Kirche Pobethen

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Die Kirche Pobethen (russisch Кирха Побетен Kircha Pobeten) war das Gotteshaus des heute Romanowo genannten Ortes im Rajon Selenogradsk (Kreis Cranz) der russischen Oblast Kaliningrad (Gebiet Königsberg). Sie stammt aus dem 14. Jahrhundert und war eine der größten Dorfkirchen des Samlandes, deren wuchtiger Turm weithin sichtbar war.

Die Kirche Pobethen – einst und jetzt

Geographische Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die heute 1.100 Einwohner zählende Siedlung Romanowo liegt an der russischen Fernstraße A 192 neun Kilometer südöstlich der Ostseestadt Pionerski (Neukuhren) und drei Kilometer südlich des Primorskoje Kolzo (Küstenautobahnring). Romanowo ist Bahnstation an der Bahnstrecke Kaliningrad–Swetlogorsk (Königsberg–Rauschen), der ehemaligen Samlandbahn.

Die Kirche Pobethen liegt im nordöstlichen Ortsbereich westlich der A 192 und ist über einen unwegsamen Zugang erreichbar.

Architektur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Kirche Pobethen[1] handelt es sich um einen Feldsteinbau mit Backsteinrahmung. Der Chor und das Kirchenschiff besaßen zunächst nur flache Holzdecken, die später durch Gewölbe ersetzt wurden. Der Westturm wurde erst im 15. Jahrhundert angebaut und erhielt im Jahre 1800 eine neue Bekrönung. Im Kircheninnern waren Reste spätmittelalterlicher Malereien zu sehen.

Seit 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Pobethener Kirche soll im Krieg unbeschädigt und bis in die 1980er Jahre weitgehend intakt geblieben sein.[2] Nach einer anderen Quelle[3] soll sie bereits als Folge der Kriegshandlungen oder direkt danach – offenbar als einziges Gebäude des Ortes – zumindest in starke Mitleidenschaft gezogen worden sein. Vor 1988 wurde der Turm bis auf die Höhe des Kirchenschiffes abgetragen, die Gewölbe sind eingestürzt und nur noch Teile des Dachs sind erhalten. Pläne, das Gebäude der russisch-orthodoxen Kirche zu übergeben, scheiterten. So steht heute nur noch die Kirchenruine mit dem bedachten Chor und den restlichen Mauern von Turm und Kirchenschiff bis Dachhöhe. Der derzeitige Zustand macht eine kirchliche Nutzung nicht möglich.

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Altar stammte aus der Zeit um 1600. Im Hauptgeschoss war die göttliche Dreieinigkeit dargestellt, sie wurde jedoch 1896 entfernt und durch eine Kreuzigungsgruppe ersetzt. Die vier Evangelisten waren als Seitenfiguren eingesetzt, oben erschien das Jüngste Gericht mit Adam und Eva. Die Altarkrönung stellte ein geschnitztes Kreuz dar, darunter war ein Bild Martin Luthers zu sehen. Jede Etage war in sich geschlossen, und eine gemeinsame Aussage war nicht erkennbar.

Die Kanzel stammte aus dem 17. Jahrhundert, ebenso die verzierte Herrschaftsempore.

Vom Gestühl waren Reste aus spätgotischer Zeit erhalten.

Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vermutlich im Jahr 1697 erhielt die Kirche eine Orgel von Johann Josua Mosengel.[4] Die nur aus einem Manualwerk bestehende Orgel erweiterte der Erbauer selbst im Jahr 1726 um ein Rückpositiv. 1766 wurde sie von Adam Gottlob Casparini restauriert, 1802 reparierte Jacob Preuß die Orgel, nachdem sie durch einen Blitzschlag beschädigt worden war. Erst 1868 fügte Ferdinand Scherweit im Rahmen eines Umbaus das Pedalwerk hinzu. Nach diesem Umbau hatte die Orgel auf zwei Manualen und Pedal 19 Register. Weitere Veränderungen fanden 1889 (durch Max Terletzki) und 1910 (durch Carl Novak) statt. 1933/1934 schließlich wurde die Orgel durch Karl Kemper, Lübeck, und Bartenstein restauriert. Die Orgel verfügte über Schleifladen mit mechanischer Spiel- und Registertraktur. Nach Renkewitz/Janca/Fischer ist die Orgel 1944 zerstört worden.

