Johannes Klimakos

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Johannes Klimakos, Scala paradisi in der 1258/1259 geschriebenen Handschrift Mailand, Biblioteca Ambrosiana, D 58 sup., fol. 58v

Johannes Klimakos (altgriechisch Ἰωάννης Κλίμακος, auch genannt Johannes von der Leiter (Klimax = „Treppe“, „Leiter“), * vor 579; † um 649)[1] war ein Heiliger, Mönch und griechisch schreibender spiritueller asketischer Schriftsteller. Er gilt als einer der bedeutendsten Lehrer des frühen Hesychasmus.[2]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über das Leben des Johannes Klimakos ist wenig Sicheres überliefert. Der Legende nach wurde er als Sechzehnjähriger Mönch und trat in das Katharinenkloster am Berg Sinai ein. Dort habe er sich vier Jahre als Novize prüfen und unterweisen lassen. Danach soll er sich an den nahen Ort Thola zurückgezogen und dort jahrzehntelang asketisch gelebt haben. Gleichzeitig habe er einige Schüler in der Askese unterrichtet. Trotz seiner strengen Lebensweise wurde Johannes der Überlieferung nach von einigen Mönchen als geschwätziger und kindischer Mann bezeichnet, woraufhin er sich ein Jahr lang strenges Schweigen auferlegte. Daraufhin wählte man ihn nach 40 Jahren als Eremit zum Abt des Katharinenklosters.

Inzwischen ist diese Überlieferung als historisch unplausibel erwiesen worden.[3] Die kunstvollen rhetorischen Figuren in seinen Schriften, sowie philosophische Denkformen weisen auf eine gediegene akademische Bildung hin, wie sie während seiner Epoche für einen Beruf in Verwaltung und Rechtswesen üblich war. Im Sinai konnte eine solche Ausbildung nicht erworben werden.[4] Darüber hinaus weisen lebensgeschichtliche Beobachtungen darauf hin, dass er wohl am Meer lebte, vermutlich in Gaza, und dort anscheinend einen juristischen Beruf ausübte. Erst nach dem Tod seiner Frau, mit Anfang vierzig, dürfte er ins Sinai-Kloster eingetreten sein. Diese Erkenntnisse erklären auch den Horizont und die literarische Qualität seiner Schriften, die einen deutlichen philosophischen Hintergrund haben. Die Legende von seiner Weltentsagung mit 16 Jahren beruht demnach auf dem Motiv, ihn als von weltlicher Bildung unberührt darzustellen, wie es sich auch in anderen Viten von Heiligen findet. Deren Wurzeln in theologischen und philosophischen Bildungstraditionen werden damit bewusst verwischt.

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ikonographie der „Himmelsleiter“

Johannes fertigte zahlreiche asketische Schriften an, in denen er einen Weg zur christlichen Vollkommenheit vorzeichnete. Sein Hauptwerk ist Klimax tu paradeísu („Treppe zum Paradies“, lateinisch Scala paradisi). Dieses Werk, dem Johannes seinen Beinamen verdankt, erhielt seinen Namen nach Jakobs Traum von der Himmelsleiter (Gen 28, 10–19). Johannes schildert darin den Weg des Mönchs zur Vollkommenheit in 30 Graden (Leitersprossen). Über die Phasen des „Bruchs mit der Welt“, der Erlernung der Grundtugenden, der anschließenden „Reinigung des Gottsuchers“ und der „Krönung des ‚Weges der Praxis‘“ gelangt der Mönch schließlich zur „Einigung mit Gott“.

Die Beobachtung von Wilhelm Bousset,[5] dass die Alte Kirche nicht die alten Religionen des Mittelmeerraumes (siehe auch Hellenismus, Spätantike) weiterführt, sondern die Philosophie der Griechen, wird durch Johannes ganz bestätigt:

„παρὰ ἀνθρώποις οὐκ ἔστι, φησὶν, οὐκ ἔστι τὴν ἐνστῶσαν ἡμέραν εὐσεϐῶς διεξιέναι, εἰ μὴ αὐτὴν ἐσχάτην παντὸς τοῦ βὶου λογισώμεθα. Καὶ θαῦμα ὄντως πῶς καὶ Ἕλληνές τι τοιοῦτον ἐφθέγξαντο, ἐπεὶ καὶ φιλοσοφίαν τοῦτο εἶναι ὁρίζονται, μελέτην θανάτου.“ – ‚Fieri non potest, inquit nonnemo, non potest fieri inter mortales, ut praesentem diem satis pie religioseque transigamus, nisi illum ipsum diem totius vitae supremum ultimumque existimemus. Et sane permirum est, quomodo et pagani scriptores aliquid id genus pronuntiarint, qui studium sapientae nihil aliud esse dixerunt quam meditationem mortis.‘ – „Es ist nicht möglich, sagte jemand, den gegenwärtigen Tag rechtschaffen zuzubringen, es sei denn, man hielte ihn für den letzten unseres Lebens. Und es ist schon bemerkenswert, dass auch die Griechen so etwas behaupteten. Philosophie definierten sie als Nachsinnen über den Tod.“

Johannes Klimakos[6]

Nachleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Textstücke aus der Treppe zum Paradies wurden in der Kleinen Philokalie abgedruckt, einem weit verbreiteten Andachtsbuch der russisch-orthodoxen Kirche.

