Literatura de cordel

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Literatura de cordel
A chegada de Lampião no inferno (Ankunft von Lampião in der Hölle). Die Geschichten um den Cangaceiro Virgulino Ferreira da Silva, genannt Lampião, waren ein beliebtes Thema, Inhalt von José Pachêco da Rocha.

Die Literatura de cordel (portugiesisch; „Schnur-Literatur“[1]) ist eine in kleinformatigen Heften erscheinende Form brasilianischer Volksliteratur. Diese Hefte waren über lange Zeit hinweg im Nordosten Brasiliens die einzigen verfügbaren Massenmedien.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die „Literatura de Cordel“ geht auf europäische Erzähltraditionen aus der frühen Neuzeit zurück. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde sie durch Einwanderer nach Brasilien gebracht. Es entstand daraus eine brasilianische Literaturform, die einheimische Legenden und afrikanische Erzähltraditionen sowie Einflüsse europäischer Einwanderer aufnahm. Die Publikation erfolgte in Heften, die ursprünglich im Nordosten Brasiliens erschienen. Es wurde die Sprache des einfachen Volkes verwendet, wobei grammatikalische Regeln ignoriert und auch neue Wörter geschaffen wurden. Am häufigsten wurden aus sechs Versen bestehende Strophen verwendet, wobei jeder Vers sieben Silben enthielt. Die Hefte umfassen 8, 16 oder 32, selten 64 Seiten. Der Umstand, dass die Hefte an den Verkaufsstellen für gewöhnlich mit Klammern an Schnüren befestigt sind, führte zu dem Namen „Literatura de Cordel“ (auf deutsch etwa: „Literatur an der Schnur“).

Die „Literatura de Cordel“ ist auf die Interessen und den Geschmack des Publikums ausgerichtet. Ihre Inhalte behandeln alle Themen, die Gegenstand der Kommunikation in der Gesellschaft sind. Einige Hefte berichten über Geschehnisse aus verschiedenen Teilen Brasiliens, über Verbrechen, historische Ereignisse oder das Leben von Heiligen, Schriftstellern, Politikern oder regional bedeutsamen Personen. Die Deckblätter wurden mit Holzschnitten, später auch mit Photographien gestaltet. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte die „Literatura de Cordel“ ihren wichtigen Platz im Spektrum der brasilianischen Massenmedien behaupten, auch wenn immer wieder von ihrem Niedergang gesprochen wurde. In den 1960er und 1970er Jahren erwachte sowohl im In- als auch im Ausland das wissenschaftliche Interesse an „Cordel“. Inzwischen gibt es zahlreiche literatur- und sozialwissenschaftliche Arbeiten über diese Gattung. Das Ibero-Amerikanische Institut besitzt eine große Sammlung von „Cordel“-Heften. Aktuelle „Cordel“-Texte findet man im Internet.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Márcia Abreu: Da literatura de cordel portuguesa. In: EPA: estudos portugueses e africanos, Nr. 3, 1984, S. 97–103.
  • Márcia Abreu: De como a literatura de cordel portuguesa se tornou brasileira. In: EPA: estudos portugueses e africanos, Nr. 5, 1985, S. 7–14.
  • Leon Cardoso: Literatura de cordel. Uma questão da historiografia literária brasileira. Clube de Autores, Jacobina 2012.
  • Luciana Castro-Galvin: The african influence in Northeastern Brazil's Cordel and Reprente. In: Anales del Caribe, Nr. 16–18, 1998, S. 39–53.
  • Mark J. Curran: Brazil's Literature de cordel. Its distribution and adaptation to the Brazilian mass market. In: Studies in Latin American Popular Culture, Nr. 1, 1982, S. 164–178.
  • Mark J. Curran: Reflections on the state of Brazilian Cordel in 1985. In: Studies in Latin American Popular Culture, Nr. 7, 1988, S. 107–120.
  • Mark J. Curran: Brazil's Literature de cordel. Poetic chronicle and popular history. In: Studies in Latin American Popular Literature, Nr. 16, 1997, S. 219–229.
  • Mark Dinneen: Listening to the people's voice. Erudite and popular literature in North East Brazil. London 1996.
  • Konstanze Jungbluth: O uso dos pronomes demonstrativos em textos semi-orais. O caso dos folhetos nordestinos. In: Sybille Große, Klaus Zimmermann (Hg.): Elementos do „substandard“ na linguagem falada culta (Biblioteca luso-brasileira, Bd. 6). Teo Ferrer de Mesquita (TFM), Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-925203-64-8, S. 329–355.
  • Gerdt Kutscher, Christof Vonderau: Das Mädchen, das mit dem Teufel Lambada tanzte. Zur brasilianischen Literatura de Cordel. Edition diá, Berlin / St. Gallen 1992 (Katalog zur Ausstellung vom 19. September 1992 bis 3. Januar 1993 im Haus der Kulturen der Welt, Berlin).
  • Franklin Maxado: O que è Literatura de Cordel? Rio de Janeiro 1980.
  • Ulrike Mühlschlegel, Ricarda Musser: De cómo la Donazela Teodora atravéso el mar, se casó con un cangaceiro y finalmente descubrió la cibernética en São Paulo. La literatura de cordel brasileña como medio de masas. In: Iberoamericana, Jg. 2, 2002, Nr. 6, S. 143–160.
  • Candace Slater: Stories on a string. The Brazilian Literatura de Cordel. Los Angeles 1982.
  • Candace Slater: A vida barbante. A Literatura de Cordel no Brasil. Rio de Janeiro 1984.
  • Candace Slater: Literatura de Cordel and the mass media in today's Brazil. In: Studies in Latin American Popular Culture, Nr. 7, 1988, S. 97–106.
  • Luis Tavares: Cordel-Dichtung, Mystizismus und Banditentum. In: ABP. Zeitschrift zur portugiesischsprachigen Welt, Nr. 2, 1998, S. 95–107.
  • Anja-Rosa Thöming: Roland, der Fan von Karl. Literatura de cordel: Geschichten und Nachrichten für das Volk. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Mai 2001, S. N6.
  • Christof Vonderau: Das Gesicht der folhetos. Die Holzschnittillustrationen der Literatura de Cordel. In: Das Mädchen, das mit dem Teufel Lambada tanzte. Zur brasilianischen Literatura de Cordel. Edition diá, Berlin / St. Gallen 1992, S. 29–45.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. Rémi Boyer: Fado – Mystérique de la Saudade. Zéfiro/Arcano Zero, Sintra 2013; englische Ausgabe: Fado, Saudade & Mystery. Love of Portugal. Übersetzt von Howard Doe, ebenda 2013, ISBN 978-989-677-109-6, S. 51 (dort Cordel literature, Literatura de cordel, „string literature“).