Johann Kaspar Thürriegel

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Johann Kaspar Thürriegel

Johann Kaspar Thürriegel (auch Johann Caspar von Thürrigel); (* 31. Juli 1722 in Gossersdorf; † 26. Januar 1800 in Pamplona, Spanien) war Angehöriger des preußischen Freikorps „Gschray“, Spion des sächsischen und französischen Geheimdienstes sowie Kolonistenwerber in Diensten der spanischen Krone.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thürriegel wurde als Sohn eines Halbbauern im Bayerischen Wald geboren.[1] Er war zunächst Schreiber in der Bräuverwaltung Gossersdorf, dann kurfürstlicher Gerichtsschreiber in Mitterfels. Mit zwanzig Jahren schloss er sich dem Freikorps Gschray an, trat dann aber als Kadett dem französischen Infanterieregiment „La Mark“ bei. Während des Siebenjährigen Krieges war er vor allem als Spion in französischen Diensten beschäftigt, wo er bis zum Oberstleutnant befördert wurde. Als sein Wunsch nach einem eigenen Freikorps in Frankreich nicht erfüllt wurde, schloss er sich 1760 dem neu gegründeten preußischen Freikorps seines alten Bekannten Gschray an. Nachdem es zum Streit gekommen war, denunzierte ihn Gschray beim König, worauf Thürriegel 1761 in Haft kam. Als sich seine Unschuld herausstellte, wurde er 1763 wieder aus der Haft entlassen. Thürriegel veröffentlichte 1766 eine Schmähschrift auf Gschray unter dem Titel: Der glückliche Bayerische Eisenamtmann, oder merkwürdige Lebensgeschichte des berüchtigten Königl. Preußischen Generalmajors Herrn v. Gschray.

1767 gelang es Thürriegel, den modernen und aufgeklärten König von Spanien, Karl III., für seinen Plan der inneren Kolonisation Spaniens zu begeistern. Mit einer entsprechenden Vollmacht der spanischen Krone ausgestattet, warb er in Süddeutschland (Baden, Württemberg, Pfalz, Kurfürstentümer Mainz und Trier), im Elsass, in Lothringen, in der Schweiz und in Flandern über 7.000 Siedler an, die in der Sierra Morena und Andalusien 15 Städte und 26 Kleinsiedlungen gründeten (u. a. Fuente Palmera, La Carolina, La Luisiana, La Carlota, Cañada Rosal, Aldeaquemada).

Die Regierungen der Herkunftsländer behinderten und verboten die Abwerbung, setzten teilweise sogar Kopfgelder auf Thürriegel aus. Entgegen seinem Vertrag mit der spanischen Krone konnte er daher nicht ausschließlich „wertvolle katholische Arbeiter“, sondern zu großen Teilen nur arme Tagelöhner, Land- und Wanderarbeiter sowie Fahrendes Volk anwerben. Nach dem Sturz des spanischen Leiters der Kolonisation, Superintendente de las Nuevas Poblaciones de Sierra Morena y Andalucía Pablo de Olavide y Jáuregui, verfielen die Siedlungen zwischenzeitlich. Durch den von Beginn an erwünschten Prozess der Hispanisierung nahmen die überwiegend deutschsprachigen Einwanderer bald die spanische Sprache an. Im Jahr 1835 wurde der Sonderstatus aufgehoben und die neuen Städte und Dörfer in die normalen Provinzverwaltungen integriert.

Thürriegel wurde 1787 wegen eines Zollvergehens zu zehnjähriger Festungshaft in Pamplona verurteilt. Nach einiger Zeit gelang ihm die Flucht. Doch statt über die Grenze nach Frankreich zu fliehen, wandte er sich an den König, warf sich ihm zu Füßen und bat um Gerechtigkeit oder Gnade.[2] In die Zitadelle in Pamplona zurückgeschafft, starb er dort in vermutlich eher milder Festungshaft am 26. Januar 1800. Laut Benachrichtigungsbrief des Gerichtsschreibers Mariano de Comas an die Witwe Thürriegels hinterließ er eine Barschaft von 15.053 Reales sowie ältere Möbel. „Señora condesa de Schwanenfeld y Turrijel“ wurde anheimgestellt, die Möbel abzuholen. „Don Juan Gaspar de Turrijel“ sei an der Kirche der Zitadelle begraben worden.[3]

