Johann Friedrich Nerlich

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Johann Friedrich Nerlich (* um 1803 in Musternick, Kreis Glogau, Schlesien; † 12. April 1856 in Stralsund) war ein deutscher Orgelbauer in Stralsund.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut dem Totenbuch der St.-Marien-Kirchengemeinde in Stralsund wurde Johann Friedrich Nerlich um 1803 in Schlesien geboren. Weder der genaue Geburtsort noch das Geburtsdatum sind in der Sterbeeintragung genannt.[1] Auch sind die Orte seines beruflichen Werdegangs bislang unbekannt. Er soll aus Musternick (Moskorzyn), eine Ortschaft der Gemeinde Herzogtal, im Kreis Glogau (Głogów) stammen.[2] Aus welchen Beweggründen sich Nerlich in Stralsund niedergelassen hat, ist nicht bekannt.

Von 1844 ist ein erster Orgelneubau bekannt, von 1855 der letzte. In Patzig ist an der Orgel die Aufschrift „Nerlich & Haase“ zu finden. Dabei handelt es sich um Ferdinand Haase, Schankwirt und Orgelbauer aus Stralsund. Beide Namen werden auch im Zusammenhang mit der Orgel der Klosterkirche St. Johannis in Stralsund genannt.[3] Das Bürgerrecht der Stadt Stralsund erwarb Nerlich erst am 14. Oktober 1854.[4] Ab 1855 arbeitete er Matthias Fernau zusammen.[5] Am 12. April 1856 starb Nerlich in Stralsund an der Schwindsucht.[6] Höchstwahrscheinlich übernahm Fernau nach Nerlichs Tod dessen Werkstatt.

Werkliste (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Johann Friedrich Nerlich baute Orgeln im nördlichen Vorpommern. Ob er auch woanders Orgeln gebaut hat, ist bislang nicht bekannt. Typisch für Nerlich ist die Gehäusegestaltung. Meist baute er einen dreigeteilten Prospekt, bei dem der Mittelturm der höchste ist. Die Öffnungen für die Pfeifen erhielten anfangs Spitzbögen, später auch Rundbögen. Seine Orgeln sind immer einmanualig mit Pedal. Größere Instrumente wurden von Nerlich nicht geschaffen. Es ist davon auszugehen, das Nerlich immer als Vertragspartner fungierte und Haase bzw. Fernau als Teilhaber in das jeweilige Projekt involviert waren.

Das Werkverzeichnis ist bislang noch unvollständig.

Jahr Ort Gebäude Bild Manuale Regis-
ter
Bemerkungen
1844 Stralsund Arbeitshaus I/P 10 Die Orgel ist nicht erhalten. Im „Arbeitshaus“ stand in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Orgel von Nerlich und Haase, die 1844 in der Johanneskirche aufgestellt und dort Sachverständigen vorgeführt worden war.[7]
1846 Patzig St. Margarethen I/p 8 Die Orgel ist erhalten. Auf dem Firmenschild steht: Nerlich & Haase[8] 1999 wurde die Orgel restauriert.
1847 Neuenkirchen (Rügen) St. Maria Magdalena I/p 6 Die Orgel ist erhalten. Sie wurde am 12. Oktober 1847 eingeweiht.[9] 1892 wurde sie nach Swantow umgesetzt durch Paul Mehmel. Er baute auch einen neuen Prospekt.[10] 1999–2003 wurde die Orgel von Rainer Wolter aus Zudar (Rügen) restauriert.
1848 Prerow Seemannskirche
I/P 10 Die Orgel ist erhalten. → Orgel [11]
1848 Franzburg Kirche Franzburg  ?  ? Die Orgel ist nicht erhalten. Sie war seit 1968 nicht mehr benutzbar und wurde später abgerissen. 2007 Einbau einer Orgel von Paul Rother. Diese Orgel wurde wahrscheinlich bauartbedingt bereits um 1890 von dem Hamburger Orgelbaumeister Rother gebaut, sehr wahrscheinlich für eine andere Kirche mit Kuppelrückwand, worauf die Kröpfungen der längsten Pedalpfeifen hindeuten, bevor sie sich nachweisbar seit 1906 in der Anstaltskirche der Justizvollzugsanstalt Santa Fu Fuhlsbüttel befand. Diese Orgel gilt als eine der wenigen, ganz unverändert erhaltenen Orgeln des spätromantischen, norddeutschen Orgelbaus.
1848 Pinnow vor Usedom Dorfkirche
I/p 8 Die Orgel ist erhalten. Genaues Baujahr der Orgel ist derzeit nicht bekannt, es kann aber vom Sommer bzw. Herbst 1848 ausgegangen werden.[12] 1868 fand wohl ein Umbau der Orgel durch Barnim Grüneberg statt (Opus 105). 2013 erfolgte eine Generalrestaurierung der Orgel durch die Firma Mecklenburger Orgelbau.[13][14]
1848 Altefähr St. Nikolai ? ? Die Orgel ist nicht erhalten. 1913 erfolgte Neubau durch Felix Grüneberg im alten Gehäuse und mit Pfeifenwerk von Nerlich (Opus 687).[15][16]
1849 Ziethen St. Marien ? ? Die Orgel ist stark verändert erhalten. Sie wurde im Sommer 1849 erbaut.[17] 1937 wurde das Instrument komplett umgestaltet. Die Orgel erhielt dabei einen heute noch bestehenden Freipfeifenprospekt.[18]
1850 Semlow Dorfkirche
? ? Die Orgel ist nicht erhalten. Die Orgel wurde 1850 gebaut. 1913 baut Felix Grüneberg eine neue Orgel in das bestehende Gehäuse (Opus 686). Die Grüneberg-Orgel wurde 1999 restauriert.[19]
1850 Horst (Sundhagen) Dorfkirche I/P 13 Die Orgel ist erhalten. Orgel[20]
1854 Neuenkirchen (bei Greifswald) Dorfkirche
I/P 11 Die Orgel ist erhalten. Sie wurde 1984 von Rainer Wolter aus Zudar restauriert. Das Baujahr wurde teilweise mit 1836 angegeben. Aus einer anderen Quelle erfahren wir das Baujahr 1854.[21]
1855 Kemnitz bei Greifswald Heilig-Kreuz-Kirche
I/P 10 Die Orgel ist erhalten.[22] 1885 erfolgte ein Umbau durch Friedrich Mehmel. 1963 veränderte Firma Sauer die Orgel.[23] Im Orgelbauvertrag heißt es "Nerlich & Fernau" bauen die Orgel. Also muss der sich 1855 in Stralsund frisch niedergelassene Fernau, gleich als Kompagnon von Nerlich fungiert haben.
1856 ? ? I/P ? In der Erbmasse von Nerlich wird in der Stralsundischen Zeitung am 15. + 17. Juli 1856 folgendes erwähnt: Verkauft werden: „… zu einer neuen Orgel angefertigten Gegenständen: 1 Gehäuse, 2 Windladen, 190 Zinkpfeifen, 75 Holzpfeifen, und 1 Claviatur.“ Diese soll sofort meistbietend verkauft werden.[24]

