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Otto III. (HRR)

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Aus dem Evangeliar Ottos III.: Der Kaiser thronend von Reichsfürsten und Bischöfen umgeben, links huldigen ihm Slawia, Germania, Gallia und Roma als Vertreter des Reichsgedankens (Buchmalerei der Reichenauer Schule, um 1000).

Otto III. (* Juni oder Juli 980 im Reichswald nahe Kessel (Ketil) bei Kleve; † 23. oder 24. Januar 1002 in Paterno am Monte Soratte, Italien) aus dem Haus der Ottonen war römisch-deutscher König ab 983 und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches von 996 bis 1002.

Bereits als Dreijähriger wurde er zum deutschen König gewählt. Während seiner Unmündigkeit wurde das Reich von den Kaiserinnen Theophanu und Adelheid von Burgund verwaltet. In seiner Regierungszeit verlagerte sich der Schwerpunkt der Königs- und Kaiserherrschaft nach Italien. Seine Regentschaft ist von ganz individuellen Entscheidungen geprägt. So setzte Otto gegen den rebellischen römischen Stadtadel mit seinen Vertrauten Bruno von Kärnten als Papst Gregor V. und Gerbert von Aurillac als Papst Silvester II. eigene Kandidaten ein. In Polen wurde eine vom Reich unabhängige Kirchenorganisation eingerichtet. Im Jahre 1001 musste Otto nach einem Aufstand aus Rom fliehen. Der Versuch einer Rückeroberung scheiterte am frühen Tod Ottos. Sein Leichnam wurde in Aachen beigesetzt.

Er galt lange Zeit als „undeutscher“ Kaiser. Ausgehend von den Forschungen Percy Ernst Schramms, der vor allem die Italienpolitik Ottos III. in das langfristige Konzept der Renovatio imperii Romanorum (Erneuerung des römischen Reiches) einordnete, diskutiert die neuere Forschung, ob der Herrschaft Ottos III. weitreichende politische Pläne zugeschrieben werden können.

Leben bis zum Herrschaftsantritt

Unsichere Anfänge

Die Kinderkrone, die Otto III. bei der Krönung in Aachen getragen haben soll, wird seit Jahrhunderten im Essener Domschatz aufbewahrt.

Otto III. war der Sohn Kaiser Ottos II. und dessen Frau Theophanu und hatte mit Adelheid, Sophia sowie Mathilde drei Geschwister. Bereits im Alter von drei Jahren, noch zu Lebzeiten des Vaters, wurde er im Mai 983 auf einem Hoftag in Verona von den Großen Italiens und Deutschlands zum deutschen König gewählt. Der Grund, warum gerade zu dieser Zeit die Thronfolge des minderjährigen Königssohnes gesichert wurde, wird in den Quellen nicht genannt. Mit den abziehenden Teilnehmern des Hoftages reiste Otto III. über die Alpen, um am traditionellen Krönungsort der Ottonen, in Aachen, die Königsweihe zu empfangen. Als er in Aachen am Weihnachtsfest 983 von den Erzbischöfen Willigis von Mainz und Johannes von Ravenna zum König gekrönt wurde, war sein Vater Otto II. bereits seit drei Wochen tot. Kurz nach den Krönungsfeierlichkeiten traf die Todesnachricht ein und „machte dem Freudenfest ein Ende“.[1]

Die Lage im Reich war ausgesprochen labil. Im Juli 982 wurde das deutsche Heer in der Schlacht am Kap Colonna vernichtend geschlagen. Ein Jahr später wurden die Erfolge christlicher Missionspolitik durch die Erhebungen der Slawen östlich der Elbe zunichte gemacht.[2] Der Tod Ottos II. führte in Italien zu zahlreichen Erhebungen gegen ottonische Herrschaftsträger. Diese prekäre Situation veranlasste zahlreiche Bischöfe, vor der längeren Herrschaft eines Minderjährigen zurückzuschrecken.

Kampf um die Nachfolge Ottos II.

Heinrich der Zänker im fränkischen Gewand (Miniatur aus dem Regelbuch von Niedermünster, um 985).

Als Angehöriger der bayerischen Linie war Heinrich der Zänker der nächste männliche Verwandte. Der wegen bewaffneter Auseinandersetzungen in Utrecht in Haft sitzende Heinrich wurde sofort, nachdem der Tod Ottos II. bekannt wurde, durch Bischof Folcmar freigelassen. Der Erzbischof von Köln übergab ihm nach Verwandtschaftsrecht (ius propinquitatis) den soeben gekrönten jungen König. Hiergegen gab es keinen Widerspruch, da außer Ottos Mutter Theophanu auch seine Großmutter Adelheid von Burgund und seine Tante Mathilde noch in Italien weilten.

Des Zänkers weitere Aktivitäten zielten weniger auf Vormundschaft für das Kind als vielmehr auf Teilhabe an der Königsherrschaft ab. Sofort vereinbarte Heinrich ein Treffen in Breisach mit dem westfränkischen König Lothar, der in gleichem Grade wie er mit dem jungen Otto III. verwandt war.[3] Aus ungeklärten Gründen scheute Heinrich jedoch ein Zusammentreffen mit Lothar und zog sofort von Köln aus, wo er den jungen Otto übernommen hatte, über Corvey nach Sachsen.[4] In Sachsen lud Heinrich alle Großen zur Feier des Palmsonntages nach Magdeburg ein. Dort warb er offen um Unterstützung für sein Königtum, jedoch mit wenig Erfolg. Gleichwohl war seine Anhängerschaft noch zahlreich genug, um nach Quedlinburg zu ziehen und dort in bewusster Anlehnung an die ottonische Tradition das Osterfest zu feiern. Dabei versuchte Heinrich, in Verhandlungen die Zustimmung der Anwesenden zu einer Königserhebung zu erhalten, und schaffte es, dass viele ihm „als ihrem König und Herrn eidlich ihre Unterstützung zusagten“[5]. Zu denen, die Heinrich unterstützen, gehörten Mieszko I. von Polen, Boleslaw II. von Böhmen und der Slawenfürst Mistui.

Um die Königsherrschaft Heinrichs zu verhindern, verließen seine Gegner Quedlinburg und schlossen sich auf der Asselburg zu einer Schwureinung (coniuratio) zusammen. Als Heinrich von dieser Schwureinung Kenntnis erhielt, zog er mit militärischen Verbänden von Quedlinburg nach Werla in die Nähe seiner Gegner, um sie entweder zu zersprengen oder Vereinbarungen mit ihnen zu treffen. Außerdem schickte er den Bischof Folcmar von Utrecht zu ihnen, um in Verhandlungen nach einer Lösung des Problems zu suchen. In den Verhandlungen wurde deutlich, dass die Gegner Heinrichs nicht bereit waren, „von der ihrem König geschworenen Treue abzulassen“.[6] Heinrich erhielt lediglich die Zusicherung für zukünftige Friedensverhandlungen in Seesen. Daraufhin brach Heinrich abrupt nach Bayern auf; dort fand er die Anerkennung aller Bischöfe und einiger Grafen. Nach seinen Misserfolgen in Sachsen und Erfolgen in Bayern hing nun alles von der Entscheidung der fränkischen Großen ab. Die waren aber unter keinen Umständen bereit, von der Thronfolge Ottos III. Abstand zu nehmen. Den militärischen Konflikt scheute Heinrich und übergab das königliche Kind am 29. Juni 984 im thüringischen Rohr seiner Mutter und Großmutter.

