N,N′-Disuccinimidylcarbonat

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Strukturformel
Strukturformel von N,N′-Disuccinimidylcarbonat
Allgemeines
Name N,N′-Disuccinimidylcarbonat
Andere Namen
  • Di-(N,N′-succinimidyl)-carbonat
  • 1,1′-[Carbonylbis(oxy)]dipyrrolidin-2,5-dion
  • Bis(2,5-dioxopyrrolidin-1-yl)-carbonat
  • DSC
Summenformel C9H8N2O7
Kurzbeschreibung

weißes bis beiges Kristallpulver[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 74124-79-1
EG-Nummer 277-730-3
ECHA-InfoCard 100.070.643
PubChem 676246
Wikidata Q72469948
Eigenschaften
Molare Masse 256,17 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,4274 g·cm−3 bei 20 °C[2]

Schmelzpunkt
Löslichkeit

praktisch unlöslich in Wasser, löslich in Acetonitril und zahlreichen organischen Lösungsmitteln[4]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 315​‐​319​‐​335
P: 302+352​‐​305+351+338[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

N,N′-Disuccinimidylcarbonat (DSC) ist formal ein Kohlensäureester mit N-Hydroxysuccinimid (NHS, eine guten Abgangsgruppe) und kann daher als „aktivierte Kohlensäure“ aufgefasst werden. Wie das ähnliche Carbonyldiimidazol CDI stellt DSC ein Syntheseäquivalent von Phosgen dar und findet Verwendung zur Darstellung von so genannten Aktivestern in der Peptidchemie.[6] Die aktivierte Carbonylgruppe des N,N′-Disuccinimidylcarbonat kann präparativ für den Aufbau von Carbamaten, Harnstoffen und Heterocyclen eingesetzt werden.[7]

Herstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Synthese von N,N′-Disuccinimidylcarbonat wurde 1979 beschrieben, ausgehend (A) von N-Hydroxysuccinimid (NHS) und Diphosgen in Xylol unter Rückfluss oder (B) von trimethylsilyliertem NHS und Phosgen in THF bei 0 °C.[6]

DSC-Synthesen mit Phosgen und Diphosgen
DSC-Synthesen mit Phosgen und Diphosgen

Die Reinigung erfolgt durch Umkristallisieren mit Acetonitril.

In größeren Ansätzen kann DSC mit dem besser handhabbaren Phosgenersatz Triphosgen in THF und der Base Tributylamin – dessen Hydrochlorid THF-löslich ist – in hoher Reinheit ohne Umkristallisieren in 89 %iger Ausbeute erhalten werden.[5]

DSC-Synthese mit Triphosgen
DSC-Synthese mit Triphosgen

So hergestelltes DSC enthält nur noch Spuren von N-Hydroxysuccinimid.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

N,N′-Disuccinimidylcarbonat ist ein weißer, in Prismen[6] kristallisierender Feststoff, der in Wasser sehr wenig, in organischen Lösungsmitteln, insbesondere Acetonitril, jedoch gut löslich ist. Die stark streuenden Schmelzpunkte sind im Wesentlichen auf Verunreinigungen mit dem Ausgangsstoff N-Hydroxysuccinimid zurückzuführen.

Anwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Alkoholen bildet N,N′-Disuccinimidylcarbonat die so genannten „gemischten Carbonate“, die mit Aminen im stöchiometrischen Verhältnis zu Carbamaten reagieren.[8][9]

Bildung von Carbonaten mit Carbamatbildung
Bildung von Carbonaten mit Carbamatbildung

Auch mit gehinderten Alkoholen, wie einem substituierten Neopentylalkohol, und gehinderten Aminosäuren, wie tert-Leucin werden sehr hohe Ausbeuten bei geringer Racemisierung erzielt.[10]

Eine häufig genutzte – von Meir Wilchek beschriebene – Anwendung der Aktivierung von Alkoholen ist die Umsetzung von Polyethylenglycolen PEG bzw. von monomethyliertem m-PEG mittels DSC, die bei der so genannten PEGylierung von Proteinen, insbesondere von Antikörpern Verwendung finden.[11]

Aktivierung von PEG mittels DSC
Aktivierung von PEG mittels DSC

Mit überschüssigem Aminen reagiert N,N′-Disuccinimidylcarbonat über Carbamate weiter zu Harnstoffen.[12]

Bildung von Dicyclohexylharnstoff mittels DSC
Bildung von Dicyclohexylharnstoff mittels DSC

Die Synthese von besonders säurelabilen, auch als Leuchs’sche Anhydride bezeichneten N-Carboxyanhydriden (NCA) aus z. B. mit der 9-Xanthyl-Schutzgruppe an der Aminofunktion blockierten Aminosäuren, verläuft mit relativ hohen Ausbeuten ohne Racemisierung mit N,N′-Disuccinimidylcarbonat.[13]

