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Kuren

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Ungefähre Siedlungsgebiete der baltischen Stämme um 1200; westbaltische Stammesverbände in Grüntönen, ostbaltische in Brauntönen, das Gebiet der Kuren im Nordwesten gelegen.
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Die Kuren (lettisch kurši, kūri, litauisch kuršiai) waren ein baltischer Stammesverband in der nach benannten Region Kurland im Westen des heutigen Lettlands, in westlichen, küstennahen Gebieten Litauens und zeitweilig am Nordrand des späteren Ostpreußens. Sie werden in historischen Quellen des 9. bis 13. Jahrhunderts als heidnischer Stammesverband beschrieben, die unter anderem als Seefahrer und Seeräuber bis nach Gotland, Öland und zu den dänischen Inseln aktiv waren. Gegen die Eroberungen des Schwertbrüderordens leisteten sie mit anderen baltischen Stammesverbänden 1210 bis nach 1236 bewaffneten Widerstand. Nach ihrer Unterwerfung durch den zu Hilfe gekommenen Deutschen Orden, der den geschwächten Schwertbrüderorden als Livländischen Orden inkorporierte, folgte 1260–67 folgte ein großer kurischer Aufstand nach dessen sehr gewaltsamer Niederschlagung der kurische Stammesverband aufhörte zu existieren. Südlichere Gruppen abseits der Küste schlossen sich dem noch etwa ein Jahrhundert anhaltenden litauischen Widerstand gegen die Zwangschristianisierung durch den Deutschen Orden an.

Im Gegensatz zu den im 15.–17. Jahrhundert aus Kurland nach Süden eingewanderten Neukuren (Nehrungskuren), die oft ebenfalls „Kuren“ genannt wurden, sprachen die alten Kuren nach heute weithin anerkannter Mehrheitsmeinung der Baltistik noch eine westbaltische Sprache, die dem Altpreußischen näher stand. Diese kurische Sprache (nicht zu verwechseln mit Neukurisch/Nehrungskurisch) wird deshalb auch „Altkurisch“ genannt. In baltischsprachiger Literatur werden die Neukuren heute auch als lettisch kursenieki und litauisch kuršininkai von den alten Kuren begrifflich unterschieden. Nach der Niederschlagung des Kurenaufstandes wurde sie bis ins 16. Jahrhundert in Kurland und in den südlicheren Küstengebieten des Deutschordensstaats durch Ansiedlungen aus Lettgallen vom Lettischen und in den küstenferneren Gebieten Westlitauens vom schemaitischen Dialekt des Litauischen verdrängt, die beide zum ostbaltischen Sprachzweig gehören. Trotz dieser Unterschiede erfolgte die Lettisierung und Litauisierung nach Analysen vieler Baltisten wahrscheinlich nicht durch Verdrängung und Aussterben des Altkurischen, sondern immer stärkere sprachliche Überformung, bis sich die Sprache dem Lettischen oder Schemaitischen allmählich angeglichen hatte. Darauf deuten ältere Sprachzeugnisse aus den Regionen hin oder ein altkurisches Vaterunser bei Simon Grunau aus dem 15. Jahrhundert, das schon mehrheitlich lettische, aber noch deutlich mehr altkurische Einflüsse als heutige Dialekte Kurlands zeigt.

Der Name (Ethnonym) der Kuren ist mit dem Wortstamm Kurš-/Kursch- (litauisch und lettisch) oder Kur- (meist in nicht-baltischen Sprachen, selten auch in der Vokalvariante mit -o- oder -au-) bekannt, was am innerhalb der baltischen Sprachen und Dialekte typischen Lautwechsel š > h > ø (=kein Laut) liegt. Seine Bedeutung ist aus dem baltischen Wortschatz nicht übersetzbar, war wohl wie die meisten Ethnonyme schon historisch, nicht von offensichtlicher Bedeutung. Seine ursprüngliche Bedeutung kann nur mit der historisch-vergleichenden Methode der Indogermanistik hypothetisch erschlossen werden. Zur Namensherkunft der Kuren existieren fünf Hypothesen:

  1. Nach einer von Max Vasmer entwickelten Hypothese könnte er sich vom in vielen indogermanischen Sprachen und im nördlich benachbarten Livischen und Estnischen vorkommenden Ausdruck für „[Land] zur linken Seite“ herleiten. Weil diese Richtungsbezeichnungen in archaischen Vergleichsbeispielen geografisch oft mit Blick in Richtung Sonnenaufgang übertragen wurden, könnte es auch „die im Norden lebenden“ bedeutet haben.
  2. Eine auf Kazimieras Būga zurückgehende Hypothese leitet den Namen vom in einigen indogermanischen Sprachen vorkommenden Wortstamm ab, der „baumloses Land“ / „[Land] niedriger Büsche“ / „karges Land“ heißen kann und vielleicht die Bedeutung „Rodungsland“ hatte.
  3. Der Altgermanist Torsten Evert Karsten brachte den Namen mit dem schwedischen Dialektwort für „enges Land“ / „Winkel“ / „Ecke“, womöglich als Bezeichnung der kurischen Halbinsel in Verbindung, was heute aber selten vertreten wird.
  4. Der litauische Philologe Jonas Kazlauskas schlug 1969 vor, dass der Stammesname aus einem Orts- oder Gewässernamen der Region entstand. Auch die Selbstbezeichnung der Prußen, die baltisch womöglich „schnell fließend“ bedeutet, geht vielleicht auf einen (nicht mehr sicher zuzuordnenden) Flussnamen zurück, nach dem sich die Prußen benannt haben könnten. Im Kurengebiet gibt es mehrere Orte und Gewässer mit dem Wortstamm Kursch-, die jeweils ihren Namen vielleicht nicht von den Kuren haben, sondern im Gegenteil Namensgeber der Kuren sein könnten. Ihr Name könnte wiederum von baltischen Wörtern für „Haken/Türschloss“, vielleicht auch „bauen/errichten“, „nähren“, „heben“ oder „entzünden“ oder „schneiden/roden“ kommen.
  5. Wolfgang P. Schmid kritisierte 1992 alle Hypothesen als morphologisch zweifelhaft, weil das -š- dann immer den Rest einer zweiten Silbe -šas bilden müsste, die nirgendwo überliefert ist. Auch die Herleitung der Kuren und Prußen von Orts- oder Gewässernamen lehnte er ab, weil das sonst im baltischen Raum nicht üblich ist. Schmid schlug selbst die Herkunft vom indoeuropäischen krs vor, das „schnell zu See“ bedeutet und mit dem lateinischen cursarius (Korsar) stammverwandt ist. Diese jüngste Hypothese fußt auf dem modernsten Stand der Linguistik, ist heute am weitesten verbreitet. Sie bleibt aber, wie alle vorherigen eine nicht bewiesene Hypothese.[1]

