Leonard Bloomfield

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. Juni 2011 um 14:47 Uhr durch Peisi (Diskussion | Beiträge) (→‎Lehren). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Leonard Bloomfield (* 2. April 1887 Chicago; † 18. April 1949 New Haven) war ein US-amerikanischer Linguist, der eine behavioristische, sog. mechanistische Sprachanalyse betrieb.

Leben

Leonard Bloomfield wurde in Chicago als Sohn von Sigmund und Carola Buber Bloomfield geboren. Sein Onkel war Maurice Bloomfield, Professor des Sanskrit und der "Comparative Philology" an der Johns Hopkins University in Baltimore. Bloomfield immatrikulierte 1903 im Harvard College in Boston. 1906 graduierte er zum "A.B. Assistant in German" an der Universität in Wisconsin. Nachdem er bei Eduard Prokosch studiert hatte, entschied er sich für eine linguistische Laufbahn.

1908 wurde Leonard Bloomfield zum "Assistant in German und Graduate Studies" an der University of Chicago ernannt. Ein Jahr später promovierte er unter Francis A. Wood mit "A Semasiologic Differentiation in Germanic Secondary Ablaut". Im selben Jahr heiratete er Alice Sayers.

In den Jahren 1909/1910 war er als „Instructor in German“ an der University of Cincinnati tätig. Bis 1913 arbeitete er in der Deutschen Abteilung der University of Illinois.

Da für Mitarbeiter dort ein Studienaufenthalt in Deutschland eine wesentliche Voraussetzung für die Beförderung war, ging Bloomfield nach Deutschland. Im Wintersemester 1913/14 begann Leonard Bloomfield mit Studien der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft junggrammatischer Art bei August Leskien und Karl Brugmann in Leipzig, im Sommersemester 1914 mit Studien der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft bei Jacob Wackernagel, der Indologie bei Hermann Oldenberg und der Iranistik bei Friedrich Carl Andreas in Göttingen.

Von 1913 bis 1921 war Bloomfield „Assistant Professor of Comparative Philology and German“ an der Universität von Illinois. In dieser Zeit begann er seine ersten Studien der Algonkin-Sprachen.

Im Sommer 1920 folgte seine erste Feldforschung bei den Menomini in Wisconsin. Die zweite folgte im Jahr darauf. Seine Aufzeichnungen dienten als Basis für die posthum publizierte Grammatik „The Menomini Language“, die bis heute als Standardwerk zu dieser Sprache gilt.

Von 1921 an arbeitete Bloomfield als Kollege des Behavioristen Albert P. Weiss als „Professor of German and Linguistics“ an der Ohio State University.

Bloomfield gehörte 1924 mit George M. Bolling und Edgar H. Sturtevant zum Gründungskomitee der „Linguistic Society of America“.

1927 ging er nach Chicago, wo er bis 1940 im Bereich der Germanischen Philologie an der University of Chicago tätig war.

1933 erschien sein bekanntestes Werk „Language“.

1935 wurde er zum Präsident der LSA ernannt. Als Nachfolger von Edward Sapir wurde Leonard Bloomfield 1940 „Sterling Professor of Linguistics“ an der Yale University in New Haven, Connecticut.

Lehren

Bloomfield wurde mit seinem Werk Language (1933) Begründer des amerikanischen Strukturalismus. Er verband „die Tradition der vergleichenden Sprachwissenschaft mit dem Strukturalismus ... und dem ethnolinguistisch fundierten Deskriptivismus“ (Franz Boas)[1]. „Bloomfields Strukturalismus ist geprägt von der behavioristischen Psychologie, die nur untersucht, was der direkten, intersubjektiven Beobachtung zugänglich ist; die Vorgänge des menschlichen Bewusstseins werden als mentalistisch aus der Betrachtung ausgeschlossen.“[2]

Dies führt bei Bloomfield und nachfolgend im amerikanischen Strukturalismus zu einer „meaning-Feindlichkeit“[3]. „Meaning“ lässt sich nach Bloomfield nicht intersubjektiv nachvollziehen[4].

Wenn „meaning“ als „Inhalt einer sprachlichen Form“ verstanden[5] und damit auf den mentalistischen Zeichenbegriff von Ferdinand de Saussure Bezug genommen wird, erscheint dies zutreffend. Wie Frege betonte, ist die subjektive Vorstellung des einzelnen Menschen eine je höchst individuelle. Die damit einhergehende Überwindung des Psychologismus, die die moderne Logik ermöglichte, dürfte dem amerikanischen Strukturalismus jedoch fremd sein. Er ist insofern ein radikalisierter linguistischer Empirismus.