Im Jahr 1936 wurde folgende Disposition veröffentlicht:[5]

I Rückpositiv
Gedackt 8′
Principal 4′
Flöte 4′
Octave 2′[Anm. 1]
Sedezime 1′[Anm. 1]
Zimbel II [Anm. 1]
Krummhorn 8′[Anm. 1]
II Hauptwerk
Bordun 16′
Gedackt 8′
Principal 4′
Flöte 4′
Quinte 3′
Octave 2′
Gemshorn 2′[Anm. 1]
Terz 135[Anm. 1]
Mixtur IV
Trompete 8′
Pedal
Subbaß 16′[Anm. 1]
Octavbaß 8′[Anm. 1]
Quintade 4′[Anm. 1]
Nachthorn 2′[Anm. 1]
Posaune 16′[Anm. 1]

Anmerkungen

  1. a b c d e f g h i j k 1933/1934 neu angefertigte Register

Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kirche Pobethen verfügte über drei Glocken aus den Jahren 1835, 1845 und 1853.

Kirchengemeinde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits in vorreformatorischer Zeit war Pobethen ein Kirchdorf. Die Reformation hielt hier sehr früh Einzug: bereits ab 1520 amtierte hier ein lutherischer Geistlicher. War Pobethen zunächst in die Inspektion Schaaken (heute russisch: Schemtschuschnoje) einbezogen, so gehörte es dann bis 1945 zum Kirchenkreis Fischhausen (heute russisch: Primorsk) in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union. Im Jahre 1925 gehörten 4100 Gemeindeglieder zum Pobethener Kirchspiel.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Verlust der einheimischen Bevölkerung durch Flucht und Vertreibung fand kirchliches Leben so gut wie nicht mehr statt. Auch staatliche Verbote machten eine Wiederbelebung unmöglich. Romanowo liegt heute im Einzugsbereich der in den 1990er Jahren neu entstandenen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Selenogradsk (Cranz), einer Filialgemeinde der Auferstehungskirche in Kaliningrad (Königsberg) innerhalb der Propstei Kaliningrad[6] der Evangelisch-lutherischen Kirche Europäisches Russland (ELKER).

Kirchspielorte (bis 1945)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Außer dem Pfarrdorf Pobethen gehörten 35 Orte bis 1945 zum Pobethener Kirchspiel[7]:

Name Russischer
Name
Name Russischer
Name
Alknicken Pribreschnoje Kösnicken
Ankrehnen Perowo Kringitten
Barthenen Lauknicken
Biegiethen Mogaiten Perowo
Dellgienen Paggehnen
Diewens *Perteltnicken Ternowka
*Eisliethen *Pobethen Romanowo
Eisseln Beregowoje Pokirren
Garbseiden Radnicken Rodniki
Gardwingen Panajewo *Rantau Saostrowje
Geroiskoje Geroiskoje Regehnen Dubrowka
*Grünhoff Roschtschino Schupöhnen Schumnoje
Jaugehnen Sorthenen
Jouglauken *Strobjehnen Kulikowo
Kalaushöfen Suppliethen Ternowka
Kalthof Roschkowo Tannenhain
Karschau Watzum
bis 1902: Wartnicken
Gorkowskoje
Kiautrienen Woytnicken Wolodino

Anmerkung: * = Schulorte

Pfarrer (bis 1945)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von der Reformation bis 1711 amtierten zwei evangelische Geistliche in Pobethen, danach nur noch einer:[8][9]

  • Michael Will, 1520–1540
  • Christian Tägen, bis 1558
  • Abel Will, 1540–1575
  • Jonas Heckenberger, ab 1568
  • Johann Hermann Decimator, 1575–1602
  • Adam Zahn, 1580–1588
  • N. Pfanhäuser, ab 1588
  • Johann Röber, ab 1590
  • Georg Decimator, 1602–1637
  • Michael Albinus, ab 1603
  • Christian Freymann, 1607
  • Andreas Zollner, 1611
  • Georg Ditzel, 1616–1619
  • Jacob Stanislai, ab 1638
  • Balthasar Pistorius, 1638/1645
  • Jacob Covahlius
  • Reinhold Bock, 1640–1675
  • Carl Neubeccius, 1659–1674
  • Johann Colbius, ab 1675
  • Arnold Brüning, 1675–1713
  • David Duderstadt, 1698–1711
  • Friedrich Bolius, 1713–1761
  • Friedrich Wilhelm Bohlius, 1761–1762
  • Christian Tägen, 1762–1807
  • Carl Gotthilf Arnold, 1807–1809
  • Christian Gottlieb Röckner, 1809–1810
  • Christ. Matth. C. Rücker, 1810–1835
  • Heinrich Christ. Ziegler, 1834–1835
  • Carl Daniel Gastell, 1836–1861
  • Heinrich Friedrich Adolf Rogge, 1856–1861
  • Carl Gustav Hintz, 1861–1884
  • Gustav Otto Brzoska, 1884–1898
  • Richard Rudolf Otto Taegen, 1899–1928
  • Paul Ewert, 1928–1945