Regentschaft der Kaiserinnen (985–994)

Die lange Phase der Regentschaft der Kaiserinnen blieb weitestgehend von Konflikten verschont. Von 985 bis zu ihrem Tod übte Ottos Mutter Theophanu die Regierungsgeschäfte aus. Sie bemühte sich während ihrer Regentschaft um die Wiedereinsetzung des Bistums Merseburg, das ihr Gatte Otto II. im Jahre 981 aufgehoben hatte. Ferner übernahm Theophanu die Hofkapläne der Kapelle Ottos II. und auch deren Leitung verblieb in den Händen des Kanzlers Bischof Hildebold von Worms und des Erzkaplans Willigis von Mainz. Beide Bischöfe entwickelten sich durch regelmäßige Interventionen zu Mitregenten der Kaiserin.

Im Jahre 986 feierte der sechsjährige Otto III. das Osterfest in Quedlinburg. Die vier Herzöge Heinrich der Zänker als Truchsess, Konrad von Schwaben als Kämmerer, Heinrich der Jüngere von Kärnten als Mundschenk und Bernhard von Sachsen als Marschall[7] übten hier die Hofämter aus. Dieser Dienst der Herzöge wurde schon bei der Aachener Königserhebung Ottos des Großen 936 oder derjenigen Ottos II. 961 angewandt. Durch diesen Dienst symbolisierten die Herzöge bei der Festfeier ihre Dienstbereitschaft gegenüber dem jungen König. Darüber hinaus symbolisierte der Dienst Heinrichs des Zänkers am Ort seiner zwei Jahre zuvor missglückten Usurpation seine vollständige Unterwerfung unter die königliche Gnade. Otto III. erhielt durch den Grafen Hoico und durch Bernward, den späteren Bischof von Hildesheim, eine umfassende Ausbildung in höfisch-ritterlichen Fähigkeiten sowie geistige Bildung und Erziehung.

Während der Regentschaft der Theophanu brach der Gandersheimer Streit aus, der um die Frage geführt wurde, ob Gandersheim zur Hildesheimer oder Mainzer Diözese gehöre, woraus sich die Rechte der jeweiligen Bischöfe ableiteten. Ausgangspunkt des Streites war die Einkleidung seiner Schwester Sophia als Sanctimoniale, die sich nicht vom zuständigen Hildesheimer Bischof Osdag einkleiden lassen wollte und sich stattdessen an den Mainzer Erzbischof Willigis wandte. Die drohende Eskalation des Streites wurde in Gegenwart König Ottos III. und seiner kaiserlichen Mutter Theophanu vorerst dadurch vermieden, dass beide Bischöfe die Einkleidung Sophies übernehmen sollten, während die übrigen Sanctimonialen von Osdag allein eingekleidet werden sollten.[8]

An der Ostgrenze war es in den Monaten des Thronstreites mit Heinrich dem Zänker zwar ruhig geblieben, jedoch hatte der Liutizen-Aufstand massive Rückschläge für die ottonische Missionspolitik gebracht. Folglich führten sächsische Heere in den Jahren 985, 986 und 987 Feldzüge gegen die Elbslawen. Den zweiten Zug begleitete der sechsjährige Otto. Der Polenherzog Mieszko unterstützte mehrfach mit einem großen Heer die Sachsen und huldigte Otto auf diesem Feldzug, wobei er ihn durch das Geschenk eines Kamels geehrt haben soll.[9]

Sarkophag für Kaiserin Theophanu in der Kölner Kirche St. Pantaleon

Im Jahr 989 unternahm Theophanu ohne ihren königlichen Sohn einen Romfeldzug mit dem vorrangigen Ziel am Todestag ihres Gatten Ottos II. für sein Seelenheil zu beten. In Pavia übergab sie ihrem Vertrauten Johannes Philagathos, den sie zum Erzbischof von Piacenza erhoben hatte, die Zentralverwaltung. Ein Jahr nach ihrer Rückkehr aus Italien verstarb Theophanu am 15. Juni 991 im Beisein von Otto III. in Nimwegen und wurde im Kloster St. Pantaleon in Köln begraben. Was Theophanus letzte Ratschläge oder Weisungen für ihn waren, ist nicht überliefert. Eine Memorialstiftung Theophanus für Otto II., deren Ausführung sie der Essener Äbtissin Mathilde auftrug, wurde durch die Übertragung der Reliquien des Heiligen Marsus erst nach 999 durch Otto III. realisiert[10]. Der König hat später für das Seelenheil seiner Mutter keinen Aufwand gescheut. In seinen Urkunden spricht er von seiner „geliebten Mutter“, dem Kölner Stift machte er reiche Schenkungen.

Für die letzten Jahre der Minderjährigkeit Ottos übernahm die Großmutter Adelheid die Regentschaft, weiterhin unterstützt von der Quedlinburger Äbtissin Mathilde. Unter ihrer Regentschaft erreichte die ottonische Münzprägung ihren Höhepunkt.[11] Während Theophanu noch die Aufhebung des Bistums Merseburg rückgängig machen wollte, war Adelheid hierzu nicht bereit.

Herrschaftsantritt

Im Jahre 994 wurde Otto III. vierzehn Jahre alt und galt damit nach den Vorstellungen der Zeit als erwachsen. Im Hochmittelalter bildete sich hierfür mit der Schwertleite ein ritueller Akt. Im Falle Ottos wird von einem solchen Akt der Wehrhaftmachung oder der Schwertleite Ottos, der das Ende der Regentschaft und den Beginn der selbstständigen Herrschaft markiert hätte, in den Quellen nichts berichtet. Eine am 6. Juli des Jahres 994 datierte Urkunde[12], bei der Otto seiner Schwester Sophia das Gut Eschwege schenkte, wurde kürzlich als der Beginn der selbstständigen Regierung gedeutet.[13] Allerdings beurkundete Otto eine Fülle von Schenkungen – auch für seine Schwester – als er noch minderjährig war.

Bereits 994 traf Otto die ersten unabhängigen Entscheidungen und setzte mit seinem Vertrauten Heribert einen Deutschen zum Leiter der italienischen Abteilung der Kanzlei ein – auf einer Position, die bisher nur Italienern vorbehalten gewesen war. In Regensburg setzte Otto im gleichen Jahr, anstelle des gewählten Regensburger Klerikers Tagino, seinen Kaplan Gebhard auf den Bischofssitz.