Nach dem Namen der Kuren ist die historische Region Kurland benannt. Das Kurische Haff und die Kurische Nehrung haben ihre Namen möglicherweise schon von den direkt dort siedelnden Neukuren.

Mit der Schnurkeramischen Kultur wurde vor 2500 v. Chr. die baltische Ostseeküste von indogermanischen Stämmen besiedelt. Regional bildete sich aus ihr in Preußen die Rzucewo-Kultur (deutsch auch „Haffküstenkultur“), im Umfeld beider wird die allmähliche Abspaltung der baltischen Sprachen angenommen. Aus diesen entwickelte deutlich später die Westbaltische Hügelgräberkultur (6.–1. Jahrhundert v. Chr.) und östlich benachbarte Kulturen, wo sich wohl endgültig die Balten herausbildeten. Die Westbaltische Hügelgräberkultur ist höchstwahrscheinlich der Entstehungshorizont des Sprachzweiges der westbaltischen Sprachen, während sich in östlicheren Nachbarkulturen andere baltische Sprachzweige abspalteten.

Baltische Kulturen der Eisenzeit ca. 200–600 n. Chr.
  • Memelland-Kultur (frühe Kuren)
  • Dollkeim-Gruppe (Samland-Natangen)
  • Olsztyn-Kultur (frühe Galinden)
  • Sudauer Gruppe (frühe Jatwinger)
  • Strichkeramik-Kultur (frühe Ostbalten)
  • Milograd-Kultur
  • Dnjepr-Dwina-Kultur (frühe Dnepr-Balten)
  • Bel-Gräber-Gruppe
  • Vom 1. vorchristlichen bis 2. nachchristlichen Jahrhundert spaltete sich diese archäologische Kultur in mehrere Nachfolgekulturen auf, die sich aufgrund ihrer regionalen Verbreitung schon sehr gut den seit dem Frühmittelalter namentlich überlieferten Stammesverbänden zuordnen lassen. Zwar ließ sich noch eine Expansion der Dollkeim-Kultur, die mit den frühen Prußen identifiziert wird, nach Süden und Südwesten auf Kosten der Olsztyn-Kultur der frühen Galinder und die Ausbreitung der Sudauer-Kultur der frühen Jatwinger nach Osten beobachten, aber im Allgemeinen blieben ihre Verbreitungsgebiete bis ins Mittelalter sehr stabil. Die baltische Memelland-Kultur wird durch ihre territoriale Ausbreitung bereits mit den Vorläufern der Kuren verbunden, entsprach bis auf spätere minimale Ausdehnungen nach Osten und Nordosten schon sehr genau dem später überlieferten Siedlungsgebiet der Kuren.

    Diese Zeit etwa vom 2. bis zum 5. Jahrhundert nach Chr. wird auch „Goldenes Zeitalter der Balten“ genannt, denn während dieser Periode wird eine langwährende ungestörte Besiedlung durch etwa 1000 Gräberfelder nachgewiesen, weil die Bestattungsriten während dieser Zeit unverändert geblieben sind und für die Oberschicht in seit Jahrtausenden üblichen Hügelgräbern stattfand. In dieser Zeit gab es keine archäologischen Anzeichen von Abwanderungen, Bevölkerungsverschiebungen oder von Invasionen fremder Stämme. Funde römischer Münzen konzentrieren sich auf die Küstengebiete von Danzig bis ins Baltikum, was mit dem Handel des im Römischen Reich sehr begehrten Bernsteins über die östliche Bernsteinstraße zusammenhängt. Die hier sehr ergiebigen Bernsteinvorkommen für Abbau und Export befinden sich im Baltikum fast alle in Küstennähe. In dieser Zeit bildeten die baltischen Kulturen einen statisch wirkenden geometrischen Stil mit geraden Linien und Winkeln, häufig rechten Winkeln, beispielsweise als Ornamente auf Keramik und Schmuck ein, der aber meistens reliefartig-dreidimensinal gearbeitet ist.

    Die Gräber der Kuren unterscheiden sich von anderen dadurch, dass die Toten inmitten runder, unregelmäßig ovaler oder rechteckiger Steineinfriedungsringe bestattet wurden. Kurische und prußische Siedlungen sind an der Art ihrer Bestattungen unterscheidbar: Die Prußen äscherten ihre Toten ein, während die Kuren ihre für sie typischen Körpergräber bis ins 7. Jahrhundert beibehielten. Sie gebrauchten immer noch Steinwälle, inmitten derer die Gräber in den Grabhügeln wabenförmig nebeneinander lagen. Erst ab dem späten 7. Jahrhundert und dem 8. Jahrhundert wurde die Einäscherung übernommen.

    Rekonstruierte kurische Frauenkleidung des Stammesadels
    ... und Männerkleidung im Historischen Museum Selenogradsk, Oblast Kaliningrad.

    Wie für alle vorchristlich-heidnischen Stammeskulturen ist die materielle Kultur der Oberschicht, des kurischen Stammesadels der Memelland-Kultur, aus archäologischen Ausgrabungen besonders dieser Körpergräber, in denen Angehörige der Oberschicht bestattet wurden, durch Grabbeigaben gut belegt. Männergräbern wurden Alltagsgegenstände, Waffen und Schmuck ins Jenseits mitgegeben. Auch Pferdebestattungen waren in diesen Gräbern häufig. Frauengräbern wurden Schmuck und Alltagsgegenstände mitgegeben.

