Max-Planck-Institut für Psychiatrie

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Max-Planck-Institut für Psychiatrie
Max-Planck-Institut für Psychiatrie
Westflügel an der Kraepelinstraße
Kategorie: Forschungseinrichtung
Träger: Max-Planck-Gesellschaft
Rechtsform des Trägers: Eingetragener Verein
Sitz des Trägers: München
Standort der Einrichtung: München-Schwabing
Art der Forschung: Grundlagenforschung
Fächer: Naturwissenschaften
Fachgebiete: Psychiatrie, Lebenswissenschaften
Grundfinanzierung: Bund (50 %), Länder (50 %)
Leitung: Elisabeth Binder (geschäftsführende Direktorin)[1]
Homepage: www.psych.mpg.de

Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung unter der Trägerschaft der Max-Planck-Gesellschaft und hat seinen Sitz in München-Schwabing. Das Institut betreibt in erster Linie Grundlagenforschung im Fach der Naturwissenschaften auf dem Gebiet der Psychiatrie und der Neurobiologie. Daneben unterhält es in Schwabing eine Klinik mit etwa 120 Betten.[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 13. Februar 1917 wurde durch König Ludwig III. von Bayern in München die Stiftung „Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie“ errichtet, aus der das heutige Max-Planck-Institut für Psychiatrie hervorging.[3][4][5]

Die Stiftung ging zurück auf den deutschen Psychiater Emil Kraepelin (1856–1926)[6][7][8][9][10][11][12], der im Jahr 1912 Überlegungen anstellte, die klinische Psychiatrie durch eine enge organisatorische und personelle Verbindung mit der Neuropathologie, der Neurophysiologie, der Serologie, der Genetik und der experimentellen Psychologie zu einer modernen naturwissenschaftlich orientierten Disziplin der Medizin zu machen.

Das erste Stiftungskapital für das Institut in Höhe von 500.000 Mark kam 1917 von James Loeb, einem US-amerikanischen Bankier deutsch-jüdischer Abstammung.[13][14] Loeb überließ Kraepelin zwei Gebäude unentgeltlich, zunächst das Gebäude Bavariaring 46 (die Maria-Theresia-Klinik), bis 1930 ließ er dann von Architekt Carl Sattler das Gebäude an der heutigen Kraepelinstraße in Schwabing erbauen.

Im Jahr 1924 wurde die Forschungsanstalt an die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften angegliedert und als Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie (Kaiser-Wilhelm-Institut) fortgeführt.[15]

Ernst Rüdin war seit 1907 Assistent und seit 1909 Oberarzt und Privatdozent bei Emil Kraepelin in München. Er war zudem Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene und ab 1905 Herausgeber der Zeitschrift Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie. Seit 1917 leitete er die Genealogisch-Demographische Abteilung (GDA) des Instituts. Er wurde als einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Psychiatrie seiner Zeit im Jahr 1931 Leiter des gesamten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Psychiatrie in München. Rüdin kam aufgrund einer umfangreichen Sammlung von Patientenakten zur Vermutung, Geisteskrankheiten seien genetisch bedingt und könnten daher vorhergesagt und verhindert werden. Er verhalf dem NS-Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses zur Entstehung und verfasste den offiziellen Kommentar zum Gesetz.[16] Die Entnazifizierung stufte Rüdin, den „...Psychiater, der an der Ausarbeitung des Massen-Sterilisierungsgesetzes der Nazis beteiligt gewesen war...“[17], als Mitläufer ein.

„1935 Rüdins psychiatrisch-populationsgenetische Arbeitsrichtung sowie sein rassenhygienisches Programm und seine Funktionen im staatlichen Gesundheitswesen des Nationalsozialismus bestimmen zunehmend die Tätigkeit des Instituts. 1939 Während des Zweiten Weltkriegs wird einerseits die Forschungstätigkeit stark behindert, andererseits erfolgt eine Beteiligung an „kriegswichtigen“ Projekten. In der neuropathologischen Abteilung bzw. in der Prosektur werden Gehirne von Opfern der „T4-Aktion“ untersucht.“

Geschichte des Institutes[18]

Nach der Auflösung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Jahr 1945 und der Neugründung der Max-Planck-Gesellschaft 1948 wurde die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie 1954 unter Aufrechterhaltung der Stiftung von 1917 in die Max-Planck-Gesellschaft aufgenommen. Organisatorisch wurde das Institut in ein klinisches und ein theoretisches Teilinstitut gegliedert. 1966 wurde das Institut in Max-Planck-Institut für Psychiatrie (Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie) umbenannt, seit 2017 nur noch Max-Planck-Institut für Psychiatrie.