Im Sommer 995 hielt er einen Hoftag in Quedlinburg ab und führte mit Hilfe von böhmischen und polnischen Truppen im Winter 994/95 sowie im Herbst 995 die seit dem Slawenaufstand von 983 fast jährlich stattfindenden Züge gegen die nördlich wohnenden Elbslawen fort.[14] Nach seiner Rückkehr erweiterte er erheblich das Bistum Meißen und vervielfachte dessen Zehnteinkünfte. Im September 995 wurde für eine Brautwerbung Ottos III. der Erzbischof Johannes Philagathos und der Bischof Bernward von Würzburg nach Byzanz geschickt.[15] Die Verhandlungen mit Byzanz fanden erst kurz vor Ottos Tod einen erfolgreichen Abschluss, welche Prinzessin ihm versprochen wurde ist unbekannt.

Der Kaiser Otto III.

Der erste Italienzug

Otto III. wird von Papst Gregor V. zum Kaiser gesalbt (Phantasiedarstellung um 1450)

Nicht nur die Kaiserkrönung veranlasste Otto III. zu einem baldigen Italienzug, sondern auch der Hilferuf von Papst Johannes XV., der vom römischen Stadtpräfekten Crescentius und seiner Partei bedrängt wurde und Rom verlassen musste. Im März 996 brach Otto von Regensburg aus zu seinem ersten Italienzug auf. In Verona übernahm Otto die Patenschaft eines Sohnes des Dogen Petrus II. Orseolo und führte dadurch das traditionell gute Verhältnis der Ottonen zu den Dogen in Venedig fort.

In Pavia erreichte Otto eine römische Gesandtschaft, um mit ihm über die Nachfolge des verstorbenen Papstes Johannes XV. zu verhandeln. Noch in Ravenna nominierte er seinen Verwandten und Hofkaplan Brun von Kärnten zum Papstnachfolger und ließ ihn von Erzbischof Willigis von Mainz und Bischof Hildebard nach Rom begleiten, wo er als erster Deutscher zum Papst erhoben wurde und den Namen Gregor V. annahm.[16] Bereits einen Tag nach seiner Ankunft vor Rom, wurde er von Senat und Adel der Stadt feierlich eingeholt und am 21. Mai 996, dem Feste Christi Himmelfahrt, von seinem Papst zum Kaiser gekrönt.

Mit dieser Papstentscheidung überschritt Otto III. die Befugnisse seines Großvaters Otto I., indem er sich nicht mehr mit der Zustimmung zu einer Wahl begnügte, sondern sie aktiv in Richtung auf einen eigenen Kandidaten lenkte. Durch diese Personalentscheidung hatte der Papst allerdings keinen Rückhalt mehr in Rom und war umso dringender auf die Hilfe des Kaisers angewiesen. Schon seit Otto I. hatte es stetige Konflikte zwischen kaisertreuen Päpsten und Kandidaten stadtrömischer Adelsgruppen gegeben. Das führende römische Adelsgeschlecht der Crescentier verdankte, durch Abtretung päpstlicher Rechte und der damit verbundenen Einkünfte in der Sabina, den früheren romtreuen Päpsten seinen Aufstieg.

An die mehrtägigen Krönungsfeierlichkeiten schloss sich eine Synode an, bei der sich die enge Zusammenarbeit zwischen Kaiser und Papst im gemeinsamen Vorsitz der Synode und in der Ausstellung von Urkunden zeigte. Die Krönungssynode brachte Otto III. auch mit zwei bedeutenden Personen in Kontakt, die sein weiteres Leben stark beeinflussten. Zum einem mit Gerbert von Aurillac, den Erzbischof von Reims, der bereits in dieser Zeit so engen Kontakt zum Kaiser hatte, dass er in seinem Auftrag mehrere Briefe formulierte. Zum anderen lernte Otto III. Adalbert von Prag, einen Vertreter der um die Jahrtausendwende erstarkten asketisch-eremitischen Frömmigkeitsbewegung, kennen. Die Wege Ottos III. und Gerbert von Aurillac trennten sich zwar vorerst, doch erhielt Gerbert wenige Monate später die kaiserliche Aufforderung, in des Herrschers Dienst zu treten: als Lehrer sollte er Otto III. helfen, an Stelle der sächsischen rusticitas (Rohheit) eine griechische subtilitas (Feinheit) zu erlangen.[17]

Der römische Stadtpräfekt Crescentius wurde von Otto III. zum Exil verurteilt, jedoch auf Fürsprache Papst Gregors V. begnadigt. Damit bemächtigte sich Otto III. der clementia (Milde), die zentraler Bestandteil der ottonischen Herrschaftsausübung war.

Nach der Kaiserkrönung kehrte Otto III. ins Reich zurück und hielt sich vom Dezember 996 bis April 997 am Niederrhein und vor allem in Aachen auf. Konkrete Aktivitäten in dieser Zeit, wie die Abhaltung von Hoftagen, sind nicht bekannt.

Der zweite Italienzug

Das Herrscherbild des Aachener Liuthar-Evangeliars, eine Gabe Ottos III. an das Aachener Münster. Es gilt als das eindrucksvollste Dokument der Herrschersakralisierung. In ihm ist ein Kaiser abgebildet, der so sehr Christus angeglichen ist, dass er kaum noch von ihm unterschieden werden kann. Diese Sakralisierung des Königtums erlebte mit Kaiser Otto III. ihren Höhepunkt (Buchmalerei der Reichenauer Schule, um 1000).

Bereits Ende September 996, nur wenige Monate nach seiner Begnadigung, vertrieb Crescentius Papst Gregor V. aus Rom. Crescentius setzte mit dem Erzbischof von Piacenza und früheren Vertrauten der Theophanu, Johannes Philagathos, einen Gegenpapst in Rom ein. Bevor Otto III. jedoch in die römischen Verhältnisse eingriff, gab er der Sicherung der sächsischen Grenze Vorrang und führte auch im Sommer 997 einen Feldzug gegen die Elbslawen.

Im Dezember 997 begann Otto seinen zweiten Italienzug. Die Größe seines Heeres ist unbekannt, jedoch wurde er von einer Vielzahl weltlicher und geistlicher Großer begleitet. Seine dilectissima soror (vielgeliebte Schwester)[18] Sophia, die ihn noch beim ersten Italienzug begleitet und während seines langen Aufenthaltes in Aachen bei ihm verweilt hatte, war nicht mehr dabei. Nie wieder wurde ihre Anwesenheit bei Hof erwähnt.

Als Otto III. im Februar 998 in Rom erschien, einigten sich die Römer gütlich mit ihm und ließen Otto friedlich nach Rom einmarschieren. Die Anführer der Römer, die sich von dem Adelsgeschlecht der Crescentier nicht abhängig machen wollten, werden in den Quellen nicht namentlich erwähnt. Währenddessen verschanzte sich der Stadtpräfekt Crescentius in der Engelsburg. Der Gegenpapst Johannes Philagathos flüchtete aus Rom und versteckte sich in einem befestigten Turm. Johannes wurde von einer Abteilung des ottonischen Heeres gefangen genommen und geblendet, seine Nase und Zunge wurden verstümmelt. Er wurde durch eine Synode abgesetzt.