Pfarrer Abel Will übersetzte um 1545 auf Geheiß Herzog Albrechts Martin Luthers Katechismus in die Prußische Sprache: Enchiridion – Catechismus in preußischer sprach und dagegen das deutsche, gedruckt 1545 durch Hans Weinreich in Königsberg[10].

Kirchenbücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zahlreiche Kirchenbücher für das Kirchspiel Pobethen sind erhalten und werden bei der Deutschen Zentralstelle für Genealogie (DZfG) in Leipzig bzw. beim Evangelischen Zentralarchiv (EZA) in Berlin-Kreuzberg aufbewahrt[11]:

  • Taufen: 1673 bis 1690 und 1735 bis 1807 (DZfG) sowie 1808 bis 1825 (EZA)
  • Trauungen: 1675 bis 1689 und 1770 bis 1832 (DZfG)
  • Beerdigungen: 1732 bis 1807 (DZfg) sowie 1808 bis 1825 (EZA).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Daniel Heinrich Arnoldt: Kurzgefaßte Nachrichten von allen seit der Reformation an den lutherischen Kirchen in Ostpreußen gestandnen Predigern. Königsberg 1777, S. 28–30.
  • Karl Emil Gebauer: Kunde des Samlandes oder Geschichte und topographisch-statistisches Bild der ostpreußischen Landschaft Samland. Königsberg 1844, S. 111, Nr. 21.
  • Adolf Rogge: Cultur- und kirchenhistorische Streifzüge im Kirchspiel Pobethen. In: Altpreußische Monatsschrift. Band 11. Königsberg i. Pr. 1874, S. 533–545.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kirche Pobethen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Pobethen Evangelische Kirche, Abbildungen im Farbdiaarchiv zu mitteleuropäischen Wand- und Deckenmalereien, Stuckdekorationen und Raumausstattungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Walther Hubatsch: Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Bd. II: Bilder ostpreussischer Kirchen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1968, S. 36 (Abb. 57, 58).
  2. Patrick Plew: Die Kirchen im Samland (Pobethen), abgerufen am 3. März 2017.
  3. Hans-Burkhard Sumowski: Jetzt war ich ganz allein auf der Welt. Weltbild, München 2009, ISBN 978-3-8289-4717-7, S. 191 f. und 201.
  4. Werner Renkewitz, Jan Janca, Hermann Fischer: Geschichte der Orgelbaukunst in Ost- und Westpreußen. Band II, 1: Mosengel, Caspari, Casparini. Pape Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-921140-80-2, S. 121–124. Andere Quellen datieren die Orgel insgesamt auf 1726 oder auch 1680. Renkewitz, der 1933/1934 selbst an der Orgel gearbeitet hat, datiert jedoch das Hauptwerk auf 1697.
  5. Musik und Kirche. Jahrgang 1936, Heft 2, S. 92 f.
  6. Evangelisch-lutherische Propstei Kaliningrad (Memento des Originals vom 29. August 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.propstei-kaliningrad.info
  7. Walther Hubatsch: Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens. Band III: Dokumente. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1968, S. 454.
  8. Daniel Heinrich Arnoldt: Kurzgefaßte Nachrichten von allen seit der Reformation an den lutherischen Kirchen in Ostpreußen gestandnen Predigern. Königsberg 1777, S. 28–30.
  9. Friedwald Moeller: Altpreußisches evangelisches Pfarrerbuch von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945. Verein für Familienforschung in Ost- und Westeuropa e.V., Hamburg 1968, S. 112.
  10. Geschichte und das Haus Pobethen bei ostpreussen.net
  11. Kirchenbuchbestände nach genealogy.net

Koordinaten: 54° 53′ 46″ N, 20° 16′ 29″ O