Mercedes-Benz W 196

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Mercedes W 196 Monza mit Stromlinienkarosserie auf den Retro Classics 2019
Cockpit des W 196 mit großem Drehzahlmesser von Veglia
Mercedes W 196 Monza mit Stromlinienkarosserie

Der Mercedes-Benz W 196 war ein Formel-1-Rennwagen der Saison 1954 und 1955. Außer dem typischen Monoposto bzw. Einsitzer mit freistehenden Rädern gab es ihn zunächst als vollverkleidete Stromlinienvariante. Davon abgeleitet war der zweisitzige Rennsportwagen Mercedes-Benz 300 SLR für die Sportwagenrennen der Saison 1955.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch: Silberpfeil

Die Motorsportaktivitäten von Mercedes-Benz nach dem Zweiten Weltkrieg begannen 1951 in Argentinien, nachdem Deutschland zunächst die Teilnahme an internationalen Sportveranstaltungen verwehrt gewesen war. Beim Peron-Pokal am 18. Februar 1951 und beim Grand Prix Eva Perón am 25. Februar 1951 startete der W 154 von 1939 und belegte mit Hermann Lang und Juan Manuel Fangio bzw. Karl Kling und Hermann Lang die Plätze zwei und drei hinter Gonzales auf Ferrari. Der W 165, mit dem Hermann Lang das Tripolis-Rennen von 1939 gewonnen hatte, wurde nicht mehr eingesetzt, obwohl der 1,5-Liter-Kompressor-Motor zum Formel-1-Reglement von 1947 bis 1953 gepasst hätte.

1952 erzielte Mercedes-Benz sensationelle Erfolge mit dem Sportwagen 300 SL W 194. Der noch mit Vergasern bestückte 175-PS-Motor basierte jedoch auf dem Serien-Sechszylinder der 300-S-Limousine und war keine Grundlage für einen zukünftigen Sportwagenmotor oder für ein Formel-1-Aggregat nach den Regeln, die ab 1954 gelten sollten. Deshalb setzte das Werk 1953 bei Rennen aus und entwickelte den Mercedes-Benz W 196.

Konzept[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Motor und Kraftübertragung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Formel-1-Reglement für 1954/55 erlaubte Motoren von höchstens 2500 cm³ ohne Aufladung oder 750 cm³ mit Kompressor, was einer Halbierung der bisherigen Größen entsprach (4,5-Liter-Saugmotoren). Fritz Nallinger, Vorstandsmitglied für Konstruktion und Entwicklung, sowie Rudolf Uhlenhaut als Leiter des Versuchs gaben, wie alle Mitbewerber, dem 2500-cm³-Saugmotor den Vorzug. Gebaut wurde ein Achtzylinder-Reihenmotor, der in zwei Vierzylinderblöcke geteilt war und die Kraft in der Mitte abgab, um ein übermäßiges Verwinden der extrem langen Kurbelwelle zu vermeiden. Zur Minimierung von Reibungsverlusten liefen die Kolben in verchromten Laufbuchsen und die Wellen waren rollengelagert. Statt Ventilfedern gab es eine Desmodromik (Zwangssteuerung) mit zusätzlichen Nocken auf der Nockenwelle zum Schließen der Ventile, die den Motor drehzahlfester machte.

Mercedes-Benz W 196 Monoposto

Neu war die Benzin-Direkteinspritzung des W 196, eine Technik, die bis dahin im Automobilbau nur bei Zweitaktmotoren angewandt worden war. Ingenieur Hans Scherenberg, der bei Daimler-Benz in den 1930er Jahren an der Entwicklung des ersten Diesel-Pkws Mercedes-Benz 260 D und an der Konstruktion des Flugmotors DB 601 mit direkter Benzineinspritzung beteiligt war, hatte nach dem Krieg das Werk verlassen müssen. 1948 war Scherenberg bei dem Fahrzeughersteller Gutbrod als Technischer Direktor eingetreten, wo er gemeinsam mit Karl-Heinz Göschel (1914–2009) und in Zusammenarbeit mit Bosch die Einspritzanlage für den Zweitaktmotor des „Gutbrod Superior“ (1951) konstruierte, die erste serienmäßige Benzineinspritzung im Automobilbau. 1952 kam er zusammen mit einem Team von Spezialisten aus dem Flugmotorenbau zurück. Göschel, der 1972 Nachfolger von Rudolf Uhlenhaut wurde, entwickelte 1953/54 maßgeblich die Einspritzanlage des W 196.

