Lemmier Mühle

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Lemmier Mühle

Die Mühle (Postkartenausschnitt, vor 1909)
Die Mühle
(Postkartenausschnitt, vor 1909)

Die Mühle
(Postkartenausschnitt, vor 1909)

Lage und Geschichte
Lemmier Mühle (Niedersachsen)
Lemmier Mühle (Niedersachsen)
Koordinaten 52° 17′ 31″ N, 9° 36′ 12″ OKoordinaten: 52° 17′ 31″ N, 9° 36′ 12″ O
Standort Deutschland Deutschland
Erbaut vor 1872
Stillgelegt 1906
Zustand 1909 abgebaut
Technik
Nutzung Getreidemühle
Mahlwerk 2 Walzenstühle
Antrieb Windmühle
Windmühlentyp Erdholländer
Flügelart Jalousieklappenflügel
Anzahl Flügel 4
Nachführung Windrose

Die Lemmier Mühle war eine Windmühle in Lemmie, einem Stadtteil von Gehrden in der Region Hannover in Niedersachsen. Das erhalten gebliebene Wohnhaus des Anwesens steht unter Denkmalschutz.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Mühlenstätte zu Lemmie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die älteste bekannte Erwähnung einer Mühle bei Lemmie steht in einer Urkunde aus dem Jahr 1226.[1] Es dürfte sich um eine Wassermühle gehandelt haben, da in der Region erst seit dem 17. Jahrhundert Windmühlen errichtet wurden.[2] Die Lage des von Herzog Heinrich von Braunschweig in Anwesenheit des Mindener Bischofs Konrad[3] mitsamt einer Hufe Landes und einer als copela bezeichneten Wiese dem Kloster Wennigsen überschriebenen Besitzes[4] ist nicht bekannt, zumal es in der Gemarkung Lemmie keine zum Betrieb einer Wassermühle geeigneten Fließgewässer gibt. Möglicherweise stand die Mühle am Wennigser Mühlbach, somit heute in der Gemarkung Sorsum.[5]

Nartens Mühle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als seit dem frühen 19. Jahrhunderts der Mühlenzwang im Königreich Hannover gelockert und nach der Annexion durch Preußen bis 1873 ganz abgeschafft wurde, wurden an zahlreichen Standorten rund um Hannover neue Windmühlen errichtet.[6] Der Lemmier Halbmeier Narten hatte 1854 beim Amt Wennigsen die Genehmigung zum Bau einer Kornwindmühle beantragt. Die Landdrostei Hannover versuchte ihn mit Hinweis auf die zu erwartende Konkurrenz durch die im gleichen Jahr genehmigte Benther Windmühle davon abzubringen. Narten beharrte auf seiner Bauabsicht[7] und ließ irgendwann zwischen dem Jahr 1855[8] und 1872 seine Mühle einige hundert Meter nordwestlich der Ortslage von Lemmie auf dem später Mühlenberg genannten Langen Klei, einem südlichen Ausläufer des Gehrdener Bergs errichteten.[7]

Zumindest ab 1872 und bis 1880 war die Lemmier Mühle an Theodor Dörries verpachtet,[7] der sich in diesem Jahr beim Nachbardorf Sorsum die Sorsumer Mühle bauen ließ.[9] Die Lemmier Mühle wurde um das Jahr 1906 stillgelegt. Der 1904 noch urkundlich als Müller in Lemmie bezeichnete Karl Meier wurde 1907 als Fabrikarbeiter genannt. Besitzer der Mühle waren die Halbmeier Heinrich und Friedrich Narten. Narten wurde noch 1906 in einer Urkunde als Eigentümer der Mühle genannt.[7]

Im Herbst 1908 verkaufte A. Hermanns aus Velber die Mühle dem Lemmier Gastwirt Rohde. Dieser verkaufte bereits im Dezember 1908 das hölzerne Oberteil der Windmühle zum Preis von 2400 Mark weiter.[10] (Das entspricht heute kaufkraftbereinigt 17.200 €.)

