Pelzhaus Kunze

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Pelzhaus Kunze

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Rechtsform Einzelunternehmen
Gründung 1863
Auflösung 1988
Sitz Mannheim
Leitung Familie
Branche Kürschnerei mit Pelzeinzelhandel
Paul Kunze (1976)

Das Pelzhaus Kunze in Mannheim gehörte unter seinem Inhaber Paul Kunze (* 21. Juni 1902 in Marseille; † 6. Juli 1993 in Mannheim[1]) und seinem Sohn Dieter Kunze (* 12. Juni 1934 in Mannheim) zu den „bekanntesten Pelzhäusern der Bundesrepublik“.[2]

Firmengeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eisenach[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 2. Oktober 1863 machte sich der Kürschner Carl Kuntze in Eisenach, Thüringen mit einem Kürschnergeschäft selbständig. Bereits sein Vater war Mützenmacher und Kürschner. Er kam aus einer Familie, die seit 1718 das Schneiderhandwerk betrieb. Wie damals häufig, erlernte er neben dem Kürschnerhandwerk auch das des Mützenmachers, zusätzlich sogar das Beutlerhandwerk. Von seinen fünf Söhnen wurden zwei ebenfalls Kürschner, Wilhelm und Richard Kunze. Wilhelm Kunze († 1945) blieb in Eisenach und übernahm das Geschäft seines Vaters. Das renommierte Eisenacher Geschäft wurde von Wilhelm bis zu seinem Tode im Jahr 1945 geführt. Dessen einziger Sohn, Herbert Kunze, war im Krieg gefallen, und so übernahmen die Ehefrau und die Tochter Lieselotte das Geschäft, beide hatten ebenfalls das Kürschnerhandwerk erlernt. Mutter und Tochter mussten 1960 wegen der in den DDR „gegenwärtigen dortigen dortigen Verhältnissen“ das Eisenacher Geschäft aufgeben. Beide übersiedelten nach Mannheim, um im dortigen Haus Kunze mitzuarbeiten.[3]

Mannheim[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von links:Dieter Kunze, Wolfgang Joop, Pelz-Konfektionär Heinz Müller (1979)
Prämiertes Breitschwanz-Complet (1961)
Roland Kunze (rechts) empfängt eine Goldmedaille (1981)

Richard Kunze ging nach seinen Wanderjahren, die ihn nach in Leipzig, Paris und Marseille geführt hatten, nach Mannheim und eröffnete dort 1903 im Stadtquadrat M 1 unter seinem Namen ein Kürschnergeschäft.[3]

Mannheim war zu dieser Zeit eine sich ungewöhnlich schnell entwickelnde Handels-, Industrie- und Hafenstadt und auch die Firma Richard Kunze vergrößerte sich schnell. Schon bald zog er in die damaligen Rathaus-Kolonnaden und 1918 in das eigene, jetzt zum Geschäftshaus ausgebaute, Gebäude am Paradeplatz. Der Sohn Paul Kunze war noch neun Monate vor dem Umzug nach Deutschland in Marseille zur Welt gekommen. Im väterlichen Geschäft erlernte auch Paul das Kürschnerhandwerk. Nach der 1918 begonnenen Lehre bildete er sich in Lausanne, Leipzig, Berlin und Paris fort. Im Jahr 1924 legte er die Meisterprüfung mit der Note „sehr gut“ ab und trat wieder in den Betrieb seines Vaters ein.[4][2][5]

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1941 übernahm Paul Kunze die Leitung der am Mannheimer Paradeplatz gelegenen Firma. Während des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) wurde das Geschäftshaus zerstört, lediglich das eingeschossige Teil konnte bis 1949 noch genutzt werden. Am 1. Oktober 1949 wurde die neuen Verkaufsräume mit sieben Schaufenstern und vergrößerter Ladenfläche an alter Stelle wieder eröffnet.[6] Es dauerte bis 1953, bis das Haus erneut auf fünf Stockwerke aufgebaut war.[4]

