Kurt Knittel

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Kurt Adolf Karl Knittel (* 23. September 1910 in Karlsruhe; † 27. Januar 1998 ebenda) war ein deutscher SS-Oberscharführer und Abteilungsleiter im KZ Auschwitz und nach dem Zweiten Weltkrieg Regierungsschulrat am Oberschulamt in Karlsruhe.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der in Baden aufgewachsene Knittel wurde zum Volksschullehrer ausgebildet. Im Jahre 1933 trat er der SS bei und wurde Schulungsleiter beim SS-Sturm 9/32 in Schwetzingen.

Ab 1939 war Knittel Angehöriger der Waffen-SS und war danach im KZ Sachsenhausen eingesetzt. Spätestens Mitte September 1942 wurde Knittel ins KZ Auschwitz versetzt.[1] In Auschwitz war Knittel mit der Betreuung als Abteilung VI. der KZ-Wachmannschaften betraut. Dabei veranstaltete er im „Kameradschaftsheim der Waffen-SS“ Schulungsabende.

Zuerst war die Truppenbetreuung auf dem Gelände der Wirtschaftsgebäude der SS untergebracht, um dann später im Januar 1942 in die Kommandantur des KZ verlegt zu werden. Im Mai 1942 ließ Knittel seine Frau Annemarie nachkommen, die als Scharleiterin der NS-Frauenschaft tätig war.

Knittel veranstaltete außer ideologischen Schulungsabenden, z. B. mit dem Thema „Die Vergeltung“, auch „Kulturabende“ mit Gastspielen von Theatern, Schauspielern und Musikern, wobei Schwänke wie „Gestörte Hochzeitsnacht“ aufgeführt wurden. Am Montag, dem 15. Februar 1943 fand beispielsweise ein Abend unter dem Motto „Goethe - ernst und heiter“ statt, zu dem der SS-Hauptsturmführer Robert Mulka dienstlich einlud.

Obwohl der systematische Massenmord im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau als geheimes Unternehmen ausgeführt wurde, ließ er sich nicht verheimlichen, nicht zuletzt, da jeder den Gestank der Leichenbrennungen in den Krematorien riechen konnte, wie Knittel bestätigte.

Knittel trug mit seinen ideologischen Schulungen und den kulturellen Aufführungen dazu bei, die Brutalität des KZ-Personals aufrechtzuerhalten.[2] Wegen seines theatralischen Auftretens bei den Veranstaltungen wurde er von den SS-Wachmannschaften als „Truppen-Jesus“ bezeichnet. Aufgrund seiner Aktionen in Auschwitz wurde Knittel 1943 zum SS-Oberscharführer befördert und erhielt am 30. Januar 1944 das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern.

Knittel hielt nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 am 25. Juli den Vortrag „Der Nationalsozialismus in seiner Stellung zum deutschen und europäischen Geistesleben“, zu dem alle SS-Führer des Standorts Auschwitz befohlen wurden. Doch schon einen Monat später wurden die Auswirkungen der sich nähernden Ostfront spürbar. Der Standortbefehl vom 18. August 1944 kündigte denn auch die Einschränkung des „kulturellen Lebens“ an.

Nun sollte Knittel alle SS-Männer erfassen, die sich als Schauspieler, Musiker, Artisten u. ä. verwenden ließen. Der Dienstplan meldete denn auch, dass Knittel Ende 1944 den Vortrag Das Reich in Gefahr hielt. Die Vergasungen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wurden am 2. November 1944 eingestellt.

Nach der Evakuierung des KZ Auschwitz im Januar 1945 leitete Knittel im KZ Mittelbau die Abteilung VI (Fürsorge und Schulung).[3]

Nach Kriegsende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entlassung aus der Internierung (1948)

Knittel geriet im August 1945 in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft und war in Ludwigsburg und Kornwestheim bis April 1948 interniert. Knittels Karlsruher Hausarzt Robert Schwank stellte ihm 1946 einen Persilschein aus, in dem er bezeugte, dass Knittel bei seiner Veranlagung an keinen terroristischen Aktivitäten teilgenommen haben könne, zudem sei er mit einem jüdischen Mitschüler befreundet gewesen.[4] Im Dezember 1948 fand Knittel eine Anstellung als Dramaturg einer Wanderbühne in Villingen. Ein Jahr später arbeitete er als Mittelschullehrer wieder im Schuldienst. Das Oberschulamt in Karlsruhe beschäftigte ihn 1957 als Referent für Volks-, Mittel- und Sonderschulen. Zwei Jahre später wurde er zum Regierungsschulrat befördert. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen ihn wurde 1962 eingestellt. Im Auschwitzprozess wurde sein Name während der Zeugenbefragungen genannt und kam damit wieder in Erinnerung. Die Staatsanwaltschaft im Auschwitzprozess betonte die moralische Schuld der Schreibtischtäter, die in der jungen Bundesrepublik Deutschland wieder ehrenvolle Ämter bekleideten, wobei explizit auch Knittel genannt wurde: „Sicherlich nicht das gravierendste, aber wohl in seiner Konstellation ungeheuerlichste Beispiel dieser Art ist für mich […] der ehemalige Oberscharführer Knittel. Es gibt kaum einen Kommandantur- oder Standortbefehl in den Gerichtsakten, in dem nicht sein Name auftaucht. Er war es, […], der dafür sorgte, daß die SS-Mannschaften, soweit das überhaupt noch möglich war, immer noch weiter verhetzt wurden gegen ihre Opfer. Und dieser Mann setzt heute seine segensreiche Tätigkeit fort, indem er als Regierungsschulrat in Baden-Württemberg für die Erziehung eines Teils der deutschen Jugend arbeitet“.[2]

In der Bundesrepublik konnte Knittel verschiedene Ehrenämter bekleiden:

  • im Rundfunkbeirat des Schulfunks beim Süddeutschen Rundfunk,
  • Geschäftsführer der Karlsruher Volksbühne
  • Leiter einer Jugendbühne
  • Verwaltungsrat der Badener Hochschule für Musik

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eichendorffs Heidelberg-Erlebnis, in: Badische Heimat, Heft 1, 1952, S. 6ff.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Aleksander Lasik: Die Organisationsstruktur des KL Auschwitz. In: Aleksander Lasik, Franciszek Piper, Piotr Setkiewicz, Irena Strzelecka: Auschwitz 1940-1945. Studien zur Geschichte des Konzentrations und Vernichtungslagers Auschwitz., Band I: Aufbau und Struktur des Lagers, Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 1999, S. 298f.
  2. a b Der Auschwitz-Prozeß. Tonbandmitschnitte, Protokolle, Dokumente. Hrsg. vom Fritz Bauer Institut Frankfurt am Main. Digitale Bibliothek 2004, ISBN 3-89853-501-0, S. 33973 / 33974 (161. Verhandlungstag - 21. Mai 1965).
  3. Jens-Christian Wagner: Produktion des Todes: Das KZ Mittelbau-Dora, Göttingen 2001, S. 652
  4. Robert Schwank: Erklärung, bei holocaust-history-archive