Als das kaiserliche Heer nach intensiver Belagerung Crescentius' habhaft werden konnte, wurde dieser enthauptet. Der Leichnam wurde von den Zinnen der Engelsburg gestürzt, anschließend mit zwölf ebenfalls hingerichteten Gefährten auf dem Monte Mario an den Beinen aufgehängt und öffentlich zur Schau gestellt.[19]

Schon Zeitgenossen haben das grausame Vorgehen von Kaiser und Papst kritisiert. So machte sich der greise Abt Nilus bereits auf die Nachricht von der Verstümmelung des Gegenpapstes nach Rom auf, um den schwer verstümmelten Johannes Philagathos zu sich ins Kloster zu holen, was ihm Gregor V. und Otto III. allerdings verweigerten. Nilus soll dem Kaiser daraufhin die ewige Strafe Gottes angedroht haben und verließ Rom.[20]

Auf einer Urkunde Ottos III. vom 28. April 998 für das Kloster Einsiedeln, die in der Datierungszeile auf die Hinrichtung des Crescentius aufmerksam machte, erschien erstmals eine Bleibulle mit der Devise Renovatio imperii Romanorum (Erneuerung des römischen Reiches).[21] Die neue Devise begegnete auf den Kaiserurkunden kontinuierlich bis in die Zeit der Rückkehr Ottos III. aus Gnesen und wurde seit Januar 1001 durch die Formulierung Aurea Roma ersetzt.

Italienaufenthalt 997–999

In der Zeit des mehrjährigen Italienaufenthaltes versuchten Kaiser und Papst den kirchlichen Bereich zu reformieren. Entfremdetes Kirchengut sollte wieder der Verfügungsgewalt der geistlichen Institutionen zugeführt werden. Diesem Ziel diente auch die Bekämpfung eines Verwandten des Crescentius, eines Grafen der Sabina namens Benedikt, den sie persönlich mit einer Heeresmacht zwangen, dem Kloster Farfa geraubtes Gut zurückzugeben.

Auf dem Palatin ließ Otto eine kaiserliche Pfalz errichten. Auch in mehreren Personalentscheidungen wurde der Kaiser während seines Italienaufenthaltes aus Rom tätig und besetzte wichtige Bischofssitze mit engen Vertrauten.

Nach dem Tod des Halberstädter Bischofs Hildiward im November 996, der einer der Drahtzieher der Aufhebung des Bistums Merseburg war, nahmen Otto III. und Papst Gregor V. im Jahr 997 das Verfahren zur Erneuerung des Bistums Merseburg wieder auf und begründeten dieses Vorgehen auf der römischen Synode zum Jahreswechsel 998/99 damit, dass bei der Auflösung des Bistums im Jahr 981 ein Verstoß gegen das Kirchenrecht begangen worden sei. Das Bistum sei sine concilio (ohne Beschluss) aufgelöst worden.[22] Doch erst Ottos Nachfolger Heinrich II. ließ das Bistum Merseburg 1004 wieder einrichten

Im Jahre 999 fand Otto Zeit für eine weitere Bußwallfahrt nach Benevent auf den Monte Gargano, die ihm vom Einsiedler Romuald als Sühne für sein Vergehen gegen Crescentius und Johannes Philagathos auferlegt worden sein soll.[23] Auf dem Weg dorthin erfuhr Otto, dass Gregor V. in Rom, nach kurzer Krankheit, gestorben war. In dieser Zeit suchte er auch den hl. Nilus als büßender Pilger auf.

Nach seiner Rückkehr erhob er mit seinem Vertrauten Gerbert von Aurillac als Silvester II. erneut einen Nichtrömer zum Papst. Auch in anderen Personalentscheidungen wurde der Kaiser von Rom aus tätig und besetzte wichtige Bischofssitze mit engen Vertrauten. So erhob er seinen Kaplan Leo zum Bischof von Vercelli und übergab ihm damit ein problematisches Bistum, da dessen Vorgänger Petrus von Vercelli durch den Markgrafen Arduin von Ivrea ermordet wurde. Arduin wurde 999 vor einer römischen Synode zur Kirchenbuße verurteilt. Dem Grafen wurde auferlegt, dass er die Waffen ablegen und keine zwei Nächte an einem Ort verbringen dürfe, wenn es seine Gesundheit erlaube. Als Alternative zu dieser Bußleistung hat man ihm den Eintritt in den Mönchsstand freigestellt. Ob der Markgraf die Auflagen der Kirchenbuße erfüllt hat ist unbekannt. Auch nach dem Tod des Bischofs Everger von Köln bestimmte Otto mit seinem Kanzler Heribert eine Person seines Vertrauens auf diesen wichtigen Bischofssitz.

Aktivitäten in Osteuropa

Im Dezember 999 pilgerte Otto von Rom aus nach Gnesen. Der Grund der Reise waren religiöse Motive: Er habe am Grab seines Vertrauten Adalbert beten wollen.[24] Hagiographische Texte betonen, Otto sei nach Gnesen gekommen, um der Reliquien Adalberts habhaft zu werden.

Bei der Ankunft in Gnesen standen zunächst religiöse Motive im Vordergrund. Barfuß ließ sich Otto vom zuständigen Ortsbischof Unger von Posen zum Grab Adalberts geleiten und bat unter Tränen im Gebet den Märtyrer um seine Vermittlung bei Christus. Anschließend wurde die Stadt zum Erzbistum erhoben, die selbstständige Kirchenorganisation Polens damit begründet. Der neu eingerichteten Kirchenprovinz Gnesen wurden das bereits bestehende Bistum Krakau und die neu zu gründenden Bistümer Kolberg und Breslau als Suffragane zugeteilt. Dem Herrschaftsbereich Boleslaw Chrobry wurde somit die kirchenpolitische Selbstständigkeit zugestanden.

