Im Dickicht

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Im Dickicht
Originaltitel japanisch 藪の中
Transkription 藪の中 Yabu no naka
Land Japan
Genre Kurzgeschichte
Autor Akutagawa Ryūnosuke japanisch 芥川 龍之介
Verlag Shinchō
Erstpublikation 1922

Im Dickicht (japanisch 藪の中), auch übersetzt als In einem Bambuswald, ist eine japanische Kurzgeschichte von Ryūnosuke Akutagawa, die erstmals 1922 veröffentlicht wurde.[1][2] Sie wurde 2014 von „The Telegraph“ als eine der „10 besten asiatischen Kurzgeschichten aller Zeiten“ gewählt.[3] Im Dickicht wurde mehrfach adaptiert, vor allem von Akira Kurosawa für seinen preisgekrönten Film Rashōmon von 1950.

Die Geschichte dreht sich um den gewaltsamen Tod des jungen Samurai Kanazawa no Takehiro, dessen Leiche in einem Bambuswald in der Nähe von Kyōto gefunden wurde. Die vorangegangenen Ereignisse entfalten sich in einer Reihe von Zeugenaussagen, zuerst von Passanten, einem Hilfspolizisten und einem Verwandten, dann von den drei Hauptprotagonisten – dem Samurai, seiner Frau Masago und dem Banditen Tajōmaru, aber die Wahrheit bleibt aufgrund der widersprüchlichen Berichte verborgen.

Aufbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschichte ist in sieben Abschnitte unterteilt, einen für jeden Zeugen, die alle in direkter Rede gegeben werden. Die ersten vier richten sich explizit an einen „Polizeikommissar“ oder „Magistrat“ (orig. „kebiishi“),[2] wie in den Titeln der Abschnitte geschrieben. Die Funktionen der in den letzten drei Abschnitten angesprochenen Personen werden nicht erwähnt.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschichte beginnt mit Zeugenaussagen gegenüber einem Polizeikommissar. Der erste Bericht stammt von einem Holzfäller, der die Leiche eines Mannes im Bambushain in der Nähe der Straße nach Yamashina-ku, Kyoto, gefunden hat. Die Brust des Mannes war von einem Schwert durchbohrt worden, und das Blut aus der Wunde und auf dem Boden war bereits ausgetrocknet. Auf Nachfrage des Kommissars bestreitet der Holzfäller, Waffen oder ein Pferd gesehen zu haben. Die einzigen Gegenstände, die seine Aufmerksamkeit erregten, waren ein Kamm und ein Stück Seil in der Nähe des Körpers. Er kommentiert auch die zertrampelten Blätter an der Stelle und zeigt ihm an, dass es hier einen gewalttätigen Kampf gegeben hat.

Der zweite Zeuge ist ein reisenden buddhistischen Mönch. Er sagt, er habe den Mann, der von einer Frau mit verschleiertem Gesicht zu Pferd begleitet wurde, am Vortag gegen Mittag auf der Straße von Sekiyama nach Yamashina gesehen. Der Mann trug ein Schwert, einen Bogen und einen schwarzen Köcher mit Pfeilen.

Die nächste Person, die aussagt, ist ein „hōmen“, ein freigesprochener Gefangener, der unter Vertrag für die Polizei arbeitet. Er hat einen berüchtigten Verbrecher namens Tajōmaru gefangen genommen. Tajōmaru war von einem Pferd geworfen worden, einem Fuchs mit kurzen Mähnen, der in der Nähe weidete. Er trug noch immer den Bogen und den schwarzen Köcher mit Pfeilen, die dem Verstorbenen gehörten.

Die vierte Aussage stammt von einer alten Frau. Sie ist die Mutter der vermissten verschleierten Frau namens Masago. Sie identifiziert den Toten als den Ehemann ihrer Tochter, Samurai Kanazawa no Takehiro, der auf dem Weg nach Wakasa war. Sie beschreibt ihn als eine gütige Person, die von niemandem hätte gehasst werden können. Sie ist überzeugt, dass ihre Tochter keinen anderen Mann als Takehiro kannte und beschreibt ihren Charakter als willensstark. Verzweifelt über das unbekannte Schicksal ihrer Tochter fleht sie die Polizei an, sie zu finden.