Der Kraftstoff des W 196 war kein handelsübliches Benzin, sondern ein von Esso zugeliefertes Spezialgemisch mit der Bezeichnung RD1. Die Zutaten waren, soweit bekannt:

Da dieses Gemisch Tank und Kraftstoff-Leitungen angriff, mussten diese nach jedem Einsatz mit „normalem“ Benzin ausgewaschen werden, um Korrosion zu verhindern. Der Achtzylinder-Reihenmotor entwickelte zunächst rund 260 PS.

Um den Fahrzeugschwerpunkt möglichst niedrig zu halten, war der Motor um 53° nach rechts geneigt und nach links versetzt eingebaut.

Das Drehmoment wurde über eine Einscheibentrockenkupplung (Durchmesser 240 mm) und eine von vorn links schräg zur Mitte versetzte Kardanwelle unter dem Fahrersitz hindurch zum Getriebe übertragen. Es hatte fünf Gänge (zweiter bis fünfter Gang synchronisiert), war mit dem Achsantrieb mit Sperrdifferential verblockt und hinter ihm platziert. Die Abstufung von Schaltgetriebe und die Achsübersetzung konnten den jeweiligen Rennstrecken angepasst werden.

Fahrgestell[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Fahrgestell des W 196 bestand – wie damals üblich – im Wesentlichen aus einem Gitterrohrrahmen, dessen einzelne Rohre einen Durchmesser von 20 und 25 mm hatten (Wandstärke 0,8 und 1,0 mm). In diesem Rahmen befanden sich Motor, Kühler, Schaltgetriebe und Achsantrieb, Bremsen sowie Kraftstofftank (bis zu 220 Liter) und Öltank (40 Liter). Die Vorderräder waren an Doppelquerlenkern aufgehängt; hinten war eine Eingelenkpendelachse (Schwingachse) mit tief gelegtem Drehpunkt eingebaut, um den Momentanpol (Drehpunkt) des Fahrzeugs möglichst weit nach unten zu verlagern. Bei dieser Konstruktion schwingt das Achsgehäuse (Differenzialgetriebe) mit und die Pendelarme reichen bis zur Fahrzeugmittelebene. Die linke Antriebswelle ist über Schiebegelenke und ein Kreuzgelenk mit dem Differential verbunden.

Der W 196 hatte vorn und hinten längs liegende Drehstabfedern und hydraulische Teleskopstoßdämpfer sowie einen hydraulischen Lenkungsdämpfer. Zur Verringerung der ungefederten Massen lagen die groß dimensionierten Trommelbremsen (Durchmesser vorn 350 mm, hinten 275 mm) innen, bei verkürztem Radstand (1955) vorn auch außen in den Rädern. Auf den Leichtmetallmänteln der Bremstrommeln waren quer zur Laufrichtung Rippen angebracht, die Kühlluft anziehen und Wärme ableiten sollten („Turbokühlung“).

Karosserie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Senkung des Luftwiderstandes auf schnellen Kursen erhielt der W 196 zunächst anstatt der bei Einsitzern üblicherweise freistehenden Räder eine Vollverkleidung, vergleichbar mit den auf der Avus und bei Rekordfahrten eingesetzten Vorkriegsmodellen.

Die vollverkleidete Stromlinienkarosserie war jedoch unübersichtlich und relativ schwer, sodass auf engeren Kursen die ebenfalls geplante Monoposto-Variante eingesetzt wurde, die 1955 – bedingt durch eine Änderung der Einspritzanlage (Verlegung des Staurohrs) – die markante Luftansaughutze rechts auf der Motorhaube bekam (siehe Fotos). Dies war nötig geworden, nachdem im Herbst 1954 Blätter die Kühleröffnung und die dortige Ansaugöffnung verstopft hatten.

Die Karosseriebleche des W 196, die anfangs über Holzblöcken von Hand geformt wurden, bestanden aus Magnesium und Aluminium. Später wurden die Blechteile mit Metallformen hergestellt.