Die weiteren Handlungen Ottos in Gnesen sind umstritten. Eine ausführliche Darstellung der Ereignisse liefert die erst im 12. Jahrhundert verfasste Geschichte Polens des so genannten Gallus Anonymus. Sie berichtet mit vielen Einzelheiten, dass Otto III. Boleslaw zum König erhoben habe,[25] was die sächsischen Quellen allerdings verschweigen. Der Vorgang einer Königserhebung wird in der modernen Forschung diskutiert. Der These von Johannes Fried, in Gnesen habe eine auf den weltlichen Akt beschränkte Königserhebung stattgefunden,[26] setzte jüngst Gerd Althoff entgegen, dass Boleslaw in Gnesen mit dem Aufsetzen der Krone auf besonders ehrenvolle Weise als amicus im Rahmen eines Freundschaftsbündnisses von Otto III. ausgezeichnet worden sei.[27]

Auf dem Rückweg ins Reich gab Boleslaw dem Kaiser ein glanzvolles Geleit, und begleitete den Kaiser noch über Magdeburg bis nach Aachen. Otto soll ihm dort den Thronsessel Karls des Großen geschenkt haben.[28]

Rückkehr nach Rom

Das Heilige Römische Reich um das Jahr 1000

In Magdeburg feierte Otto Palmsonntag und Ostern in Quedlinburg. Über Trebur ging es weiter nach Aachen, jenen Ort, den er „nächst Rom am meisten liebte“, wie es in den Quedlinburger Annalen heißt.[29] Er thematisierte in diesen Monaten in Magdeburg, Quedlinburg und Aachen auf Synodalversammlungen die Wiedereinrichtung des Bistums Merseburg, ohne zu einer Entscheidung zu kommen. In Aachen zeichnete er einige Kirchen mit den Adalbertsreliquien aus. Dort suchte und öffnete er auch das Grab Karls des Großen. Schon Zeitgenossen haben dieses Tun als Grabfrevel kritisiert, für den Gott den Kaiser mit seinem frühen Tod bestraft habe.[30] Das Vorgehen Ottos wurde in jüngster Vergangenheit als Vorbereitung der Kanonisation Karls des Großen gedeutet.[31]

Von Aachen zog er im Sommer des Jahres 1000 weiter nach Rom. In dieser Zeit brach der Gandersheimer Streit zwischen den Bischöfen Willigis von Mainz und Bischof Bernward erneut aus, als der Anlass der Kirchweihe eine Entscheidung unvermeidbar machte, welcher der Bischöfe nun für Gandersheim zuständig sei. Bischof Bernward nutzte die Zeit zu einer Romfahrt und ließ seinen Standpunkt von Otto III. und einer römischen Synode bestätigen. Als Folge der Reise Bernwards tagten nun fast gleichzeitig zwei Synoden über die Gandersheimer Frage: eine regionale in Gandersheim und eine allgemeine in Rom unter Vorsitz von Kaiser und Papst. Doch konnte weder durch diese noch eine folgende Synode in Pöhlde der Streit beigelegt werden. Der Streit beschäftigte später noch mehrere Kaiser und Synoden, bevor er im Jahr 1030 gelöst wurde.

Der Kaiser hielt sich in der gesamten zweiten Jahreshälfte in Italien auf, ohne dass es zu bemerkenswerten herrscherlichen Aktivitäten gekommen ist. Diese wurden erst zu Beginn des Jahres 1001 nötig, als sich die Bewohner Tivolis gegen die kaiserliche Herrschaft auflehnten. Otto belagerte daraufhin Tivoli, doch die Vita Bernwardi, eine Lobschrift von Thangmar auf seinen Schüler Bischof Bernward, hebt Bernwards Einfluss auf die Unterwerfung der Bewohner nachhaltig hervor.[32] In den gleichen Monat wie die Belagerung Tivolis fällt auch ein ungewöhnlicher Rechtsakt, nämlich die Ausstellung einer kaiserlichen Schenkungsurkunde für Papst Silvester. Diese rechnete schonungslos mit der bisherigen Politik der Päpste ab, die durch Sorglosigkeit und Inkompetenz ihrer eigenen Besitzungen verlustig gegangen wären und sich unrechtmäßig Rechte und Pflichten des Imperiums anzueignen versucht hätten. Gegenüber dem Papsttum war Otto hierbei auf die Wahrung des kaiserlichen Vorrangs bedacht. Die aus der Konstantinischen Schenkung abgeleiteten territorialen Ansprüche der römischen Kirche, ja sogar die Schenkung selbst oder deren Wiedergabe durch Johannes Diaconus wies er als „lügenhaft“ zurück, und übergab dem heiligen Petrus vielmehr aus eigener kaiserlichen Machtvollkommenheit acht Grafschaften in der italienischen Pentapolis.[33]

In die Wochen der Ausstellung dieser Urkunde fiel der Aufstand der Römer. Als Ursache für den Aufstand wird die zu milde Behandlung Tivolis genannt. Der Aufstand konnte innerhalb weniger Tage durch Verhandlungen friedlich beigelegt werden. Der Hildesheimer Domdekan Thangmar, der im Jahre 1001 seinen Bischof Bernward von Hildesheim nach Rom begleitete, gibt im Kontext der Friedensverhandlungen jene berühmte Rede Ottos an die Römer wieder, worin dieser seine Vorliebe für Rom und die Vernachlässigung seiner sächsischen Bindung erörtert habe.[34] Durch diese Rede zu Tränen gerührt, ergriffen die Römer zwei Männer und schlugen sie grausam zusammen, um so ihre Bereitschaft zum Einlenken und zum Frieden zu zeigen. Trotz der Friedensgesten war die wechselseitige Stimmung stark von Misstrauen geprägt. Ratgeber drängten den Kaiser, sich dem unsicheren Zustand dort zu entziehen und außerhalb Roms militärische Verstärkungen abzuwarten.

Tod

Somit entfernten sich Otto III. und Papst Silvester II. aus Rom und zogen nach Norden in Richtung Ravenna. In der Folgezeit empfing Otto Gesandtschaften von Boleslaw Chrobry, vereinbarte mit einer ungarischen Gesandtschaft die Einrichtung einer Kirchenprovinz mit dem Erzbistum Gran als Metropole und sorgte dafür, dass der neue Erzbischof Askericus Stephan von Ungarn zum König erhob. Außerdem festigte Otto in dieser Zeit die freundschaftlichen Beziehungen zum Dogen von Venedig.

Dagegen zeichnen die hagiographischen Quellen – die Romualds-Vita des Petrus Damiani und die Vita der fünf Brüder des Brun von Querfurt – in diesen Monaten das Bild eines seelisch zerrissenen Monarchen. Die Aussagen dieser Zeugnisse gipfeln in einem Versprechen Ottos, den weltlichen Dingen zu entsagen und Mönch zu werden. Allerdings wolle er noch drei Jahre lang die Irrtümer seiner Regierung berichtigen.[35] Welche Irrtümer er meinte, wird nicht gesagt.