Aus dem Theoretischen Teilinstitut entstand 1998 das eigenständige Max-Planck-Institut für Neurobiologie.

Von 1989 bis 2014 war der biologisch orientierte Psychiater Florian Holsboer Leiter des Instituts.[19]

Seit 2013 ist die Neurowissenschaftlerin und Ärztin Elisabeth Binder Direktorin des Instituts. 2013–2019 war der Neurobiologe Alon Chen ebenfalls Direktor. Seit 2021 leitet die Neurowissenschaftlerin Nadine Gogolla gemeinsam mit Elisabeth Binder das Institut. Klinikdirektor war ab 2014 Martin Keck, der 2019 entlassen wurde.[19] Seitdem leitet interimistisch Peter Falkai[20][21] die Klinik in Personalunion (als Ärztlicher Direktor) mit der Psychiatrischen Universitätsklinik des LMU Klinikums.

Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie verbindet Grundlagenforschung, klinische Forschung und Patientenversorgung im Bereich der Psychiatrie. Neben Medizinern und Psychologen arbeiten Grundlagenforscher aller naturwissenschaftlichen Disziplinen gemeinsam an der Ursachenklärung und möglichen Therapieentwicklung psychiatrischer und neurologischer Erkrankungen. Die Forschungsschwerpunkte liegen besonders im Bereich der Stress-, Psychotrauma-, Angst-, Schizophrenie-, Depressions-, Schlaf- und neurologischen Forschung.[22]

Die Klinik besteht aus fünf Stationen, drei Tageskliniken und einem großen Ambulanzbereich mit vielen Spezialambulanzen.

