Patrick Ryan (Priester)
Patrick Ryan (* 26. Juni 1930 in Rossmore, Cashel[1], County Tipperary, Irland; † 15. Juni 2025 in Dublin) war ein laisierter katholischer Priester aus Irland und Unterstützer der Irish Republican Army (IRA). Er beteiligte sich an Terroranschlägen der IRA und war für sie als Waffenhändler tätig. Ryan vermittelte zwischen der IRA und dem libyschen Regime unter Muammar al-Gaddafi, führte Waffen und Geld aus Libyen nach Irland ein und beschaffte Hunderte von schweizerischen Weckern, die von der IRA zu Bomben umfunktioniert wurden.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Frühe Jahre und Priestertum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Patrick Ryan wurde 1930, als eines von sechs Kindern in eine Bauernfamilie geboren.[1] Er besuchte die örtliche Christian Brothers School in Thurles und später das Pallottine College in Thurles.[1] Mit 18 Jahren trat er in ein Priesterseminar der Pallottiner in Thurles ein und empfing dort 1954 die Priesterweihe.[2] Der Rektor des Seminars, Pater Donal McCarthy, erinnerte sich später an Ryan als „eifrigen, mutigen und sehr orthodoxen Mann“ und als „Idealisten“.[3]
Anschließend wirkte er als Missionar in Mbulu in Tansania sowie im Osten Londons. Während seines Aufenthalts in Tansania ging er zum Zeitvertreib auf Elefantenjagd.[4]
Engagement für die IRA
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den späten 1960er Jahren kehrte Ryan nach Irland zurück, als der Nordirlandkonflikt, bekannt als „The Troubles“, ausbrach. Seine Mutter, Mary Ann, hatte ihm in seiner Kindheit Geschichten über den Kampf gegen die Black and Tans während des Irischen Unabhängigkeitskriegs erzählt, was in ihm einen tiefen Nationalismus weckte.[2] Mary Ann hatte als Zwölfjährige während des Irischen Unabhängigkeitskriegs Wache gestanden, um IRA-Kämpfer vor den Black and Tans zu warnen.[5]
Ryan wurde mit der Spendenverwaltung des Pallottinerordens beauftragt, leitete jedoch das gesammelte Geld heimlich an die IRA weiter. 1973 verließ er den Pallottinerorden, nachdem er eine Versetzung in eine Pfarrkirche in England ablehnte.[6]
Die katholische Kirche und der Pallottinerorden suspendierten ihn formell vom Priesterdienst.[1] Während einer Reise nach Rom im Sommer desselben Jahres soll er italienischen Priestern gegenüber geäußert haben, dass er hoffe, die IRA würde das Zentrum Londons bombardieren.[1] Danach stellte er sich der IRA vollständig zur Verfügung.[2]
Libyen und Finanzoperationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die IRA entsandte Ryan nach Libyen, um als Vermittler mit Muammar al-Gaddafi zu verhandeln. Gaddafi sah in den Auseinandersetzungen Irlands gegen Großbritannien einen antikolonialistischen Kampf und erklärte sich bereit, die IRA mit Waffen und Geld zu unterstützen.[7]
Ab Herbst 1973 pendelte Ryan zwischen Dublin und Genf, wo er Bankkonten eröffnete und über eine Million Pfund Sterling an libyschen Geldern überwies.[1]
Im selben Jahr entsandte die IRA Ryan zusammen mit dem damaligen IRA-Chef des Stabes Joe Cahill und dem stellvertretenden IRA-Stabschef Éamonn O’Doherty auf eine Mission nach Tripolis.[1] Dort organisierten sie eine Waffenlieferung an Bord des Schiffes Claudia, die ursprünglich 200 Tonnen umfassen sollte, aber aus ungeklärten Gründen auf nur fünf Tonnen reduziert wurde. Das Schiff wurde vor der Südostküste Irlands von den Behörden abgefangen, doch Ryan setzte seine Vermittlertätigkeit in den folgenden Jahren fort.[8]
Aufbau eines europäischen Netzwerks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis 1974 hatte Ryan eine Basis in Le Havre in der französischen Region Normandie aufgebaut, wo er in einem lokalen Touristenhotel wohnte und an der Einrichtung neuer IRA-Versorgungslinien arbeitete. Er richtete Bankkonten in ganz Europa unter verschiedenen Namen ein, insbesondere in Luxemburg und der Schweiz. Kuriere wurden in Brüssel und Paris lokalisiert, und Agenten wurden für den Einsatz auf Kanalfähren identifiziert. Lastwagenfahrer auf den Routen zwischen Dublin und dem Kontinent erklärten sich bereit, für die IRA Pistolen und Munition in den Lastwagentüren zu schmuggeln, und Nitroglyzerin wurde in Behältern mit italienischen Zitronen geschmuggelt.[1]