Grab von Otto III. im Aachener Dom

Gegen Ende des Jahres 1001 zog er mit den Kontingenten einiger Reichsbischöfe, die sehr langsam in Italien eingetroffen waren, auf Rom zu. Allerdings erlitt er plötzlich starke Fieberanfälle. In der Burg Paterno unweit Roms verstarb Otto III. am 23. oder 24. Januar 1002. Mehrere Berichte betonen hierbei das ruhig-gefasste, christliche Sterben des Herrschers.[36]

Der Tod des Kaisers wurde zunächst geheim gehalten, bis die eigenen Aufgebote informiert und zusammengezogen waren. Dann zog das Heer, ständig von Feinden bedroht, aus Italien ab, um den Willen Ottos zu erfüllen und ihn in Aachen beizusetzen. Als der Leichenzug im Februar 1002 von Paterno über Lucca und Verona nach Bayern zog, habe der Herzog Heinrich in Polling den Leichenzug empfangen und die Bischöfe sowie Adligen in Gesprächen mit Nachdruck und unter Versprechungen aufgefordert, ihn zum König zu wählen.[37] Aber keiner von denen, die der Leiche Ottos folgten, mit Ausnahme des Augsburger Bischofs, sei für Heinrich gewesen. Die genauen Vorbehalte, die die Mitarbeiter Ottos III. gegen Heinrich hatten, blieben unbekannt. Wenige Wochen später, bei der feierlichen Bestattung des toten Kaisers, wiederholten diese Männer ihre Ablehnung, wobei nach ihrer Ansicht Heinrich aus vielerlei Gründen für das Königtum nicht geeignet gewesen sei.[38] Während in Italien bereits am 15. Februar 1002 lombardische Große in Pavia mit Arduin von Ivrea einen Gegner Ottos III. zum italienischen König wählten, konnte sich Heinrich II. erst in langwierigen Verhandlungen und Fehden durchsetzen.

Wirkung

Maßnahmen nach Ottos Tod

Schon zu Beginn seines Königtums erließ Heinrich II. Verfügungen zum Seelenheil seines Vorgängers, des „geliebten Vetters“ und des „guten Kaisers Otto göttlichen Andenkens“[39] Er bestätigte zahlreiche Urkunden und Verfügungen Ottos und feierte wie dieser den Palmsonntag 1003 in Magdeburg, am Grab Ottos I., sowie das Osterfest in Quedlinburg, an den Gräbern Heinrichs I. und dessen Gemahlin Mathilde.[40] Allerdings machte Heinrich II. den deutschen Reichsteil wieder zu seinem Herrschaftszentrum. So ließ er sich mehr als ein Jahrzehnt Zeit, ehe er den italienischen Gegenkönig aus seiner Herrschaft vertrieb.

Die Änderung der Bullenumschrift von Renovatio imperii Romanorum (Erneuerung des römischen Reiches) Ottos III. zur Renovatio regni Francorum (Erneuerung des Frankenreiches) Heinrichs II. wurde lange Zeit als gravierendste Wende einer systematisch verfolgten neuen Herrscherpolitik gedeutet. In jüngerer Zeit hat Knut Görich auf das Zahlenverhältnis der beiden Bullen hingewiesen. 23 Bullen Ottos III. stehen hier nur vier Bullen Heinrichs II. gegenüber. Die kurzzeitige und seltene Verwendung der Frankenbulle, nur zu aktuellen Anlässen nach erfolgreicher Durchsetzung im Reich im Januar und Februar 1003 eingesetzt, wurde neben den überkommenen Wachssiegeln benutzt und schon bald wieder aufgegeben.[41]

Eine Wende trat jedoch in der Politik Heinrichs II. gegenüber dem polnischen Herrscher ein. Wurde Boleslaw Chobry noch im Jahre 1000 in Gnesen von Otto III. zum Bruder und Mithelfer des Kaisertums erhoben und Freund und Genosse des römischen Volkes (fratrem et cooperatorem imperii constituit et populi Romani amicum et socium appelavit) genannt[42], so schlug die Politik unter Heinrich II. in Konfrontation um, die sich anhand der Friedensschlüsse von Posen 1005, Merseburg 1013, und Bautzen 1018 in drei Phasen gliederte.

Zeitgenössische Urteile

Ottos Italienpolitik wurde im Urteil der Zeitgenossen äußerst skeptisch beurteilt. In den Quedlinburger Annalen, die ganz aus der Perspektive des ottonischen Hausklosters und seiner königlichen Perspektive der Äbtissinnen, also der Tante oder Schwester Ottos III., geschrieben sind, heißt es, er habe die Römer durch seine besondere Zuneigung vor anderen Völkern bevorzugt.[43] Jedoch wird die Regierung Ottos III. nicht kritisiert; seinen Tod, der weder als Konsequenz eigener noch fremder Sünden erscheint, betrauert nahezu der gesamte Erdkreis.[44]

Thietmar von Merseburg, dessen Darstellungsabsicht dadurch geprägt ist, dass er auf das Unrecht der Aufhebung des Bistums Merseburg hinweisen wollte, äußerte sich missbilligend über Ottos Italienpolitik. So habe der Kaiser in seinem Palast an einer erhöhten halbrunden Tafel gespeist – von den Seinen abgehoben, ganz gegen den heimischen Brauch fränkischer und sächsischer Könige.[45]

Brun von Querfurt machte dem Kaiser später den Vorwurf, er habe Rom zu seinem ständigen Wohnsitz machen wollen und seine Heimat verachtet.[46] In Bruns Bericht, der vom hagiographischen Darstellungsinteresse geprägt ist, symbolisiert Rom die Überwindung nichtchristlicher Religionen durch den christlichen Glauben, mit seinen heidnischen Herrschern habe die Stadt auch ihre glanzvolle weltliche Machtstellung verloren und sei seit der Konstantinischen Schenkung die Apostelstadt, über die ein weltlicher Herrscher kein Recht mehr ausüben dürfe. Somit wiegt der Rachefeldzug gegen den Apostelsitz für Brun als Sünde so schwer, dass sich ihm der frühe Tod des Kaisers als die unmittelbare Strafe des Kaisers darstellte.[47] Dennoch würdigt Brun von Querfurt auch positive Aspekte des Kaisers wie seine menschliche Wärme: Obwohl noch ein Knabe und irrend in seinem Betragen, war er ein gütiger Kaiser, ein Imperator Augustus von unvergleichlicher Humanität.[48] Ähnliche Kritik an Ottos Italienpolitik äußerte auch die um 1015 verfasste Vita des Bischofs Adalbero von Metz. Nach ihr habe Otto sich fast nur in Italien aufgehalten. Aus diesem Grunde seien seine Reiche und seine Heimat gänzlich heruntergekommen.[49]

Gleichwohl dauerte es nicht lange, bis Otto III. wegen seiner ungewöhnlichen Bildung und seines offenkundigen Scharfsinns bewundert wurde und sowohl in Deutschland als auch in Italien „Wunder der Welt“ genannt wurde.[50]

Otto III. in der Forschung

Die kritischen Urteile der Zeitgenossen aus den führenden Kreisen prägten das Urteil der Historiker des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Wilhelm von Giesebrecht begründete lange Zeit das Urteil über Otto III. in seiner Geschichte der deutschen Kaiserzeit. Er kritisierte vor allem das fehlende Nationalbewusstsein und machte Otto III. den Vorwurf des realitätsfernen Phantastentums. Ferner habe Otto III. ein großes Erbe leichtfertig verspielt, sei Luft-und Hirngespinsten nachgejagt und habe sich mit Intellektuellen und Ausländern umgeben.[51] Giesebrecht prägte die Auffassung nationalromantischer Historiker für Jahrzehnte.

