Penthesilea (Kleist)

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Daten
Titel: Penthesilea
Gattung: Trauerspiel
Originalsprache: deutsch
Autor: Heinrich von Kleist
Musik: Musik
Erscheinungsjahr: 1808
Uraufführung: 25. April 1876
Ort der Uraufführung: Berlin
Ort und Zeit der Handlung: um Troja zu mythologischer Zeit
Personen
  • Penthesilea, Königin der Amazonen
  • Prothoe, Meroe und Asteria, Fürstinnen der Amazonen
  • Die Ober-Priesterinnen der Diana
  • Achilles, Odysseus, Diomedes und Antilochus, Könige des Griechenvolks
  • Griechen und Amazonen

Penthesilea ist ein viel diskutiertes Drama von Heinrich von Kleist aus dem Jahre 1808. In ihm thematisiert er den Konflikt zwischen einem stark fühlenden Individuum und einer gesellschaftlichen Ordnung, die dem natürlichen Empfinden desselben in unnatürlicher Weise entgegensteht.

Handlung

Penthesilea ist die Königin der Amazonen. Dieses Volk, das aufgrund seiner grausamen Vorgeschichte keine Männer unter sich duldet, erhält sich durch einen ungewöhnlichen Brauch am Leben: Sobald Nachwuchs benötigt wird, überfällt der kriegerische Stamm ein beliebiges Volk. Die Amazonen führen die gefangen genommenen Männer nur zur Kinderzeugung mit zu sich. Der männliche Nachwuchs wird getötet oder fortgegeben, die Väter wieder fortgeschickt in die Freiheit. Die individuelle Partnerwahl ist nicht gestattet. Ein ehernes Gesetz sieht vor, dass eine Amazone ihren „Bräutigam“ im Kampf bezwingen muss. Dieses Gesetz, das Fern aus der Urne alles Heiligen kommt und dessen Entstehungsgrund der Kriegerin unbekannt bleibt und geheimnisvoll in Wolken sich verhüllt, wird von Penthesilea in seiner Beschaffenheit nicht hinterfragt. Der ersten Mütter Wort entschied es, so heißt es.

Kleists Penthesilea hat aber entgegen dem Gesetz eine Wahl getroffen: Sie hat sich, wie ihre Mutter Otrere ihr auf dem Totenbett voraussagte, in Achill verliebt, der ihr auf dem Schlachtfeld begegnete. Ihre unbezwingbare Liebe zu dem großen Helden der Griechen im Kampf um Troja lässt sie in immer neuer Kraft gegen diesen zu Felde ziehen, denn das Gesetz der Mütter ist ihr heilig und sie will es um keinen Preis brechen. Ihre Liebe führt sie bei wiederholter Niederlage gegen Achill in die Raserei, so dass sie den Geliebten, als dieser sich ihr eigentlich stellen möchte, schließlich in tierischer Wildheit zusammen mit ihren Hunden zerreißt.

Nach der Tat erwacht Penthesilea wie aus einem Traum. Zuerst will sie nicht glauben, dass sie selbst diese Gräueltat begangen haben soll. Sie sagt, sie wolle denjenigen, der Achill dies angetan habe, ihrer Rache opfern. Als ihre Freundin Prothoe ihr erläutert, wer den Geliebten getötet hat, will Penthesilea es nicht glauben. Doch als sie die Wahrheit begreift, erteilt sie die Anweisung, den Leichnam Achills vor die Oberpriesterin der Diana zu legen, die sie moralisch für die Entwicklung des Geschehens verantwortlich macht. „Ich sage vom Gesetz der Fraun mich los“, entschließt sie, nachdem ihr klar wird, dass sie einem ihrer Natur widerstrebenden Gesetz gefolgt ist. „Der Tanais Asche, streut sie in die Luft“. Diese Asche der Uramazone Tanais ist Synonym für das eherne Gesetz, das fern aus der Urne alles Heiligen kommt und auf dem der Amazonenstaat aufbaut.

