Kent Nagano
Kent Nagano (* 22. November 1951 in Berkeley, USA) ist ein US-amerikanischer Dirigent mit japanischen Wurzeln.
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Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kent Nagano wuchs in Morro Bay, Kalifornien auf. Sein Vater George Kimiyoshi war Architekt und Mathematiker, seine Mutter Ruth Okamoto war Mikrobiologin und eine gute Pianistin. Beide hatten an der University of California, Berkeley studiert. Naganos Großeltern väterlicherseits wanderten 1917 von Japan nach Kalifornien aus und betrieben dort Landwirtschaft mit Gemüseanbau. Als sie ernstlich erkrankten, übernahmen Kents Eltern die Farm der Großeltern in Morro Bay. Dort wuchs er ohne Fernsehen, Kino und Stereoanlage auf, anstelle dessen gab es ein Klavier. Von früh an machte er mit seiner Familie Hausmusik. Als er in die örtliche Grundschule (Elementary School) eingeschult wurde, besuchte er vor und nach dem Unterricht eine dort integrierte Musikschule. Unterrichtet wurde er in Klavier und Klarinette von dem an der Münchner Musikhochschule ausgebildeten Georgier Wachtang Korisheli, einem studierten Philosophen und Hobbymaler, der manchmal auch Grundkurse in Kunstgeschichte oder Philosophie für die Kinder gab. Mit dem Lernen und Üben konnten Schule und Musik bis zu 12 Stunden täglich dauern.[1]
Bereits als Achtjähriger dirigierte er den Kirchenchor. Von 1970 bis 1974 studierte er zunächst an der Universität von Santa Cruz Soziologie und Musik. Er setzte sein Studium in San Francisco bis 1978 fort. Hier lernte er bei dem emigrierten legendären László Varga, einem Cellisten, der u. a. auch bei den New Yorker Philharmonikern Mitglied war. Nebenbei dirigierte Nagano an der Universität Werke seiner Kommilitonen.
Nach seinem Studium ging er an die Oper in Boston als Korrepetitor. Seine Verehrung für Olivier Messiaen führte bald zu einer Freundschaft mit ihm. Nagano wurde 1984 international bekannt, als Messiaen Seiji Ozawa empfahl, ihn bei der Vorbereitung zur Premiere seiner einzigen Oper „Saint François d'Assise“ assistieren zu lassen. Diese nur selten aufgeführte Oper dirigierte er dann 1998 selbst bei den Salzburger Festspielen. Mittlerweile hat er das gesamte Konzertwerk Messiaens auf Tonträger eingespielt. Ab 1984 dirigierte er das Bostoner Sinfonie-Orchester. Seine Karriere setzte er 1989 in Lyon fort, wo er bis 1998 als musikalischer Leiter der Opéra National de Lyon diese zur zweitwichtigsten Opernbühne Frankreichs machte. Daneben wurde er von 1991 an auch Music Director beim zweitältesten britischen Orchester, dem Hallé-Orchester in Manchester bis zum Ende der Saison 1999/2000. 1994 gab er sein Debüt an der Metropolitan Opera in New York mit Francis Poulencs „Dialogues des Carmelites“.
