Kristina Hänel

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Kristina Hänel bei Verleihung des Anne-Klein-Frauenpreises (2019)

Kristina Gisela Hänel (geboren am 5. August 1956 in Kassel)[1] ist eine deutsche Fachärztin für Allgemeinmedizin. Überregionale Bekanntheit erlangte die in Gießen praktizierende Medizinerin, als sie im Jahr 2018 wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft (§ 219a StGB) angeklagt, zu einer Geldstrafe verurteilt wurde und sie sich anschließend in weiteren Instanzen zur Wehr setzte.[2][3][4] Im Juni 2022 beschloss der Deutsche Bundestag im Beisein Hänels die Abschaffung des § 219a StGB und die Rehabilitierung von ihr und aller wegen des Strafrechtsparagrafen seit 3. Oktober 1990 verurteilten Mediziner.[5][6]

Leben und Wirken

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Kristina Hänel entstammt einer Ärztefamilie. Nach ihrem Abitur mit 18 Jahren begann sie ein Medizinstudium. Hänel arbeitet seit 1981 als approbierte Ärztin, hat Weiterbildungen in Notfallmedizin und Sexualtherapie absolviert. Ihre ersten Anstellungen nach dem Studium hatte sie bei Pro-Familia-Zentren und in Stimezo-Kliniken in den Niederlanden. Seit 2001 hat sie eine eigene Praxis in Gießen. Zu den Schwerpunkten, in denen sie medizinisch arbeitet und berät, zählen unter anderem Themen wie Frauengesundheit, Sexualität, Familienplanung, Schwangerschaft, Geburt und Schwangerschaftsabbruch.[7] Ihr öffentlicher und juristischer Widerstand gegen ihre Verurteilung nach § 219a StGB war im Jahr 2022 maßgeblich für die Abschaffung des Strafrechtsparagrafen und die Rehabilitierung von ihr und aller wegen des Strafrechtsparagrafen verurteilten Mediziner seit 3. Oktober 1990 durch den Deutschen Bundestag.[8][9]

Hänel ist Gründungsmitglied von Wildwasser Gießen, einem Verein gegen sexuellen Missbrauch von Mädchen und Frauen. An der Justus-Liebig-Universität Gießen hatte sie mehrere Jahre einen Lehrauftrag zu sexueller Traumatisierung im Kindesalter. Ehrenamtlich engagiert sie sich im Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V., bei Pro Familia e. V., in der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung. Sie bietet auch Therapeutisches Reiten für traumatisierte Kinder und Jugendliche in integrativen Gruppen an.[10]

Hänel war verheiratet und hat ihre inzwischen erwachsenen Kinder während der Studienzeit geboren. Sie ist Marathonläuferin und startet international für die Altersgruppennationalmannschaft der Deutschen Triathlon Union.

Juristische Auseinandersetzungen

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Seit 2009 waren drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft gegen Hänel anhängig. Infolge des dritten Ermittlungsverfahrens wurde Hänel von dem Amtsgericht Gießen am 24. November 2017 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt, weil sie auf der Website ihrer Praxis erklärt hatte, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen.[11] Das Landgericht Gießen verwarf im Oktober 2018 die gegen diese Verurteilung gerichtete Berufung Hänels.[12] Hänel legte hiergegen Revision ein.[13] Die Anzeigen, die zum Ermittlungsverfahren führten, wurden unter anderem von Yannic Hendricks erstattet.[14]

Das Urteil des Landgerichts Gießen gegen Hänel wegen „Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“ wurde aufgehoben, teilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 3. Juli 2019 mit.[15] Zu ihren Gunsten sei der seit März 2019 geänderte § 219a anzuwenden.[16] Das Landgericht Gießen verurteilte Hänel daraufhin im Dezember 2019 erneut zu einer Geldstrafe, nun in Höhe von 25 Tagessätzen. Die Richterin verband ihren Urteilsspruch mit Kritik am Gesetzgeber: „Es macht keinen Sinn, strafrechtlich eine sachliche Information zu einem medizinischen Eingriff zu verbieten“ sowie „Es fällt schwer, Argumente dafür zu finden, dass der 219a so ins Gesetz gekommen ist.“ Im Januar 2021 verwarf das Oberlandesgericht die Revision Hänels, woraufhin sie im Februar 2021 Verfassungsbeschwerde einlegte. Im Juni 2022 wurden sie und alle wegen des Strafrechtsparagrafen seit 3. Oktober 1990 verurteilten Mediziner im Zuge der Abschaffung des § 219a StGB vom Deutschen Bundestag rehabilitiert.[5][6]

