Lustration

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Lustration (lateinisch, zu lustrare „hell machen“, „reinigen“) bezeichnet die Entfernung von politisch belasteten Mitarbeitern aus dem (v. a. öffentlichen) Dienst.

Wortherkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Lustration war in der römischen Religion die Bezeichnung der feierlichen Reinigungen und Sühnungen, die einen wichtigen Teil des römischen Kultus ausmachten, aber auch sonst bei verunreinigenden Anlässen, wie Blutvergießen, Wochenbett, Berührung eines Toten etc., nötig waren. Archäologen bezeichnen mit Lustration auch Riten anderer Kulturen und die zugehörigen Einrichtungen, wenn sie vergleichbaren Zwecken dienen. In der minoischen Kultur der Bronzezeit auf der Insel Kreta sind Lustrationsbecken bekannt.

Anwendung in der Gegenwart[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heutzutage wird der Begriff sinngemäß auf die Entfernung von politisch belasteten Mitarbeitern aus dem öffentlichen Dienst angewandt. Die Überprüfung und darauf folgende Amtsenthebung von Mitarbeitern des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR wird als Lustrationsprozess bezeichnet – der Arbeitsplatz wird von politisch vorbelasteten Mitarbeitern „gereinigt“. Siehe hierzu BStU und Stasi-Unterlagen-Gesetz (Lustrationsgesetz).

Auch in den früheren Ländern unter sowjetischem Einfluss, z. B. in Tschechien, der Slowakei, Polen, Ungarn oder den baltischen Staaten[1] kam es in den frühen 1990er Jahren zu einer Überprüfung der Staatsdiener sowie anderer Personen des öffentlichen Lebens anhand geheimdienstlicher Archive auf eventuelle Zusammenarbeit mit kommunistischen Sicherheits- und Geheimdiensten.[2]

Auch die Entbaathifizierung im Irak nach dem Sturz Husseins und das „Politische Isolationsgesetz“ in Libyen nach dem Sturz Gaddafis werden als Lustration betrachtet.[3]

Im Jahr 2014 unterzeichnete der ukrainische Präsident Petro Poroschenko ein Gesetz „Über die Säuberung des Regierungsapparates“, das auch Lustrationsgesetz genannt wird. Damit sollten Staatsbedienstete, die unter Ex-Präsident Wiktor Janukowytsch Ämter innehatten, sanktioniert bzw. entlassen werden.[4] Der im Mai 2019 zum ukrainischen Präsidenten gewählte Wolodymyr Selenskyj stellte im Sommer 2019 die Forderung, das Lustrationsgesetz auszuweiten und alle hochrangigen Beamten, die unter Poroschenko an der Macht waren, aus öffentlichen Ämtern zu entfernen.[5][6]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Siegmar Schmidt, Gert Pickel, Susanne Pickel: Amnesie, Amnestie oder Aufarbeitung? Zum Umgang mit autoritärer Vergangenheit und Menschenrechtsverletzungen. Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-13868-8.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Lustration – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vello Pettai: Lustration in den baltischen Staaten. Aktive Vergangenheitsbewaltigung seit 1991. In: Michèle Knodt, Sigita Urdze (Hrsg.): Die politischen Systeme der baltischen Staaten. Eine Einführung. Springer VS, Wiesbaden 2012, S. 97–116 (online auf Academia.edu).
  2. Eric Brahm: Lustration auf beyondintractability.org / Beyond Intractability, Juni 2004, abgerufen am 23. Januar 2021.
  3. Mark Kersten: Libya’s Political Isolation Law: Politics and Justice or the Politics of Justice? In: mei.edu / Middle East Institute. 5. Februar 2014, abgerufen am 23. Januar 2021.
  4. Andreas Stein: Ukrainische „Lustration“ auf boell.de, 21. Oktober 2014, abgerufen am 23. Januar 2021.
  5. Stefan Scholl: In der Ukraine will Selenskyj seine Gegner per Gesetz kaltstellen auf fr.de, 15. Juli 2019, abgerufen am 23. Januar 2021.
  6. Denis Trubetskoy: Parlamentswahlen Ukraine: Präsident Selenskyj vor zweitem Sensationssieg In: mdr.de, 22. Juli 2019, abgerufen am 23. Januar 2021.