Im Jahr 2000 dirigierte er bei den Salzburger Festspielen die Uraufführung von Kaija Saariahos Oper L'Amour de loin. 2000 übernahm Nagano die künstlerische Leitung des Deutschen Symphonie-Orchesters in Berlin (bis Spielzeitende 2006). Daneben ist er zurzeit auch Gastdirigent in Los Angeles. Von 2006 bis 2013 leitete Nagano als Generalmusikdirektor die Bayerische Staatsoper. Er ist auch Music Director des Orchestre symphonique de Montréal, bei dem er den Vertrag bis zum Jahr 2020 verlängert hat.[2] Seit 2015 ist er Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper und des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg, Opern- und Orchesterintendant ist der Schweizer Georges Delnon. 2016 leitete Nagano an der Hamburgischen Staatsoper die Uraufführung von Toshio Hosokawas Oper Stilles Meer.[3]
Nagano ist ein vielbeschäftigter und gefragter Star unter den internationalen Dirigenten. Neben seinen jeweiligen Leitungsfunktionen dirigiert er auch die angesehensten Orchester der Welt. Überall dort, wo Nagano für längere Zeit ein Engagement hatte, versuchte er neben der Traditionspflege auch ein junges Publikum mit einem innovativen Konzertprogramm an die Klassik und die Moderne heranzuführen. Besonders liegt ihm die musikalische Förderung nicht nur des begabten Nachwuchses am Herzen, da er von der Kraft der Kultivation durch Musizierpraxis überzeugt ist, wie er sie in seiner Schulzeit selbst erlebt hat.
Kent Nagano ist seit 1991 mit der japanischen Pianistin Mari Kodama [4] verheiratet und hat mit ihr eine Tochter.[5]
Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- 2008: Orden der Aufgehenden Sonne, Gold Rays with Rosette [6]
- 2010: Wilhelm-Furtwängler-Preis, Beethovenfest Bonn
- 2011: Bayerische Europamedaille [7]
- 2012: Wilhelm-Furtwängler-Preis
- 2013: Bayerischer Verdienstorden
- 2017: Echo Klassik (Dirigent des Jahres)
Zitate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
„Durch Fragen, die die Künste aufwerfen, und durch Antworten, die sie herausfordern, erleben wir eine Schönheit, die mit schönem Aussehen nichts zu tun hat. Auch Schwäche, Tragisches oder Abstoßendes kann unglaublich schön sein. Denn schön ist jede Erfahrung, die uns dem Wesenskern der Dinge, dem Urgrund allen Daseins näher bringt. […]
Mir ist klar, dass die schönen Künste, Tanz, Musik und Theater, nicht für jeden Menschen dieselbe Bedeutung haben können, dass sie nicht so leicht zugänglich sind wie Pop-Art oder Pop-Musik.“
Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- mit Inge Kloepfer: Erwarten Sie Wunder! Expect the Unexpected. Berlin-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-8270-1233-3, Inhaltsverzeichnis, Autobiografie.
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Habakuk Traber: Kent Nagano. Musik für ein neues Jahrhundert. Henschel, Berlin 2002, ISBN 3-89487-413-9, mit Diskografie.
Filmografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Nagano Road. Kent Nagano – Ein Dirigent zwischen Welten und Kulturen. Dokumentation, Deutschland, 2002, 45 Min., Buch und Regie: Daniel Finkernagel und Alexander Lück, Produktion: finkernagel & lück medienproduktion, Inhaltsangabe und Filmausschnitt, 4:48 Min.
- Kent Nagano – Neue Wege, neue Klänge. Filmporträt, 2006, 58 Min., Buch und Regie: Oliver Becker, Produktion: Deutsche Welle TV, Inhaltsangabe vom ARD.
- Kent Nagano dirigiert Monumente der Klassik. Musik-Dokumentation, Deutschland, 2006, Buch und Regie: Oliver Becker und Ellen Fellmann, Produktion: Deutsche Welle TV und Unitel classica.[9]
- Kent Nagano – Montreal Symphony. Deutschland, Kanada, 2010, 97 Min., Buch und Regie: Bettina Ehrhardt, Kino-Start: 13. Januar 2011, Inhaltsangabe von film-lexikon.com.
- Naganos Kinderlieder. Musik-Dokumentation, Deutschland, 2010, 60 Min., Regie Nadja Frenz, Produktion: Vidicom und NDR, Inhaltsangabe von ARD.
- Der Traum des Dirigenten Kent Nagano. Dokumentarfilm, Deutschland, 2017, 55:20 Min., Buch und Regie: Nadja Frenz und Inge Kloepfer, Kamera: Jan Kerhart, Produktion: Vincent TV, ICI artv, NDR, arte, Reihe: Stars und Newcomer am Dirigentenpult, Erstsendung: 26. November 2017 bei arte, Inhaltsangabe von ARD.