Bissendorfer Mühle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Mühle wurde im Mai oder Juni 1909 innerhalb von zwei Wochen zerlegt und die Einzelteile vom Bahnhof Lemmie an der Deisterbahn per Eisenbahn nach Bissendorf transportiert. Mit den Bauteilen aus Lemmie wurde bis zum Herbst 1909 unmittelbar neben der Bissendorfer Bockwindmühle ein neuer Wallholländer aufgebaut. Die aus dem Jahr 1715 stammende Bockwindmühle wurde im Spätherbst 1909 abgerissen.[10]

Als Antriebsreserve für schwachwindige Zeiten diente von 1909 bis 1920 ein für 3850 Mark gekaufter Benzolmotor. 1920 übernahm ein Dieselmotor diese Aufgabe. Der von einem Sturm im Jahr 1929 schwer beschädigten neuen Mühle wurden 1930 die Flügel abmontiert und nur noch mit Motorantrieb gearbeitet. Der Mahlbetrieb wurde 1957 eingestellt. Anfang 1973 wurde die Mühle in Bissendorf abgerissen.[10]

Lemmie – An der Windmühle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lemmie, Scheune und Wohnhaus An der Mühle

In Lemmie ist das um 1900 errichtete Müllerwohnhaus ebenso wie die angrenzende Scheune erhalten. Aus verbliebenen Mauersteinen des Mühlenuntergeschosses errichtete der Bäcker Rohde 1912 ein Backhaus.[7] An die Mühle erinnert in Lemmie noch der Straßenname An der Windmühle.[11] Der Bereich zwischen dem alten Ortskern von Lemmie und dem ursprünglich freistehenden Mühlenanwesen wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit einem Wohnviertel bebaut.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Windmühle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Lemmier Windmühle wurde durch den Mühlenbaumeister Ludwig Tiedt aus Peine gebaut.[10] Der 1858 gegründete[12] und nunmehr von Tiedts Sohn geführte Mühlenbaubetrieb übernahm 1909 auch den Wiederaufbau in Bissendorf.[10] Die Mühle war ein Erdholländer. Sie stand auf einem kleinen Erdwall. Dieser übernahm die Funktion einer Galerie.[10] Der hölzerne achtkantige Oberteil war mit Dachpfannen gedeckt.[7] Die Kappe hatte eine charakteristische Zwiebelform.[7] Die vier je 11,20 m langen Jalousieflügel hatten eine Fläche von insgesamt 120 m².[10] Die Windrichtungsnachführung besorgte eine achtflügelige Windrose.[7]

Wohnhaus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wohnhaus der Lemmier Mühle

Um das Jahr 1900 wurde auf dem Anwesen der Mühle ein neues Wohnhaus errichtet.[13] Das gut erhaltene Gebäude wurde im Stil eines der damals auf reicheren Hofstellen erstellten Häuser in der für das ausgehende 19. Jahrhundert und das beginnende 20. Jahrhundert typischen Ziegelarchitektur besonders aufwendig errichtet.[14] Es ist ein zweigeschossiger symmetrisch gegliederter Ziegelbau unter Walmdach.[13] Der umlaufende Dachfries ist durch Ziegelsetzungen verziert.[14] Die Fassade ist durch Gesimse, Lisenen und gotische Zierelemente reich gegliedert.[13] Das Eingangsportal und die darüberliegenden Fenster sind in mit glasierten Ziegeln gestalteten spitzbogigen Gewänden gefasst.[14] Im Gebäudeinneren gibt es wertvolle Deckenmalereien.[13]

Das Gebäude wurde um das Jahr 2016 grundlegend renoviert.[15]