Verfassungsbeschwerde

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Am 19. Februar 2021 reichte Hänel gegen ihre Verurteilung im Strafverfahren und gegen den § 219a StGB eine Verfassungsbeschwerde ein (2 BvR 390/21).[17] Als Prozessbevollmächtigte benannte sie den Rechtsanwalt Ali B. Norouzi, den Strafrechtsprofessor Reinhard Merkel und die Verfassungsrechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf.[18][19] Das Bundesverfassungsgericht beschloss am 10. Mai 2023, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen.[20][21]

Nachdem der Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen sie mit Tätern des Holocaust verglichen und als „entartet“ bezeichnet hatte, wehrte sie sich dagegen im August 2020 erfolgreich mit einer Unterlassungsklage vor Gericht. Zudem musste Annen ihr eine Entschädigung in Höhe von 6000 Euro zahlen.[22] Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Im Februar 2021 stellte sie gegen Klaus Günter Annen, den Betreiber der Webseiten babykaust.de und abtreiber.com, einen Strafantrag wegen Beleidigung und Volksverhetzung,[23][24][25] woraufhin er im Februar 2022 vom Amtsgericht Weinheim wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.[26] Laut LTO gehe die Debatte wegen der Strafbarkeit der Volksverhetzung weiter.[27]

Im Januar 2021 entfernte Hänel die Informationen zum Schwangerschaftsabbruch von ihrer Webseite, um nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung Strafen durch weitere Verurteilungen zu vermeiden. Organisationen, die selbst keine Schwangerschaftsabbrüche durchführen, griffen diese Informationen auf: Die Giordano-Bruno-Stiftung veröffentlichte die Webseite abtreibung-info.de.[28][29] FragDenStaat veröffentlichte das Angebot fragdenstaat.de/aktionen/219a in verschiedenen Sprachen[30].