NCA-Synthese mittels DSC
NCA-Synthese mittels DSC

Mit Carbonsäuren reagiert N,N′-Disuccinimidylcarbonat in Gegenwart von Basen, wie Triethylamin oder Pyridin in Acetonitril bei Raumtemperatur unter CO2-Entwicklung in hohen Ausbeuten zu N-Hydroxysuccinimidestern, den so genannten NHS-Aktivestern.[5]

Aminosäuren, die an der Aminogruppe eine Schutzgruppe tragen, wie z. B. eine Z-Gruppe oder Boc-Schutzgruppe, bilden mit DSC analog NHS-Aktivester ohne nachweisbare Racemisierung.[6]

Aktivesterbildung mit Aminosäuren mittels DSC
Aktivesterbildung mit Aminosäuren mittels DSC

Die Reaktion dieser Aktivester mit Aminogruppen unter Bildung von Carbonsäureamiden eignet sich zum Aufbau von Peptiden und zur Verknüpfung von funktionellen Carbonsäuren mit Proteinen.[14]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Datenblatt Di-(N,N′-succinimidyl)-carbonat zur Synthese bei Merck, abgerufen am 2. Dezember 2019.
  2. Carl L. Yaws: Thermophysical Properties of Chemicals and Hydrocarbons. 2nd Edition Auflage. Elsevier Inc., Oxford, UK 2015, ISBN 978-0-323-28659-6, S. 179.
  3. Eintrag zu N,N′-Disuccinimidyl Carbonate bei Toronto Research Chemicals, abgerufen am 2. Dezember 2019 (PDF).
  4. a b Eintrag zu Di(N-succinimidyl) Carbonate bei TCI Europe, abgerufen am 2. Dezember 2019.
  5. a b c D. Pereira, T.T. Hai, D. Nelson: A convenient large scale synthesis of N,N′-disuccinimidyl carbonate. In: Synthetic Communications. Band 28, Nr. 21, 1998, S. 4019–4024, doi:10.1080/00397919808004962.
  6. a b c d H. Ogura, T. Kobayashi, K. Shimizu, K. Kawabe, K. Takeda: A novel active ester synthesis reagent (N,N’-disuccinimidyl carbonate). In: Tetrahedron Lett. Band 49, 1979, S. 4745–4746, doi:10.1016/S0040-4039(01)86699-5.
  7. E.C. Davison, A.K. Ghosh, N. Kumaragurubaran, D.T.J. Morris, J. Clayden: N,N′-Disuccinimidyl Carbonate. In: e-EROS Encyclopedia of Reagents for Organic Synthesis. 2018, doi:10.1002/047084289X.rd469.pub3.
  8. A.K. Ghosh, S.P. McKee, W.J. Thompson: N,N′-Disuccinimidyl Carbonate: A Useful Reagent for Alkoxycarbonylation of Amines. In: Tetrahedron Lett. Band 33, Nr. 20, 1992, S. 2781–2784, doi:10.1016/S0040-4039(00)78856-3.
  9. A.K. Ghosh, M. Brindisi: Organic Carbamates in Drug Design and Medicinal Chemistry. In: J. Med. Chem. Band 58, Nr. 7, 2015, S. 2895–2940, doi:10.1021/jm501371s.
  10. H. Li, C-Y. Chen, J.B. Padros: Highly efficient carbamate formation from alcohols and hindered amino acids or esters using N,N’-disuccinimidyl carbonate (DSC). In: Synlett. Band 10, 2011, S. 1454–1458, doi:10.1055/s-0030-1260584.
  11. T. Miron, M. Wilchek: A simplified method for the preparation of disuccinimidyl carbonate polyethylene glycol for coupling to proteins. In: Bioconjugate Chemistry. Band 4, Nr. 6, 1993, S. 568–569, doi:10.1021/bc00024a022.
  12. K. Takeda, H. Ogura: Studies on heterocyclic compounds. XLIII. Insertion reaction of carbonyl group using disuccinimido carbonate (DSC). In: Synth. Commun. Band 12, Nr. 3, 1982, S. 213–217, doi:10.1080/00397918208063680.
  13. J. Halstrom, K. Kovács: N-protected N-carboxyanhydrides IX. Synthesis of N-aralkyl α-amino acid N-carboxyanhydrides by carbonyl insertion with bis(N-succinimidyl)carbonate. In: Acta Chem Scand. B40, 1986, S. 462–465, doi:10.3891/acta.chem.scand.40b-0462.
  14. M. Morpurgo, E.A. Bayer, M. Wilchek: N-hydroxysuccinimide carbonates and carbamates are useful reactive reagents for coupling ligands to lysine in proteins. In: J. Biochem. Biophys. Methods. Band 38, Nr. 1, 1999, S. 17–28, doi:10.1016/S0165-022X(98)00027-X.