„Die Leiter, die auf dringliche Bitte des Abtes des nahen Klosters von Raithu am Sinai verfaßt wurde, ist ein vollständiger Traktat über das geistliche Leben, in dem Johannes den monastischen Weg vom Verzicht auf die Welt bis hin zur Vollkommenheit der Liebe beschreibt. Es ist ein Weg, der nach diesem Buch über dreißig Stufen verläuft, von denen jede mit der nachfolgenden verbunden ist.“

Der Festtag des heiligen Johannes Klimakos ist der 30. März. Er wird in der Kunst als Asket und Greis mit einem langen Bart dargestellt, oftmals auch mit der Himmelsleiter. In der Orthodoxen Kirche ist der vierte Sonntag der Großen Fastenzeit dem Gedenken an Johannes Klimakos gewidmet. In den orthodoxen Klöstern wird in dieser Fastenzeit aus der Himmelsleiter vorgelesen.[8] Der Mönch Daniel aus dem nahen Kloster Raithu schrieb die Vita des Johannes Klimakos.

Søren Kierkegaard veröffentlichte seine Philosophische Brocken (1844) unter dem Pseudonym Johannes Climacus.

Textausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Matthäus Rader (Hg.): Του εν αγιοις πατρος ημων Ιωαννου Σχωλαστικου, του ηγουμενου του αγιου ορους Σινα, απαντα (Tu en hagiois patros hēmōn Iōannu Scholastiku, tu hēgumenu tu hagiu orus Sina, hapanta). Sancti Patris Nostri Ioannis Scholastici abbatis montis Sina, qui vulgò Climacus appelatur, opera omnia. Sumptibus Sébastien Cramoisy, Lutetiae Parisiorvm 1633.
  • Jacques-Paul Migne (Hg.): Του εν αγιοις πατρος ημων Ιωαννου Σχωλαστικου, του ηγουμενου του αγιου ορουσ Σινα, απαντα (Tu en hagiois patros hēmōn Iōannu Scholastiku, tu hēgumenu tu hagiu orus Sina, hapanta). Sancti Patris Nostri Joannis Scholastici, vulgo Climaci, abbatis montis Sina, opera omnia. Patrologiae cursus completus […], series graeca 88. DNB 457770686
Patrologia cursus completus […] omnium SS. patrum, doctorum scriptorumque ecclesiasticorum sive Latinorum, sive Graecorum; Nachdruck-Bände verlegt im Brepols-Verlag, Turnhout (Belgien). DNB 457769645

Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Franz Sales Handwercher: Die Leiter zum Paradiese. Oder: Vorschriften, wodurch eifrige Seelen zur christlichen Vollkommenheit geleitet werden. Aus dem griechischen Urtexte des heiligen Kirchenvaters Johannes Klimakus, Abtes auf dem Berge Sinai; nebst seinen übrigen Schriften; mit Erklärungen des Elias, Erzbischofes von Kreta, und Anmerkungen aus der heiligen Schrift und den Werken heiliger Kirchenväter. EA Krüll, Landshut 1834. 2. Auflage, Manz, Regensburg 1874 (Leitsterne auf der Bahn des Heils Bd. 7 = Neue Folge Bd. 1).
  • Heiliger Johannes vom Sinai: Klimax oder die Himmelsleiter. Übersetzt von Geōrgios Makedos, Vorwort von Damianos, Erzbischof des Sinai. Der Christliche Osten, Würzburg 2000, ISBN 3-927894-26-5.
  • Sentenzen des Johannes Climacus vom Sinai. In: Zwischen Welt und Wüste. Worte christlicher Araber. Aus dem Syr., Äthiop., Arab. und Griech. übers. und hrsg. von Klaus Berger. Insel-Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 2006, ISBN 3-458-19275-1, S. 56–83 (Auswahlübersetzung).
  • John Climacus: The Ladder of Divine Ascent. Herausgegeben und übersetzt von Colm Luibhéid und Norman Russell. Paulist Press, New York 1982.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sämtliche Werke und Briefe (Hg.: Gerhard Schaub, Ernst Teubner; Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung zu Darmstadt in Zusammenarbeit mit der Hugo-Ball-Gesellschaft, Pirmasens). Wallstein, Göttingen 2003 ff. (Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 81). ISBN 978-3-89244-701-6
Bd. 7 (Hg., Kommentar: Bernd Wacker). Ibid. 2011. ISBN 978-3-89244-779-5
  • Henrik Rydell Johnsén: Reading John Climacus: Rhetorical Argumentation, Literary Convention and the Tradition of Monastic Formation. Lund University Press, Lund 2007.
  • John M. Duffy: Reading John Climacus: Rhetorical Argumentation, Literary Convention and the Tradition of Monastic Formation (review). In: Journal of Early Christian Studies. Band 18, Nummer 1, 2010, S. 145–146, doi:10.1353/earl.0.0303
  • Philippos Savvopoulos: Ekstatische Person als Bildungsziel bei Johannes Klimakos. Ein Beitrag zur griechisch-orthodoxen Pädagogik (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 11: Pädagogik. Band 278). Lang, Frankfurt am Main/Bern/New York 1986, ISBN 3-8204-8989-4
  • Michael PlathowJohannes Klimakus. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 3, Bautz, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-035-2, Sp. 442–443.
  • Erhard Gorys: Lexikon der Heiligen. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1997, ISBN 3-423-32507-0. 5. Auflage ebenda 2004, ISBN 3-423-34149-1.
  • Andreas Müller: Das Konzept des geistlichen Gehorsams bei Johannes Sinaites. Zur Entwicklungsgeschichte eines Elements orthodoxer Konfessionskultur (= Studien und Texte zu Antike und Christentum. Band 37) Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-148965-9 (zugleich Habilitationsschrift, Universität München 2003).
  • Wunibald Müller: Dreißig Stufen zum Paradies. Ein spirituelles Lebensprogramm. Echter, Würzburg 2010, ISBN 978-3-429-03296-8.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Johannes Klimakos – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Werke von Johannes Klimakos