    Auch der Kleidungsstil der Oberschicht ist durch die Körperbestattungen bekannt. Männer trugen Hosen, Oberteile, die bis zum Oberschenkel reichten, manchmal Überhänge, Lederschuhe, die in Wickelgamaschen übergingen und Pelzmützen. Frauen trugen lange Kleider und Schürzenkleider, manchmal Überkleider oder Mäntel. Wie in allen baltischen Kulturen verbargen sie, egal ob verheiratet oder unverheiratet, ihr Haupthaar unter oft sehr langen, wallenden Kopftüchern. Diese Tradition, die heute eher an Westasien erinnert, bestand in einigen archäologischen Kulturen der Eisenzeit. Die Kleidung wurde mit Gürteln und Gewandspangen (Fibeln) zusammengehalten. Die Kleider sind farblos oder gefärbt bekannt, häufig wurden sie in Kombination getragen.

    Beim kurischen Frauenschmucks kamen nicht nur einschnürige Perlenketten aus bunten oder undurchsichtigen Glasperlen, Bernsteinperlen, Metall- und Goldperlen vor, sondern auch Colliers aus vier bis manchmal 15 nach außen versetzten Perlenschnüren, die oft durch eingefädelte bronzene Distanzstifte in Form und in regelmäßigem Abstand gehalten wurden. Während mehrschnürige Perlencolliers ohne Distanzstifte nicht nur aus kurischen Funden, sondern auch aus Frauengräbern der Schalauer (auch ihrer Region Lamotina, siehe unten) bekannt sind, waren diese Distanzstifte ein spezifisches Fundkennzeichen der Kuren, aus anderen baltischen Kulturen unbekannt. Im Gegenzug waren geschmückte Stirnbänder (als textile Stricke, gewebtes Band oder ebenfalls Perlenketten), die in adligen Frauengräbern besonders der Lettgallen, Semgallen und Selonen typisch waren, oder Stirnreifen aus Metall (manchmal als kunstvolle Spiralen geschmiedet), die besonders in Frauengräbern der Litauer und Žemaiten charakteristisch, für kurische Frauengräber des 9.–13. Jahrhunderts unbekannt. Kurische Kopfschleier wurden mit Fibeln zusammengehalten. Es ist allerdings eine umstrittene und ungeklärte Frage der regionalen Archäologie, ob Stirnreifen und vielleicht auch Stirnbänder in kurischen Frauengräbern früherer Zeiten, des 5.–9. Jahrhunderts selten vorkamen und ob einige der Perlencolliers vielleicht nicht um den Hals, sondern um den Kopf getragen wurden. Kurische Perlencolliers mit Distanzstiften entstanden ab dem 11. Jahrhundert und gehen höchstwahrscheinlich auf skandinavischen Einfluss zurück, wo sie besonders auf Gotland, auch auf Seeland sehr häufig waren. Sie kamen auch generell in germanischen Kulturen vor und gingen wahrscheinlich ursprünglich auf römisch-byzantinische Anregung zurück.[2]

    Amulette im kurischen Tierstil (links unten) und Armbänder mit frühen baltischen Tiermotiven (Mitte) in der Vitrine baltischer Fundstücke der Ausstellung zur Völkerwanderungszeit im Neuen Museum Berlin. Die übrigen Objekte sind Schmuck Amulette, Armreife, ein Brustreif und ein Steigbügel im geometrischen baltischen Stile und Stirnreife und Ringe im „Raupenmotiv/Wurmmotiv“.

    Eine weitere Besonderheit gegenüber benachbarten baltischen Kulturen ist der „Kurische Tierstil“, mit dem seit dem 7. Jahrhundert Schmuckstücke, wie Armbänder, Amulette und Fibeln mit zoomorphen (tierförmigen) Motiven verziert wurden. Die Mehrheit der aktuellen Forscher hält den kurischen Tierstil für einen Einfluss des germanischen Tierstils, der sich seit dem 4./5. Jahrhundert in der Völkerwanderungszeit aus drei Inspirationsquellen, der sehr naturalistischen römischen Kunst, dem im Schwarzmeergebiet und Pannonien erlernten (hier griechisch überformten) skythisch-sarmatischen Tierstil und der ornamentalen keltischen Kunst herausbildete und mit den damals sehr mobilen Verbänden sehr schnell über ganz Europa ausbreitete (und beispielsweise noch die mittelalterliche, christliche Buchkunst prägte). Innovative Zentren der Weiterentwicklung des germanischen Tierstils war die Donauregion von Schwaben/Rheinland bis Niederösterreich/Pannonien und Nordgermanien von Schleswis-Holstein über Jütland und die dänischen Inseln bis Schonen, als welchem sich in der Vorwikingerzeit (Vendelzeit) der „frühe Wikingerstil“ (Oseberg-Stil) bildete. Baltische Künstler versuchten den europaweit modernen, sehr ornamentalen und dynamischen Tierstil seit dem 5./6. Jahrhundert in den geometrischen baltischen Stil zu integrieren, was aber schwierig blieb. Die erhaltenen Arbeiten sind unterschiedliche Unikate, die oft in rechte Winkel verfielen und aus denen sich kein dauerhafter Stil bildete. Bis auf einige Grundformen der Fibeln (ohne Tierdarstellung) und spiralisch geschmiedete Ringe und Armbänder („Raupenmotiv/Wurmmotiv“) blieb nichts in der baltischen Kunst zurück. Eine zweite Welle des Einflusses des Tierstils betraf ausschließlich die Kuren, der sich im 7./8. Jahrhundert herausgebildete „kurische Tierstil“, der wesentlich formenreicher, dynamischer, ornamental-geschwungener, abgerundeter gearbeitet war und sich als fester kurischer Kunststil etablierte. Er bildete sich, als frühe nordgermanische Schweden und Dänen ca. 600–850 einen bestimmenden Einfluss im Kurengebiet erlangten (siehe unten). Dazu passt, dass sich der kurische Tierstil seit dem 7. Jahrhundert herausbildet und die Motive große Ähnlichkeit zu germanischen Vorbildern in Dänemark und Gotland haben, wenn auch etwas geometrischer. Zu den streng geometrischen Verzierungen des Schmucks anderer baltischer Kulturen bildeten sie einen deutlichen Kontrast. Tierstilmotive tauchten nur in Nachbarschaft des Kurengebietes vereinzelt auf, waren bei kurischem Schmuck aber sehr häufig.[3]