Bloomfield reduzierte stattdessen die sprachliche Bedeutung in behavioristischer Weise auf ein stimulus-response-Schema. Für ihn ist die „Bedeutung“ eines Zeichens sprachextern, „nämlich als Reaktion auf den Sprechakt und somit als Sprachexternum“ zu bestimmen [6]-

Dadurch soll er "Wegbereiter der Sprachpragmatik" geworden sein [7]

Im Gegensatz zur Kopenhagener Schule des Strukturalismus arbeitet der amerikanische Strukturalismus induktiv, d.h. von der konkreten parole ausgehend, und deskriptiv.

Werke

  • 1911: "The Indo-European Palatals in Sanskrit". in: The American Journal of Philology 32/1, pp. 36-57.
  • 1914: Introduction to the Study of Language. New York: Henery Holt and Co. ISBN 90-272-1892-7.
  • 1914: "Sentence and Word". in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 45, pp. 65-75.
  • 1916: "Subject and Predicate". in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 47, pp. 13-22.
  • 1917: (with Alfredo Viola Santiago) Tagalog Texts with Grammatical Analysis. University of Illinois studies in language and literature, 3.2-4. Urbana, Illinois.
  • 1924: "Notes on the Fox Language". in: International Journal of American Linguistics 3, pp. 219-232.
  • 1926: "A Set of Postulates for the Science of Language". in: Language 2, pp. 153-164 (reprinted in: Martin Joos (ed.), Readings in Linguistics I, Chicago and London: The University of Chicago Press 1957, pp. 26-31).
  • 1927: "Literate and Illiterate Speech". in: American Speech 2, pp. 432-441.
  • 1927: "On Some Rules of Pāṇini". in: Journal of the American Oriental Society 47, pp. 61-70.
  • 1928: Menomini Texts. American Ethnological Society Publications 12. New York. ISBN 0-404-58162-5.
  • 1930: Sacred Stories of the Sweet Grass Cree. National Museum of Canada Bulletin, 60 (Anthropological Series 11). Ottawa. ISBN 0-404-11821-6.
  • 1933: Language. New York: Henry Holt and Co. ISBN 0-226-06067-5, ISBN 90-272-1892-7.
  • 1935: Linguistic Aspects of Science. in: Philosophy of Science 2/4, pp. 499-517.
  • 1939: Menomini Morphophonemics". in: Travaux du Cercle Linguistique de Prague 8, pp. 105-115.
  • 1939: Linguistic Aspects of Science. Chicago: University of Chicago Press.
  • 1942: Outline Guide for the Practical Study of Foreign Languages. Baltimore.
  • 1962: The Menomini Language. New Haven: Yale University Press.
  • 1970: Charles F. Hockett (ed.), A Leonard Bloomfield Anthology. Indiana University Press.ISBN 0-226-06071-3.

Literatur

  • Bayer, Brita (2000). "Leonard Bloomfield und die Sprachwissenschaft in Göttingen". In: Göttinger Beiträge zur Sprachwissenschaft 3 (2000). S. 7-18. (PDF-Datei; 24 kB)
  • Bloomfield, Leonard (2001). Die Sprache. Deutsche Erstausgabe, übersetzt, kommentiert u. herausgegeben v. Peter Ernst u. Hans Christian Luschützky unter Mitwirkung von Thomas Herok. Wien: Edition Praesens.
  • Ernst, Peter / Luschützky, Hans Christian (Hg.) (2002). Leonard Bloomfield. Leben und Werk. Wien: Edition Praesens.
  • Fought, John (ed.) (1999). Leonard Bloomfield: Critical Assessments of Leading Linguists. 3 vols.. London/New York: Routledge.
  • Hall, Robert A. Jr. (ed.) (1987). Leonard Bloomfield: Essays on his Life and Work. Amsterdam Studies in the Theory and History of the Linguistic Science, Series III, Studies in the History of the Language Sciences 47. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins.
  • Hall, Robert A. Jr. (1990). A Life for Language: A Biographical Memoir of Leonard Bloomfield. Amsterdam Studies in the Theory and History of the Linguistic Science, Series III, Studies in the History of the Language Sciences 55. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dürr/Schlobinski, Deskriptive Linguistik (2006), S. 82
  2. Pelz, Linguistik (1996), S. 67
  3. so Pelz, Linguistik (1996), zu 4.6, S. 67
  4. so Pelz, Linguistik (1996), zu 4.6, S. 67
  5. so Pelz, Linguistik (1996), zu 4.6, S. 67
  6. Ernst, Pragmalinguistik (2002), S. 78
  7. Ernst, Pragmalinguistik (2002), S. 78 f.