Die Cuatro Reinos de Andalucía und die Nuevas Poblaciones de Andalucía

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 31. Juli 2011 wurde Johann Kaspar Thürriegel in seiner Heimatgemeinde Gossersdorf im Bayerischen Wald ein Denkmal gesetzt.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der glückliche Bayerische Eisenamtmann, oder Merkwürdige Lebensgeschichte des berüchtigten Königl. Preußischen Generalmajors Herrn v. Gschray, Nebst geheimen Nachrichten sowohl von dessen Anverwandten, als auch von dem Obristlieutenant Herrn v. Thürriegel. Mit authentischen Beylagen, Briefen und Schriften versehen. Frankfurt und Leipzig 1766.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Pleikard Joseph Stumpf: Denkwürdige Bayern. Rieger, München 1865. S. 242f
  • Karl Theodor von Heigel: Thürriegel, Josef Kaspar. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 230–233.
  • Joseph Weiß: Die deutsche Kolonie in der Sierra Morena und ihr Gründer Johann Caspar von Thürrigel, ein bayerischer Abenteurer des 18. Jahrhunderts. Bachem, Köln 1907.
  • Georg Niemeier: Die deutschen Kolonien in Südspanien: Beiträge zur Kulturgeographie der untergegangenen Deutschtumsinseln in der Sierra Morena und in Niederandalusien. Behre, Hamburg 1937.
  • Hermann Baier: Mit Thürriegel in die Sierra Morena. In: Mein Heimatland. Badische Blätte für Volkskunde, 1, 1937, S. 80–82.
  • Rudolf Reichhart: Johann Kaspar von Thürriegel. In: Michael Wellenhofer (Hrsg.): Der Landkreis Straubing-Bogen. Landkreis Straubing-Bogen, Straubing 1984. S. 271–273.
  • María Palacios Alcalde: El último manifiesto del Cornel Thürriegel desde el presidio de Pamplona. In: Miguel Avilés, Guillermo Sena (Hrsg.): Nuevas poblaciones en la España moderna. UNED, Madrid 1991. ISBN 84-87785-00-X, S. 233–252.
  • Hans Hofmann: Johann Caspar Thürriegel aus Gossersdorf. Der Aufstieg und Untergang eines Abenteuerers im 18. Jahrhundert. In: Der Bayerwald, Heft 2, 2004, S. 17–20.
  • Alois Schmid: Johann Kaspar von Thürriegel (1722–1795) und seine Kolonie in der Sierra Morena. In: Alois Schmid, Katharina Weigand (Hrsg.): Bayern mitten in Europa. Vom Frühmittelalter bis ins 20. Jahrhundert. C. H. Beck, München 2005. ISBN 3-406-52898-8, S. 228–241.
  • Adolfo Hamer Flores: Las Nuevas Poblaciones de Andalucía y sus primeros colonos (1768–1771). Bubok, Madrid 2009. ISBN 978-84-9916-187-7.
  • Adolfo Hamer Flores: Las últimas voluntades de Johann Kaspar von Thürriegel (1722–1800), coronel bávaro al servicio de Carlos III. In: Ámbitos. Revista de Estudios de Ciencias Sociales y Humanidades, 23, 2010, S. 113–119.
  • Alois Schmid: Johann Kaspar Thürriegel aus Gossersdorf: Abenteurer und Kolonisator. In: Historischer Verein für Straubing und Umgebung, 113, 2011, S. 213–232.
  • Nicola Veith: Spanische Aufklärung und südwestdeutsche Migration. Auswandererkolonien des 18. Jahrhunderts in Andalusien. In: Beiträge zur pfälzischen Volkskunde, Bd. 13. Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, Kaiserslautern, 2020. ISBN 978-3-927754-97-3.

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Engelbert Schwarzenbeck: Der Vizekönig der Sierra Morena. Wie der bayerische Abenteurer Johann Kaspar Thürriegel in Andalusien eine Kolonie gründete. Fernsehdokumentation des Bayerischen Rundfunks, 2002

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Er gehörte nicht zum damals schon erloschenen fränkischen Adelsgeschlecht Türriegel von Riegelstein. Zur ausführlichen Biographie Thürriegels vor seiner Ankunft in Spanien vgl. Joseph Weiß, 1907, S. 15–27.
  2. Joseph Weiß, 1907, S. 111.
  3. Adolfo Hamer Flores, 2010, S. 118.