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Kent Nagano in der Internet Movie Database (englisch)
- Literatur von und über Kent Nagano im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Offizielle Seite von Kent Nagano
- Wagner in historischer Aufführungspraxis. In: WDR 3 TonArt, 2. Oktober 2017, 8:36 Min.
Interviews
- Florian Schär: Interview Kent Nagano. In: Classicpoint.ch, Schweizer Klassikportal, 1. April 2016.
- Mark Obert: Sehnsuchtsort Europa. In: Berliner Zeitung, 6. November 2011.
Presse-Artikel
- Katja Engler: Neuer Opernchef Nagano will Hamburgs Oper an die Weltspitze führen. In: Die Welt, 25. September 2012.
- Manuel Brug: Ahornblatt-Maestro. In: Die Welt, 30. Juni 2007.
- Manuel Brug: „Ich hatte diese Tiefe und diesen kulturellen Reichtum nicht erwartet.“ In: Die Welt, 6. März 2006, zum Abschied Naganos von Berlin.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ John Newman: Kent Nagano’s Twin Passions: Music and Community. In: UC Santa Cruz Review, Winter 2002, S. 8–13, (PDF-Datei; 2,8 MB).
- ↑ APA: Dirigent Kent Nagano bleibt mindestens bis 2020 in Montreal. In: Der Standard, 12. November 2013.
- ↑ Programmheft der Hamburger Staatsoper vom 24. Januar 2016.
- ↑ Internetpräsenz von Mari Kodama. (englisch)
- ↑ Sabine Fallenstein: Die Pianistin Mari Kodama. (Memento vom 29. November 2017 im Webarchiv archive.is). In: SWR2, Zur Person, 26. November 2017.
- ↑ Maestro Kent Nagano Awarded Order of the Rising Sun. (Memento vom 13. Mai 2012 im Internet Archive). In: Consulate-General of Japan in San Francisco, Dezember 2008.
- ↑ Kent Nagano erhält Bayerische Europamedaille. In: mittelbayerische.de, 14. Juli 2011.
- ↑ Helge Rehders: „Ich habe einen Traum.“ (Memento vom 1. Februar 2017 im Internet Archive). In: Die Zeit, 15. April 2004, Nr. 17.
- ↑ DW-TV: Preisgekrönte Klassik-Dokumentation jetzt auf DVD. In: Deutsche Welle, 8. Oktober 2007.
(Wenn im Folgenden nicht anders angegeben, ist der Titel der musikalischen Leiter der Hof- bzw. Staatsoper seit 1836 Generalmusikdirektor.) |
Johann Nepomuk von Poißl (1824–1848) | Karl Theodor von Küstner (1848–1851) | Franz von Dingelstedt (1851–1858) | Karl von Perfall (1868–1892) | Ernst von Possart (1893–1906) | Albert von Speidel (1907–1912) | Clemens von Franckenstein (1912–1918) | Viktor Schwanneke (1918) | Karl Zeiss (1919–1924) | Clemens von Franckenstein (1924–1934) | Hans Knappertsbusch (1934–1935) | Oskar Walleck (1935–1938) | Clemens Krauss (1938–1940) | Georg Hartmann (1945–1952) | Rudolf Hartmann (1952–1967) | Günther Rennert (1967–1976) | Wolfgang Sawallisch (1976–1977) | August Everding (1977–1982) | Wolfgang Sawallisch (1982–1993) | Peter Jonas (1993–2006) | Kent Nagano, Roland Schwab und Ulrike Hessler (2006–2008) | Nikolaus Bachler (seit 2008) |
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Personendaten | |
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NAME | Nagano, Kent |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Dirigent |
GEBURTSDATUM | 22. November 1951 |
GEBURTSORT | Berkeley (Kalifornien) |