Technische Daten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

W 196 Stromlinie Monoposto
Motor: Achtzylinder-Reihenmotor aus zwei Vierzylindern mit Mittelabtrieb
Hubraum: 2496 cm³
Bohrung × Hub: 76 × 68,8 mm
Leistung: 189 kW = 257 PS (1954) bis 206 kW = 280 PS (Sommer 1955)
bei 1/min: 8250/min bzw. 8700/min
Max. Drehmoment bei 1/min: 247 Nm (25,2 mkp) bei 6300/min
Ventilsteuerung: obenliegende Nockenwelle (Ventile zwangsgesteuert)
Verdichtung: 9:1
Kühlung: Wasser
Getriebe: 5-Gang-Getriebe (und Rückwärtsgang), Kulissenschaltung*
Radaufhängung vorn: Doppelquerlenker
Radaufhängung hinten: Eingelenk-Pendelachse mit tiefgelegtem Drehpunkt
Federung vorn und hinten: längs liegende Drehstäbe und Teleskopstoßdämpfer
Karosserie: Gitterrohrrahmen mit Aluminiumbeplankung
Spurweite vorn/hinten: 1330 / 1358 mm
Radstand: 2350 mm (auch 2210 und 2150 mm)
Reifen vorn/hinten: 6.00 × 16 / 7.00 × 16
Maße L × B × H: 4160 (mit Stromlinienkarosserie) × 1625 (ohne Auspuff) × 1040 mm
Trockengewicht: ca. 700 kg ca. 650 kg
Höchstgeschwindigkeit:  ca. 280–290 km/h

* Der Schalthebel wird in einer Metallschablone (Kulisse) geführt.

Formel-1-Erfolge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Dezember 1953 unternahm Mercedes auf dem Werksgelände in Stuttgart-Untertürkheim die ersten Probefahrten mit dem W 196, bevor ausgiebige Tests in Hockenheim (Februar 1954), Monza (Mai 1954) und auf der heutigen Autobahn A 81 bei Schwieberdingen gefahren wurden. Weitere Versuche in Hockenheim folgten. Das Renndebüt des neuen Wagens verzögerte sich bis in den Sommer, weshalb Juan Manuel Fangio die ersten Rennen der Saison 1954 noch auf Maserati bestritt und bereits Punkte sammelte.

Nachdem alle Probefahrten mit Weber-Doppelvergasern gefahren worden waren, kam die Einspritzanlage in den Tests unmittelbar vor dem Großen Preis von Frankreich in Reims-Gueux erstmals zum Einsatz. Der Verbrauch sollte nach den vorausgegangenen Berechnungen bei 35 l/100 km liegen, tatsächlich waren es aber 40, sodass der Tankinhalt von 185 Liter für die Renndistanz von 500 km nicht ausreichte. Nachtanken während des Wettbewerbs hätte zu viel Zeit gekostet; deshalb wurden in der Nacht vor dem Rennen auf der linken Cockpitseite provisorische Zusatztanks in die Wagen eingebaut.

Karl Kling im W 196
W 196 mit 3-Liter-Motor am 16. August 1986 bei einer Demonstrationsfahrt mit Juan Manuel Fangio

Am 4. Juli 1954 – neun Jahre nach Kriegsende – trat der W 196 in Frankreich erstmals bei einem Formel-1-Rennen an. Schon in der Startaufstellung machten die in der ersten Reihe stehenden flachen und breiten „Silberpfeile“ von Juan Manuel Fangio und Karl Kling deutlich, dass eine neue Ära beginnt, denn die Konkurrenten saßen auf noch relativ schmalen, hochbeinigen älteren Konstruktionen. Nur der Nachwuchsfahrer Hans Herrmann mit dem dritten W 196 stand weiter hinten auf dem siebten Startplatz. Herrmann erzielte zwar bei der Aufholjagd die schnellste Rundenzeit (2:32,9 Min. = 195,6 km/h) und fuhr auf den dritten Platz, fiel aber in der 17. von 61 Runden mit Motorschaden aus. Fangio und Kling beendeten das Rennen über 506,4 km auf dem Hochgeschwindigkeitskurs mit einem sensationellen Doppelsieg in einer Zeit von 2:42:47,7 Stunden bzw. mit einem Durchschnitt von 186,638 km/h – ein Erfolg, vergleichbar mit dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft durch die deutsche Nationalmannschaft am selben Tag in Wankdorfstadion in Bern.

Der W 196 galt zwar fortan als seinen Konkurrenten überlegen, hatte aber auch Probleme. Beim nächsten Lauf, dem Großen Preis von Großbritannien in Silverstone brachte die Stromlinienverkleidung kaum Vorteile. Die mit Fässern markierten Kurven auf dem Flugplatzkurs ließen sich wegen der schlechten Übersicht nicht optimal anpeilen. Fangio beschädigte gar beide vorderen Kotflügel beim Herantasten an die Fässer und wurde mit einer Runde Rückstand nur Vierter; Karl Kling belegte den siebten Platz.

