Ljubow Sergejewna Popowa

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Popowa (vor 1920)

Ljubow Sergejewna Popowa (russisch Любовь Сергеевна Попова, wiss. Transliteration Ljubov' Sergeevna Popova; * 24. Apriljul. / 6. Mai 1889greg. in Iwanowskoje, Gouvernement Moskau; † 25. Mai 1924 in Moskau) war eine russische Malerin, die zur Russischen Avantgarde zählte. Sie arbeitete im Stil des Kubofuturismus und des Konstruktivismus.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ljubow Popowa wurde 1889 auf einem Landgut in der Nähe von Moskau geboren. Da sich schon frühzeitig ihre künstlerischen Neigungen zeigten, konnte sie von 1907 bis 1908 ein Studium in den sehr gefragten Privatateliers von Stanislaw Schukowski und Konstantin Juon in Moskau besuchen. 1910 folgte eine Reise nach Italien. Nach der Begegnung mit Wladimir Tatlin konnte sie im legendären Moskauer Atelier Der Turm arbeiten.

Kubische Stadtlandschaft, etwa 1914
Architektonisches Malen, 1917

Gemeinsam mit Nadeschda Udalzowa hatte sie im Jahre 1912 eine Studienreise nach Paris unternommen und arbeitete anschließend zusammen mit Wladimir Tatlin, mit dem sie zwischen 1913 und 1916 eine Ateliergemeinschaft bildete.[1] Ihre Arbeiten aus dieser Zeit sind kubofuturistisch geprägt. In Paris arbeitete sie ferner mit Henri Le Fauconnier, Jean Metzinger und André Dunoyer de Segonzac an der Académie la Palette am Montparnasse zusammen. 1913 kehrte Popowa zurück und reiste 1914 nach Frankreich und Italien, wo sie dem Futurismus näher kam.[2]

Sie war Ausstellungsteilnehmerin der Gruppe Karo-Bube in Moskau im Jahr 1914 und nahm auch an einer Reihe von Ausstellungen teil wie „Tramway V“, „Magazin“ und „0.10“. Die letzte Ausstellung war in Petersburg und markierte den Durchbruch der Künstlerin zur gegenstandslosen Kunst. Kurz darauf besuchte Popowa Samarkand. Das Erlebnis der Architektur und der Farben der alten Bauten bewog sie zur „architektonischen Malerei“. Als Nächstes tilgte Popowa den Hintergrund aus ihren Bildern.[3]

Ab 1918 arbeitete sie als Kunstprofessorin an den SWOMAS und WCHUTEMAS und nahm 1921 an einer Konstruktivistenausstellung 5×5 = 25 teil. Sie löste sich jedoch noch im selben Jahr von der Malerei und arbeitete an Buch-, Porzellan- und Textilentwürfen.

1921 unterschrieben die Popowa und viele ihrer Kollegen ein Manifest, in dem sie sich von der Staffelmalerei lossagten und der Produktionskunst zuwandten. Zusammen mit ihrer Freundin und künstlerischen Weggefährtin Warwara Stepanowa, der Frau Rodtschenkos, arbeitete Popowa die letzten Jahre ihres Lebens in einer Textilfabrik in Moskau. Ihre dort entstandenen Entwürfe gehören zu den bahnbrechenden Leistungen des modernen Industriedesigns.[4]

Im Jahr 1922 machte sie Szenen- und Kostümentwürfe für Meyerholds Inszenierung von Fernand Crommelyncks Stück Der großmütige Hahnerei. Im selben Jahr wurden ihre Werke auf die Reise an die Erste Russische Kunstausstellung Berlin 1922 in der Galerie Van Diemen geschickt. Von 1923 bis 1924 folgte die Arbeit an Kleidungs- und Textilentwürfen für die Erste Staatliche Textilfabrik in Moskau.

Ljubow Popowa starb am 25. Mai 1924 im Alter von 35 Jahren an Scharlach. Wiederentdeckt wurde Popowa durch den Sammler George Costakis, dieser erwarb auch die Raum-Kraft-Konstruktion mit den roten Kreiselementen und schwarzen Linien von dem Stiefsohn von Popowas Bruder. Es diente als Wetterschutz an einem Fenster, und er durfte es erst bergen, nachdem er eine gleich große Sperrholzplatte mitgebracht hatte.[5]

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sitzender weiblicher Akt, um 1914
Malerische Architektonik, 1918/19

Das Gesamtwerk von Ljubow Popowa wird von vielen als ein Kulminationspunkt der russischen Avantgarde angesehen, als ein Werk von herausragender Eigenständigkeit, gleichzeitig in seiner Entwicklung auch als Summe der wichtigsten Experimente, als eine Art künstlerischer Methodologie der russischen Avantgarde insgesamt. Nachhaltig wirkte die Auseinandersetzung mit dem Kubismus, den Popowa erst in Moskau und dann 1912 in Paris zusammen mit Nadeschda Udalzowa kennenlernte. Auch die Auseinandersetzung mit dem Futurismus, den sie bereits vor der Reise nach Italien intensiv studierte, ist wichtig für die Entwicklung der Künstlerin. Insbesondere der Einfluss des italienischen Futuristen Umberto Boccioni, dessen Technisches Manifest der Futuristischen Maler 1914 in Moskau veröffentlicht wurde. So ist in Popowas Bild Sitzender weiblicher Akt die dargestellte Figur vollkommen in den Raum integriert, die Flächen dringen in die Figur ein, deren Dynamik wiederum den ganzen Bildraum erfasst. Eine zweite, kurze Zeit später entstandene Fassung dieses Bildes trägt den Titel Person + Luft + Raum und bezieht sich eindeutig auf Boccionis Terminologie. Dieses Bild befindet sich heute in der Tretjakow-Galerie.

Weitere Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Buch zur Ausstellung 16. Russische Avantgarde 1910–1930 Sammlung Ludwig, Köln, in der Kunsthalle Köln, 16. April bis 11. Mai 1986 (bearbeitet und mit einer Einführung von Evelyn Weiss)
  • Gerda Breuer: Her Stories in Graphic Design. Dialoge, Kontinuitäten, Selbstermächtigungen. Grafikdesignerinnen 1880 bis heute. Jovis Verlag GmbH, Berlin 2023, ISBN 978-3-86859-773-8, S. 114–127, 321.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Lyubov Popova – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christina Haberlik, Ira Diana Mazzoni: 50 Klassiker Künstlerinnen. Malerinnen, Bildhauerinnen und Photographinnen. Hildesheim 2002. S. 173
  2. Kurzbiografie (Memento vom 6. Dezember 2004 im Internet Archive) des Solomon R. Guggenheim Museums (englisch)
  3. Christina Haberlik, Ira Diana Mazzoni: 50 Klassiker Künstlerinnen. Malerinnen, Bildhauerinnen und Photographinnen. Hildesheim 2002. S. 174.
  4. Hans-Peter Riese: Der Weg von der Avantgarde zur Textilfabrik. S. 73 in: Von der Avantgarde in den Untergrund. Texte zur russischen Kunst 1968-2006. Wienand Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3-86832-017-6
  5. Archivierte Kopie (Memento vom 10. Dezember 2013 im Internet Archive)