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Erhard Gorys: Lexikon der Heiligen, S. 169. Das BBKL nimmt seine Lebenszeit hingegen zwischen 525 und 600/616 an.
  2. John Climacus: The Ladder of Divine Ascent. Herausgegeben und übersetzt von Colm Luibhéid und Norman Russell. Paulist Press, New York 1982.
  3. Henrik Rydell Johnsén: Reading John Climacus: Rhetorical Argumentation, Literary Convention and the Tradition of Monastic Formation. Lund University Press, Lund 2007.
  4. John M. Duffy: Reading John Climacus: Rhetorical Argumentation, Literary Convention and the Tradition of Monastic Formation (review). In: Journal of Early Christian Studies. Band 18, Nummer 1, 2010, S. 145–146, doi:10.1353/earl.0.0303.
  5. Apophthegmata. Studien zur Geschichte des ältesten Mönchtums. (Aus dem Nachlass hrsg. von Theodor Hermann und Gustav Krüger), Mohr, Tübingen 1923 DNB 579238172. ND Scientia-Verlag, Aalen 1969. DNB 456170065
  6. Λογος ϛ' · Gradus VI: Περὶ μνήμης θανάτου · De memoria mortis. Migne: Patrologiae cursus completus […], series graeca 88, 145; Sp. 797 f. · Klaus Berger, S. 63. – Platon (Φαίδων · Phaidon 61d-e): „καὶ γὰρ ἴσως καὶ μάλιστα πρέπει μέλλοντα ἐκεῖσε ἀποδημεῖν διασκοπεῖν τε καὶ μυθολογεῖν περὶ τῆς ἀποδημίας τῆς ἐκεῖ, ποίαν τινὰ αὐτὴν οἰόμεθα εἶναι· τί γὰρ ἄν τις καὶ ποιοῖ ἄλλο ἐν τῷ μέχρι ἡλίου δυσμῶν χρόνῳ;“ · „Auch ziemt es sich ja wohl am besten, dass der, welcher dabei ist, dorthin zu wandern, nachsinne und sich Bilder mache über die Reise dorthin, wie man sie sich wohl zu denken habe. Was könnte einer auch wohl noch weiter tun in der Zeit bis zum Untergang der Sonne?“ – Marcus Tullius Cicero (Tusculanae disputationes · Gespräche in Tusculum I, 30): „Tota philosophorum vita commentatio mortis est.“ · „Das ganze Leben der Philosophen ist ein Denken an den Tod.“ – Mark Aurel (Τὰ εἰς ἑαυτόν · Selbstbetrachtungen IV, 17): „Μὴ ὡς μύρια μέλλων ἔτη ζῆν. τὸ χρεὼν ἐπήρτηται· ἕως ζῇς, ἕως ἔξεστιν, ἀγαθὸς γενοῦ.“ · „Tu nicht, als wenn du Tausende von Jahren zu leben hättest. Der Tod schwebt über deinem Haupte. So lange du noch lebst, so lange du noch kannst, sei ein rechtschaffener Mensch.“
  7. Katechese von Papst Benedikt XVI. am 11. Februar 2009 (Webdokument, vatican.va).
  8. 4. Sonntag der Fastenzeit – Hl. Johannes Klimakos; abgerufen am 25. Februar 2013.