Verbraucherpreisindex für Deutschland

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Verbraucherpreisindex 2000–2023 für Deutschland
(Basisjahr 2020 = 100, Statistisches Bundesamt, Stand März 2023)[1][2]

Der Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI) ist ein Preisindex der durchschnittlichen prozentualen Veränderung des Preisniveaus bestimmter Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden. Die Veränderung des Verbraucherpreisindex zum Vorjahresmonat bzw. zum Vorjahr wird als Teuerungsrate oder als Inflationsrate bezeichnet.[3]

Die Preisveränderung gegenüber dem Vorjahr bzw. Vorjahresmonat ergibt sich aus dem Vergleich des aktuellen Indexstandes mit dem Indexstand des Vorjahres bzw. Vorjahresmonats. Ausgangspunkt dieser Betrachtung ist immer das jeweilige Basisjahr, seit Januar 2023 das Jahr 2020, in dem der Warenkorb erstellt wurde. Das aktuelle Gewichtungsschema des Warenkorbes wurde durch das Statistische Bundesamt unter dem Titel „Wägungsschema für das Basisjahr 2020“ veröffentlicht.[4] Das Statistische Bundesamt veröffentlicht auch Zeitreihen zum Verbraucherpreisindex ab 1948 im Internet[5] und ab 1991 als Online-Datenbank mit Diagramm.[6] Monatliche Veröffentlichungen für das aktuelle Jahr erfolgen auf der Website des Statistischen Bundesamtes.[7] Gesetzliche Grundlagen für die Erhebung der amtlichen Statistik sind das Gesetz über die Preisstatistik sowie die diesbezüglichen Durchführungsverordnungen.[8]

Üblicherweise alle fünf Jahre wird ein neuer Verbraucherpreisindex mit einem neuen Basisjahr eingeführt.[9] Grundlage dieser turnusmäßigen Überarbeitung sind Anpassungen der Gewichtungen sowie die systematische Überarbeitung des Erhebungskatalogs und Änderungen der Methodik. Dadurch sind die zu langen Reihen verketteten Verbraucherpreisindizes unterschiedlicher Basisjahre jedoch nur eingeschränkt miteinander vergleichbar.[10]

Die Berechnung in Deutschland erfolgt mit Hilfe des Laspeyres-Index:

mit = Preise bzgl. Berichtsjahr, = Preise bzgl. Basisjahr, = Verbrauch bzgl. Basisjahr.

Warenkorb und Gewichtung der Ausgabekategorien

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Ausgangspunkt ist der so genannte Warenkorb, der sämtliche Waren und Dienstleistungen enthält, die aktuell von den Konsumenten am häufigsten gekauft werden.[11] Die Auswahl der konkreten Produkte für die Preisbeobachtung wird laufend in Form von repräsentativen Stichproben ermittelt und aktuell gehalten. Mehr als 300.000 Einzelpreise für diese Produkte werden deshalb jeden Monat von Preiserhebern dezentral in Geschäften und durch zentrale Preiserfassungen z. B. im Internet oder in Versandkatalogen ermittelt. Anschließend werden die einzelnen Güter des Warenkorbs rund 600 Gütergruppen zugeteilt und für jede Güterart die durchschnittliche Preisentwicklung errechnet. Als Grundlage für die Einteilung in Gütergruppen dient die COICOP-Klassifizierung, wie sie auch von Eurostat oder den Vereinten Nationen verwendet wird. Die Klassifizierung fasst die Gütergruppen noch in drei Hierarchiestufen zu größeren Kategorien zusammen, um so einen Überblick über die Preisentwicklung in unterschiedlich detaillierten Teilbereichen der privaten Lebensführung zu ermöglichen. Die oberste Hierarchiestufe bildet eine Einteilung in zwölf Güterkategorien.

Zusammensetzung des deutschen Warenkorbes (Insgesamt 600 Güterarten,[11] Stand 2020)
Bestandteil (SEA-VPI) 1995 2000 2005 2010 2020[12]
01 Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke 13,1 % 10,3 % 10,4 % 10,3 % 11,9 %
02 Alkoholische Getränke und Tabakwaren 4,2 % 3,7 % 3,9 % 3,8 % 3,5 %
03 Bekleidung und Schuhe 6,9 % 5,5 % 4,9 % 4,5 % 4,2 %
04 Wohnung, Wasser, Strom, Gas u. a. Brennstoffe 27,5 % 30,2 % 30,8 % 31,7 % 25,9 %
05 Möbel, Leuchten, Geräte u. a. Haushaltszubehör 7,1 % 6,9 % 5,6 % 5,0 % 6,8 %
06 Gesundheit 3,4 % 3,5 % 4,0 % 4,4 % 5,5 %
07 Verkehr 13,9 % 13,9 % 13,2 % 13,5 % 13,8 %
08 Post und Telekommunikation 2,3 % 2,5 % 3,1 % 3,0 % 2,3 %
09 Freizeit, Unterhaltung und Kultur 10,4 % 11,1 % 11,6 % 11,5 % 10,4 %
10 Bildungswesen 0,7 % 0,7 % 0,7 % 0,9 % 0,9 %
11 Gaststätten- und Beherbergungsdienstleistungen 4,6 % 4,7 % 4,4 % 4,5 % 4,7 %
12 Andere Waren und Dienstleistungen 6,1 % 7,0 % 7,4 % 7,0 % 9,9 %
Quelle: Statistisches Bundesamt