Neben der Führung seines exklusiven Geschäfts engagierte sich Paul Kunze in außergewöhnlichem Maß innerhalb der Pelzbranche. Er war Gründer und von 1947 bis 1966 Vorsitzender des Modeausschusses im Kürschnerverband, eine Aufgabe die später sein Sohn Dieter in vierter Generation fortführte.[7] Paul und später auch Dieter Kunze gaben in Vorträgen ihr Wissen an die Schüler der Bundes-Pelzfachschule in Frankfurt am Main weiter. Von 1950 bis 1960 hatte Paul Kunze den Posten des Zweiten Vorsitzenden des Zentralverbands des Kürschnerhandwerks inne, er war Vorstandsmitglied im Qualitätsschutzverband der Kürschner, ab 1953 war er Vorsitzender der Werbegemeinschaft Mannheim.[2] Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen für die im eigenen Atelier entstandene Pelzmode gewann das Haus Kunze beim jährlichen Leistungswettbewerb des Kürschnerhandwerks regelmäßig eine Goldmedaille. Privat war Paul Kunze kunstinteressiert und Mäzen vieler Künstler. Zu seinem 70. Geburtstag schrieb der Mannheimer Morgen: „Zugegeben, nicht alle haben einen Pelzmantel von ihm im Schrank. Aber wer Paul Kunze ist, das weiß in Mannheim jeder“.[4] 1977 bekam er dann den Bloomaulorden, die höchste bürgerschaftliche Auszeichnung, die in Mannheim vergeben wird. Er erhielt das Bundesverdienstkreuz am Bande und 1974 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.[7][2] Im Jahr 1984 übergab er die Leitung des Geschäfts an seinen Sohn Dieter Kunze.[1]

Die Modenschauen des Hauses Kunze waren jeweils ein gesellschaftliches Mannheimer Ereignis. Als man 1978 das 75-jährige Firmenjubiläum feierte, rechnete man zu der von Dieter Kunze zusammengestellten und moderierten Schau mit etwa 800 Gästen, es meldeten sich 2800 Besucher an.[8] 25 Jahre später, zum 100-jährigen Jubiläum, erstellte man eine „kleine kulturhistorische Studie“, die die vergangene Mode in Pelz und Textil nachbildete, „Die Pelzmode im Wandel von 100 Jahren“. Die Kollektion wurde 1964 von der Frankfurter Rauchwaren-Messe GmbH erworben. Sie wurde auf der Frankfurter Pelzmesse 1964 gezeigt und stand später gegen ein kleines Entgelt Pelzbetrieben für Modenschauen zur Verfügung. Außer in zahlreichen deutschen und Schweizer Betrieben wurde sie in Wien, London, Liverpool, Birmingham und Brüssel vorgeführt, 1983 sogar in Dallas, USA. Auch fanden die meisten Modelle Aufnahme in den Branchen-Dokumentationsfilm „Die zweite Haut“. Ein Teil der Kollektion befand sich im Jahr 2018 noch beim Deutschen Pelz-Institut, Frankfurt am Main.[9][10][11]

Wie schon seit Vater, war Dieter Kunze während seines Berufslebens bekannt für sein Gespür für gutes Pelzdesign. In das Buch „Der Mann im Pelzmantel“ der Italienerin Anna Muncchi aus dem Jahr 1988 wurde das Foto eines Herrenmantels mit Kutscherkragen aus mit Leder eingefassten Nerzquadraten aufgenommen.[12] 1988 beauftragte ihn die skandinavische Pelztier-Züchtergemeinschaft Saga mit der Leitung ihres neu geschaffenen Design-Centers, in dem Modedesigner mit der Verarbeitung von Fellen vertraut gemacht werden.[13] Dieter Kunze schloss sein Geschäft im Winter 1987/88. Im Jahr 1991 zog er sich auf seine Farm in Helsinge bei Valby zurück, etwa 40 Kilometer von Kopenhagen entfernt.[14]

Auch betätigte Dieter Kunze sich wie sein Vater als Förderer der Kunst. Noch im Dezember 2010 eröffnete er „in seiner letzten Amtshandlung als Vorstand der Rudi-Baerwind-Stiftung“ (und als ihr Mit-Stifter) eine Ausstellung im Mannheimer Kunstverein.[15][16]

