Oppenheimersches Haus (Wien)



Das Oppenheimersche Haus, auch genannt Zur Brieftaube ist ein Gebäude am Wiener Bauernmarkt 1 in Wien-Innere Stadt (mit Identadresse Freisingergasse 4). Das Gebäude steht unter Denkmalschutz (Listeneintrag). Derzeit befindet sich darin das Hotel The Leo Grand.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Gebäude am Standort Bauernmarkt 1 geht auf das 17. Jahrhundert zurück, einzelne Strukturen (etwa Kellergewölbe) sind aber älter. Ursprünglich trug es den Hausnamen „Zur Brieftaube“.[1]
Im Kellerbereich wurden archäologische Überreste römischer Siedlungsstrukturen freigelegt, die im Römermuseum Wien präsentiert werden.[2]
Vom spätmittelalterlichen Vorgängerhaus ist eine genaue Beschreibung aus dem Jahr 1399 erhalten, unter anderem befand sich dort eine Apotheke.
Um 1700 war das Haus im Besitz von Samuel Oppenheimer, der kaiserlicher Hoffaktor war. Trotz der Vertreibung der Wiener Juden 1670 konnte er bereits ab 1674 in Wien wohnen, da er ein wichtiger Financier für den Kaiser war. Im Jahr 1700 kam es im Gefolge judenfeindlicher Krawalle zur Plünderung des Hauses. Angeblich wurde sie durch das Lachen zweier Diener Oppenheimers über das Benehmen von Rauchfangkehrern ausgelöst. Oppenheimers Wohnung und seine Wertsachen wurden geplündert, und die Kassen aufgebrochen. Erst als es Verletzte und einen Toten gab, schritt das Militär ein. Den Rädelsführern wurde schon am nächsten Morgen der Prozess gemacht und sie wurden gehenkt – zur Abschreckung wurden die Leichen einen Tag nicht abgenommen.[3] Der Staat hatte bei Oppenheimer sechs Millionen Gulden Schulden, durch die Forderung der Rückzahlung, die nach Oppenheimers Tod 1703 von seinem Erben Emanuel erhoben wurde, geriet Österreich aber an den Rand des Staatsbankrotts. Durch die Plünderung gingen allerdings auch Schuldscheine verloren, so dass die rechtmäßige Höhe der Forderungen nicht mehr überprüft werden konnte. Über Oppenheimers Nachlass wurde der Bankrott erklärt, noch 1712 sind aber Forderungen Emanuel Oppenheimers an den Staat bekannt, dieser hatte 1708 die Wiener Stadt-Banco gegründet, um seine Schulden zu bedienen. Das Haus selbst wurde 1705 verkauft.
Anschließend hatte das Haus verschiedene Besitzer, vor 1870 waren es Eduard und Marie Böhm, die es dem Wiener Bürgerspitalfonds vermachte, in dessen Besitz es nach ihrem Tod 1872 kam. Die entsprechende goldgefasste Inschrift in zwei den Großteil der beiden Straßenfassaden einnehmenden Bändern wurde bei der Restaurierung bis 2022 allerdings übermalt. Über den Bürgerspitalfonds wiederum kam das Haus in Besitz der Stadt Wien.
Nach einer Phase des Leerstands begann ab 2012 eine umfassende Restaurierung, die 2022 abgeschlossen wurde.[4][5] Die Lenikus Hotel Collection GmbH eröffnete darin das Hotel The Leo Grand mit 76 Zimmern. Das Gestaltungskonzept nimmt Bezug auf Leopold I. und Oppenheimer. Fachmedien führten das Projekt als Beispiel für die denkmalgerechte Umnutzung historischer Bausubstanz an.[6] Auch der in den Denkmalschutz einbezogene Dachstuhl blieb bei der Restaurierung erhalten.[6][7]
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Haus hat eine abgeschrägte Ecke und – dem Verlauf des Bauernmarktes folgend – eine mehrfach geknickte Fassade. Das Sockelgeschoß ist teilweise genutet, die geohrten Fensterrahmungen mit gemischtlinigen Verdachungen auf Volutenkonsolen weisen reichen Stuckwerksdekor (Masken und Muscheln) und Blattwerkdekor in den Parapeten. Bei der Restaurierung der 2020er wurden der Parapetdekor im ersten Obergeschoß wiederhergestellt, der im 19. Jahrhundert abgenommen worden war.
Zur Freisingergasse hin befindet sich ein Mariä-Verkündigungs-Relief in geohrter Rahmung und Dreiecksgiebelverdachung (mit den Heiligen Geist symbolisierender Taube), das von Cheubsköpfen und Fruchtgehängen flankiert wird. Der lateinische Text, bei dem Maria zum Schutz vor der Pest angerufen wird, stammt wahrscheinlich aus dem vierten Viertel des 17. Jahrhunderts und ist wohl mit der Pestepidemie von 1679 in Verbindung zu bringen.
Im Jahr 1927 wurde an der Ecke ein Geschäftslokal mit korbbogigen Marmorarkaden eingebaut, das auch die ursprüngliche Einfahrt in der Freisingergasse einnahm. Gestaltet wurde das Lokal von Bothe & Ehrmann.
Der Innenhof hat eine unregelmäßige Form und weist teilweise verglaste Pawlatschen auf Steinkonsolen auf. In der Mitte befindet sich ein Brunnen mit einer Steinstatue des Hl. Johannes Nepomuk aus dem späten 17. Jahrhundert. Die tonnengewölbte Einfahrt ist vermauert, die barocke Zweipfeilerstiege weist Platzlgewölbe oberhalb der Podeste auf. Die erhaltenen Stuckdecken im ersten Obergeschoß sind barock, eine ist frühhistoristisch. Ein maskenbesetzter Laternenarm und die Remisen stammen aus dem 19. Jahrhundert.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dehio Wien Innere Stadt 2003
- Schichten der Zeit. The Leo Grand Wien. Styria Books, Wien 2022.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Zur Brieftaube (1, Bauernmarkt 1) im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
- ↑ Römermuseum. Wien Museum, abgerufen am 2. Oktober 2025.
- ↑ Plünderung des Hauses von Samuel Oppenheimer im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
- ↑ Neues Boutiquehotel am Bauernmarkt eröffnet In: Der Standard, 2022. Abgerufen im 2. Oktober 2025
- ↑ Lenikus eröffnet Hotel THE LEO GRAND In: Die Presse, 2022. Abgerufen im 2. Oktober 2025
- ↑ a b Bauernmarkt 1: Historischer Dachstuhl bleibt erhalten. M&S Architekten, abgerufen am 2. Oktober 2025.
- ↑ M&S Architekten – Grand Hotel Bauernmarkt. World Architects, abgerufen am 2. Oktober 2025.
Koordinaten: 48° 12′ 33,9″ N, 16° 22′ 15,9″ O