    In der mittleren Eisenzeit, der Zeit zwischen dem 5. und dem 9. Jahrhundert, veränderten sich die Lebensbedingungen der baltischen Stämme, denn mit der Expansion der Goten und der Völkerwanderung kam es zu Konflikten und demographischen Verschiebungen in der Region. Danach wurden die baltischen Stämme von Osten und Süden her wurden sie durch die Expansion der Slawen und bald darauf auch von Wikingern unter Druck gesetzt.

    Archäologische Rekonstruktion der kurischen Wehrbefestigung einer ihrer beiden Zentren, der Hügelburg Apuolė (Rajongemeinde Skuodas), Vytautas-Magnus-Militärmuseum, 1930er Jahre.

    Ab dem 5. Jahrhundert sind Burgberge belegt, die als Rückzugsbefestigungen in den zunehmend kriegerischen Zeiten dienten. Diese Hügelburgen wurden bevorzugt auf Steilufern oder in Gewässern auf Landzungen errichtet und seit dieser Zeit von allen baltischen Stämmen erbaut. Eine Besonderheit kurischer Hügelburgen war, dass die nicht durch Holz-Palisaden, sondern mit Wällen aus Baumstämmen und gestampftem Lehm befestigt wurden. Die Innenfläche einer solchen Burg betrug zwischen einem halben und einem ganzen Hektar.

    Ab etwa 600 drängten von der Ostsee bewaffnete Verbände von Wikingern aus Gotland, Dänemark und Schweden ins Land, die offensichtlich zeitweilig Teile des Kurengebietes beherrschten. Die frühe langanhaltende Dominanz und Präsenz von Skandinaviern wurde durch die Entdeckung ausgedehnter Gräberfelder aus der frühen Vendelzeit 600–850 in Grobiņa mit 3000 Gräbern im Stil Gotlands und Mittelschwedens bestätigt.[4] Die prußischen und kurischen Stämme spielten in der Folgezeit die führende verteidigende Rolle unter den Baltenstämmen gegen kriegerische Expansionen der Wikinger. Dass die Kuren sich gegen skandinavische Einfälle wehren konnten, belegen Grabbeigaben mit skandinavischen Beutebeigaben.

    Schriftliche Zeugnisse

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    Archäologische Rekonstruktion eines mittelalterlichen kurischen Hauses der Oberschicht, ausgestellt in Lielvārde.
    Passend beschreibt die Egils saga, dass kurische Anwesen aus vielen Hütten (Küchengebäude, Ställe, Scheunen und andere Nebengebäude) bestanden und die Wohngebäude „nur aus Baumstämmen gebaut“ in zwei Etagen ohne Fenster, nur mit Türen errichtet und mit Birkenrinde gedeckt seien. Von den Wohnräumen in der unteren Etage waren die Schlafräume in der oberen über eine Treppe durch eine Luke erreichbar, wo auch die Schwerter, Waffen und Wertgegenstände aufbewahrt wurden. Unter dem Haus waren in tiefen Gruben mit Deckel Gefangene untergebracht.[5]

    Die erste Erwähnung der Kuren stammt von Rimbert, Bischof von Bremen, als er 876 die Heiligenvita seines Amtsvorgängers Ansgar von Bremen verfasste: „Ein Volk, das Chori genannt wird und fern von ihnen lebt, war einst von den Svea (Schweden) unterworfen worden. Aber es ist schon so lange her, daß sie sich erhoben und das Joch abschüttelten.[6] Kurische Seeräuber traten aktiver, als prußische den wikingischen Verbänden nicht nur im Baltikum oder auf der Ostsee entgegen, sondern plünderten in wechselseitigen Überfällen auch mehrfach die Küsten Gotlands, Ölands und dänischer Inseln. Das Ergebnis dieser offensichtlich auch der Abschreckung dienenden Kriegszüge war, dass Wikinger im kurischen Gebiet im Gegensatz zum Prußengebiet und übrigen Lettland nicht mehr dauerhaft Fuß fassen konnten, hier keine Handelsstädte und Zentren mehr errichteten.

    Um 1070 erwähnte Adam von Bremen die Kuren. Seit dem 11. Jahrhundert wurde über Beutezüge der Kuren an die Küsten Skandinaviens berichtet. So musste Dänemark seine Küsten sommers wie winters schützen. Adam riet allen Christen, die kurländische Küste zu meiden, denn sie seien ein gens crudelissima (grausamstes Volk). In dänischen Kirchen wurden Schutzgebete gegen kurische Seeräuber verlesen, in einem überlieferten Gebet heißt es: „O mächtiger Gott, bewahre uns vor den Kuren.“ Kurische Geräte, wie sie typisch für die Gegend von Memel und Kretinga sind, wurden andererseits auch in Skandinavien gefunden und Adam von Bremen erwähnte Kurland als Untertanenland Schwedens. Die politischen Expansionen, Kriegszüge und Beziehungen waren also wechselhaft.[7]

    Noch 13. Jahrhundert berichten nordische Sagen legendär von den Kämpfen gegen die Kuren. Die isländische Egils saga erzählt, der schwedischen Sagenkönig Ivar Vidfamne soll schon im 7. Jahrhundert das Gebiet der Kuren unter schwedische Herrschaft gebracht haben. Auch der legendäre König Harald Hildetand soll die Kuren unter seiner Herrschaft gehalten haben. Nach dessen Tode hätten die Kuren ihre Unabhängigkeit zurück erlangt. Die Ynglingasaga aus dieser Zeit behauptet, dass 850–860 der legendäre Erik von Uppsala die widerständigen Kuren gegen Tributzahlungen unterworfen hätte. Auch Heinrich von Lettland berichtete im 13. Jahrhundert, offenbar entnommen aus älterer nordischer Überlieferung, die Kuren hätten Mitte des 9. Jahrhunderts die dänische Vorherrschaft abgeschüttelt, woraufhin der schwedische König Erik von Uppsala|Olof 853 das kurische Zentrum Apuolė belagert hätte und erst nach erneuten kurischen Tributen wieder abzog.[8] Spätere dänische und schwedische Eroberungsversuche scheiterten dagegen nach Aussagen der Sagas.