Die Kinder Miriam und Dieter Roland hatten 1988 sich unter dem Firmennamen Kunze + Kunze in Mannheim mit zwei Pelzläden selbständig gemacht, mit einem kleinen Laden mit einer Fläche von 55 Quadratmetern und zwei Schaufenstern und einem Hauptgeschäft mit 220 Quadratmetern. Das kleine Geschäft gestalteten sie jugendlich mit verzinkten Stahlträgern, Holzboden und weißer Tapete und in Plastik eingewickelten Strohballen als Sitzgelegenheit. Zusätzlich zu den angebotenen Designerpelzen hatte Miriam eine eigene Lederkollektion entworfen. Der größere Laden, vorher ein Möbelhaus, erhielt als Zusatz zum Firmenschriftzug die Worte „Pelz“ und „spontan“. Hier befand sich auch die Werkstatt. An dieser Einrichtung, mit den Materialien Holz, Stahl und Glas, war auch ein Karlsruher Bildhauer beteiligt. Außer der Pelzkollektion von etwa 200 Teilen gab es als Ergänzung eine Textilkollektion.[17] Mit einer spektakulären Modenschau vor der Kulisse eines Flugzeug-Hangars machten Miriam, 26 Jahre, und Roland, 28 Jahre, im Jahr ihrer Geschäftsgründung „mit einem anderen Pelz“, mit witzigen farbigen Kreationen auch eine junge Kundschaft auf sich aufmerksam.[18]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Paul Kunze: Die Geschichte des Kürschnerhandwerks. In: Der Kürschner. 1953.
  • Paul Kunze, Friedrich Hering: Die Geschichte des Rauchwarenhandels. In: Der Kürschner. 1953.[19]
  • Dieter Kunze: Kürschner Fachtechnik, Gegenwart + Zukunft. In: 20 Jahre Bundespelzfachschule – Aufbruch in eine neue Generation. 1988.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Pelzhaus Kunze – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Ohne Autorenangabe: Paul Kunze tot. In: Winckelmann Pelzmarkt. Nr. 1200, Frankfurt am Main, 6. August 1993, S. 4.
  2. a b c d Ohne Autorenangabe: 75 Jahre Kunze Mannheim. In: Winckelmann Pelzmarkt. Nr. 441, Frankfurt am Main, 2. Juni 1978, S. 9.
  3. a b Die Pelzmode im Wandel von 100 Jahren. Jubiläumsschrift Richard Kunze. Mannheim 1963.
  4. a b c nk/mac: Muster von Pfälzer Charme und Bürgersinn. Paul Kunze - einer der aktiven Männer - hat Geburtstag. In: Mannheimer Morgen. 21. Juni 1972, S. 5.
  5. „La“: 50jähriges Meisterjubiläum von Paul Kunze. In: Pelz International. Januar 1975.
  6. Richard Kunze, Mannheim .... wieder am Paradeplatz. In: Rund um den Pelz Heft 10, Köln, 20. Oktober 1949.
  7. a b Ohne Autorenangabe: Paul Kunze feiert 85. Geburtstag. In: Winckelmann Pelzmarkt. Nr. 903, Frankfurt am Main, 12. Juni 1987, S. 8.
  8. Ohne Autorenangabe: Große Resonanz auf Kunze-Jubiläum. In: Winckelmann Pelzmarkt. Nr. 442, 2. Juni 1978, Frankfurt am Main, S. 11.
  9. Willi Treusch: Messe- und Verbands-Chronik von 25 Jahren…. Manuskript 1972, S. 21.
  10. Titelblatt und Auflistung der Kollektion „Die Pelzmode im Wandel von 100 Jahren“
  11. Ohne Autorenangabe: Deutsche Pelze in Dallas. In: Winckelmann Pelzmarkt. Nr. 717, Frankfurt am Main, 21. Oktober 1983, S. 9.
  12. Anna Municchi: Der Mann im Pelzmantel. Zanfi Editori, Modena 1988, S. 121, Abb. 175. ISBN 88-85168-18-3.
  13. Ohne Autorenangabe: Saga-Design-Center mit Dieter Kunze. In: Pelzreport Kurt Lindemann. Oberursel, 2. Februar 1988, S. 15.
  14. Ohne Autorenangabe: Dieter Kunze 60. In: Winckelmann Pelzmarkt. Nr. 1242, Frankfurt am Main, 10. Juni 1994, S. 3.
  15. www.mannheim.de: Rudi Baerwind 1910–1982: Ausstellung im Mannheimer Kunstverein. 14. Dezember 2010. Zuletzt abgerufen 9. April 2018.
  16. Annika Wind: Unbequemer aber kreativer Querdenker. In: Mannheimer Morgen. 15. August 2009, S. 31 (PDF-Datei). Zuletzt abgerufen 9. April 2018.
  17. UBF (Ute B. Fröhlich): Kunze und Kunze - der doppelte Zwilling. In: Pelzreport Kurt Lindemann. Oberursel 1. Februar 1988, S. 15.
  18. Ohne Autorenangabe: »Follow me« Kunze-Jugend präsentierte im Flugzeug-Hangar. In: Pelzreport Kurt Lindemann. Oberursel, 4. November 1985, S. 14.
  19. www.kuerschner-innung.de (PDF-Datei). Zuletzt abgerufen 9. April 2018.