Für die Errechnung der gesamten Teuerungsrate werden die Preisentwicklungen der einzelnen Gütergruppen mit dem sogenannten Wägungsschema gewichtet.[11] Dieses schlüsselt auf, wie viel die Haushalte im Schnitt für eine Güterart ausgeben und stellt damit sicher, dass jede Gütergruppe nur mit dem ihr zustehenden Ausgabenanteil in den gesamten Preisindex einfließt. Das Wägungsschema wird im Gegensatz zum Warenkorb nur in einem 5-jährlichen Turnus aktualisiert. Die wichtigsten Quellen für die Neuberechnung des Wägungsschemas sind neben der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe[13] die Statistik der Laufenden Wirtschaftsrechnungen und Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Ergänzt werden diese Basisinformationen noch durch die Analyse weiterer amtlicher und nichtamtlicher Quellen, um eine detaillierte Aufteilung der Ausgaben auf die einzelnen Güterarten zu ermöglichen. Neben dem Wägungsschema für Waren und Dienstleistungen werden für die Berechnung des Verbraucherpreisindex noch Wägungsschemata für Geschäftstypen und Bundesländer genutzt.

Verbraucherpreisindex für Deutschland und dessen wesentliche Bestandteile 1991–2013 (Basisjahr 2005 = 100)

Die Preisentwicklung im Verbraucherpreisindex wird jeweils als Indexzahl mit Bezug auf ein alle fünf Jahre aktualisiertes Basisjahr (hier 2020)[14] angegeben, das mit 100 Punkten gewertet wird. Der Gesamtindex lag im Jahr 2022 bei 110,2, im Jahr 2015 bei 94, und im Jahr 1991 noch bei 61,9. Einzelne Gütergruppen können sich dabei aber sehr unterschiedlich entwickeln. In Bezug auf das Basisjahr 2015 stiegen z. B. von 2010 bis 2016 die Preise für die Kategorie CC 02, alkoholische Getränke und Tabakwaren von 100,0 auf 116,0 Punkte, während der Bereich CC 08, Nachrichtenübermittlung von 100,0 auf 90,3 Punkte sank.

Diese teils sehr unterschiedliche Entwicklung der verschiedenen Gütergruppen ist einer der Gründe, wieso die von vielen Menschen subjektiv wahrgenommene Inflation oft deutlich von der im Verbraucherpreisindex objektiv erfassten Inflation abweicht. Das Statistische Bundesamt beschäftigte sich mit dem Thema der wahrgenommenen Inflation in speziellen Untersuchungen.[15]

Die Bestimmung des Verbraucherpreisindex erfolgt in Deutschland mit Hilfe des Laspeyres-Index. Wenn sich die Preise verschiedener Güter in unterschiedlichem Maß erhöhen, hat der Index eine Tendenz zur Überschätzung des wahren Anstiegs der Lebenshaltungskosten. Das kann man auf den festen Warenkorb zurückführen, denn sich stark verteuernde Waren können eventuell durch andere Güter substituiert werden.[16] Für europäische Zwecke berechnet das Statistische Bundesamt zusätzlich zum Verbraucherpreisindex für Deutschland seit 1997 auch einen harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für Deutschland.

Umstritten ist unter anderem die Verwendung hedonischer Bewertungsmethoden im Verbraucherpreisindex, also ob Qualitätssteigerungen an Produkten in die Inflationsrate einfließen sollen oder nicht. Allerdings machen hedonisch bewertete Güter nur einen kleinen Teil des Verbraucherpreisindexes aus.

Index von 1991 bis 2023 (Basisjahr 2020 = 100)

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Jahresdurchschnitte Verbraucherpreisindex für Deutschland (inkl. Veränderungsraten):
Jahr VPI[14] Veränderung zum Vorjahr in %
1991 61,9
1992 65,0 5,0
1993 67,9 4,5
1994 69,7 2,7
1995 71,0 1,9
1996 72,0 1,4
1997 73,4 1,9
1998 74,0 0,8
1999 74,5 0,7
2000 75,5 1,3
2001 77,0 2,0
2002 78,1 1,4
2003 78,9 1,0
2004 80,2 1,6
2005 81,5 1,6
2006 82,8 1,6
2007 84,7 2,3
2008 86,9 2,6
2009 87,2 0,3
2010 88,1 1,0
2011 90,0 2,2
2012 91,7 1,9
2013 93,1 1,5
2014 94,0 1,0
2015 94,5 0,5
2016 95,0 0,5
2017 96,4 1,5
2018 98,1 1,8
2019 99,5 1,4
2020 100,0 0,5
2021 103,1 3,1
2022 110,2 6,9
2023 116,7 5,9

Verwendung des Verbraucherpreisindexes (VPI)

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Durch die historischen Index-Werte kann der Preis eines Jahres für ein Produkt oder eine Leistung ins Verhältnis zum Preis eines anderen Jahres für dasselbe Produkt oder dieselbe Leistung gesetzt werden. Dadurch können Schwankungen durch Inflation oder Deflation ausgeglichen bzw. herausgerechnet werden.

