Mechelen-Zwischenfall

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Bf 108 B Taifun der Messerschmitt-Stiftung
Angebrannte Unterlagen im Musée Royal de l’Armée in Brüssel

Der Mechelen-Zwischenfall bezeichnet die Notlandung eines deutschen Flugzeugs nordöstlich der belgischen Stadt Maasmechelen (Stadtteil Vucht) am 10. Januar 1940. Dadurch wurden Teile der deutschen Angriffsplanungen für den Westfeldzug zunächst dem belgischen Generalstab und später weiteren Kreisen im Westen bekannt.

Entwicklung und Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 10. Januar 1940 hatte Adolf Hitler ein neues Datum für die Offensive („Fall Gelb“) festgelegt: Sie sollte am 17. Januar 15 Minuten vor Sonnenaufgang beginnen.

Major Helmut Reinberger, ein Luftwaffenoffizier, der für den Nachschub bei der 7. Flieger-Division zuständig war, sollte die Offensive betreffende Befehle von Münster zu seinem Stab nach Köln bringen. Der Winter 1939/40 war sehr kalt[1] und die Straßenverhältnisse waren winterlich. Um nicht den Nachtzug nehmen zu müssen, nahm er befehlswidrig – der Oberbefehlshaber der Luftwaffe Hermann Göring hatte den Transport von geheimen Befehlen per Flugzeug verboten – das Angebot von Fliegerhorst-Leiter Major Erich Hoenmanns an, ihn mit einer Messerschmitt Bf 108 vom Fliegerhorst Münster-Loddenheide nach Köln zu fliegen. Bei schlechter Sicht überflog Hoenmanns versehentlich den Rhein, der sonst zur Orientierung nach Köln diente, und flog so lange westwärts, bis er die Maas erreichte. Dann setzte der Motor aus und zwang zu einer Notlandung im neutralen Belgien. Nach der Landung offenbarte Reinberger dem ahnungslosen Hoenmanns die Brisanz der Papiere. Beide versuchten die Papiere zu verbrennen. Der belgische Korporal Gerard Rubens, der mit dem Fahrrad zur Landestelle geeilt war, verhinderte dies. Die beiden Deutschen wurden zu Verhören nach Maasmechelen gebracht. Hier versuchte Reinberger die Papiere in einen brennenden Kohleofen zu stecken; Kommandant Rodrique holte sie wieder heraus. Diese beiden Vorfälle waren Indizien dafür, dass die Papiere höchst brisant waren.[2] Von der deutschen Botschaft in Brüssel aus unterrichtete Reinberger den Luftwaffenstab mit dem Verweis, er habe die Unterlagen „zu unbrauchbaren Schnitzeln von Handtellergröße“ zerrissen.[3]

Hitler machte Göring schwere Vorwürfe,[4] Göring war beunruhigt und ließ Versuche mit einer ähnlich großen Menge Papier anstellen. Die Resultate waren indes so unsicher, dass er – auf den Vorschlag seiner Frau hin – mehrere Hellseher zu Rate zog, die meinten, von den Dokumenten sei nichts übriggeblieben. Hitler ließ sich davon nicht überzeugen und vermutete, der Plan sei „dem Feind“ in die Hände gefallen. Anfänglich, in einem Wutanfall, dachte er darüber nach, den Angriff auf den 14. Januar 1940 vorzuverlegen, um möglichen Gegenmaßnahmen zuvorzukommen; dann verschob er den Einmarschbefehl ein weiteres Mal.[5] Hitler verschob diesen insgesamt 29-mal.[6]

Die Belgier, die den Überbleibseln der Dokumente entnehmen konnten, dass eine Offensive unter Missachtung der belgischen und niederländischen Neutralität geplant war, gaben ihre Ergebnisse an Briten, Franzosen und Niederländer weiter, wo sie zunächst auf Misstrauen stießen.

In der Folge änderte sich die belgische Politik gegenüber Deutschland, das seinerseits die Angriffsstrategie überdachte.[7] Hitler übernahm schließlich den von Erich von Manstein entwickelten Sichelschnittplan. Dieser basierte auf einem überraschenden Angriff durch die Ardennen.

Denkmal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Ort des Geschehens wurde in den 1950er Jahren ein Denkmal (eine kleine Mauer mit Gedenkplatte) eingeweiht.[8] Am 6. Dezember 2005 wurde die alte Gedenkmauer abgerissen, am 13. Dezember 2005 nahebei dafür eine Säule eingeweiht.[9]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. rhein-magazin-duesseldorf.de;
    chroniknet.de Temperaturchart.
  2. De eerste Duitse adelaar viel te Vucht. Flor Vanloffeld; archive.org.
  3. John Toland: Adolf Hitler. Sieg im Westen (3. September 1939 bis 25. Juni 1940). Gondrom Verlag, Bindlach, 1989, S. 769.
  4. Ernst Stilla: Die Luftwaffe im Kampf um die Luftherrschaft. Entscheidende Einflussgrößen bei der Niederlage der Luftwaffe im Abwehrkampf im Westen und über Deutschland im Zweiten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der Faktoren „Luftrüstung“, „Forschung und Entwicklung“ und „Human Ressourcen“. Dissertation, Bonn 2005. urn:nbn:de:hbz:5-05816. S. 76 und Fußnote 347.
  5. John Toland: Adolf Hitler, Sieg im Westen (3. September 1939 bis 25. Juni 1940), Gondrom Verlag, Bindlach, 1989, S. 770.
  6. Christoph Gunkel: Schwindelig vom Blitzkrieg (Spiegel Geschichte 2010)
  7. Mechelen-Zwischenfall. In: Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 580.
  8. am Winterdeich der Maas, am Ende der „Invasiestraat“ (Invasionsstraße). Am 10. Juni jedes Jahres findet eine kleine Dankprozession zum Denkmal statt.
  9. Die Skulptur „Wasserevent“ des Künstlers Rik Blumen ist eine ca. 3,3 m hohe Säule. In dieser sind Nachrichten der lokalen Zeitungen und die Geschichte der Bf 108 eingemauert. Am Ort der Notlandung ist ein Betonfundament in Form des Flugzeuges gegossen worden.

Koordinaten: 50° 58′ 22,5″ N, 5° 42′ 56,9″ O