Denkmalschutz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das ehemalige Müllerwohnhaus ist unter der Bezeichnung „Wohnhaus“ als Einzeldenkmal gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG geschützt.[16] Aufgrund des Zeugnis- und Schauwertes durch beispielhafte Ausprägung eines Gebäudetypus mit geschichtlicher und städtebaulicher Bedeutung besteht an der Erhaltung des Gebäudes ein öffentliches Interesse.[13]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Lemmie 1216 – 2016, Beiträge zur Ortsgeschichte, Historischer Verein Lemmie e. V., 2014.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Lemmier Windmühle – Sammlung von Bildern
  • Lemmie. In: Gehrdener Ansichten. Rainer Piesch, abgerufen am 22. Oktober 2022 (Abbildung einer Ansichtskarte mit u. a. Lemmier Mühle und Wohnhaus).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 1226 Urkunde über eine Hufe Landes, eine Mühlenstätte und eine Wiese zu Lemmie. Historischer Verein Lemmie e. V., archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. Dezember 2016; abgerufen am 22. Oktober 2022.
  2. Norbert Saul: Wasser- und Windmühlen im Seelzer Stadtgebiet. (PDF; 3,15 MB) Stadtarchiv Seelze, S. 3–4, abgerufen am 22. Oktober 2022.
  3. Regesten des mindenschen Bischofs Konrad I. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen. Band 26: 1860. Hahnsche Hofbuchhandlung, Hannover 1861, S. 112 (online [abgerufen am 22. Oktober 2022]).
  4. Lemmie. In: Carl Wolff (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. Heft 1: Landkreise Hannover und Linden. Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Theodor Schulzes Buchhandlung, Hannover 1899, S. 94–95 (online [PDF; 10,0 MB; abgerufen am 23. August 2022]).
  5. Dirk Wirausky: Der historische Verein in Lemmie löst sich auf. www.haz.de, 3. September 2021, abgerufen am 20. Oktober 2022 (HAZ+/Paywall).
  6. Mühlenbann, Ablösegesetze, Gewerbefreiheit und Wettbewerb in: Eckhard Martens: Die Mühlen der Wedemark. Juli 2021, S. 140–142, abgerufen am 29. September 2022 (PDF; 17,3 MB).
  7. a b c d e f g h Die Windmühle in Lemmie. Historischer Verein Lemmie e. V., archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Dezember 2016; abgerufen am 22. Oktober 2022.
  8. NLA HA Hann. 80 Hannover Nr. 13398: Anlage einer Windmühle bei Lemmie. Niedersächsisches Landesarchiv (Abteilung Hannover), 1855, abgerufen am 22. Oktober 2022 (Verzeichnung der Archivalie).
  9. Sorsum, alte Windmühle in: Naturhistorische Gesellschaft zu Hannover (Hrsg.): Der Deister. Natur. Mensch. Geschichte. Zu Klampen, Springe 2017, ISBN 978-3-86674-545-2, S. 400–401.
  10. a b c d e f g Die Bissendorfer Windmühle (auf dem Bissendorfer Mühlenberg) in: Eckhard Martens: Die Mühlen der Wedemark. Juli 2021, S. 78–87, abgerufen am 29. September 2022 (PDF; 17,3 MB).
  11. Lemmie Geschichte & Statistik. Stadt Gehrden, abgerufen am 22. Oktober 2022.
  12. Über die Einführung und anfängliche Umsetzung der neuzeitlichen Müllerei in Niedersachsen Rüdiger Hagen: Der Mühlstein. Regionalausgabe für Niedersachsen und Bremen. (PDF; 2,86 MB) Vereinigung zur Erhaltung von Wind- und Wassermühlen in Niedersachsen und Bremen e. V., November 2011, S. 24–31, abgerufen am 22. Oktober 2022.
  13. a b c d e Wohnhaus. Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, abgerufen am 22. Oktober 2022 (Lizenz: CC BY-SA 4.0).
  14. a b c Lemmie in: Henner Hannig (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 13,1): Landkreis Hannover. Vieweg, Braunschweig 1988, ISBN 3-528-06207-X, S. 205–206 (online).
  15. Zwei Vorträge beim Historischen Verein Lemmie. Calenberger Online News, 13. März 2017, abgerufen am 22. Oktober 2022.
  16. Denkmalviewer zum Denkmalatlas Niedersachsen. Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, abgerufen am 22. Oktober 2022.