Für den Lauf um den Großen Preis von Deutschland auf dem kurvenreichen Nürburgring am 1. August 1954 bekamen Fangio, Kling und der Vorkriegsfahrer Hermann Lang eine leichtere Variante des W 196 mit freistehenden Rädern, während Herrmann weiterhin mit einer Vollverkleidung vorliebnehmen musste, da nur drei Monopostos fertig wurden. Vom Start weg führte Fangio, wurde jedoch kurzzeitig von Kling verdrängt, der mit undichtem Tank vom letzten Platz der 20 Wagen gestartet war und im Verlauf seiner Aufholjagd mit 9:55,1 Minuten (138,0 km/h) die schnellste Runde fuhr. Kurz vor Schluss fiel Kling wegen eines Stoßdämpferschadens auf den vierten Platz zurück; Fangio gewann nach 3:45:45,8 Stunden bzw. 501,82 km mit einem Vorsprung von 1:37 Minuten vor dem Werks-Ferrari von Gonzales/Hawthorn. Hans Herrmann (gebrochene Benzinleitung) und Hermann Lang (Motorschaden) schieden in der 7. bzw. 11. von 22 Runden aus.

Auch in der Schweiz und in Monza, hier wieder mit der Vollverkleidung, siegte Fangio. Hans Herrmann wurde auf der Bremgarten-Rundstrecke in Bremgarten bei Bern Dritter und in Monza Vierter. Kling fiel in beiden Rennen mit Motorschaden bzw. Unfall durch gebrochenen Ölschlauch aus. Der Große Preis von Berlin auf der AVUS, zu dem nur zehn Formel-1-Wagen antraten, zählte nicht zur Weltmeisterschaft. Das Rennen endete mit einem Dreifachsieg von Kling (Durchschnitt 213,5 km/h), Fangio und Herrmann – drei Runden vor André Pilette auf Gordini. Zum Saisonabschluss in Spanien reichte es zwar nur zum dritten Platz für Mercedes-Benz und Fangio, der Weltmeistertitel war jedoch sicher. Karl Kling wurde in Spanien Fünfter, Hans Herrmann fiel in der 51. von 80 Runden mit defekter Einspritzpumpe aus. Die Wagen hatten Probleme mit Laub in der Kühleröffnung, das sowohl Kühlung als auch Ansaugluft behinderte. Daraufhin wurde ein Gitter davor angebracht und der Luftansaugstutzen nach oben verlegt.

Das formelfreie Rennen am 30. Januar 1955 in Buenos Aires, bei dem der W 196 mit dem 3-Liter-Motor des Rennsportwagens 300 SLR eingesetzt wurde, gewann – wie auch den in großer Hitze ausgetragenen Grand Prix – Fangio vor Moss; Karl Kling wurde Vierter. Beim britischen Grand Prix in Aintree gewann Neuzugang Stirling Moss für Mercedes, nachdem ihm Fangio bei seinem Heimrennen möglicherweise den Vortritt gelassen hatte. Das Rennen in Monaco erwies sich als Pleite, denn alle W 196 fielen aus und Hans Herrmann verunglückte im Training schwer. Nach der Le-Mans-Katastrophe wurden einige Läufe zur Formel-1-Weltmeisterschaft 1955 abgesagt, unter anderem der Große Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. In der Schweiz gab es fortan gar keine Rennen mehr. Den Saisonabschluss in Monza gewann wieder ein Stromlinienmodell. Somit wurde Juan Manuel Fangio auch 1955 Formel-1-Weltmeister mit Siegen in vier von nur sechs Rennen (Argentinien, Belgien, Niederlande und Italien).

Nachdem der W 196 mit zwei Formel-1-Fahrerweltmeisterschaften (die Formel-1-Konstrukteursweltmeisterschaft gab es erst ab 1958, Mercedes hätte bei früherer Einführung gewonnen) und der neuen Sportwagen-Weltmeisterschaft alles gewonnen hatte, was es zu gewinnen gab (außer erneut bei den prestigeträchtigen Rennen von Monaco und Le Mans), zog sich das Werk wie schon vorher geplant vom Rennsport zurück, um sich auf die Serienentwicklung zu konzentrieren.

