Valin

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Strukturformel
L-Valin
Abbildung von L-Valin, dem natürlich vorkommenden Isomer
Allgemeines
Name Valin
Andere Namen
Summenformel C5H11NO2
Kurzbeschreibung

weißer Feststoff mit schwachem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 200-773-6
ECHA-InfoCard 100.000.703
PubChem 6287
ChemSpider 6050
DrugBank DB00161
Wikidata Q483752
Arzneistoffangaben
ATC-Code

V06 

Eigenschaften
Molare Masse 117,15 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte
  • 1,23 g·cm−3 (L-Valin)[2]
  • 1,31 g·cm−3 (DL-Valin)[2]
Schmelzpunkt
pKS-Wert
  • pKS, COOH = 2,29[3]
  • pKS, NH3+ = 9,72[3]
Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Valin, abgekürzt Val oder V, ist in seiner natürlichen L-Form eine essentielle proteinogene α-Aminosäure, die in geringen Mengen in allen wichtigen Proteinen vorkommt. Die Stoffbezeichnung leitet sich ab von lat. validus für kräftig und gesund. Isoliert wurde Valin erstmals 1901 durch Emil Fischer aus dem Casein, einem Milcheiweiß. Strukturell leitet sich Valin durch Substitution des α-Wasserstoffatoms durch eine Aminogruppe (–NH2) von der Isovaleriansäure ab.

In der alkoholischen Gärung wird Valin durch Hefeenzyme zu Isobutanol, einem Bestandteil des Fuselöls, vergoren (Aminosäuregärung). Spät geerntete Weintrauben haben einen signifikant höheren Aminosäuregehalt, auch Valingehalt.

Isomere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Valin besitzt ein Stereozentrum, somit existieren zwei Enantiomere. Wenn in diesem Text und in der wissenschaftlichen Literatur ohne jeden Zusatz „Valin“ erwähnt wird, ist stets das natürlich vorkommende L-Valin [Synonym: (S)-Valin] gemeint. In diesem Artikel betreffen die Angaben zur Physiologie ebenfalls alleine L-Valin.

Isomere von Valin
Name L-Valin D-Valin
Andere Namen (S)-Valin (R)-Valin
Strukturformel L-Valin D-Valin
CAS-Nummer 72-18-4 640-68-6
516-06-3 (unspez.)
EG-Nummer 200-773-6 211-368-9
208-220-0 (unspez.)
ECHA-Infocard 100.000.703 100.010.336
100.007.474 (unspez.)
PubChem 6287 71563
1182 (unspez.)
DrugBank DB00161
− (unspez.)
FL-Nummer 17.028
17.023 (unspez.)
Wikidata Q483752 Q27103152
Q27109943 (unspez.)

Racemisches Valin [Synonyme: DL-Valin und (RS)-Valin] besitzt als Zwischenprodukt in der chemischen Industrie eine wirtschaftliche Bedeutung. Enantiomerenreines D-Valin [Synonym: (R)-Valin] wird meist aus DL-Valin hergestellt und besitzt praktische Bedeutung bei der Herstellung von Cyclosporin. Die Racemisierung von L-Aminosäuren kann zur Aminosäuredatierung – einer Altersbestimmung für fossiles Knochenmaterial – herangezogen werden.[5]

L-Isovalin und L-Norvalin sind Konstitutionsisomere.

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da der menschliche Organismus Valin nicht herstellen kann, ist er auf die Zufuhr mit der Nahrung angewiesen. Die folgenden Beispiele für den Gehalt an proteinogen gebundenem Valin beziehen sich jeweils auf 100 g des Lebensmittels, zusätzlich ist der prozentuale Anteil am Gesamtprotein angegeben.[6]

Lebensmittel Gesamtprotein Valin Anteil
Rindfleisch, roh 21,26 g 1055 mg 5,0 %
Hähnchenbrustfilet, roh 23,09 g 1145 mg 5,0 %
Lachs, roh 20,42 g 1107 mg 5,4 %
Hühnerei 12,58 g 0 859 mg 6,8 %
Kuhmilch, 3,7 % Fett 0 3,28 g 0 220 mg 6,7 %
Walnüsse 15,23 g 0 753 mg 4,9 %
Weizen-Vollkornmehl 13,70 g 0 618 mg 4,5 %
Mais-Vollkornmehl 0 6,93 g 0 351 mg 5,1 %
Reis, ungeschält 0 7,94 g 0 466 mg 5,9 %
Erbsen, getrocknet 24,55 g 1159 mg 4,7 %
Spirulina, getrocknet 60 g 2387 mg 4 %
Chlorella, getrocknet 59 g 3800 mg 6,4 %

Alle diese Nahrungsmittel enthalten praktisch ausschließlich chemisch gebundenes L-Valin als Proteinbestandteil, jedoch kein freies L-Valin.

Die Einschätzungen des Tagesbedarfs für gesunde Erwachsene reichen, je nach verwendeter Methode, von 10 bis 29 mg Valin pro Kilogramm Körpergewicht.[7]

Biochemische Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Valin wird als Baustein zur Proteinbiosynthese benötigt, ist aber bei proteinreicher Kost oder im Falle der Mobilisierung körpereigener Proteinreserven auch zur Energiegewinnung nutzbar. Beispielsweise dient Valin, wie die beiden anderen Aminosäuren mit verzweigter Kohlenstoffkette Leucin und Isoleucin, der Ernährung des Muskels. Das spielt eine Rolle bei längerer Anstrengung oder in Hungerphasen, wenn der Körper auf eigene Reserven zurückgreifen muss. Der Abbau von Valin liefert Propionyl-CoA, das nach Umsetzung zu Succinyl-CoA zur Auffüllung des Citratzyklus beiträgt.[8]

Stoffwechselerkrankungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Abbau von Valin ist unter anderem bei folgenden Stoffwechselkrankheiten gestört:

Darstellung und Gewinnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Darstellung von Valin kann durch die Strecker-Synthese erfolgen. Ausgangsprodukt ist Isobutanal (Iso-Butyraldehyd):

Synthese des Valins (Strecker-Synthese)
Synthese des Valins (Strecker-Synthese)

Bei der Strecker-Synthese entsteht DL-Valin. Zur Racematspaltung wird DL-Valin am Stickstoffatom acetyliert. Das so gebildete DL-N-Acetylvalin wird einer enzymatischen Racematspaltung unterworfen. Das Enzym L-Acetylase hydrolysiert dabei enantioselektiv die Amidbindung im L-N-Acetylvalin zu Essigsäure und L-Valin, während D-N-Acetylvalin unverändert bleibt.

L-Valin kann auch durch Fermentation, einem Verfahren der Biotechnologie, direkt erhalten werden. Die Ausgangsstoffe sind abhängig von den verwendeten Bakterienkulturen. So benötigt Bacillus lactofermentum Glucose, B. flavum Essigsäure und Corneybacterium acetoacephilum Ethanol als Quelle für den Gerüstkohlenstoff. Um die Ausbeute zu erhöhen und die Bildung unerwünschter Produkte zu unterbinden, handelt es sich meist um speziell gezüchtete (genetisch modifizierte oder selektierte) Kulturen.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Valin verfügt über eine lipophile Seitenkette. Der Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizient beträgt −2,26 (log KOW).[9] Der isoelektrische Punkt liegt bei 5,96,[10] das Van-der-Waals-Volumen bei 105. Valin liegt überwiegend als „inneres Salz“ bzw. Zwitterion vor, dessen Bildung dadurch zu erklären ist, dass das Proton der Carboxygruppe an das einsame Elektronenpaar des Stickstoffatoms der Aminogruppe wandert.

Zwitterionen von L-Valin (links) bzw. D-Valin (rechts)

Im elektrischen Feld wandert das Zwitterion nicht, da es als Ganzes ungeladen ist. Genaugenommen ist dies am isoelektrischen Punkt (bei einem bestimmten pH-Wert) der Fall, bei dem das Valin auch seine geringste Löslichkeit in Wasser hat.

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Valin kann als Precursor (fertiger Baustein eines Produktmoleküles) die Ausbeute von Penicillin-bildenden Kulturen steigern.

Es ist Bestandteil von Energiedrinks und Infusionslösungen zur parenteralen Ernährung.[11]

Als Edukt für die gezielte Herstellung von enantiomerenreinen Stoffen besitzt (S)-Valin eine praktische Bedeutung in der Chemie.[12][13]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans-Dieter Jakubke und Hans Jeschkeit: Aminosäuren, Peptide, Proteine, Verlag Chemie, Weinheim 1982, ISBN 3-527-25892-2.
  • Jesse Philip Greenstein und Milton Winitz: Chemistry of Amino Acids, John Wiley & Sons, 1962, Bände 1 bis 3, ISBN 0-471-32637-2.
  • Yoshiharu Izumi, Ichiro Chibata und Tamio Itoh: Production and Utilization of Amino Acids, in: Angewandte Chemie International Edition in English 1978, Bd. 17, S. 176–183. doi:10.1002/anie.197801761.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Valin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Valin – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Datenblatt Valin bei Merck, abgerufen am 25. Dezember 2019.
  2. a b c d e f g h i j Eintrag zu Valin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 18. November 2022. (JavaScript erforderlich)
  3. a b Hans Beyer und Wolfgang Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1991, ISBN 3-7776-0485-2, S. 823.
  4. Eintrag zu Valin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 25. Dezember 2014.
  5. Hans-Dieter Jakubke, Hans Jeschkeit: Aminosäuren, Peptide, Proteine, Verlag Chemie, Weinheim, 62, 1982, ISBN 3-527-25892-2.
  6. Nährstoffdatenbank des US-Landwirtschaftsministeriums, 21. Auflage.
  7. A. V. Kurpad, M. M. Regan, T. Raj, J. V. Gnanou: Branched-chain amino acid requirements in healthy adult human subjects. In: J. Nutr. 136(1 Suppl); Jan 2006: S. 256S–263S; PMID 16365094.
  8. J. M. Berg, J. L. Tymoczko, L. Stryer: Biochemie. 6. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Elsevier GmbH, München 2007; S. 697–698, 735, 746; ISBN 978-3-8274-1800-5.
  9. C. Hansch; A. Leo; D. Hoekman: Exploring QSAR. Hydrophobic, electronic and steric constants ACS Professional Reference Book, American Chemical Society, Washington DC, 1995; ISBN 978-0-8412-2991-4.
  10. P. M. Hardy: The Protein Amino Acids in G. C. Barrett (Herausgeber): Chemistry and Biochemistry of the Amino Acids, Chapman and Hall, 1985, ISBN 0-412-23410-6, S. 9.
  11. S. Ebel und H. J. Roth (Herausgeber): Lexikon der Pharmazie, Georg Thieme Verlag, 1987, S. 668, ISBN 3-13-672201-9.
  12. Karlheinz Drauz, Axel Kleemann und Jürgen Martens: Induktion von Asymmetrie durch Aminosäuren, in: Angewandte Chemie, 1982, Bd. 94, S. 590–613; Angewandte Chemie – International Edition English, 1982, Bd. 21, S. 584–608.
  13. Jürgen Martens: Asymmetric Syntheses with Amino Acids, in: Topics in Current Chemistry, 1984, Bd. 125, S. 165–246.