Ein kanadischer Tourist in einem Nachbarzimmer in Ryans Hotel in Le Havre bemerkte verdächtiges Verhalten und übergab der britischen Polizei den Inhalt von Ryans Papierkorb. Darunter fanden sich Telefonnummern bekannter IRA-Kontakte in Dublin und Europa sowie die Adresse einer Wohnung in Ostlondon, die einer Frau namens Catherine gehörte, die mit geistig behinderten Kindern arbeitete. Catherine hatte sich in Ryan verliebt und wurde unter seiner Anleitung als IRA-Geldkurierin eingesetzt, möglicherweise ohne sich dessen bewusst zu sein. Im Januar 1975 beobachteten britische MI6-Agenten unter Deckung, wie der IRA-Veteran Joe Cahill und Éamonn O’Doherty nach Le Havre reisten, um sich mit Ryan zu treffen, und die drei Männer nach Paris reisten, um einen Waffenhändler zu treffen.[1]
Ryan verwaltete die libyschen Gelder, die auf Schweizer Bankkonten in Genf überwiesen wurden. Laut der britischen Premierministerin Margaret Thatcher wurden Beträge von bis zu 740.000 Pfund auf Ryans Konten nachgewiesen.[3][7] Nach Angaben von The Guardian soll Ryan innerhalb von zwei Jahren, während er in der Schweiz, Belgien und Frankreich arbeitete, die Summe von einer Million Pfund Sterling gesammelt und auf einer Schweizer Bank hinterlegt haben.[3]
Die Anschläge mit mechanischen Zündsystemen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1975 entdeckte Ryan bei einem Besuch in einem Uhrengeschäft in Genf in der Schweiz einen tragbaren Wecker in der Größe eines Schlüsselanhängers namens Memo-Timer (auch Memo Park Timer), der Benutzer beispielsweise an ihre abgelaufene Parkzeit erinnern sollte. Ryan erkannte das Potenzial dieses Geräts als mechanischen Zeitzünder für Bomben und kaufte den gesamten Lagerbestand von 400 Stück auf.[9]
Die Memo-Timer als mechanische Zeitzünder lösten ein zentrales Problem der IRA: Bis dahin waren viele IRA-Bombenleger beim Scharfmachen der Sprengsätze durch ihre eigenen Geräte getötet worden. Die Verwendung der Timer als Zeitzünder ermöglichte es den Bombenlegern, die Sprengsätze in Ruhe vorzubereiten und den Ort rechtzeitig vor der Detonation zu verlassen. Ryan entwickelte aus den Timern ein Gerät, das nach seinen eigenen Worten „narrensicher“ war.[10] Über die nächsten 18 Monate wurden diese konvertierten Memo-Timer am Tatort von 185 verschiedenen Explosionen in Nordirland gefunden.[11]
Folgende Anschläge können hier zugeordnet werden:
- Warrenpoint-Anschlag (1979): 18 britische Soldaten getötet[11]
- Brighton-Bombenanschlag (1984): Versuch, Margaret Thatcher zu töten, 5 Menschen starben. Die Bombe wurde mit einem Langzeit-Memo-Timer ausgestattet, der eine Verzögerung von 24 Tagen ermöglichte.[12]
- Bus-Anschlag bei Ballygawley (1988): 8 britische Soldaten getötet, 28 verletzt[13]
- Bombenanschlag in den Docklands (1996): 2 Zivilisten getötet und über 100 Verletzte, markierte das Ende des IRA-Waffenstillstands von 1994[11]
Die Anschläge mit elektronischen Zündsystemen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Parallel zu den mechanischen Timern verschaffte sich Ryan über einen Engländer, den er in Tripolis kennengelernt hatte, Zugang zu elektronischen Fernzündschaltern der Typen FX401 und FX101. Der Engländer war als Ingenieur in einem libyschen Militärlager tätig.[14] Ryan manipulierte den Engländer, indem er ihm vorgaukelte, ihn mit Gaddafi bekannt machen zu können, wenn er Ryan bei der Beschaffung elektronischer Schalter helfen würde. Im Januar 1982 kaufte der Engländer die beiden Typen von Mikroschaltern, FX401 und FX101, von der Firma Consumer Microcircuits Ltd (CMC) in Essex, England, und übergab sie Ryan in Paris.[15] Diese elektronischen Schalter ermöglichten die sofortige Fernzündung von Bomben per Funksignal.