Nach der Jahrhundertwende traten sachliche Einwände gegen diese Aburteilung hervor. Percy Ernst Schramm hat mit seinem 1929 erschienen Werk Kaiser, Rom und Renovatio das Bild von Otto III. bis heute maßgeblich bestimmt. Seine neue Beurteilung des Kaisers war gegenüber der bis dahin üblichen vorgenommen Einordnung des „undeutschen“ Kaisers als religiösen, weltfremden Phantasten insoweit eine Rehabilitierung, als Schramm Otto III. erstmals aus den geistigen Strömungen seiner Zeit zu begreifen suchte. Neu war vor allem die geistesgeschichtliche Interpretation der Politik Ottos III., derzufolge der Römische Erneuerungsgedanke die eigentliche politische Antriebskraft der Regierung des Kaisers war. Als zentrales Zeugnis für den römischen Erneuerungsgedanken verwies Schramm auf die Einführung der berühmten Bleibulle seit 998 mit der Devise Renovatio imperii Romanorum.

Robert Holtzmann knüpfte 1941 in seiner Geschichte der sächsischen Kaiserzeit an die Giesebrechtsche Beurteilung an und schlussfolgerte: Der Staat Ottos des Großen krachte in seinen Fugen, als Otto III. starb. Hätte dieser Kaiser länger gelebt, sein Reich wäre auseinandergebrochen.[52] Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind Urteile über Otto III. in der Schärfe Holtzmanns selten geworden.

Mathilde Uhlirz ergänzte 1954 die Sichtweise Schramms insoweit, als sie die Politik des Kaisers mehr unter dem Aspekt der Herrschaftskonsolidierung im südlichen Reichsteil betrachtete und damit Otto III. die Absicht unterstellte, im südlichen Reichsteil reale Macht des Kaisertums zu festigen.[53] Uhlirz betonte im Gegensatz zu Schramm den Aspekt der Zusammenarbeit zwischen Kaiser und Papst, dessen Ziel vor allem die Gewinnung Polens und Ungarns für das Christentum römischer Prägung gewesen sei.[54] In der Folgezeit setzte sich eine Kombination der Positionen von Schramm und Uhlirz durch, so dass das Bemühen um eine Herrschaftssicherung im Süden ebenso wie die Neugestaltung der Beziehungen zu Polen und Ungarn als feste Bestandteile der Politik Ottos III. gewürdigt werden. Unverändert blieb allerdings die Bereitschaft, die Politik Ottos III. aus seinem persönlichen Profil und seiner Persönlichkeitsstruktur heraus zu erklären.

In den letzten Jahren ist Schramms Deutung der renovatio mehrfach kritisiert worden. Nach Knut Görich muss man die Italienpolitik und die Züge nach Rom eher aus dem Interesse an der Sicherung des Papsttums als aus einem römischen Erneuerungsprogramm erklären.[55] Die Devise bezöge sich somit nicht auf ein „Herrschaftsprogramm", sondern auf ein ganz unmittelbares politisches Ziel.

Gerd Althoff wendete sich jüngst von politischen Konzepten im Mittelalter ab und hält diese für anachronistisch, da in der mittelalterlichen Königsherrschaft für politische Konzepte mit der Schriftlichkeit und den umsetzenden Institutionen zwei wichtige Voraussetzungen fehlen.[56] Außerdem sind nach Althoff die verwendeten Belege ambivalent. Man weiß nicht, ob sie eher auf das antike oder eher auf das christliche Rom zu beziehen sind.[57]

Rezeption

Von einer römischen Erneuerungspolitik Ottos III. spricht ein zeitgenössisches Gedicht, in dem der kaiserliche Ratgeber Leo Vercelli das Zusammenwirken von Kaiser und Papst besingt. Dieses Gedicht beginnt allerdings mit einer Anrufung Christi, der auf sein Rom blicken und es erneuern möge, damit es unter der Herrschaft des dritten Otto erblühe.

Aufgrund seines schnell vollendeten Lebenslaufes und der dramatischen Vorgänge in seiner Regierungszeit weist eine Vielzahl von literarischen Zeugnissen seit dem 16. Jahrhundert Otto III. als Titelfigur aus. Doch war nur weniges von literarischer Dauer.

Im Gedicht Klagelied Kaiser Otto III. von August von Platen-Hallermünde wurde Otto III. aus nationalem Blickwinkel herabgesetzt. Ricarda Huch maß 1934 in dem Werk Römisches Reich Deutscher Nation Otto III. an Otto I.; in der Ablehnung des jüngeren schloss sie an die Giesebrechtsche Beurteilung an.[58] Aber auch die positive Umbewertung über das Leben Ottos III. fand Eingang in die Literatur. So erschienen nach Ende des Zweiten Weltkrieges zwei historische Romane über den ottonischen Kaiser. Gertrud Bäumer gab ihrer Annäherung an Otto III. den Titel Der Jüngling im Sternenmantel. Größe und Tragik Ottos III. Daneben versuchte Henry Benrath zur gleichen Zeit die Persönlichkeit Ottos III. noch subjektiver und emphatischer zu erfassen. Ihm ging es dabei um die geistig-seelische Vision eines Herrscherlebens.[59]

Quellen

Urkunden und Regestenwerke

Literarische Quellen

Literatur

Allgemeine Darstellungen

Biographien

  • Gerd Althoff: Otto III. Gestalten des Mittelalters und der Renaissance. Darmstadt 1997, ISBN 3-89678-021-2.
  • Ekkehard Eickhoff: Theophanu und der König. Otto III. und seine Welt. Stuttgart 1999, ISBN 3-608-91798-5.
  • Ekkehard Eickhoff: Kaiser Otto III. Die erste Jahrtausendwende und die Entfaltung Europas. 2. Aufl. Stuttgart 2000, ISBN 3-608-94188-6.
  • Knut Görich: Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus: kaiserliche Rompolitik und sächsische Historiographie. Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-0467-2.
  • Percy Ernst Schramm: Kaiser, Rom und Renovatio. Darmstadt 1962 (Nachdruck von 1929).
  • Mathilde Uhlirz: Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Otto II. und Otto III. Zweiter Band: Otto III. 983–1002, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1954.

