Oradour-sur-Glane

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Oradour-sur-Glane
Oradour-sur-Glane (Frankreich)
Oradour-sur-Glane (Frankreich)
Staat Frankreich
Region Nouvelle-Aquitaine
Département (Nr.) Haute-Vienne (87)
Arrondissement Rochechouart
Kanton Saint-Junien
Gemeindeverband Porte Océane du Limousin
Koordinaten 45° 56′ N, 1° 2′ OKoordinaten: 45° 56′ N, 1° 2′ O
Höhe 227–312 m
Fläche 38,16 km²
Einwohner 2.500 (1. Januar 2021)
Bevölkerungsdichte 66 Einw./km²
Postleitzahl 87520
INSEE-Code

Blick auf das „neue Dorf“
Zufahrt zum Ruinendorf

Oradour-sur-Glane (okzitanisch Orador de Glana) ist eine französische Gemeinde mit 2500 Einwohnern (Stand 1. Januar 2021) im Département Haute-Vienne, Region Nouvelle-Aquitaine. Sie liegt 200 Kilometer nordöstlich von Bordeaux und 22 Kilometer nordwestlich von Limoges. Der Ortsname leitet sich vom lateinischen oratorium „Gebetsstätte“ ab.

Wirtschaft

Auf dem Gemeindegebiet gelten kontrollierte Herkunftsbezeichnungen (AOC) für Butter (Beurre Charentes-Poitou, Beurre des Charentes und Beurre des deux Sevres) sowie geschützte geographische Angaben (IGP) für Kalbfleisch (Veau du Limousin), Lammfleisch (Agneau du Limousin und Agneau du Poitou-Charentes), Schweinefleisch (Porc du Limousin), Schinken (Jambon de Bayonne) und Wein (Haute-Vienne blanc, rosé oder rouge).[1]

Massaker von Oradour

Zu Beginn des Jahres 1939 strömten Zehntausende Flüchtlinge aus dem Spanischen Bürgerkrieg über die Pyrenäen in den Süden Frankreichs. Seitens der französischen Regierung waren hierfür offenbar keine Vorkehrungen getroffen worden, wie und wo die Flüchtenden untergebracht werden könnten. So entstanden improvisierte Lager, die anfangs aus nicht mehr bestanden als aus einem mit Stacheldraht umzäumten Gelände. Um die Situation in diesen Lagern zu entspannen, erfolgte dann die Verlegung der Spanienflüchtlinge in nördlichere Landesteile, und die Männer wurden verpflichtet, für den französischen Staat als Zwangsarbeiter tätig zu werden.

Das Vichy-Regime stellte die Spanier schließlich vor die Wahl, entweder in die Fremdenlegion oder in eine der Groupes de Travailleurs Étrangers (GTE, Fremdarbeitergruppen) einzutreten. Im Zuge dieser Entwicklung wurde auch die in Oradour stationierte GTE 643 gegründet. Im Mai 1941 hatte sie ein Stärke von 220 Mann, die bis 1944 etwa in Steinbrüchen, bei Forstarbeiten oder im Straßenbau eingesetzt wurden.[2]

Bekannt wurde Oradour vor allem aber durch das während des Zweiten Weltkrieges nach Partisanenangriffen am 10. Juni 1944 von der SS-Panzerdivision „Das Reich“ verübte Kriegsverbrechen, bei dem der Ort vollständig zerstört und fast alle seine Einwohner ermordet wurden.

Nach dem Krieg wurde neben dem zerstörten alten ein neuer Ort aufgebaut. Den Überresten des alten Dorfes ist heute eine Mahn- und Gedenkstätte mit einem Dokumentationszentrum angeschlossen, das Centre de la mémoire. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck besuchte am 4. September 2013 als erster deutscher Spitzenpolitiker diese Gedenkstätte und hielt eine Rede. Hand in Hand mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande gedachten beide Präsidenten der Opfer der Gräueltaten der Waffen-SS. Diese Geste wird auch dadurch bedeutsam, dass die Hinterbliebenen in Oradour jahrzehntelang jeden offiziellen Kontakt zu Deutschland ablehnten[3] und selbst staatliche französische Denkmäler lange Zeit systematisch ignoriert oder durch ein eigenes „Privat“-Denkmal ergänzt hatten.[4] In einem Prozess 1953 vor einem französischen Gericht wurden diejenigen Täter der Einheit, die aus dem Elsass stammten, zu Haftstrafen verurteilt; durch ein Amnestiegesetz kamen sie jedoch frei.[5]

Friedhof

Der Friedhof von Oradour-sur-Glane, auf Französisch Cimetière d’Oradour-sur-Glane, liegt zwischen dem nach dem Massaker von Oradour 1946 zum historischen Denkmal erklärten Ruinendorf und dem von 1947 bis 1953 neu gebauten Ort. Er ist mit Ausnahme eines Gebäudes, des sogenannten Maison d'Oradour, die einzige Infrastruktur-Einrichtung des Ortes, welche ihre Auslöschung am 10. Juni 1944 durch die Waffen-SS unbeschadet überstanden hat und noch heute ihre Funktion ausübt.

Aufgrund der vielen Besucher, die das Ruinendorf und das 1999 eröffnete Centre de la mémoire jedes Jahr zählen, ist der Friedhof der kleinen Gemeinde einer der meistbesuchten in Frankreich. Er bildet meist den Abschluss der Besichtigungen des Ruinendorfes.

Bevölkerungsentwicklung

Jahr 1968 1975 1982 1990 1999 2006 2011
Einwohner 1.671 1.759 1.941 1.998 2.025 2.188 2.325

Verkehr

Zerstörter Ort mit Überresten der Straßenbahn

Durch Oradour-sur-Glane führte die Linie 4 der Straßenbahnen im Département Haute-Vienne. In den Ruinen sind heute noch Relikte der Trasse wie die Oberleitungsmasten, Gleise und das Bahnhofsgebäude vorhanden.[6]

Weblinks

Commons: Oradour-sur-Glane – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. La ville d'Oradour-sur-Glane. In: Info-Mairie.com. Abgerufen am 13. März 2024 (französisch).
  2. Jean-Philippe Heurtin: Limousin. Histoire de l’immigration aux XIXe et XXe siècles, in: Hommes & migrations, 1278/2009, S. 154–165 (Online)
  3. Gauck besucht das Dorf der SS-Schande. In: n-tv.de. Abgerufen am 4. September 2013.
  4. Die Ursachen hängen mit der Aufarbeitung des Massakers durch den französischen Staat in den Jahren nach dem Kriegsende zusammen. Ein nicht geringer Teil der auf deutscher Seite beteiligten SS-Soldaten waren Elsässer (Elsass-Lothringen wurde nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 deutsch; es wurde am Ende des Ersten Weltkrieges von französischen Truppen besetzt und im Versailler Vertrag von Frankreich zurückverlangt; von Juni 1940 bis zur Rückeroberung durch Truppen der Westalliierten 1944/45 (Kämpfe um Elsass und Lothringen (1944)) war es vom Deutschen Reich bzw. vom NS-Regime annektiert worden).
  5. Rheinische Post vom 5. September 2013, Seite A5: Gaucks Versöhnungsgeste in Oradour (ein Vor-Ort-Bericht von Sylvie Stephan).
  6. Voies métriques du Limousin .:. Gare d'Oradour sur Glane (CDHV). In: lemosin.net. Abgerufen am 12. November 2017.