Ob und wer die Orgelteile gekauft hat und wo diese eventuell aufgestellt worden sind, ist nicht bekannt. Die Orgel muss mindestens 5 Register gehabt haben. Wahrscheinlich hat Matthias Fernau die Werkstatt übernommen. Wo dieser das Orgelwerk hat aufstellen können, ist derzeit noch unbekannt.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kirchenbuch Stralsund St. Marien „Bestattungen 1850–1870“, S. 132. „Im Alter von 53 Jahren an der Schwindsucht verstorben“.
  2. Dietrich W. Prost: Stralsund als Orgelstadt, Verlag Dr. Kovac, Hamburg 1996. Dort S. 69. Prost schreibt fälschlicherweise „Musterwiek“ statt „Musternick“, ein Musterwiek ist nicht auffindbar.
  3. https://recherche.stralsund.de/objekt_start.fau?prj=internetzugriff&dm=Stadtarchiv&ref=359480
  4. Stadtarchiv der Hansestadt Stralsund. Abgerufen am 16. Juni 2023.
  5. 04.04.05. Kemnitz (m. Kapelle in Ludwigsburg): Bau und Instandhaltung einer Orgel in Kemnitz (Nerlich/Stralsund). 1847, abgerufen am 2. Februar 2024.
  6. Kirchenbuch Stralsund St. Marien „Bestattungen 1850–1870“, S. 132. „Im Alter von 53 Jahren an der Schwindsucht verstorben“.
  7. Dietrich W. Prost: Stralsunds Orgeln. Lauffen: Orgelbau-Fachverlag Rensch 1996, S. 152.
  8. Orgel in Patzig Sebastian Warmsiedler (pdf)
  9. 'Amtsblatt der Preußischen Regierung zu Stralsund. 1847 = Jg. 30' - Digitalisat | MDZ. Abgerufen am 23. Januar 2024.
  10. Über Orgelrestaurierung und Geschichte Kirche Poseritz
  11. Orgel in Prerow im Organindex
  12. 'Amtsblatt der Preußischen Regierung zu Stralsund. 1848 = Jg. 31' - Digitalisat | MDZ. Abgerufen am 23. Januar 2024.
  13. Die Orgel der Dorfkirche von Pinnow. Abgerufen am 31. August 2019.
  14. Murchin / Pinnow – Dorfkirche – Orgel Verzeichnis – Orgelarchiv Schmidt. Abgerufen am 26. April 2023.
  15. Orgel in Altefähr Sebastian Warmsiedler (pdf)
  16. Kasnevitz orgel | Suchergebnisse | Ariadne. Abgerufen am 2. Februar 2024.
  17. 'Amtsblatt der Preußischen Regierung zu Stralsund. 1849 = Jg. 32' - Digitalisat | MDZ. Abgerufen am 23. Januar 2024.
  18. Kirche in Ziethen bei Anklam. Abgerufen am 12. August 2023.
  19. Beschreibung Kirche Semlow (Memento vom 17. Juni 2019 im Internet Archive), auf eixen.de
  20. Orgel in Horst Orgeldatabase
  21. Landbuch des Herzogthums Pommern und des Fürstenthums Rügen: enthaltend Schilderung der Zustände dieser Lande in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. ¬Der Greifswalder Kreis : historische Beschreibung der einzelnen Ortschaften, mit Ausschluß der Stadt Greifswald und der Hochschule daselbst. Dietze, 1868 (google.com [abgerufen am 21. Januar 2024]).
  22. Landbuch des Herzogthums Pommern und des Fürstenthums Rügen: enthaltend Schilderung der Zustände dieser Lande in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. ¬Der Greifswalder Kreis : historische Beschreibung der einzelnen Ortschaften, mit Ausschluß der Stadt Greifswald und der Hochschule daselbst. Dietze, 1868 (google.com [abgerufen am 21. Januar 2024]).
  23. Orgel in Kemnitz Dorfkirchen in Mecklenburg-Vorpommern
  24. Stralsundische Zeitung: Stralsundische Zeitung. Abgerufen am 10. August 2023.