Nohra (Grammetal)

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Wappen Deutschlandkarte
Nohra (Grammetal)
Deutschlandkarte, Position der Gemeinde Nohra hervorgehoben
Basisdaten
Koordinaten: 50° 58′ N, 11° 14′ O keine Zahl: Ungültiger Metadaten-Schlüssel 16071067Koordinaten: 50° 58′ N, 11° 14′ O
Bundesland: Thüringen
Landkreis: Weimarer Land
Verwaltungs­gemeinschaft: Grammetal
Höhe: 315 m ü. NHN
Fläche: 19,64 km2
Einwohner: Ungültiger Metadaten−Schlüssel 16071067 (31. Dez. 2022)[1]
Bevölkerungsdichte: Fehler im Ausdruck: Unerkanntes Wort „span“ Einwohner je km2
Postleitzahl: 99428
Vorwahlen: 03643, 036203 (Utzberg)Vorlage:Infobox Gemeinde in Deutschland/Wartung/Vorwahl enthält Text
Kfz-Kennzeichen: AP, APD
Gemeindeschlüssel: 16 0 71 067
Gemeindegliederung: 4 Ortsteile
Adresse der
Gemeindeverwaltung:
Herrenstr. 34
99428 Nohra
Website: www.vg-grammetal.de
Bürgermeister: Andreas Schiller (parteilos)
Lage der Gemeinde Nohra im Landkreis Weimarer Land
KarteAm EttersbergNauendorfVollersrodaHetschburgFrankendorfIlmtal-WeinstraßeIlmtal-WeinstraßeEttersburgObertrebraBallstedtHammerstedtOetternEberstedtKleinschwabhausenWiegendorfKiliansrodaBad SulzaMechelrodaKapellendorfGrammetalGroßheringenLehnstedtUmpferstedtBuchfartDöbritschenRittersdorfHohenfeldenNeumarkNiedertrebraTonndorfSchmiedehausenGroßschwabhausenMellingenKlettbachMagdalaKranichfeldApoldaBad BerkaBlankenhain
Karte

Nohra ist eine Gemeinde im Westen des Landkreises Weimarer Land und Teil der Verwaltungsgemeinschaft Grammetal. Nohra ist namensgebend für eine Anschlussstelle der A 4.

Ortsteile

Zur Gemeinde Nohra gehören Nohra, Ulla, Obergrunstedt sowie das am 1. Dezember 2007 eingemeindete Utzberg.[2]

Geschichte

Die frühe Besiedlung des Umlandes von Nohra wird durch ein bronzezeitliches Gräberfeld mit Nachbestattungen belegt. Zwischen 1911 und 1936 wurden Ausgrabungen rechts des Weges nach Hopfgarten vorgenommen. Es wurden 44 Bestattungen mit Beigaben nachgewiesen.[3]

Erstmals wurde Nohra in einer Urkunde vom 30. November 1217 genannt. Infolge des Thüringer Grafenkrieges kam Nohra 1343 zur Stadt Erfurt. Eine Inschrift am Turmsockel der Kirche zeugt vom Kirchenumbau im Jahre 1392. Während des Sächsischen Bruderkrieges (1445–1451) gab es verheerende Brände im Ort. Henning Göde, ein Vertrauter Friedrich des Weisen und führender Jurist seiner Zeit, wurde am 3. September 1516 von der Stadt Erfurt feierlich vor Nohra empfangen. Er war 1509 aus Erfurt geflohen. Als Martin Luther zum Reichstag nach Worms reiste, betrat er am 5. April 1521 in Nohra erstmals ein Territorium außerhalb des Kurfürstentums. Hier empfingen ihn 40 Mann zu Pferde, voran der Rektor der Universität und eine große Menge Erfurter. Sie geleiteten ihn nach Erfurt. 1564 erhielt die Kirche einen Taufstein, der heute noch genutzt wird. 1613 wütete die Thüringer Sintflut auch in Nohra. Volckmar Leisring wurde am 24. September 1618 in Nohra ordiniert. Der Dreißigjährige Krieg bedeutete Einquartierungen und Plünderungen für die Dörfer um Erfurt. 1622 wurden in Nohra die Leuchter vom Altar, der Krankenkelch und das Taufbecken gestohlen. Kurz nach 1700 wurde die Kirche St. Petri erweitert.