    Chroniken des 13. Jahrhunderts berichten erneut, dass Kuren mehrmals das inzwischen christianisierte Dänemark, erneut mehrere dänische Inseln, und Schweden, neben Gotland und Öland auch die Küstenregionen Blekinge und Uppland (aus denen inzwischen keine Raubzüge mehr ausgingen) verheerten, plünderten, Kirchenglocken und anderes Gerät mitführten. So wird die Zerstörung der schwedischen Stadt Sigtuna 1187 den Kuren im Verein mit anderen Gruppen aus dem Baltikum und Umgebung zugeschrieben.

    Heinrich von Lettland beschrieb 1210 die Kuren und behauptete ihre Wildheit gegen den Namen der Christen (Curonum ferocitatem contra nomen Christianorum).[9]

    Livländischer Orden

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    Als die Ritter des Livländischen Ordens Anfang des 13. Jahrhunderts in ihr Gebiet eindrangen, waren die südkurischen Landschaften nahezu menschenleer. Der Großteil der kurischen Bevölkerung war nach Norden abgewandert. Lange Jahre anhaltende Niederschläge hatten zu einer Klimaveränderung geführt, so dass die Menschen langfristig ihre feuchten Wohnplätze in den Niederungen entlang der Ostsee aufgaben und in den an sich klimatisch ungünstigeren Norden auswichen. Lediglich auf der trockenen Nehrung hatten sich einzelne Clans gehalten.

    Zahlreiche Ordensurkunden befassen sich mit kurischen Landschaften und geben Auskunft, dass Nordkurland besiedelt war, also auch aufgeteilt werden konnte, während die südkurländischen Landschaften als „den landen, die noch ungebuwet sin“ bezeichnet wurden. Dass der Süden Kurlands nicht gänzlich unbesiedelt war, wird auch in Ordensurkunden belegt, denn man bediente sich häufig der kundigen eingesessenen „seniores“, wenn es darum ging, Landstriche zu kennzeichnen und zu benennen.

    Siedlungsgebiet

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    Wie auch heute noch etliche Toponyme belegen, siedelten die Kuren ursprünglich entlang der Ostseeküste: vom Fuße der Kurischen Nehrung – etwa ab dem heutigen Selenogradsk (Russland) – über das nordwestliche Litauen bis hinauf in den Westen des heutigen Lettlands, dem Kurland (lett. Kurzeme).
    Die südlichen kurischen Landschaften Lamotina (höchstwahrscheinlich keine ursprünglich kurische Landschaft, sondern mit Schalauern besiedelt, erst 1254 dem Bistum Kurland übertragen; Gbt. um Šilutė (lit.)/Heydekrug (dt.)), Pilsaten (um Klaipėda/Memel), Megove (um Palanga/Polangen), Duvzare (Gbt. bis zur lettischen Grenze) sowie Ceclis (Niederlitauen) liegen alle in Litauen.

    Wo das Kurland an seinem östlichen Rand auf die Region (Semgallen, Lettland) trifft, überschnitt sich das Siedlungsgebiet der Kuren mit dem der Semgallen, an seinem südöstlichen Rand (Niederlitauen) mit dem der Samogiten; und an seinem südlichen Rand (Schalauen, Litauen/Kaliningrader Gebiet bzw. Gebiete beiderseits der Memel) mit dem der prußischen Schalauer. Diese drei Nachbarstämme gehörten ebenfalls zu den Balten. Den äußersten Norden ihres Gebiets dagegen teilten sich die Kuren mit dem finnougrischen Volksstamm der Liven.

    Kurische Landschaften

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    Am 28. Dezember 1230 werden in einem Vertrag zwischen dem päpstlichen Legaten Balduin d’Aulne (von Alnas) und den Kuren unter ihrem Anführer Lamekin (Lammechinus rex) erstmals neun Landschaften der Kuren genannt. 1252/53 werden in einem Vertrag zwischen dem Livländischen Orden und dem Bischof von Kurland außerdem ungefähr 190 Ortsnamen erwähnt.

    Die Ortsnamen zeigen, dass es sich um die Westküste Kurlands handelt: Esertue, Durpis, Saggara, Thargole, Osua, Langis, Venlis, Normis, Kiemala, Pygawas, Sarnitus, Riwa, Sacez, Edualia, Aliswanges, Ardus, Alostanotachos, Winda. Der Urkunde ist ferner zu entnehmen, dass das Land bereits eingeteilt war und dass hier bereits kleinere Siedlungseinheiten, also Dörfer vorhanden waren, denn diese traten gegenüber dem Orden, unter Führung der Ältesten, als Vertragskontrahenten auf, (1230/31). So hatten die Dorfältesten Leute für Heerfahrten gegen die Heiden aufzubieten, denn in der Übereinkunft des kurländischen Bischofs mit dem Livländischen Orden heißt es:
    „Weret dat is geschege, dar die viende des geloven snelliken int land sprengeden, so mogen uns boden in der brodere guit, und der brodere boden in uns guit, die lude to der malawen eisschen, bi den eilsten der dorpe“.