Preisverleihung des Anne-Klein-Frauenpreis (2019)
  • Andrea Vogelsang (Pseudonym): Die Höhle der Löwin. Geschichten einer Ärztin über Abtreibung. Anthologie, Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach/Taunus 2018, um ein Nachwort erweiterte Neuauflage der Erstausgabe, ISBN 978-3-89741-417-4.
  • Kristina Hänel: Das Politische ist persönlich. Tagebuch einer „Abtreibungsärztin“. Argument Verlag, Hamburg 2019, ISBN 978-3-86754-513-6.
  • Scheinfeld, Neumann, Czermak, Merkel, Putzke (Hrsg.): Der Fall Kristina Hänel und die neue Debatte zur gesetzlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland (= Schriften zum Weltanschauungsrecht, Band 5). Nomos Verlag, Baden-Baden 2024, ISBN 978-3-7560-1647-1.
Commons: Kristina Hänel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Urteil des Amtsgerichts Gießen vom 24.11.2017 Abgerufen am 11. April 2019.
  2. Informationen zu Abtreibungen: Gericht bestätigt Urteil gegen Ärztin Hänel. In: Spiegel Online. 12. Oktober 2018, abgerufen am 23. November 2018.
  3. Frankfurt: Streit um Abtreibungsparagrafen - Urteil gegen Kristina Hänel aufgehoben - SPIEGEL ONLINE. Abgerufen am 3. Juli 2019.
  4. FAZ.net: Warum das Urteil gegen Ärztin Kristina Hänel aufgehoben wurde
  5. a b Werbeverbot für Schwangerschaftsabbruch aufgehoben. Deutscher Bundestag, 24. Juni 2022, abgerufen am 1. Mai 2023.
  6. a b WELT: Werbeverbot für Abtreibungen: Bundestag stimmt für Abschaffung. In: DIE WELT. 24. Juni 2022 (welt.de [abgerufen am 24. Juni 2022]).
  7. Kristina Hänel – Fachärztin für Allgemeinmedizin. Abgerufen am 31. Januar 2019.
  8. Andrea Dernbach: Bundestag schafft „Werbeverbot“ für Abtreibungen ab. In: Der Tagesspiegel Online. 24. Juni 2022, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 24. Juni 2022]).
  9. Lukas Daniel Hildebrand: "Ich habe für alle Frauen gekämpft, die durch Schwangerschaften gestorben sind." (stern+). 2. Juni 2022, abgerufen am 24. Juni 2022.
  10. Kristina Hänel. Heinrich Böll Stiftung, 26. November 2018, abgerufen am 21. Februar 2019.
  11. AG Gießen, Urteil vom 24. November 2017, Az. 507 Ds 501 Js 15031/15.
  12. LG Gießen, Urteil vom 12. Oktober 2018, Az. 3 Ns 406 Js 15031/15.
  13. Kristina Hänel geht in Revision. In: Legal Tribune Online. 20. November 2018, abgerufen am 23. November 2018.
  14. Daniel Herder: Das ist der Abtreibungsgegner, der so gern Ärzte anzeigt. In: Hamburger Abendblatt. 11. Februar 2019, abgerufen am 11. März 2019.
  15. dejure.org
  16. Urteil gegen Ärztin Kristina Hänel aufgehoben. In: F.A.Z. 3. Juli 2019.
  17. Bundesverfassungsgericht - Ausgewählte Neueingänge 2021. Abgerufen am 6. Mai 2021.
  18. Institut für Weltanschauungsrecht: § 219a StGB und Aufklärung über die ärztliche Dienstleistung des Schwangerschaftsabbruchs: Der Fall der Ärztin Kristina Hänel. 19. Februar 2021, abgerufen am 20. Februar 2021.
  19. ZDF heute: Paragraf 219a: Ärztin Hänel legt Verfassungsbeschwerde ein. Abgerufen am 20. Februar 2021.
  20. Bundesverfassungsgericht - Presse - Verfassungsbeschwerde gegen das Verbot der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche nach Abschaffung des § 219a StGB erfolglos. Abgerufen am 8. Juni 2023.
  21. tagesschau.de: Hessen: Werbeverbot für Abtreibungen: Gießener Ärztin Hänel scheitert mit Verfassungsbeschwerde. Abgerufen am 8. Juni 2023.
  22. DER SPIEGEL: Ärztin Kristina Hänel setzt sich gegen radikalen Abtreibungsgegner durch - DER SPIEGEL - Panorama. Abgerufen am 24. August 2020.
  23. Institut für Weltanschauungsrecht: Verdacht der Beleidigung und Volksverhetzung: Strafanzeige gegen Klaus Günter Annen (babykaust.de). Abgerufen am 20. Februar 2021.
  24. DER SPIEGEL: Institut und Kristina Hänel gehen gegen radikalen Abtreibungsgegner vor. Abgerufen am 20. Februar 2021.
  25. hpd.de: Ermittlungsverfahren gegen Abtreibungsgegner eingeleitet. 16. April 2021, abgerufen am 5. Mai 2021.
  26. Alexander Albrecht: Weinheim: Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen ging zu weit. In: Rhein-Neckar-Zeitung. 16. Februar 2022, abgerufen am 16. Februar 2022.
  27. Christian Rath: Ist 'Babycaust' eine Volksverhetzung? In: LTO. 15. Februar 2022, abgerufen am 16. Februar 2022.
  28. Abtreibung-Info – sachlich & informiert. Abgerufen am 23. Januar 2021.
  29. Sachliche Informationen über Abtreibungen sind keine Werbung! Giordano-Bruno-Stiftung, 22. Januar 2021, abgerufen am 23. Januar 2021.
  30. Judith Doleschal: My body, my choice! Informationsfreiheit statt Geheimhaltung. FragDenStaat, 20. Januar 2021, abgerufen am 7. Februar 2021.
  31. Clara-Zetkin-Frauenpreis 2018. Die Linke, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. August 2020; abgerufen am 5. Februar 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.die-linke.de
  32. Anne-Klein-Frauenpreis 2019 an Kristina Hänel, Natascha Nicklaus und Nora Szász. Heinrich-Böll-Stiftung, abgerufen am 5. Februar 2019.
  33. Dr. Kristina Hänel wird vom Deutschen Frauenring e. V. als Frauenringsfrau des Jahres 2019 geehrt. Der Paragraf 219a gehört abgeschafft. Deutscher Frauenring, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. März 2019; abgerufen am 4. März 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutscher-frauenring.de
  34. Marburger Leuchtfeuer: Preis für Engagement geht an zwei Ärztinnen | hessenschau.de | Gesellschaft. 9. Juli 2019, archiviert vom Original am 9. Juli 2019; abgerufen am 20. Februar 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hessenschau.de
  35. Katharina-Zell-Preis. In: Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e. V. Abgerufen am 2. November 2020.
  36. Margherita Concina, Andrea Ketterer, Natascha Zeljko: 40 over 40 – Germany's most inspiring women. 8. März 2021, abgerufen am 27. Mai 2021 (englisch).