1715 wurde der Kantor durch das Erfurter Ministerium gerügt, weil er auch Mädchen im Adjuvantenchor singen ließ. 1736 beginnen die Kirchenbücher. Nach der großen Hungersnot erhielt Nohra 1772 eine Kirchenglocke, die daran mit folgenden Worten erinnert: Deutschland von der ungeheuren, dreijährigen Teuerung und schrecklichen Sterblichkeit durch Gottes Fügung befreit. 1783 verstarb der Läuter Andreas Kühn. Sein Grabstein ist ein seltenes Beispiel für die Darstellung der Todesursache auf dem Grabstein.

Aus Protest gegen die Verlegung von Militär in ihre Stadt im Zuge der von den Schokoladisten ausgelösten Studentenunruhen zog am 19. Juli 1792 ein großer Teil der Studenten aus Jena bis nach Nohra, dem ersten Ort außerhalb des Fürstentums, um hier für ihre Rechte zu streiten. Nachdem die Weimarer Minister ihre Forderungen erfüllten, zogen sie wieder nach Jena zurück. Die livländischen Studenten schufen sich daraufhin eine neue Fahne, auf der zu lesen war Vivat Libertas Academica! (Hoch lebe die akademische Freiheit). Ihre alte Fahne schenkten sie dem Dorf.

1802 kam Nohra mit dem Erfurter Gebiet zu Preußen und zwischen 1807 und 1813 zum französischen Fürstentum Erfurt. Mit dem Wiener Kongress kam der Ort 1815 mit dem Amt Tonndorf zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, zu dessen Verwaltungsbezirk Weimar er ab 1850 gehörte.[4]

1887 erhielt ein Bahnhof der Ilmtalbahn, etwa 2 km vom Ort entfernt, die Bahnhofsbezeichnung Nohra, obwohl die Station auf der Flur der Gemeinde Ulla lag. Heute liegt diese Haltestelle auf Weimarer Flur, trägt aber noch immer die Bezeichnung „Nohra (b Weimar)“.

1892 schlug der Blitz in den Kirchturm ein, dabei wurden Turm und Teile des Kirchenschiffs zerstört. So erhielt die Kirche einen neuen, markanten Turm und eine neue Glocke. 1898/99 erfolgte der Bau der Schule (heute Gemeindeamt).

Am 3. März 1933 wurde in dem Gebäude der Heimatschulbewegung am Rande der Gemarkung Nohra das erste Konzentrationslager des Dritten Reiches eingerichtet. Heute erinnert nichts mehr an dieser Stelle an das KZ.[5]

Militär

Im Jahre 1916 begann der Bau am Flughafen Nohra mit sechs Flugzeughallen, vor allem durch russische Kriegsgefangene. 1919 gab es in Nohra zwölf Piloten. Mit dem Friedensvertrag von Versailles musste der Flughafen 1920/21 umfunktioniert werden. Es entstand eine Maschinenfabrik, die zugleich als Tarnobjekt eine weitere militärische Nutzung des Platzes ermöglichte. 1926 erfolgte der Bau einer Betonpiste. 1928 wurde hier die Heimatschule Deutschland eröffnet, die sich der Erwachsenenbildung widmete und den Freiwilligen Arbeitsdienst in der Region organisierte. Zugleich nutzte der paramilitärische Stahlhelm das Gelände zu Schulungen. Nach dem Reichstagsbrand begann am 28. Februar 1933 die formale Legitimierung des faschistischen Terrors. Über 200 Thüringer Antifaschisten wurden in den folgenden Wochen in der Heimatschule Deutschland, die fest in der Hand der NSDAP war, interniert. In der Literatur wird es als das erste KZ in Deutschland geführt.[6] Zur gleichen Zeit wurden die Flughallen erweitert. Nun wurde der Flugplatz Ausbildungsstätte des nationalsozialistischen Luftsportverbandes, dem Vorläufer der Luftwaffe. Er übernahm wenig später die Gebäude der Heimatschule. Am 1. März 1935 wurde aus dem Flugplatz der Fliegerhorst Weimar-Nohra. 1937 wurde mit dem Bau der Kasernenanlage im Süden (versteckt in einem Wald) begonnen. Nun wurde der Flugplatz vor allem zur Ausbildung genutzt. Im Zweiten Weltkrieg waren Jagdflugzeuge mit der Aufgabe Luftverteidigung des mitteldeutschen Raums in Nohra stationiert.