Folgender Anschlag kann hier zugeordnet werden:
- Hyde-Park-Anschlag (1982): 4 Soldaten und 7 Pferde getötet. Die Bombe wurde durch einen elektronischen FX401-Schalter per Funksignal fernausgelöst.[16]
Im Zusammenhang mit dem Hyde-Park-Anschlag fanden Polizeibeamte die Überreste eines elektronischen FX401-Schalters. Bei der Rückverfolgung führte die Ermittlung zu einem IRA-Waffendepot im Salcey Forest in Nottinghamshire, wo ein kompletter FX401-Schalter mit der Chargennummer 8131 gefunden wurde. Diese Chargennummer stimmte mit derjenigen überein, die im Januar 1982 von Consumer Microcircuits in Essex an den Engländer verkauft worden war, den Ryan in Tripolis kontaktiert hatte.[17]
Verhaftungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die außerordentliche Ausfuhrmenge der mechanischen Timer blieb der Schweizer Bundesanwaltschaft nicht verborgen, und Ryan wurde am 26. Juli 1976 in der Schweiz verhaftet. Nach zehn Tagen wurde er freigelassen, erhielt jedoch ein Einreiseverbot für die Schweiz.[18] Während er auf der Flucht war, wurde Ryan wiederholt in ganz Europa verhaftet und wieder freigelassen: im Dezember 1976 in Frankreich, im Februar 1977 in Italien und im März 1977 in Luxemburg. England konnte jedoch nie die europäischen Auslieferungsgesetze überwinden, um ihn nach London vor Gericht zu bringen.[1]
Technische Zusammenarbeit mit Libyen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Spätsommer 1981 kehrte Ryan nach Dublin zurück. Nachdem das libysche Regime eine neue Spezialeinheit zusammengestellt hatte, die eine Ausbildung in Elektronik benötigte, wurde Ryan dem IRA-Mann Eamon McGuire vorgestellt, einem Luftfahrtingenieur bei Aer Lingus, der auch als Bombenexperte für die IRA tätig war. Ryan brachte McGuire nach Libyen, wo dieser Trainingslager für die libysche Spezialeinheit und für IRA-Mitglieder organisierte. Ryan seinerseits schmuggelte beispielsweise Miniaturelektronik in einem Dampfbügeleisen, um sie durch die Flughafenkontrolle in Paris zu bringen.[19]
Waffenlieferungen in den 1980er
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die IRA befand sich in den 1980er Jahren in einer Phase strategischer Neuausrichtung. Nach den Hungerstreiks von 1981, bei denen zehn Gefangene starben, entwickelten die Republikaner unter der Führung von Gerry Adams eine duale Strategie: die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes bei gleichzeitigem Aufbau politischer Macht durch Wahlteilnahme bekannt als die „Armalite- und Stimmzettel-Strategie“. Diese Entwicklung führte zu Spannungen innerhalb der IRA zwischen jenen, die den bewaffneten Kampf als vorrangig ansahen, und jenen, die den politischen Weg bevorzugten.[8]
Zwischen 1986 und 1987 gelang es Ryan, vier große Waffenlieferungen aus Libyen zu koordinieren. Bis Ende 1986 waren etwa 120 Tonnen libyscher Waffen in Bunkern in der Republik Irland versteckt, darunter Semtex-Sprengstoff, Kalaschnikows und Boden-Luft-Raketen. Somit konnte die IRA ihre bewaffnete Kampagne auf unbestimmte Zeit fortsetzen.[8]
Internationale Ausweitung des Nordirlandkonflikts