    Nordkurische „bebaute“ Gebiete

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    Kurische Landschaften im 13. Jahrhundert
    Vredecuronia / Vanema (lila)
    Wynda / Ventava (dunkelgrün)
    Bandowe / Bandava (gelb)
    Bihavelanc / Piemare (rot)
    Dowzare / Duvzare (braun)
    Ceclis (hellgrün)
    Megowe / Megava (ocker)
    Pilsaten (dunkelblau)
    Lamotina (hellblau)
    Vredecuronia / Vanemane
    lateinisch terra de Wanneman sive Vredecuronia
    Im Nordosten, heute lettisches Gebiet Talsi. Der Name setzt sich wahrscheinlich zusammen aus vrede ‚Friede, Grenze‘ und Curonia und wurde nur zwischen 1252 und 1260 erwähnt.
    Zu dieser Landschaft gehören die Örtlichkeiten Arevale, Popen (Pope), Topen / Copen, Vietsede, Puse (Puze), Ugale (Ugāle), Amulle (Amule), Vede (Vēde), Anse, Matre (Matra), Moden (Modes), Cersangere, Danseweten, Rende (Rinda), Walgele (Valgāle), Cabele (Kabile), Pedewale, Zabele, Candowe (Kandava), Mattecul (Matkule), Wane (Vāne), Pure (Pūre), Tuckmen (Tukums), vum terris desertis inter Candowe (Kandava) et Semigalliam; item Assen (Ases), Ladze (Lazdas), Uge, Talsen (Talse), villa Husman.
    Wynda / Ventava
    lateinisch terra Saggara
    Diese Landschaft schließt sich südwestlich an Vredecuronia an und liegt an der Mündung des Flusses Venta, dem wiederum möglicherweise die Bedeutung venys ‚Weideland‘ zugrunde liegt. Das Gebiet wurde erst im 11. bzw. 12. Jahrhundert von Kuren besiedelt, die vorher hier lebende finno-ugrische Bevölkerung wurde verdrängt oder assimiliert. Heute im lettischen Gebiet Ventspils.
    Hier liegen Windau-Fluss, Cervigal, Laydze, Rapaden, Venese, Goldinghen (Kuldīga), Sirien, Terewenden (Tervende), Apussen (Apuze), Cisse, Edvale (Ēdole), Lessede, Hasowe (Užava), Ambele, Sarneke, Vrien, Lanze (Landze), Winden (Ventspils), Wense, Udren (Ūdrante / Ūdrande), Targele.
    Bandowe / Bandava
    lateinisch terra Bandowe
    Dieser Landschaftsname existiert zwischen 1230 und 1253 und leitet sich vielleicht von banda ab: dem Knecht zur Nutzung überlassenes Land, Viehherde‘. Das Gebiet liegt südlich von Wynda, es umfasst die mittlere Venta und ist von der Ostsee durch Bihavelanc getrennt. Heute im lettischen Gebiet Kuldīga.
    Hierzu zählen Amboten (Embūte), Calten, Baten (Bāte), Warve (Vārve), Elkene, Assiten (Asīte), Rese, Cepse, Padoren, Celde, Lene (Lēna), Nedighen, Perbona, Calvien (Kaļvi), Apussen (Apuze), Asenputten (Aizpute), Zameiten (Zemīte), Scherenden, Walteten, Sargamiten, Wepele, Lippete, Libben (Lipāja ?), Scrunden (Skrunda), Iierien, Turlose (Turlava), Alswanghen (Alsunga), Arsen, Assen, Ierusalem, Arolde, Santike, Weysen, Pakkare, Nitten (Nikta), Sceden (Šķēde), Payulden, Wyllegalle (Vilgāle), Eze (Eža), Kewele (Ķēvele), Cormele, Kemele, Ywande (Īvande), Tygwe (Tigve), Carilanken, Nabba (Nabe), Memcute, Swelgode, Welse (Veldze).
    Bihavelanc / Piemare
    Bihavelanc
    lateinisch terra Bihavelanc
    Das ist eine deutsche Bezeichnung: beim Haff entlang. Diese Landschaft liegt also an der Ostseeküste, südlich von Bandowe. Heute im lettischen Gebiet Liepāja.
    Örtlichkeiten dieser Landschaft sind Razge, Barta (Bāta), Wartan, Percunenkalwe, Duvenelke, Prusse, Karkele (Kārkļi), Sintere, Salene (Saliena), Sakke (Saka), Warta, Deteten, Unseten, Ylse (Ilze), Lypa (Liepa), Gaweysen (Gawieze), Warva (Vārva), Donen, Pene, Octo (Okte), Zilse, Lindale, Troyst, Jewaden, Byrsegalewe, Gerwe, Boynseme, Drage, Crote (Krote), Aparate, Ylmede (Tebra), Duppele, Grobyn (Grobiņa), Nercs (Nerza), Strutte (Strutele), Telse (Tāšu), Aystere (Aistere/Aizteres), Virgenare (Virga), Riwa (Rīva), Medce (Medze), Medda, Lyva.

    Südkurische „unbebaute“ Gebiete

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    Der Begriff „unbebaut“ heißt in Ordenszeiten nicht, dass das Land unbesiedelt war, sondern dass hier keine Landwirtschaft betrieben wurde und dass der Orden plante, dieses zu ändern. In Urkunden von 1253 heißt es „schedunge der lande, die do besaten weren“, „die lande, die wi noch nicht gedeilet hadden“. 1291 wird festgestellt, dass ein Fortschritt in der Besiedlung und Bearbeitung des Landes nicht stattgefunden hat, und etwa ein Jahrhundert später wird die Aussichtslosigkeit der Durchführung eingesehen. 1328 wird das Memelgebiet an den Deutschen Orden abgetreten, 1392 verzichtet der Bischof auf seinen Anteil.