Am 11. April 1945 wurde die Autobahnbrücke bei Nohra durch eine Wehrmachteinheit gesprengt, um die anrückenden US-Truppen aufzuhalten. Diese reagierten mit konzentriertem Panzerartillerie-Beschuss auf Luftwaffensoldaten in dem der Autobahn-Auffahrt benachbarten Waldstück. Dabei wurden 19 deutsche Soldaten getötet. Sie liegen in einem Gemeinschaftsgrab in diesem Wald.[7]

Nach der Kapitulation übernahm die 9. Air Force der US-Armee den Flugplatz.[8] Am 3. Juli 1945 wurde die 8. Gardearmee unter Gardegeneraloberst W. I. Tschuikow nach Nohra verlegt. Sie hatte in Stalingrad gekämpft und Berlin miterobert.[9] So wurde Nohra einer der wichtigsten Standorte der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland. Der Stützpunkt war vollkommen von Mauern umgeben, zur deutschen Bevölkerung bestand weitgehend Kontaktverbot. Hier war das 63. Selbständige Hubschrauberregiment[10] (Hubschrauber Mi-8 und Mi-24) der 8. Gardearmee der WGT stationiert, dessen Flüge eine erhebliche psychologische, besonders akustische Beeinträchtigung der Bevölkerung der umliegenden Orte darstellten. Als die sowjetischen Truppen 1992 aus Nohra abzogen, umfassten die militärischen Liegenschaften eine Fläche von ca. 240 ha.[11]

Bis heute wurden ungefähr 200 Gebäude auf dem Gelände abgerissen, ca. 13 Hektar Landebahn und Hubschrauber-Stellflächen renaturiert. Die Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen hat einen Teil der Fläche renaturiert und der Kommune Nohra zur Entwicklung eines Landschaftsparks mit eingelagertem Sondergebiet für gewerbliche Freizeitgestaltung veräußert. Bis Sommer 2003 wohnten bis zu 500 Spätaussiedler in drei erhaltenen Gebäuden. Die letzten Wohnblocks wurden 2007 abgerissen. Ein Teil des früheren Schulgebäudes wurde saniert. Heute befindet sich darin ein Montessori-Kindergarten und eine Montessori-Grundschule. Die Kaserne im Südteil hat bis heute keine neue Nutzung gefunden, und wird zum großen Teil abgerissen. In einem ihrer Keller wurde 2009 die Bernd-das-Brot-Statue vom Erfurter Fischmarkt, nachdem sie zwölf Tage zuvor entwendet wurde, gefunden.

Im Jahr 2008 gründete sich im Nohraer Ortsteil Ulla der Verein Flugplatz Nohra. Sein Ziel ist es, die bewegte Geschichte des Flugplatzes und der Kasernenanlage umfassend darzustellen. Der gesamte ehemalige Flugplatzbereich von ca.160 Hektar wurde von der Gemeinde Nohra 2005 vollständig erworben und 2013 an die von der Gemeinde Nohra gegründete Stiftung Landschaftspark Nohra übertragen.

Politik

Gemeinderat

Der Gemeinderat in Nohra besteht aus zwölf Ratsmitgliedern, die bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 in einer Verhältniswahl gewählt wurden, und dem ehrenamtlichen Bürgermeister als Vorsitzender.

Die Sitzverteilung im Gemeinderat:[12]

Wahl CDU FWG Nohra FWG Ulla Dorfclub Gesamt
2014 1 4 4 3 12 Sitze

Bürgermeister

Bürgermeister von Nohra ist seit Juni 1999 Andreas Schiller, am 5. Juni 2016 erneut gewählt bis 2022 bzw. bis zur Gebietsreform.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Baudenkmale

Folgende Objekte wurden u. a. in die Denkmalliste des Kreises Weimarer Land aufgenommen:

An der Bundesstraße 7 zwischen Nohra und Erfurt steht der Napoleonstein. Es handelt sich um eine Stele, die an die Zusammenkunft von Napoleon und Zar Alexander 1808 an diesem Platz erinnert (siehe bei Utzberg).