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Rahmen der internationalen Ausweitung des Nordirlandkonflikts wurden am 1. Mai 1988 drei Angehörige der britischen Luftwaffe auf Urlaub in den Niederlanden erschossen. Der eine Militärangehörige, der auf der RAF Wildenrath stationiert war, wurde gegen 1:00 Uhr morgens in einem Auto in der Stadt Roermond nahe der deutschen Grenze erschossen. Zwei weitere Männer, beide Schotten, starben, als eine Bombe unter ihrem Auto außerhalb einer Diskothek in Nieuw-Bergen, Holland, etwa 30 Meilen nördlich von Roermond im südöstlichen Teil der Niederlande, platziert wurde. Die IRA gab schnell eine Erklärung aus Belfast ab mit den Worten: „Wir haben eine einfache Botschaft für Thatcher. Zieht euch aus Irland zurück und es wird Frieden geben. Wenn nicht, wird es keinen sicheren Hafen für euer Militärpersonal geben und ihr werdet regelmäßig an Flughäfen auf eure Toten warten.“ Irische Republikaner sahen diese Angriffe in den Niederlanden als Rache für die Tötung von drei IRA-Freiwilligen (Operation Flavius) zwei Monate zuvor: Die drei Freiwilligen waren unbewaffnet an einer Tankstelle in Gibraltar erschossen worden.[1]
Verhaftung in Belgien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 30. Juni 1988 begab sich die belgische Polizei aufgrund eines Hinweises zum Wohnsitz eines IRA-Sympathisanten in Brüssel und verhaftete Ryan, der als Quartiermeister einer vierköpfigen IRA-Einheit in Belgien verdächtigt wurde. Bei Ryans Verhaftung beschlagnahmte die Polizei eine Menge Ausrüstung und Handbücher zur Herstellung von Bomben sowie eine große Summe Fremdwährungen.[1]
Nach verschiedenen Berichten wurde Ryan entweder festgenommen, weil er in die Ermordung der drei britischen Soldaten in den Niederlanden verwickelt war, oder weil die belgischen Behörden aufgrund des bevorstehenden Besuchs von Margaret Thatcher in Holland beschlossen hatten, ihn in Gewahrsam zu nehmen, obwohl die belgische Polizei keine Beweise fand, die Ryan mit IRA-Aktivitäten auf dem Kontinent in Verbindung brachten.[3]
Auslieferungsverfahren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Großbritannien beantragte seine Auslieferung in Bezug auf vier Straftaten: (1) Verschwörung zum Mord; (2) Verschwörung zur Verursachung von Explosionen; (3) Besitz von Sprengstoff mit der Absicht, Leben zu gefährden oder schwere Sachschäden zu verursachen; (4) Besitz von Sprengstoff ohne rechtmäßigen Zweck. Die Auslieferung von Patrick Ryan wurde vom belgischen Gericht erster Instanz am 26. September und vom belgischen Berufungsgericht in Brüssel am 12. Oktober in Bezug auf die beiden Verschwörungsanklagen genehmigt, vorbehaltlich der Zustimmung des Justizministers. Es folgte eine juristische Auseinandersetzung zwischen Großbritannien, Belgien und Irland.[1] Im Rahmen einer Fragestunde im britischen Unterhaus sprach sich der konservative Politiker Michael Mates für Ryans Auslieferung aus, was vom Labour-Politiker Tony Benn bestritten wurde.[3]
Nach einem dreitägigen Hungerstreik Ryans begann am 24. November 1988 ein Durststreik. Am 25. November 1988 lehnte die belgische Regierung die Auslieferung ab und ordnete Ryans Rückführung in die Irische Republik an. Er wurde am 25. November 1988 von den belgischen Behörden nach Dublin ausgeflogen.[20] Ryan kam um 23 Uhr in Dublin an, trug einen Priesterkragen und war durch seine Hunger- und Durststreiks körperlich geschwächt. Er wurde von seinem Anwalt Elio Malocco und dem Verantwortlichen seines Unterstützungskomitees für die Region Dublin empfangen und in die Blackrock-Klinik gebracht, wo er sich einer Reihe medizinischer Untersuchungen unterzog.[3]
