhle
weitere Bilder
Bocksteinhöhle Die Höhle ist eine etwa 15 m × 20 m große Halle im Felsen rund 50 m über der Talsohle des Lonetals. Großes Keilmesser (Bocksteinmesser) aus der Bocksteinschmiede Bocksteinmesser
Hohlenstein-Stadel
weitere Bilder
Hohlenstein-Stadel Die Höhle ist eine 50 m lange Horizontal­höhle ohne größere Hallen. Der Eingang ist 8 m breit und 4 m hoch. Löwenmensch aus Mammut-Elfenbein Löwenmensch
weitere Bilder
Vogelherdhöhle
weitere Bilder
Vogelherdhöhle Die Höhle hat drei Eingänge und besteht aus zwei Teilen: Die Große Vogelherdhöhle ist ein 40 m langer gebogener Gang zwischen zwei 2,5 bis 3,5 m hohen Mundlöchern, die Kleine Vogelherdhöhle ist am Ein­gang sehr eng und ebenfalls etwa 40 m lang. Ein Durchgang zwischen den zwei Höhlen ist bis auf einen mehrere Zentimeter hohen Spalt verschüttet. Tierfiguren aus Mammut-Elfenbein, Venusfigurine aus einem Wild­schwein­zahn Wildpferd
weitere Bilder

Museumspädagogische Darstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schwerpunktmäßig dargestellt und gewürdigt werden diese Höhlen und ihre paläolithischen Artefakte auf museumspädagogischem und szenografischem Weg im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren (in der Nähe der Höhlen im Achtal), im Archäopark Vogelherd (bei der Vogelherdhöhle im Lonetal, 2022 geschlossen), im Museum Ulm, im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart und im Museum der Universität Tübingen MUT. Von den in vier Museen und einem Archäopark ausgestellten Originalen befinden sich mehr als die Hälfte im MUT Alte Kulturen auf Schloss Hohentübingen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nicholas J. Conard, Michael Bolus, Ewa Dutkiewicz und Sibylle Wolf (Hrsg.): Eiszeitarchäologie auf der Schwäbischen Alb. Die Fundstellen im Ach- und Lonetal und in ihrer Umgebung. Kerns Verlag, Tübingen 2015, ISBN 978-3-935751-24-7.
  • Nicholas J. Conard, Ernst Seidl: Das Mammut vom Vogelherd. Tübinger Funde der ältesten erhaltenen Kunstwerke. MUT, Tübingen 2008, ISBN 978-3-9812736-0-1.
  • Nicholas J. Conard: Das Vogelherdpferd und die Ursprünge der Kunst (= Kleine Monographien des MUT 5). MUT, Tübingen 2016, ISBN 978-3-9817947-7-9.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Caves and Ice Age Art in the Swabian Jura – Sammlung von Bildern und Videos

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Originalbezeichnungen englisch Caves and Ice Age Art in the Swabian Jura, französisch Grottes et l’art de la période glaciaire dans le Jura souabe, deutsche Bezeichnung entsprechend Welterbeliste. In: www.unesco.de. Deutsche UNESCO-Kommission, abgerufen am 15. Juli 2018.
  2. a b c d Caves and Ice Age Art in the Swabian Jura. In: whc.unesco.org. UNESCO World Heritage Centre, abgerufen am 12. Juli 2017 (englisch).
  3. Deutschland, Wiege der Kunst. In: National Geographic Deutschland, Juni 2009.
  4. List of first human settlements|englischsprachige Wikipedia Seite
  5. Caves with the oldest Ice Age art (Memento vom 19. Juli 2017 im Internet Archive) In: whc.unesco.org, UNESCO World Heritage Centre (englisch).
  6. Decision: 41 COM 8B.24. In: whc.unesco.org. UNESCO World Heritage Centre, 2017, abgerufen am 11. Juli 2017 (englisch).
  7. Caves and Ice Age Art in the Swabian Jura. Maps. In: whc.unesco.org. UNESCO World Heritage Centre, abgerufen am 21. Juni 2018 (englisch).
  8. Eiszeitarchäologie auf der Schwäbischen Alb. Die Fundstellen im Ach- und Lonetal und in ihrer Umgebung. Hrsg. von Nicholas J. Conard, Michael Bolus, Ewa Dutkiewicz und Sibylle Wolf. Kerns Verlag, Tübingen 2015, ISBN 978-3-935751-24-7, S. 109.
  9. Eiszeitarchäologie auf der Schwäbischen Alb. Die Fundstellen im Ach- und Lonetal und in ihrer Umgebung. Hrsg. von Nicholas J. Conard, Michael Bolus, Ewa Dutkiewicz und Sibylle Wolf. Kerns Verlag, Tübingen 2015, ISBN 978-3-935751-24-7, S. 99.
  10. Nadja Podbregar: Fund am Hohle Fels - Feuerstein-Blattspitze belegt Großwildjagd der Neandertaler, auf: wıssenschaft.de/DAMALS.de vom 27. Juli 2021