Gedenkstätten

Festival

2007–2016 fand jährlich Ende August am Rande vom Ortsteil Nohra das Sunside-Festival statt, auf dem vorrangig Techno-Musik gespielt wurde.[13]

Wirtschaft

Zwischen den Ortsteilen Ulla, Nohra und Obergrunstedt ist seit 1994 das Gewerbegebiet U.N.O. entstanden. Hier haben sich vor allem Speditions- und Logistikunternehmen, aber auch einige mittelständische Betriebe angesiedelt.

Wichtige in Nohra ansässige Unternehmen:

  • Weimarer Wurstwaren, eine Großfleischerei mit ca. 300 Mitarbeitern, ehemals zu Vion N.V. gehörend, seit 2014 eine Marke von Lutz Fleischwaren
  • Blank & Seegers KG, Großhandel für Haustechnik, ca. 200 Mitarbeiter
  • Döllken Weimar, Kunststofftechnik, ca. 120 Mitarbeiter
  • Axthelm + Zufall, Spedition, ca. 100 Mitarbeiter

In Nohra befindet sich eines der deutschen Frachtzentren der Deutsche Post DHL.

Religion

Die evangelischen Christen gehören zur Kirchgemeinde Nohra (Katharina von Bora) zusammen mit Gemeindegliedern aus Ulla, Bahnhof Nohra, Isseroda und Bechstedtstraß. Gottesdienste finden im wöchentlichen Wechsel in Ulla bzw. Nohra und Bechstedtstraß statt. Das Pfarramt befindet sich in Nohra.

Persönlichkeiten

  • Volckmar Leisring (* um 1588 in Gebstedt; † 1637 in Buchfart), Pfarrer und Komponist, lebte und wirkte elf Jahre in Nohra
  • Wilhelm Martin Leberecht de Wette (* 12. Januar 1780 in Ulla, heute OT von Nohra; † 16. Juni 1849 in Basel), einer der einflussreichsten evangelischen Theologen des 19. Jahrhunderts, Begründer der historisch-kritischen Bibelforschung. Vor der Kirche von Ulla steht ein Gedenkstein für de Wette.

Weblinks

Commons: Nohra – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bevölkerung der Gemeinden vom Thüringer Landesamt für Statistik (Hilfe dazu).
  2. StBA: Änderungen bei den Gemeinden Deutschlands, siehe 2007.
  3. Michael Köhler: Heidnische Heiligtümer. Vorchristliche Kultstätten und Kultverdachtsplätze in Thüringen. Jenzig-Verlag Köhler, Jena 2007, ISBN 978-3-910141-85-8, S. 206–207.
  4. Orte des Verwaltungsbezirks Weimar im Gemeindeverzeichnis 1900.
  5. Vgl.: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Band 2: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. 2. Auflage, unveränderter Nachdruck. C. H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-67167-8, S. 174 ff.
  6. Udo Wohlfeld: Das Netz. Die Konzentrationslager in Thüringen 1933–1937. Eine Dokumentation zu den Lagern Nohra, Bad Sulza und Buchenwald (= Gesucht. Schriftenreihe der Geschichtswerkstatt Weimar-Apolda. 2). Eigenverlag Geschichtswerkstatt Weimar/Apolda e.V., Weimar 2000, ISBN 3-935275-01-3; Katrin Zeiss: Die Spur nach Buchenwald. In: taz.am Wochenende, vom 22. Februar 2003, S. 1–2.
  7. Flugplatz Weimar-Nohra. Geschichte 1914–1992.
  8. Record of the 327th Fighter Control Squadron, Weimar 1945.
  9. Schaukasten Folge 3: Besatzungswechsel 1945 in Thüringen. (PDF; 322 KB).
  10. Sowjetische Truppen in Deutschland 1945 bis 1994, Gedenkalbum, Ausgabe Moskau, Verlag «Junge Garde», 1994; ISBN 5-235-02221-1, Seite 20.
  11. Christian Dietrich: Das Russendorf und seine Hypotheken. In: Gerbergasse 18, Heft 65, 2012, S. 10–16.
  12. Der Landeswahlleiter Thüringen: Kommunalwahl 2014, Stadt- und Gemeinderatswahlen.
  13. Weblog der Organisatoren.