Irlands Ablehnung der Auslieferung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Großbritannien hatte bereits am 22. November 1988 Kontakt mit den irischen Behörden aufgenommen und angekündigt, dass es im Falle einer Rückführung Ryans nach Irland seine Auslieferung beantragen würde. Die Iren forderten die Briten auf, sofort einen Haftbefehl zu senden, der die Inhaftierung Ryans bei seiner Ankunft auf irischem Gebiet für eine Dauer von 72 Stunden ermöglicht hätte. Die Briten schickten am 25. November 1988 Haftbefehle, die jedoch dieselben Formfehler enthielten, die bereits in der nach Brüssel gesandten Dokumentation vorhanden waren. Bei seiner Ankunft auf irischem Boden gab es daher keine formale Rechtfertigung für Ryans Inhaftierung. Am Sonntagabend, 27. November, waren die Formfehler behoben worden, aber am frühen Montagmorgen war Ryan aus der Blackrock-Klinik verschwunden und versteckte sich in Tipperary.[3]
Auch Irland lehnte einen britischen Auslieferungsantrag ab. Der irische Generalstaatsanwalt John Murray begründete dies am 13. Dezember 1988 damit, dass Ryan aufgrund der Medienberichterstattung und Aussagen im britischen Parlament kein faires Verfahren erhalten würde.[3][20] In seiner Erklärung stellte Murray fest, dass die Wirkung des veröffentlichten Materials „offensichtlich und unausweichlich“ gewesen sei, „ein solches Vorurteil und eine solche Feindseligkeit gegenüber Patrick Ryan zu schaffen, dass es, wenn er nach Großbritannien ausgeliefert würde, für eine Jury nicht möglich wäre, die Frage seiner Schuld oder Unschuld frei von Voreingenommenheit anzugehen.“ Murray verwies auch darauf, dass er den britischen Generalstaatsanwalt gebeten habe, die den britischen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehenden Beweise mit dem Ziel zu prüfen, alle Anklagen zu identifizieren, die in dieser Gerichtsbarkeit im Rahmen des Criminal Law (Jurisdiction) Act 1976 verhandelt werden könnten. Murray wies ferner darauf hin, dass Irland ein unabhängiges Land mit eigenen Gesetzen und Vorschriften sei und nicht wie Yorkshire, Cornwall oder Schottland behandelt werden könne.[3]
Politische Reaktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 30. November 1988 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Großbritannien gegen europäisches Recht verstoßen habe, indem es eine bis zu einwöchige Inhaftierung von Personen erlaubt habe, die der Verbindung zu terroristischen Gruppen verdächtigt wurden.[21]
Die britische Premierministerin Margaret Thatcher bezeichnete diese Entscheidung als „große Beleidigung“ und nannte Ryan „einen sehr gefährlichen Mann“ mit „Expertenwissen über Bomben“, „ein wirklich faules Ei“ und einen „verrückten Priester, der durch Europa rast“.[3][7] Thatcher geriet in einen Konflikt mit dem irischen Taoiseach Charles Haughey über dessen Weigerung, Ryan auszuliefern. Als Haughey Thatcher mitteilte, dass er noch nie von Ryan gehört habe, bis er in Belgien aufgetaucht sei, soll sie geantwortet haben: „Sie verblüffen mich. Von 1973 bis 1984 war er der Hauptkontaktkanal zu den Libyern.“ Haughey antwortete: „Fr. Ryan ist ein außergewöhnlicher Fall. Sie haben einen verrückten Priester, der durch Europa rast, in Belgien verhaftet und dann in einem Militärflugzeug zu uns geflogen wird, wobei der britische Luftraum gemieden wird.“[1]
Eine akademische Studie von John Moore aus dem Jahr 1990 beschrieb Ryan als Symbol für den jahrhundertealten Machtkampf zwischen Briten und Iren. Beurteilungen Ryans betonen einerseits seine Hilfe für Familien politischer Gefangener in Nordirland, andererseits seine aktive und gefährliche Mitgliedschaft in der IRA.[3]
1993 wurde Ryan von einem irischen Sonderstrafgericht wegen Hehlerei angeklagt und für nicht schuldig befunden.[22]
Kandidatur für Sinn Féin