Lexika

Weblinks

Wikisource: Otto III. – Quellen und Volltexte
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Anmerkungen

  1. Thietmar III, 26.
  2. Thietmar III, 17–18.
  3. Lothar und Heinrich der Zänker sind wie Otto II. direkte Enkel Heinrichs I.
  4. Thietmar IV, 1.
  5. Thietmar IV, 2.
  6. Thietmar IV, 4.
  7. Thietmar IV, 9.
  8. Thangmar, Vita Bernwardi, cap. 13.
  9. Thietmar IV, 9.
  10. Klaus Gereon Beuckers, Der Essener Marsusschrein. Untersuchungen zu einem verlorenen Hauptwerk der ottonischen Goldschmiedekunst, Münster 2006, S. 11f, 50ff.
  11. Heiko Steuer, Das Leben in Sachsen zur Zeit der Ottonen, S. 89–107, hier: S. 106. In: Matthias Puhle (Hrsg.): Otto der Grosse, Magdeburg und Europa. 2 Bände, Zabern, Mainz 2001 (Katalog der 27. Ausstellung des Europarates und Landesausstellung Sachsen-Anhalt).
  12. Urkunde Nr. 146 in Theodor Sickel (Hrsg.): Diplomata 13: Die Urkunden Otto des II. und Otto des III. (Ottonis II. et Ottonis III. Diplomata). Hannover 1893, S. 556–557 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  13. Johannes Laudage, Das Problem der Vormundschaft über Otto III., in: Anton von Euw/ Peter Schreiner (Hrsg.), Kaiserin Theophanu: Begegnung des Ostens und Westens um die Wende des ersten Jahrtausends, S.261–275, hier: S.274.
  14. Böhmer-Uhlirz, Regesta Imperii II, 21: Die Regesten des Kaiserreiches unter Otto III., Nr. 1143a, S. 597.
  15. Bernward verstarb am 20. September 996 auf Euböa, noch ehe die Gesandtschaft Konstantinopel erreichen konnte.
  16. Gerd Althoff, Die Ottonen, Königsherrschaft ohne Staat, S. 176.
  17. Brief Ottos III. an Gerbert von Reims. Urkunde Nr. 241 in Theodor Sickel (Hrsg.): Diplomata 13: Die Urkunden Otto des II. und Otto des III. (Ottonis II. et Ottonis III. Diplomata). Hannover 1893, S. 658–659 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  18. Urkunde Nr. 255 vom 1. Oktober 997, in Theodor Sickel (Hrsg.): Diplomata 13: Die Urkunden Otto des II. und Otto des III. (Ottonis II. et Ottonis III. Diplomata). Hannover 1893, S. 670–672 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  19. Böhmer-Uhlirz, Regesta Imperii II,3: Die Regesten des Kaiserreiches unter Otto III., Nr.1272a, S. 685f.
  20. Vita S. Nili, cap. 91. In: Georg Heinrich Pertz u. a. (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 4: Annales, chronica et historiae aevi Carolini et Saxonici. Hannover 1841, S. 616–618 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  21. Urkunde Nr. 285, in Theodor Sickel (Hrsg.): Diplomata 13: Die Urkunden Otto des II. und Otto des III. (Ottonis II. et Ottonis III. Diplomata). Hannover 1893, S. 710 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  22. MGH Constitutiones 1, hg. von Ludwig Weiland, Hannover 1893, Nr. 24, cap. 3, S. 51, Digitalisat.
  23. Mathilde Uhlirz, Jahrbücher Ottos III., S. 292 und S. 534–537.
  24. Thietmar IV, 44.
  25. Gallus Anonymus, Chronicae et gesta ducum sive principum Polonorum I, 6.
  26. Johannes Fried, Otto III. und Boleslaw. Das Widmungsbild des Aachener Evangeliars, der „Akt von Gnesen“ und das frühe polnische und ungarische Königtum. Eine Bildanalyse und ihre historischen Folgen, Wiesbaden 1989, S. 123–125.
  27. Gerd Althoff, Otto III. Darmstadt 1996, S. 144ff.
  28. Ademar 1, III.
  29. Annales Quedlinburgenses ad an. 1000.
  30. Annales Hildesheimenses a. 1000.
  31. Knut Görich, Otto III. öffnet das Karlsgrab in Aachen. Überlegungen zu Heiligenverehrung, Heiligsprechung und Traditionsbildung, in: Gerd Althoff/ Ernst Schubert (Hrsg.) Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, Sigmaringen 1998, S.381–430.
  32. Thangmar Vita Bernwardi, cap.23.
  33. Urkunde Nr. 389, in Theodor Sickel (Hrsg.): Diplomata 13: Die Urkunden Otto des II. und Otto des III. (Ottonis II. et Ottonis III. Diplomata). Hannover 1893, S. 818–820 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat) [Übersetzt aus] Wolfgang Lautemann (Hg.): Geschichte in Quellen 2, München 1970, S. 205f.
  34. Thangmar Vita Bernwardi, cap.25.
  35. Petrus Damiani, Vita beati Romualdi, cap. 25; Brun von Querfurt, Vita quinque fratrum, cap. 2.
  36. Thangmar, Vita Bernwardi, cap. 37; Brun von Querfurt, Vita quinque fratrum, cap. 7; Thietmar IV, 49.
  37. Thietmar IV, 50.
  38. Thietmar IV, 54.
  39. D H II. 3: pro salute anime dilecti quondam nostri nepotis dive memorie boni Ottonis imperatoris.
  40. Annales Quedlinburgenses ad an. 1003.
  41. Knut Görich, Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus. Kaiserliche Rompolitik und sächsische Historiographie, Sigmaringen 1993, S. 270ff.
  42. Gallus Anonymus, Chronica et gesta ducum sive principum Polonorum, ed. Karol Maleczyńsky, Monumenta Poloniae Historica NS 2, Krakau 1952, S. 20.
  43. Annales Quedlinburgenses ad an. 1001f.
  44. Annales Quedlinburgenses ad an. 1002.
  45. Thietmar IV, 47.
  46. Brun von Querfurt, Vita quinque fratrum, cap. 7.
  47. Brun von Querfurt, Vita quinque fratrum, cap. 7.
  48. Brun, Vita Adalberti c.20.
  49. Constantinus, Vita Adalberonis II., cap. 25.
  50. Annales Spirenses in Georg Heinrich Pertz u. a. (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 17: Annales aevi Suevici. Hannover 1861, S. 80 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat); Chronica Pontificum et Imperatorem S. Bartholomaei in insula Romana in Oswald Holder-Egger (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 31: Annales et chronica Italica aevi Suevici. Hannover 1903, S. 215 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  51. Vgl. Wilhelm Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd.1, S. 719,720f. und 759.
  52. Robert Holtzmann, Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, S. 381f.
  53. Mathilde Uhlirz, Jahrbücher Ottos III. S. 414–422
  54. Mathilde Uhlirz, Das Werden des Gedankens der Renovatio imperii Romanorum bei Otto III., in: Sent. cnet. it. 2 (Spoleto 1955) S. 201–219, hier: S. 210.
  55. Knut Görich, Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus: kaiserliche Rompolitik und sächsische Historiographie. Sigmaringen 1995, S. 190ff. ; S. 267ff.
  56. Gerd Althoff, Otto III, S. 31.
  57. Gerd Althoff, Otto III, S. 172.
  58. Ricarda Huch, Römisches Reich Deutscher Nation, S. 66f.
  59. Henry Benrath, Kaiser Otto III, S. 5.

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