    Es war zudem gefährlicher Boden, denn dieser Landstrich war als Durchgangsgebiet zwischen Preußen und Livland wichtig, und so mancher Christenmensch wurde dabei am Strand eingefangen und ermordet. Wege durch das Landesinnere wurden nach Möglichkeit vermieden, denn sie waren wegen der Unwegsamkeit ohnehin nur mit Hilfe von Einheimischen zu bewältigen und bedurften einer ausgeklügelten Logistik. „do wir ouch eigentlich gehandelt und gewegen haben beide, den nutz und ouch den schaden unsir kirchen, und sonderlich gemerket, das die land derselben unsirer kirchen an dem meisten theile wüste und an gruelichen wiltnissen und nemlich am ansprunge der heidenschaft gelegen sien und mit in grenitzen, und wir ouch und unser kirche zu schwach und zu arm darzu sien das wir die land beweldigen und sie von der heidenschaft schutzen und beschirmen mochten …, sien wir eins worden mit dem … ganzen Orden …“

    Da der Orden dieses Gebiet nie wirklich besessen hat, konnte er es auch nicht durchgehend aufteilen. Die Gegend war trotzdem nicht unbesiedelt, denn es lebten hier Fischer und halbnomadische, die Werte der Wälder nutzende Jäger. Für die Besiedlung sei hier die Verlehnung des Burggebietes Krottingen an vier Personen erwähnt (April 1253): Velthune, Reygin, Twertiken, Saweyde. In der Livländischen Reimchronik unter Verszeilen 6977–7003 ist zu lesen: „In was ein burg gelegen bie uber guter milen dire, Kretenen was daz hus genant. vil dicke quamen sie gerannt zur Mimele vor daz burgetor … die brudere sehre daz verdroz, daz ir hochvart was so groz. einer reise wart von in gedacht … kein Kretenen stunt ir sin. beide zu vuz unde geritten quamen sie kreftic dar mit zorne uf der brudere schar … in was zu starc der heiden wer … doch half in got von himele, daz si quamen zur Mimele.“[10] (Ihre Burg war drei Meilen von Memel entfernt, Krottingen hieß sie. Sie kamen sehr oft vor das Burgtor von Memel marschiert; diese Frechheit bereitete den Rittern großen Unmut. Sie heckten ein Unternehmen aus: Auf nach Krottingen! Zu Fuß und zu Pferd kamen sie mit Wucht auf das Ritterheer zu, aber der Heiden Wehr war zu stark. Sie konnten Gott im Himmel danken, dass sie Memel wiedersahen.) Des Weiteren sei die Bestimmung von 1253 über das Fischerei-Erbrecht genannt: „Vortmeir war it sich gevile der brodere lude in unser visscherie to visschene, die solen uns den teende geven, und dat sulve solen unse lude den broderen wider don, also dat nieman ut besloten en werde von sime erve in dirre vorbenomede visscherie.“