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1989 kandidierte Ryan als unabhängiger Kandidat mit Unterstützung von Sinn Féin bei den Europawahlen im Wahlkreis Munster. Er war der erste Priester in der Geschichte des irischen Staates, der für ein politisches Amt kandidierte.[23] Der Erzbischof von Cashel, Clifford, missbilligte seine Kandidatur und warf ihm vor, seinen priesterlichen Status zu missbrauchen.[23] Er erhielt über 30.000 Stimmen, wurde aber nicht gewählt.[24]
Ausschluss aus dem Pallottinerorden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Januar 1990 wurde Ryan wegen „anhaltender unrechtmäßiger Abwesenheit“ und „beständiger Weigerung, den rechtmäßigen Anweisungen seiner Vorgesetzten zu folgen“ aus dem Pallottinerorden ausgeschlossen.[25] Er verlor damit endgültig die Erlaubnis, Messen zu feiern oder Sakramente zu spenden.[24]
Späte Jahre und Tod
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Danach lebte Ryan weiterhin in Irland und operierte am Rande der Gesellschaft. Er pflegte Kontakte zu bekannten irischen Kriminellen, darunter Martin Cahill, bekannt als „The General“. Ryan berichtete später, dass Cahill und seine Frau ihm bei Besuchen ihr eigenes Bett überließen. Cahill soll zu Ryan gesagt haben: „Paddy, wenn ich dich vor dreißig Jahren gekannt hätte, würden wir das halbe Land besitzen.“ Cahill wurde im August 1994 von der IRA erschossen, kurz bevor diese ihren ersten Waffenstillstand erklärte.[26]
2019 gab Ryan in einem Interview mit der BBC zu, dass er an mehreren der Anschläge beteiligt war, die ihm vorgeworfen wurden, einschließlich des Brighton-Bombenanschlags. Auf die Frage, ob Margaret Thatcher Recht hatte, ihn mit diesen Ereignissen in Verbindung zu bringen, antwortete er: „Einhundert Prozent.“[27] Als er gefragt wurde, ob er Bedauern empfinde, sagte Ryan: „Ich bedauere, dass ich nicht noch effektiver war. Ich hätte gerne viel effektiver sein wollen, aber wir haben es nicht so schlecht gemacht.“[27]
Patrick Ryan starb im Alter von 94 Jahren am 15. Juni 2025 in Dublin nach kurzer Krankheit. Seine letzten Jahre verbrachte er zurückgezogen in einer Pflegeeinrichtung.[24]
Reaktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ryans Eingeständnis seiner Beteiligung an IRA-Anschlägen im Jahr 2019 löste Empörung in Nordirland aus. Politiker der Democratic Unionist Party (DUP) und der Traditional Unionist Voice (TUV) forderten eine Entschuldigung der irischen Regierung für die Weigerung, Ryan 1988 auszuliefern, und verlangten seine strafrechtliche Verfolgung.[27]
Der britische Politiker Norman Tebbit, der beim Brighton-Anschlag schwer verletzt wurde und dessen Frau seitdem gelähmt ist, äußerte sich nie öffentlich zu Ryans Geständnis, hatte aber zuvor erklärt, dass er der IRA niemals vergeben werde.[27]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jennifer O’Leary: The Padre: The True Story of the Irish Priest Who Armed the IRA with Gaddafi's Money. Merrion Press, Newbridge (Co. Kildare), 2023, ISBN 978-1-78537-461-6, ISBN 978-1-78537-464-7.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Julian O’Neill: IRA Brighton bomb: Patrick Ryan admits link to 1984 attack. In: BBC News. 24. September 2019 (englisch, Bericht über Ryans Geständnis).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e f g h i j k l m n Note on Tipperary’s Fr P Ryan released under State Archive Rule. In: Thurles Information. 13. Januar 2019, abgerufen am 14. Oktober 2025 (englisch).
- ↑ a b c Nick Baker, Andrew West: Patrick Ryan: The Irish Catholic priest who worked with the IRA. In: ABC News. 17. Januar 2024, abgerufen am 8. Oktober 2025 (englisch).