Der vollstationäre Bereich gliedert sich in fünf psychiatrische Stationen mit 120 Betten für etwa 1200 stationäre Patienten pro Jahr.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Engstrom, Eric J., Wolfgang Burgmair, Matthias Weber: „Psychiatric Governance, völkisch Corporatism, and the German Research Institute for Psychiatry in Munich (1912–1926)“. History of Psychiatry 27.1/2 (2016): 38-50, 137-52.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main, 2005.
  • Uwe Henrik Peters: Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie. Mit einem englisch-deutschen Wörterbuch im Anhang. 6., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Elsevier, Urban & Fischer Verlag, 2007, ISBN 3-437-15061-8.
  • Festschrift 75-Jahr-Feier Maria-Theresia-Klinik, Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, München 2005
  • Max-Planck-Gesellschaft (Hrsg.): 75 Jahre Max-Planck-Institut für Psychiatrie (Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie) München 1917 - 1992, Redaktion: Sigrid Deutschmann, München : Generalverwaltung der Max-Planck-Ges., Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 1992, Reihe: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften: Berichte und Mitteilungen; 92,2.
  • Eckart Henning, Marion Kazemi: Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie (Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Institut) / Max-Planck-Institut für Psychiatrie (Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie), in: Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911–2011 – Daten und Quellen, Berlin 2016, 2 Teilbände, Teilband 2: Institute und Forschungsstellen M–Z (online, PDF, 75 MB), Seite 1363ff.
  • Matthias M. Weber: „Ein Forschungsinstitut für Psychiatrie …“: Die Entwicklung der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München zwischen 1917 und 1945, in: Sudhoffs Archiv Bd. 75, H. 1 (1991), pp. 74-89.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. https://www.psych.mpg.de/24419/staff
  2. Klinik des Max-Planck-Instituts (Memento vom 29. Juli 2014 im Internet Archive); Abgerufen am 29. Juli 2014
  3. Eric J. Engstrom, Wolfgang Burgmair, Matthias M. Weber: Psychiatric Governance, Völkisch Corporatism and the German Research Institute of Psychiatry in Munich (1912–26). In: History of Psychiatry, vol. 27 (2016), no. 1/2, p. 38-50, p. 137-52.
  4. Eric J. Engstrom et al.: Psychiatrie und Politik im Dienste des deutschen Volkes. In: Eric J. Engstrom, Wolfgang Burgmair, Matthias M. Weber (Hrsg.): Emil Kraepelin in München, Teil II, 1914-1921. Belleville, München 2009, S. 17–82.
  5. Eric J. Engstrom et al.: Wissenschaftsorganisation als Vermächtnis. In: Eric J. Engstrom, Wolfgang Burgmair, Matthias M. Weber (Hrsg.): Emil Kraepelin in München, Teil III, 1921-1926. In: Belleville, München 2013, S. 17–71.
  6. Emil Kraepelin: Zur Entartungsfrage. In: Zentralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatrie, 31. Jahrgang (Neue Folge, 19. Jahrgang) 1908, S. 745–750, hier S. 750 f.
  7. Ernst Rüdin: Emil Kraepelin. Zur Entartungsfrage. In: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie, 6. Jahrgang 1909, S. 254–257.
  8. Hans-Walter Schmuhl (Hrsg.): Rassenforschung an Kaiser-Wilhelm-Instituten vor und nach 1933. 2003, ISBN 3-89244-471-4, S. 44.
  9. Emil Kraepelin: Die Gesellschaftsfeinde (Antisozialen). In: Emil Kraepelin (Hrsg.): Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Studirende und Ärzte. Band 4, 8. Auflage, Leipzig 1915, S. 2076–2116. (online auf archive.org
  10. Volkmar Sigusch, Günter Grau (Hrsg.): Personenlexikon der Sexualforschung. 2009, ISBN 3-593-39049-3, S. 531.
  11. Kurt Kolle: Emil Kraepelin (1856–1926). In: Kurt Kolle (Hrsg.): Große Nervenärzte. 21 Lebensbilder. Band 1, Stuttgart 1956, S. 175–186. (2. Auflage 1962, ISBN 3-13-363201-9)
  12. Dorothea Buck: 70 Jahre Zwang in deutschen Psychiatrien. Erlebt und miterlebt. Hauptvortrag vom 7. Juni 2007 beim Kongress “Coercive Treatment in Psychiatry: A Comprehensive Review” (Psychiatrische Zwangsbehandlung – Ein Überblick), veranstaltet von der World Psychiatric Organisation in Dresden vom 6. bis 8. Juni 2007
  13. Wolfgang Burgmair, Matthias M. Weber: „Das Geld ist gut angelegt, und du brauchst keine Reue zu haben“. James Loeb, ein deutsch-amerikanischer Wissenschaftsmäzen zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik. In: Historische Zeitschrift, 277. Jahrgang 2003, S. 343–378.
  14. Schwabing war und ist ein Klinikviertel, das auch durch großzügige Spenden jüdischer Mäzene Renommee erlangte. Die freiwillige und beflissene Kooperation, oft mit dem schwammigen Wort „Verstrickung“ verharmlost, die Wegbereitung und Legitimation der Verfolgungs- und Mordpolitik durch Wissenschaftler, wird im Kapitel über den Leiter und die Mitarbeiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts, heute Max-Planck-Institut für Psychiatrie, dargestellt. Den Tätern und Mitläufern unter den Ärzten und den Funktionsträgern der Gesundheitspolitik wurde der Weg schon früh bereitet. Die jüdischen Konkurrenten – unter ihnen die Chefärzte des Schwabinger Krankenhauses – verloren 1933 ihre Stellen. (Ilse Macek im Vorwort und in der Rede zur Vorstellung des Buchs ausgegrenzt – entrechtet – deportiert. Schwabing und Schwabinger Schicksale 1933 bis 1945. Volk Verlag, München o. J. – 1933 bis 1945: Naziherrschaft in München; 06.2008).
  15. Eckerhard Hennung, Marion Kazemi: Hansbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911-2011. Band 2. Max-Planck-Gesellschaft, München 2016, S. 1370.
  16. Tödliche Medizin: Die Erschaffung der Herrenrasse (Memento vom 3. Oktober 2006 im Internet Archive), Ernst Rüdin; United States Holocaust Memorial Museum; 18. Juni 2008.
  17. Tödliche Medizin: Die Erschaffung der Herrenrasse; United States Holocaust Memorial Museuml; 18. Juni 2008; ushmm.org (Memento vom 3. Oktober 2006 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt.
  18. Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München-Schwabing (Memento vom 6. Mai 2014 im Internet Archive)
  19. a b Christina Berndt: Max-Planck-Institut für Psychiatrie: Direktor entlassen. Abgerufen am 10. April 2021.
  20. Unser Team. Abgerufen am 10. April 2021.
  21. Klinik. Abgerufen am 10. April 2021.
  22. Ziele des Instituts; abgerufen am 29. Juli 2014.

Koordinaten: 48° 10′ 25,2″ N, 11° 34′ 34,1″ O