Als Nächstes gesteht der gefangene Tajōmaru. Er gibt an, den Mann getötet zu haben, nicht aber die immer noch vermisste Frau. Als er Masago zum ersten Mal mit ihrem Mann auf der Straße sah, ihr verschleiertes Gesicht von einer Böe enthüllt, beschloss er, sie zu vergewaltigen. Er weckte das Interesse ihres Mannes, indem er vorgab, ein verlassenes Grab voller Schwerter und Spiegel gefunden zu haben, die er für einen bescheidenen Preis verkaufen wollte. Er lockte den Mann zuerst weg, bändigte ihn und band ihn an einen Baum, wobei er seinen Mund mit Blättern stopfte. Dann ging er zurück zu der Frau und erfand eine Geschichte, dass ihr Mann krank geworden sei. Als Masago ihren gefesselten Ehemann fand, zog sie einen Dolch aus seiner Brust und versuchte, Tajōmaru zu erstechen, aber er schaffte es, sie zu entwaffnen und sie dann zu verletzen. Tajōmaru behauptet, er habe ursprünglich nicht die Absicht gehabt, den Mann zu töten. Er berichtet, dass die Frau nach der Vergewaltigung an ihn klammerte und darauf bestand, dass einer der beiden Männer, die von ihrer Schande wussten, sterben musste und dass sie mit dem Überlebenden gehen würde. Tajōmaru stellte plötzlich fest, dass er sie für sich haben wollte. Er band Takehiro los und tötete ihn im anschließenden Duell. Als er sich an Masago wandte, stellte er fest, dass die Frau inzwischen geflohen war. Tajōmaru nahm die Waffen des Mannes sowie das Pferd und das Schwert.

Der letzte Bericht kommt von Takehiros Geist. Seine Botschaften wurden durch ein Medium überliefert. Der Geist sagt, dass Tajōmaru nach der Masagos Vergewaltigung sie überredete, ihr Ehemann zu verlassen und seine Frau werden. Tajōmaru erklärte, dass alles, was er tat, aus Liebe zu ihr geschah. Zu Takehiros Verachtung stimmte sie nicht nur zu, ihm zu folgen, sondern befahl ihm auch, Takehiro zu töten. Tajōmaru, von dem Vorschlag abgestoßen, trat sie zu Boden und fragte Takehiro, ob er sie töten solle. Während Takehiro noch zögerte, floh Masago in den Wald. Tajōmaru befreite ihn dann und rannte weg. Takehiro packte Masagos heruntergefallenen Dolch und stieß ihn sich in die Brust. Kurz bevor er starb, spürte er, wie sich jemand an ihn heranschlich und ihm den Dolch aus der Brust zog.

Publikationsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Dickicht erschien erstmals 1922 in der Januar-Ausgabe des monatlichen japanischen Literaturmagazins Shinchō.[4]

Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Yabu no naka wurde von Takashi Kojima als In a Grove für die englischsprachige Ausgabe von 1952 übersetzt, die von der C.E. Tuttle Company herausgegeben wurde.[5]

1964 wurde Im Dickicht von Jürgen Berndt zusammen mit anderen Novellen Akutagawas für den Verlag Volk und Welt ins Deutsche übersetzt.

1988 wurde eine Übersetzung von James O’Brien mit dem Titel Within a Grove als Teil einer Sammlung übersetzter Werke von Akutagawa und Dazai Osamu veröffentlicht, die vom Center for Asian Studies der Arizona State University herausgegeben wurde.[6]

Für die Penguin-Books-Ausgabe 2007 übersetzte Jay Rubin die Geschichte unter der Namen In a Bamboo Grove.[2]

Einflüsse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Akutagawas Einflüsse für diese Geschichte können aus verschiedenen Quellen stammen:[7][8]

  • Eine Geschichte aus der klassischen japanischen Sammlung „Konjaku Monogatarishū“: In der 23. Geschichte des 29. Bandes – „Die Geschichte des gefesselten Mannes, der seine Frau nach Tanba begleitete“ – wird ein Mann in einem Bambushain an einen Baum gefesselt und hilflos zusehen müssen, wie seine Frau von einem jungen Dieb vergewaltigt wird, der ihr gesamtes Hab und Gut gestohlen hat.
  • „The Moonlit Road“ (1907) von Ambrose Bierce: Eine Kurzgeschichte über den Mord an einer Frau, die von ihrem Ehemann und von sie selbst (durch ein Medium) erzählt und von ihrem Sohn vorgestellt wurde. „The Moonlit Road“ wurde als eine der Ideenvorlagen für „Im Dickicht“ von Ryūnosuke Akutagawa benutzt.[9]
  • „The Ring and the Book“ (1869) von Robert Browning: Ein Erzählgedicht, das auf der wahren Geschichte eines Mordes basiert, der auf 12 verschiedene Arten erzählt wird. Akutagawa übersetzte „The Ring and the Book“ in den 1920er Jahren ins Japanische.

Thema in Film und Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Im Dickicht“ wurde als Grundlage für mehreren Filmen benutzt, darunter:

Die Kurzgeschichte wurde in einer Oper mit dem Titel Rashomon: The Opera (1995–99) von Alejandro Viñao inszeniert.[21] Sie diente auch, zusammen mit zwei anderen Geschichten von Akutagawa, als Grundlage für Michael John LaChiusa's Musical See What I Wanna See.

Hörspielbearbeitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thema in der Popkultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Titel der Geschichte 藪の中 Yabu no naka ist in Japan zu einer Redewendung geworden, die eine Situation bezeichnet, in der aufgrund unterschiedlicher Ansichten oder Aussagen der beteiligten Personen die Wahrheit verborgen bleibt.[1]

„Im Dickicht“ ist die Lieblingsgeschichte der Titelfigur aus dem Film Ghost Dog – Der Weg des Samurai.

Die siebte Folge von R.O.D the TV mit dem Titel „In a Grove“ befasst sich mit einer ähnlich verwirrenden Mischung aus Wahrheit und Lüge, Realität und Schein.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Akutagawa: Japanische Novellen. Berlin Verlag Volk und Welt, 1966.
  • Giles Murray: Breaking into Japanese Literature. Kodansha, 2003, ISBN 4-7700-2899-7 (englisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b 藪の中. In: Kotobank. Abgerufen am 9. August 2021 (japanisch).
  2. a b c Ryunosuke Akutagawa, Rubin Jay: Rashomon and Seventeen Other Stories. Penguin Books, 2007 (englisch).
  3. 10 best Asian novels of all time. In: The Telegraph. 22. April 2014, abgerufen am 6. Dezember 2020 (englisch).
  4. Hisaaki Yamanouchi: The Search for Authenticity in Modern Japanese Literature. Cambridge University Press, Cambridge, New York, Melbourne 1978, S. 197 (englisch).
  5. Ryunosuke Akutagawa, Kujima Takashi: Rashomon and Other Stories. C.E. Tuttle Company, Tokyo 1952 (japanisch).
  6. James A. O’Brien: Akutagawa and Dazai : instances of literary adaptation. Center for Asian Studies, Arizona State University, Tempe, Ariz. 1988, ISBN 0-939252-18-X (englisch).
  7. Jan Walls: Rashomon Effects: Kurosawa, Rashomon and Their Legacies. Hrsg.: Davis Blair, Anderson Robert, Walls Jan. Routledge, 2016, ISBN 978-1-317-57464-4, From Konjaku and Bierce to Akutagawa to Kurosawa: Ripples and the Evolution of Rashomon, S. 11 (englisch, google.com).
  8. Kinoshita Kosuke: The Japanese Cinema Book. Hrsg.: Fujiki Hideaki, Phillips Alastair. Bloomsbury, 2020, ISBN 978-1-84457-681-4, Multi-viewpoint Narrative: From Rashomon (1950) to Confessions (2010), S. 91 (englisch, google.com).
  9. Blair Davis, Robert Anderson, Jan Walls: Rashomon Effects: Kurosawa, Rashomon and their legacies. Taylor & Francis, 2015, ISBN 978-1-317-57463-7, S. 41 (englisch, google.com).
  10. Der Film „Rashomon - Das Lustwäldchen“ in der Internet Movie Database. Abgerufen am 6. Dezember 2022 (englisch).
  11. IMDb: Film „Carrasco, der Schänder“ in der Internet Movie Database. Abgerufen am 6. Dezember 2022 (englisch).
  12. Der Film „Andha Naal (That Day)“ in der Internet Movie Database. Abgerufen am 6. Dezember 2022 (englisch).
  13. Iron Maze – Im Netz der Leidenschaft. In: fernsehserien.de. Abgerufen am 4. Dezember 2022.
  14. IMDb: Film „Yabu no naka“ in der Internet Movie Database. Abgerufen am 6. Dezember 2022 (englisch).
  15. IMDb: Der Film "Misty" in der Internet Movie Database. Abgerufen am 4. Dezember 2022 (englisch).
  16. IMDb: Film „Tajomaru“ in der Internet Movie Database. Abgerufen am 6. Dezember 2022 (englisch).
  17. IMDb: Film „U mong pa meung“ in der Internet Movie Database. Abgerufen am 6. Dezember 2022 (englisch).
  18. IMDb: Film „In a Grove“ in der Internet Movie Database (englisch). Abgerufen am 4. Dezember 2022 (englisch).
  19. IMDb: Film „Meshok bez dna“ in der Internet Movie Database. Abgerufen am 6. Dezember 2022 (englisch).
  20. IMDb: Film „Yaponskiy Bog“ in der Internet Movie Database (englisch). Abgerufen am 5. Dezember 2022 (englisch).
  21. Rashomon: The Opera. In: vinao.com. Abgerufen am 10. August 2021 (englisch).
  22. ARD-Hörspieldatenbank (Im Dickicht, SWF 1987)