    Dowzare / Duvzare
    lateinisch terra Dowzare, bzw. terra Duizare, südlich von Bihavelanc, heute im lettischen Gebiet Liepāja, und zu einem kleinen Teil in Litauen.
    Der Name setzt sich zusammen aus dem Zahlwort duvi/dui ‚zwei‘ und entweder ezers ‚See‘ oder zars ‚Ast‘.
    Hier liegen die Örtlichkeiten Birstele (Birstel-Fluss), Dames (Gr. und Kl. Dahmen), Empilten (Impelt/Ipiltis), Loke (Luka), Papissen (Pesse/Pese), Patteycias (Kalleten/Kaleti), Pretzele (Groß Gramsden), Rutzowe (Rutzau/Rucava), Trecne (Gr. und Kl. Trecken/Trekni), Velienen (Wellin am Kirbe-Moor), Virga (Wirgen). Nicht lokalisiert wurden Peynis und Warze/Warse.
    Ceclis
    litauisch Keklys, lateinisch terra Ceklis
    Das größte Gebiet mit ca. 1500 km². Der Name deutet vielleicht auf einen Bewuchs mit Gebüsch und Büschelblumen. Diese Landschaft umfasst die Flussgebiete der Virvyčia, Minija, Jūra (Oberlauf) und Barta sowie die Zuflüsse der Šventoji im litauischen Nord-Žemaiten.
    Örtlichkeiten dieser Landschaft sind Alizeyde (Alsedžiai), Apusse (Apsze-Fluss), Appule (Apuole), Bebrungis (Babrungenai), Birsine (Biržine), Dobe (Duobenai), Duzene (Dusai), Embare (Imbare), Garde (Kalvarija), Gandingen (Gandinga), Garisda (Gargždai), Gresc (Grösen/Grieže/Grieze), Grumsle/Grumste (Gruste/Grunschen/Grunsten), Kartine (Kartena), Letzime (Lekeme), Leypiasseme (Lieplaukis), Lobe (Luoba), Maysedis (Mosedis), Nateye (Notenai), Nedingen (Medingėnai), Newarie (Nevarenai), Pilenen (Peleniai), Pomenie (Minge/Minija-Fluss), Pregelwe (Pregalva), Pylwe (Piteve-Fluss), Remtene (Remte-See), Retowe (Rietavas), Sansugale (Žasugalas), Sare (Žarenai), Schoden (Schoden/Skuodas), Vesete (Viešeta-Fluss), Vieswe (Viešvenai), Vitwizen/Vicwiten (Vitvite-Fluss/Widwit-Fluss), Zegere (Gegrenai), Zelende (Gelindenai), Zesele (Gesalai). Nicht lokalisiert sind Pretzitwe, Amelinge, Calneseme/Kalnesemme, Spermes/Spernes, Zelecoten, Seculmzeme, Eycayswe.
    Megowe / Megava
    lateinisch terra Megowe
    Diese Landschaft umfasst den schmalen Küstenstreifen von Palanga bis Memel in Litauen und reicht östlich bis Kartena. Der Name bedeutet Wald.
    Für Besiedlung und vor allem für die Gefährlichkeit dieses Landstriches die Ordensritter betreffend spricht die Ältere Hochmeisterchronik 1372: „Do her czur Memel quam, do quam der Voigt von Grobyn mit wenig brudern und sprach, das sie nymant uff dem strande segen noch hörten … dy quamen zcu dem meister zcu Palange, und sprachen, das der strand reyne were.“ (Als er nach Memel kam, kam der Vogt von Grobyn mit einigen Brüdern und sprach, dass sie niemanden auf dem Strande gesehen noch gehört hatten … die kamen zum Meister von Palanga und sprachen, dass der Strand frei sei.)
    Hierzu gehören Aggemine (Akmena-Fluss), Caukas (Kiaken/Kayken), Cretyn (Krottingen/Kretinga), Dupie (Dupulčiai), Dwiristis (Groß Wirsteniken/Virštininkai/Virkštininkai), Gowrene (Gaure/Gauris), Lasdine (Lazdininkai), Maycinele (Kurmaičiai), Palange (Polangen/Palanga). Nicht zu lokalisieren sind Matwa/Matuwa und Waste.
    Pilsaten / Pilsāts
    lateinisch terra Pilsaten
    Das kleinste Gebiet mit ca. 200 km². Der Name dieser Landschaft um Klaipėda (Memel) herum leitet sich von pil, pilstu, pilt, pilti ‚fließen, gießen, schütten, tröpfeln‘ ab und weist auf wasser- und sumpfreiches Areal.
    Zu dieser Landschaft gehören die Örtlichkeiten Ackete (Ekitten), Calaten (Kollaten), Drivene (Drawöhnen/Heuschlag im Gebiet Sarden), Galmene (Kerndorf/Callnuwöhnen), Lassiten (Leisten/Lausti), castellatura Poys (Plantage nördlich von Memel), Burg Mutene (Groß Tauerlauken), Pelltien/Pellicen/Schanze Piltynas (Sudmanten-Trusch), Sarde (Szarde), Sarde-Fluss (Schmelzfluss/Schmeltelle). Nicht lokalisiert sind Untergebiete von Poys: Twartikini, Negelite, Suntelite, Octen.
    Lamotina (keine klassische kurische Landschaft, wohl erst 1254 dem Bistum Kurland zugesprochen)
    Diesem Landschaftsnamen liegt lama ‚Pfütze, Sumpf‘ zugrunde.
    Das Gebiet um Heydekrug/Šilutė wird in Ordensurkunden nicht genau beschrieben, was für eine sehr spärliche Besiedlung spricht. Eine Wegbeschreibung der Ordensritter vom 18. Dezember 1384 berichtet lediglich von geografischen Gegebenheiten, nicht aber wie in nördlicheren Gebieten von Gefahren, die von Bewohnern ausgehen könnten: „Dese wege hat Gayline de tolk von der Memel gegangen … als man von der Memel will wczin … so mus man die erst nacht legen vff der Menye, das sint III milen von der Memel; von der Menye sind III cleine mile vff die Wewerse, do liet man die andir nacht, do czwischen liet eyn cleyn vlis, das ist eyne myle von der Menye und heist Ayse; von der Wewerse sint III cleyne mylen bis vff eyn flys, das heist die Grawmanape, do leit man die dritte nacht; doczwischen geet ouch eyn flys, das heist die Sweisna …“ („Diese Wege hat Gayline der Dolmetscher von Memel geführt … Will man von Memel aufbrechen, muss man die erste Nacht an der Minge bleiben; das sind 3 Meilen von Memel. Von der Minge sind 3 kleine Meilen bis zur Wewirsze; da bleibt man die andere Nacht. Dazwischen ist ein kleiner Fluss eine Meile von der Minge entfernt, der heißt Aise. Von der Wewirsze sind 3 kleine Meilen bis zu einem kleinen Fluss, der heißt Graumena. Da bleibt man die dritte Nacht. Dazwischen geht auch ein kleiner Fluss; der heißt Schwekschna.“)
    Die Ostgrenze wird nicht weit westlich der Jūra lokalisiert, als Westgrenze gilt das Kurische Haff. Im 15. Jahrhundert berichtet der ehemalige Ordensvogt von Žemaiten, Michael Küchmeister, an den Hochmeister: „auch hab ich en undirwiset, dass off unser seite der Jure nykeyn Samayte ny gewonet hat, wenne das land tzwisschen der Jure vnd dem Kuwrisschen Habe das heysset Lamyschken.“
    1. Pietro U. Dini: Foundations of Baltic Languages. Vilnius 2014, S. 293–295.
    2. Audronė Bliujenė: Curonian bead sets with bronze spacer plates and their Scandinavian parallels. In: Hermann Bengtsson et al. (Hrsg.): Förnvännen. Journal of Swedish Antiquarian Research. 96 (2001), S. 235–242
    3. Audronė Bliujenė: The origin and the main ornamentation features of the Curonian animal style. in: Acta Academiae Artium Vilnensis [AAAV] 20 (2000), S. 127–139.
    4. Vgl. Pietro U. Dini: Foundations of Baltic Languages. Vilnius 2014, S. 291.
    5. Kęstutis Demereckas, Margarita Ramanauskienė, Juozapas Algimantas Januševičius, Gintarė Baltrūnė, Rimas Adomaitis: Kuršių nerijos tradicinė architektura. (litauisch, =‚Traditionelle Architektur der Kurischen Nehrung.‘, erster Teil der pdf.) Klaipėda 2011, S. 7–8.
    6. Vita Sancti Ansgarii 30 (vgl. englische Übersetzung in „Chapter XXX“, 2. Satz)
    7. Vgl. Pietro U. Dini: Foundations of Baltic Languages. Vilnius 2014, S. 291–292.
    8. Audronė Bliujenė: Curonian bead sets with bronze spacer plates and their Scandinavian parallels. In: Hermann Bengtsson et al. (Hrsg.): Förnvännen. Journal of Swedish Antiquarian Research. 96 (2001), S. 235–242, hier S. 235 f.
    9. Vgl. Pietro U. Dini: Foundations of Baltic Languages. Vilnius 2014, S. 291–292.
    10. Livländische Reimchronik 6977–7003 Digitalisierter Druck (Hrsg.: Leo Mayer, Paderborn 1878), S. 160–161.