Der W 196 gilt als Meilenstein im Motorsport, die Silberpfeile wurden oft als überlegen oder gar unbesiegbar bezeichnet. Dies traf hauptsächlich bei Rennen zu, in denen die Vorteile der Vollverkleidung voll zum Zuge kamen. Zwar hatten die Wagen noch einige andere Neuerungen, jedoch wurde auch ständig nachgebessert, um den knappen Vorsprung zu halten. Es ist zudem schwer zu beurteilen, welcher Anteil an den F1-Erfolgen Fangio zu verdanken war, der in 14 Großen Preisen neun der zehn Siege von Mercedes errang (das Rennen in Berlin nicht mitgerechnet). Doppelsiege oder weitere Podiumsplätze waren keinesfalls die Regel. Ohne oder gar gegen Fangio hätte Mercedes weniger Erfolg gehabt bzw. hätte schon 1954 einen anderen Top-Fahrer verpflichten müssen. Zudem gab Lancia nach dem Tod von Alberto Ascari komplett auf und übergab den vielversprechenden Lancia D50 an Ferrari, wo er 1956 Fangio zu einem erneuten WM-Titel trug.

Bei Sportwagenrennen hatte Mercedes zudem 1955 mit Moss den besten Piloten an Bord, da Fangio schon damals nicht mehr gewillt war, auf Langstrecken und auf öffentlichen Straßen angesichts der Gefahr von Ermüdung bei Mensch und Material weiterhin volles Risiko einzugehen. Zudem war Mercedes mit dem Dreilitermotor den größeren Aggregaten der Konkurrenz leistungsmäßig unterlegen.

Bei Demonstrationsfahrten führt Mercedes-Benz Classic heute aus praktischen Gründen nur noch den W 196 R Formel 1 mit dem 3-Liter-Motor des 300 SLR W 196 S bzw. einen Wagen des formelfreien Rennens von Buenos Aires vor, da er mit normalem Benzin betrieben werden kann und nicht das gesundheitsschädliche Gemisch des 2,5-Liter-Formel-1-Motors benötigt. Das 3-Liter-Triebwerk ist weniger geneigt eingebaut und höher als der 2,5-Liter-Motor, erkennbar an der für diesen Wagen typischen, nach oben ausgewölbten Motorhaube. Der Formel-1-Wagen ist damit nicht mehr authentisch, auch nicht, was den Abgasgeruch angeht.

Sportwagen Mercedes-Benz 300 SLR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die 1953 neu eingeführte Sportwagen-Weltmeisterschaft wurde vom W 196 eine Sportwagenvariante abgeleitet, der Mercedes-Benz 300 SLR (kurz für Sport Leicht Rennen). Im Gegensatz zum sechszylindrigen Straßenwagen 300 SL mit Flügeltüren war der SLR ein offener Zweisitzer, dessen Gitterrohrrahmen weitestgehend dem des Formel-1-Wagens entsprach. Der Radstand betrug 2380 mm. Eine Besonderheit für den Einsatz in Le Mans war die Luftbremse, ein breiter Schild hinter dem Fahrer, der hydraulisch aufgestellt werden konnte, um den Luftwiderstand drastisch zu erhöhen und die Bremswirkung der Trommelbremsen aus hohen Geschwindigkeiten zu unterstützen. Im Gegensatz zu Mercedes hatte die Konkurrenz von Jaguar schon Scheibenbremsen.

Mercedes-Benz 300 SLR
Mercedes-Benz 300 SLR Coupé
Mercedes-Benz 300 SLR Coupé
Mercedes-Benz 300 SLR Coupé in der Stuttgarter Mercedes-Benz Welt

Der Achtzylinder-Formel-1-Motor wurde auf drei Liter bzw. 2983 cm³ (Bohrung und Hub 78 mm) erweitert und leistete 196 kW (266 PS) bei 7450/min; maximales Drehmoment 295 Nm bei 5950/min. Damit war man den deutlich größeren Motoren von Jaguar und Ferrari unterlegen. Die Höchstgeschwindigkeit des 300 SLR lag bei 290 km/h (Le Mans, Mulsanne-Gerade). Das Triebwerk war so ausgelegt (Verdichtung 12 : 1)[1], dass es keinen Spezialtreibstoff brauchte, sondern mit Superbenzin zu fahren war. Seinen letzten Test bestand der 3-Liter-Motor im Grand-Prix-Wagen W 196 beim formelfreien Rennen am 30. Januar 1955 in Buenos Aires.

Das erste Rennen für den 300 SLR war am 1. Mai 1955 die Mille Miglia, die Stirling Moss mit Beifahrer Denis Jenkinson gewann. Wenige Wochen später beim Eifelrennen auf dem Nürburgring siegte Fangio vor Moss; Kling wurde Vierter.

Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans fuhr Mercedes nicht zu Ende, nachdem sich am frühen Abend des 11. Juni 1955 der schwerste Unfall der Motorsportgeschichte ereignet hatte. Nach einem rücksichtslosen Manöver des Engländers Mike Hawthorn (Jaguar) kollidierte der französische Mercedes-Fahrer Pierre Levegh mit dem wesentlich langsameren Austin Healey von Lance Macklin und schleuderte in die Zuschauermenge. Neben Pierre Levegh kamen über 80 Zuschauer ums Leben. Der Mercedes-Vorstand zog daraufhin in der Nacht als Zeichen des Respekts die verbleibenden SLR zurück.

Beim Großen Preis von Kristianstad am 7. August (Schweden) erzielten Fangio und Moss einen erneuten Doppelsieg, dem am 17. September ein Dreifacherfolg von Moss/Fitch, Fangio/Kling und Trips/Simon bei der RAC Tourist Trophy in Dundrod (Nordirland) folgte. Am 16. Oktober 1955 gewannen Stirling Moss/Peter Collins auf Mercedes-Benz 300 SLR vor ihren Markengefährten Fangio/Kling die Targa Florio und sicherten Mercedes-Benz die Sportwagen-Weltmeisterschaft.

Uhlenhaut-Coupé[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1955 entwarf Rudolf Uhlenhaut auf Basis des 300 SLR ein Coupé, von dem nur zwei Exemplare gebaut wurden. Dabei setzte Uhlenhaut die Flügeltüren des ein Jahr vorher vorgestellten Mercedes-Benz W 198 ein. Der Motor dieses „Uhlenhaut-Coupés“ leistete 222 kW (302 PS) bei 7500/min. Mercedes plante zunächst, diese Coupé-Version in Langstreckenrennen einzusetzen, wozu es aber nicht mehr kam, da sich das Unternehmen 1955 vom Rennsport zurückzog. Uhlenhaut nutzte es stattdessen als Dienstfahrzeug für die Fahrt zur Arbeit, zum Ärger seiner Nachbarn, die frühmorgens durch die Geräuschkulisse des als Rennwagen entwickelten Fahrzeugs geweckt wurden – trotz nachträglich aufgesetzter Schalldämpfer. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 290 km/h war der Wagen seinerzeit das schnellste Fahrzeug mit Straßenzulassung.

Vom sogenannten Uhlenhaut-Coupé existieren noch beide 1955 gebauten Fahrzeuge, die sich nur in Details wie zum Beispiel der Farbe der Innenausstattung, Rot und Blau, und Details am Kühlergrill unterscheiden. Beide Fahrzeuge waren bis Mai 2022 Bestandteil der über 1100 Fahrzeuge umfassenden Sammlung der Daimler AG, wobei ein Fahrzeug permanent im Mercedes-Benz Museum ausgestellt ist und das andere für gelegentliche Vorführ- und Demonstrationsfahrten genutzt wurde. Im Mai 2022 ließ das Unternehmen das letztgenannte Vorführfahrzeug von Sotheby’s im geschlossenen Mercedes-Benz Museum vor ausgewählten Stammkunden, Liebhabern von Oldtimern, Automobil- und Kunstsammlern versteigern. Mit dem erzielten Erlös von 135 Millionen Euro gilt es als teuerstes Auto der Welt. Mit dem erlösten Geld soll ein weltweites Stipendienprogramm finanziert werden.[2] Der andere Wagen wird weiterhin im Museum ausgestellt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael Riedner: Mercedes-Benz W 196 – Der letzte Silberpfeil. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1986, ISBN 3-613-01157-3.
  • Halwart Schrader: Silberpfeile – Die legendären Rennwagen 1934 bis 1955. HEEL Verlag, Königswinter 1995, ISBN 3-89365-428-3.
  • Deutsche Automobile 1886–1986 – Geschichte, Schönheit, Technik. Unipart-Verlag, Remseck 1986, ISBN 3-8122-0184-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Mercedes-Benz W 196 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Michael Riedner: Der letzte Silberpfeil. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1986, ISBN 3-613-01157-3, S. 253.
  2. Thomas Geiger: Mercedes verkauft legendäres Uhlenhaut-Coupé für 135 Millionen Euro . Spiegel Online, 19. Mai 2022, abgerufen am selben Tage.