Penthesilea erkennt zu spät, dass das Gesetz über die Jahre hinweg seinen Sinn nicht mehr erfüllt. Den Amazonen ist kaum mehr bekannt gewesen, weshalb es geschaffen wurde. Der Schmerz über den Tod des Geliebten dient der Amazonenkönigin als Waffe, die sie gegen sich selbst richtet, um dem Geliebten in den Tod zu folgen.

In Reaktion auf den Tod Penthesileas verweist die Oberpriesterin auf die Gebrechlichkeit des Menschen. Prothoe, die engste und treueste Freundin Penthesileas, erwidert hingegen: „Sie sank, weil sie zu stolz und kräftig blühte.“ Dem Vorwurf der Schwäche hält sie entgegen, dass nur die abgestorbene Eiche dem Sturm standhalte, die gesunde jedoch falle leicht, „weil er in ihre Krone greifen“ könne.

Was Prothoe damit sagen möchte, ist, dass Penthesilea gerade aufgrund ihrer Lebendigkeit des Gefühls, ihrer Fähigkeit, zu lieben und dem natürlichen Gefühl zu folgen, Stärke bewiesen habe. Sie musste sterben, weil ihre Gefühle mit dem starren Buchstaben des Gesetzes nicht zu vereinen waren.

Form

Das Drama ist in 24 Auftritte gegliedert, wahrscheinlich in Anlehnung an die 24 Gesänge der Ilias oder in Anlehnung an das klassische aristotelische Dramenspiel, das nach Aristoteles einen Tag dauern soll.

Rezeption

Ein Vorabdruck bzw. „Organisches Fragment“ des Stückes erschien vorab in der von Kleist herausgegebenen Zeitschrift Phöbus. Die Bühnentauglichkeit des Stückes wurde oft diskutiert. Das Stück wurde von Goethe, dem Kleist sein Werk „auf den Knien [s]eines Herzens“ zu lesen gab, schroff abgewiesen. Die vielen Botenberichte und Teichoskopien (Mauerschau) ließen viele folgern, das Stück sei nicht für die Bühne geeignet. Das grausame Zerreißen Achills schreckte viele Zeitgenossen ab, die sich an einem Winckelmannschen Klassizismus der „edlen Einfalt und stillen Größe“ orientierten. Aus diesen Gründen wurde das Stück erst 65 Jahre nach Kleists Tod am 25. April 1876 in Berlin uraufgeführt.

Quellen

Kleist jedoch orientierte sich mehr an der griechischen Tragödie. Zahlreiche Parallelen lassen sich zu den Dramen des Euripides ziehen. In Medea findet man die Konfrontation zweier unvereinbarer Welten durch die Liebe Medeas und Jasons zueinander. Hippolytos ist ganz durch die Jagd gekennzeichnet. Die angebetete Göttin ist Artemis (=Diana). In den Bacchen schließlich zerfleischt Agaue Pentheus, ihren Sohn, im dionysischen Rausch.

In der griechischen Tragödie waren grausame Darstellungen durchaus möglich. Erst Horaz legt 400 Jahre später „Unzeigbares“ fest.

Der Amazonenmythos ist in vielfacher Form überliefert. Die tatsächliche Existenz des Volkes ist bis heute nicht erwiesen.

Musikalische Bearbeitungen

Literatur

Lütteken, Anett: "Penthesilea" 1870/1876 - eine noble Geste des Ritter Mosenthal. In: Heilbronner Kleist-Blätter 17. (zur Uraufführung, mit Abb.)

Lütteken, Anett: Wien oder Berlin? Ein Stück sucht seine Bühne. In: Heilbronner Kleist-Blätter 18. (Nachtrag, mit Abb.)

Emig, Günther: Franz von Holbeins Amazonendrama "Mirina". Ein nach-drücklicher Fingerzeig. In: Heilbronner Kleist-Blätter 15. (Mögliche Anregung für Kleist)

Ketscher, Lutz R.: Penthesilea. Nach Kleists Trauerspiel. Comic. Heilbronn: Kleist-Archiv Sembdner 2008. 64 S. (Kleist in der Bildenden Kunst. 2). ISBN 978-3-940494-04-7

Weblinks