- ↑ a b c d e f g h i j k John Moore: La Liberté des États et des individus : le cas Ryan (1988). In: Études irlandaises. 15/1, 1990, S. 163–171, hier S. 163, abgerufen am 14. Oktober 2025 (französisch, doi:10.3406/irlan.1990.924).
- ↑ Sam Roberts: Patrick Ryan, Terror Priest Who Aided the I.R.A., Is Dead at 94. In: The New York Times. 25. Juli 2025, archiviert vom am 25. Juli 2025; abgerufen am 8. Oktober 2025 (englisch).
- ↑ Jennifer O’Leary: The Padre. S. 25.
- ↑ Adam Kula: Provo priest Paddy Ryan hailed as ‘servant of God’ at funeral after death aged 95. In: News Letter. 17. Juni 2025, abgerufen am 8. Oktober 2025 (englisch).
- ↑ a b c Harry McGee: Thatcher furious with Haughey over failure to extradite ‘mad priest’ over IRA claims. In: The Irish Times. 28. Dezember 2018, abgerufen am 8. Oktober 2025 (englisch).
- ↑ a b c Slugger O’Toole: Spotlight On The Troubles: A Secret History: Episode 3. (Streaming-Video auf YouTube; 59 Minuten) In: BBC Northern Ireland. 24. September 2019, abgerufen am 13. Oktober 2025 (englisch).
- ↑ Jennifer O’Leary: The Padre. S. 112–113.
- ↑ Jennifer O’Leary: The Padre. S. 113–114.
- ↑ a b c Jennifer O’Leary: The Padre. S. 115.
- ↑ Jennifer O’Leary: The Padre. S. 15.
- ↑ Malcolm Sutton: An Index of Deaths from the Conflict in Ireland: 1988. In: CAIN. Abgerufen am 4. November 2025 (englisch).
- ↑ Jennifer O’Leary: The Padre. S. 150–153.
- ↑ Jennifer O’Leary: The Padre. S. 153.
- ↑ Jennifer O’Leary: The Padre. S. 154–158.
- ↑ Jennifer O’Leary: The Padre. S. 186.
- ↑ Jonas Hirschi: Ryan Patrick, der IRA-Priester und die Schweizer Bomben. In: Watson. 5. Oktober 2025, abgerufen am 8. Oktober 2025.
- ↑ Jennifer O’Leary: The Padre. S. 143–144.
- ↑ a b Sheila Rule: Irish Deny British Bid to Extradite Priest Suspected of Aiding I.R.A. In: The New York Times. 14. Dezember 1988, archiviert vom am 25. Mai 2015; abgerufen am 8. Oktober 2025 (englisch).
- ↑ Paul Anthony McDermott: Criminal Procedure and Evidence. In: Paul O’Mahony (Hrsg.): Terrorism, Drugs, and Crime in Europe. Institute of Public Administration, Dublin, 2002, ISBN 1-902448-71-5, S. 42–71, hier S. 67–68.
- ↑ Richard L. Clutterbuck: Criminal Justice in Ireland after 1992. Routledge, London, 2013, ISBN 978-0-415-61620-1.
- ↑ a b Jennifer O’Leary: The Padre. S. 184.
- ↑ a b c Sean Ryan: Republican priest Fr Patrick Ryan dies aged 95. In: The Irish Times. 15. Juni 2025, abgerufen am 8. Oktober 2025 (englisch).
- ↑ Irish Priest Wanted For Terrorism Is Dismissed. In: The Washington Post. 13. Januar 1990, archiviert vom am 10. April 2025; abgerufen am 8. Oktober 2025 (englisch).
- ↑ Jennifer O’Leary: The Padre. S. 188.
- ↑ a b c d Julian O’Neill: IRA Brighton bomb: Patrick Ryan admits link to 1984 attack. In: BBC News. 24. September 2019, abgerufen am 8. Oktober 2025 (englisch).
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Ryan, Patrick |
| KURZBESCHREIBUNG | irischer katholischer Priester |
| GEBURTSDATUM | 26. Juni 1930 |
| GEBURTSORT | Rossmore, Cashel, County Tipperary, Irland |
| STERBEDATUM | 15. Juni 2025 |
| STERBEORT | Dublin |