Anwendung findet der VPI häufig bei sogenannten Wertsicherungsklauseln wie beispielsweise bei der Anpassung der Miethöhe, wenn eine Indexmiete vereinbart wurde, um sicherzustellen, dass der Gläubiger auch künftig den Betrag erhält, der wertmäßig der ursprünglich festgelegten Geldsumme entspricht. Unternehmen verwenden in Verträgen mit anderen Unternehmen häufig Preisgleitklauseln, um sich gegen Marktrisiken abzusichern.[17]

Auch zur Berechnung beim Zugewinnausgleich nach einer Ehe-Scheidung wird über das jeweils das indexierte Anfangs- und Endvermögen auf den VPI Bezug genommen. Dabei wird der inflationsbedingte Kaufkraftverlust mithilfe der sogenannten Indexierung aus dem Zugewinnausgleich herausgerechnet. Das geschieht mit folgender Formel:

Anfangsvermögen x Index zum Zeitpunkt des Scheidungsantrages / Index bei Heirat = indexiertes Anfangsvermögen.[18]

Wichtig für das Verständnis ist, dass der Verbraucherpreisindex nur die Inflation von Verbraucherpreisen messen soll, also von Preisen der durch die Verbraucher konsumierten Gütern und Dienstleistungen. Er umfasst weder Preisentwicklungen von Vermögenswerten wie Immobilien noch ebensolche von Edelmetallen - dies wäre die sogenannte Vermögenspreisinflation.[19]

Einzelnachweise

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  1. 61111-0002 – Verbraucherpreisindex: Deutschland, Monate. Datenbank-Tabelle. In: destatis.de. 30. März 2023, abgerufen am 30. März 2023.
  2. Inflationsrate im März 2023 voraussichtlich +7,4 %. Pressemitteilung. In: destatis.de. 30. März 2023, abgerufen am 30. März 2023.
  3. Verbraucherpreisindex. Abgerufen am 16. November 2021.
  4. Verbraucherpreisindex für Deutschland – Wägungsschema für das Basisjahr 2020. Statistisches Bundesamt, 1. März 2023, abgerufen am 1. März 2023.
  5. Download Verbraucherindex Lange Reihen ab 1948. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 12. September 2019.
  6. Genesis Online Datenbank: Verbraucherpreisindex (inkl. Veränderungsraten): Deutschland, Jahre. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 12. September 2019.
  7. Verbraucherpreisindex Deutschland Pressemitteilungen. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 12. September 2019.
  8. Rechtsgrundlagen für Statistiken/Erhebungen zum Thema „Preise“. Auf destatis.de, abgerufen am 5. April 2019.
  9. Inflationsrate im Januar 2023 bei +8,7 %. (PDF) In: destatis.de. Statistisches Bundesamt, 22. Februar 2023, abgerufen am 22. Februar 2023.
  10. Qualitätsbericht | Preise – Verbraucherpreisindex für Deutschland. (PDF, ca. 247 KB) In: destatis.de. 4. Januar 2018, S. 10–11, abgerufen am 5. April 2019.
  11. a b c Warenkorb und Wägungsschema. In: destatis.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. Juli 2007; abgerufen am 5. April 2019.
  12. Verbraucherpreisindex für Deutschland – Wägungsschema für das Basisjahr 2020. (PDF; 199 KB) In: destatis.de. Statistisches Bundesamt (Destatis), 30. März 2023, S. 2, abgerufen am 22. Februar 2023.
  13. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) – methodische Erläuterungen. Statistisches Bundesamt (Destatis), abgerufen am 25. Oktober 2017.
  14. a b Statistisches Bundesamt Deutschland – GENESIS-Online. 30. März 2023, abgerufen am 30. März 2023.
  15. Projekt zur Messung der „wahrgenommenen Inflation“. In: STATmagazin. Statistisches Bundesamt (Destatis), abgerufen am 20. März 2012.
  16. Illing, Blanchard: Makroökonomie. 5. Auflage. Pearson, 2009, ISBN 978-3-8273-7363-2, S. 912.
  17. Preisindizes in Verträgen. Abgerufen am 16. November 2021.
  18. Zugewinnausgleich berechnen: So ermittelst Du den Zugewinn nach der Ehe – Berechnung des Hauses. In: Finanztip. Abgerufen am 16. November 2021.
  19. Gerd Kommer: Asset Price Inflation im Kontext von Inflationsmessung und Geldpolitik. 3. Juni 2021, abgerufen am 4. November 2024.