Mascagnin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Mascagnin
Nadelige Mascagninkristalle aus der Umgebung von Rawat nahe dem Jaghnob, Tadschikistan (Sichtfeld 6 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Msc[1]

Andere Namen

Mascagnit[2]

Chemische Formel (NH4)2[SO4][3][4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfate (Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VI/A.06
VI/A.07-030[5]

7.AD.05
28.02.01.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m[6]
Raumgruppe Pmcn (Nr. 62, Stellung 5)Vorlage:Raumgruppe/62.5[3]
Gitterparameter a = 5,99 Å; b = 10,64 Å; c = 7,78 Å[3]
Formeleinheiten Z = 4[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2 bis 2,5[7]
Dichte (g/cm3) gemessen: 1,768; berechnet: 1,769[7]
Spaltbarkeit gut nach {100}[7]
Bruch; Tenazität uneben; leicht schneidbar (sektil)[7]
Farbe farblos, weiß, grau bis gelblichgrau, zitronengelb; farblos im Durchlicht[7]
Strichfarbe weiß[5]
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Glasglanz, matt[7]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,520[8]
nβ = 1,523[8]
nγ = 1,533[8]
Doppelbrechung δ = 0,013[8]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = 52° (gemessen), 58° (berechnet)[8]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten wasserlöslich, scharf und bitter schmeckend, leicht hygroskopisch[7]

Mascagnin ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate (einschließlich Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“ mit der chemischen Zusammensetzung (NH4)2[SO4][3] und damit chemisch gesehen ein Ammoniumsulfat.

Mascagnin kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem, entwickelt aber nur selten idiomorphe Kristalle mit faserigem Habitus von bis zu 5 mm Länge. Meist findet er sich in Form von Dendriten, stalaktitischen Formen und mehlig wirkenden, krustigen Überzügen.

In reiner Form ist Mascagnin farblos und durchsichtig mit einem glasähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterfehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß sein und durch Fremdbeimengungen eine graue bis gelblichgraue oder zitronengelbe Farbe annehmen. Seine Strichfarbe ist allerdings immer weiß.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ersten Proben des Minerals fand der italienische Anatom, Arzt und Naturwissenschaftler Paolo Mascagni in den Lagunen der Toskana und übergab diese an den deutschen Chemiker Martin Heinrich Klaproth, der sie in seine Sammlung seltener Salze übernahm. Dort entdeckte sie der Mineraloge Dietrich Ludwig Gustav Karsten und untersuchte deren äußeren Merkmale. Karsten erkannte diese „Mischung von Schwefelsäure, Ammoniak und Wasser“ als bisher unbekanntes Mineral und bezeichnete es seinem Entdecker zu Ehren als Mascagnin.[9]

Ein Aufbewahrungsort für das Typmaterial des Minerals ist nicht dokumentiert.[10]

Da der Mascagnin bereits lange vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt war, wurde dies von ihrer Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) übernommen und bezeichnet den Mascagnin als sogenanntes „grandfathered“ (G) Mineral.[4] Die ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Mascagnin lautet „Msc“.[1]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Mascagnin zur Mineralklasse der „Sulfate, Chromate, Molybdate und Wolframate“ (einschließlich einiger Selenate und Tellurate) und dort zur Abteilung der „Wasserfreien Sulfate ohne fremde Anionen“, wo er zusammen mit Arcanit die „Arcanit-Reihe“ mit der System-Nr. VI/A.06 bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VI/A.07-030. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Wasserfreie Sulfate [SO4]2−, ohne fremde Anionen“, wo Mascagnin zusammen mit Arcanit und Thénardit die unbenannte Gruppe VI/A.07 bildet.[5]

Auch die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[11] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Mascagnin in die Abteilung der „Sulfate (Selenate usw.) ohne zusätzliche Anionen, ohne H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit ausschließlich großen Kationen“ zu finden ist, wo es zusammen mit Arcanit die „Arcanitgruppe“ mit der System-Nr. 7.AD.05 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Mascagnin in die Klasse der „Sulfate, Chromate und Molybdate“ und dort in die Abteilung der „Sulfate“ ein. Hier ist er zusammen mit Arcanit in der unbenannten Gruppe 28.02.01 innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie Säuren und Sulfate (A+)2XO4“ zu finden.


Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mascagnin kristallisiert in der orthorhombischen Raumgruppe Pmcn (Raumgruppen-Nr. 62, Stellung 5)Vorlage:Raumgruppe/62.5 mit den Gitterparametern a = 5,99 Å; b = 10,64 Å und c = 7,78 Å° sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mascagnin bildet sich als Sublimationsprodukt in Fumarolen und Solfataren, kann aber auch in brennenden Kohleflözen entstehen. Als Begleitminerale können unter anderem Boussingaultit, Cinnabarit, Gips, Halit, Salmiak, Sassolin, Schwefel, Sylvin und Tschermigit auftreten.[7]

Als seltene Mineralbildung konnte Mascagnin nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei weltweit bisher rund 60 Vorkommen dokumentiert sind (Stand 2023).[12] Außer in den Lagunen der Toskana (als genaue Typlokalität wird Travale in der toskanischen Gemeinde Montieri angegeben[13]) konnte das Mineral in Italien noch an mehreren Stellen in der Umgebung von Pozzuoli und an den Fumarolen des Vesuvs in Kampanien sowie des Ätnas und der Fossa auf Vulcano in Sizilien gefunden werden.

In Deutschland trat Mascagnin unter anderem in der Grube Clara bei Oberwolfach in Baden-Württemberg, in den Bergehalden „Anna 1“, „Anna 2“ und „Anna-Noppenberg“ bei Alsdorf in Nordrhein-Westfalen, im Königin-Carola-Schacht bei Freital im Osterzgebirge der Sächsischen Schweiz und in den Absetzerhalden des ehemaligen Tagebaus Lichtenberg bei Ronneburg in Thüringen auf.

Der bisher einzige bekannte Fundort in Österreich ist eine ehemalige Braunkohlengrube bei Seegraben (heute ein Stadtteil von Leoben) in der Steiermark, wo verschiedene Minerale durch Selbstentzündung der Kohle entstanden.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Belgien, Bulgarien, Frankreich, der Demokratischen Republik Kongo, den Niederlanden, auf Neuseeland, in Peru, Polen, Russland, Schweden, der Slowakei, in Südafrika, Tadschikistan, Tschechien, Ungarn, Venezuela, im Vereinigten Königreich (England, Schottland) und den Vereinigten Staaten von Amerika (Colorado, Kalifornien, Kentucky, Missouri, Ohio, Pennsylvania).[14]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Paolo Mascagni: Dei Lagoni del Senese e del Volterrano. Commentaria al Sig. Francesco Caluri Professore della Regia Università di Siena. Stamperia di Vinc. Pazzini e figli, Siena 1779, S. 84 ff., Appendice. Del Cinabre e del Mercurio ritrovato ai Lagoni di Travale (italienisch, online verfügbar bei archive.org – Internet Archive).
  • Dietrich Ludwig Gustav Karsten: Tabellarische Übersicht der mineralogisch einfachen Fossilien. In: Mineralogische Tabellen. Heinrich August Rottmann, Berlin 1800, S. 40 (rruff.info [PDF; 1,9 MB; abgerufen am 6. Juni 2023]).
  • V. V. Udalova, Z. G. Pinsker: Electron diffraction study of the structure of ammonium sulfate. In: Soviet Physics – Crystallography. Band 8, 1963, S. 433–440 (englisch, rruff.info [PDF; 562 kB; abgerufen am 7. Juni 2023]).
  • Elmer O. Schlemper, Walter C. Hamilton: Neutron-diffraction study of the structures of ferroelectric and paraelectric ammonium sulfate. In: Journal of Chemical Physics. Band 44, Nr. 12, 1966, S. 4498–4509, doi:10.1063/1.1726666 (englisch).
  • Marco E. Ciriotti, Lorenza Fascio, Marco Pasero: Italian Type Minerals. 1. Auflage. Edizioni Plus - Università di Pisa, Pisa 2009, ISBN 978-88-8492-592-3, S. 175.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Mascagnite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 6. Juni 2023]).
  2. Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 666.
  3. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 367 (englisch).
  4. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: May 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Mai 2023, abgerufen am 6. Juni 2023 (englisch).
  5. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. David Barthelmy: Mascagnite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 6. Juni 2023 (englisch).
  7. a b c d e f g h Mascagnite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 52 kB; abgerufen am 6. Juni 2023]).
  8. a b c d e Mascagnite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 7. Juni 2023 (englisch).
  9. Dietrich Ludwig Gustav Karsten: Tabellarische Übersicht der mineralogisch einfachen Fossilien. In: Mineralogische Tabellen. Heinrich August Rottmann, Berlin 1800, S. 40 (rruff.info [PDF; 1,9 MB; abgerufen am 6. Juni 2023]).
  10. Catalogue of Type Mineral Specimens – M. (PDF 326 kB) Commission on Museums (IMA), 10. Februar 2021, abgerufen am 7. Juni 2023.
  11. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 6. Juni 2023 (englisch).
  12. Mascagnite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 7. Juni 2023 (englisch).
  13. Mascagnite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 7. Juni 2023 (englisch).
  14. Fundortliste für Mascagnin (engl.: Mascagnite) beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 6. Juni 2023.