Phentolamin

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Strukturformel
Strukturformel von Phentolamin
Allgemeines
Freiname Phentolamin
Andere Namen
  • 3-[N-(2-Imidazolin-2-ylmethyl)-4-methylanilino]phenol (IUPAC)
  • Phentolaminum (Latein)
Summenformel C17H19N3O
Kurzbeschreibung

weißes, kristallines, schwach hygroskopisches Pulver (Phentolaminmesilat)[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 200-053-1
ECHA-InfoCard 100.000.049
PubChem 5775
ChemSpider 5571
DrugBank DB00692
Wikidata Q420360
Arzneistoffangaben
ATC-Code
Wirkstoffklasse

Alphablocker

Eigenschaften
Molare Masse 281,35 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

174–175 °C[2]

pKS-Wert

7,7[3]

Löslichkeit

leicht löslich in Wasser und Ethanol 96 %, praktisch unlöslich in Dichlormethan (Phentolaminmesilat)[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[4]

Hydrochlorid

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze[4]
Toxikologische Daten

1000 mg·kg−1 (LD50Mausoral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Phentolamin ist ein Arzneistoff, der die Wirkung bestimmter körpereigener Botenstoffe (Hormone, Neurotransmitter) aufhebt und dadurch vor allem arterienerweiternd wirkt.

Pharmakologisch handelt es sich um einen Stoff aus der Gruppe der nichtselektiven Alphablocker. Als kompetitive Antagonisten an α1- und an α2-Adrenozeptoren heben Alphablocker die Wirkung von Katecholaminen, wie zum Beispiel Adrenalin und Noradrenalin, auf.

Klinische Angaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anwendungsgebiete (Indikationen)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Phentolamin wirkt blutdrucksenkend, herzfrequenzsteigernd und den Venentonus vermindernd. In der Intensivmedizin kommt es bei Erwachsenen mit einer Dosierung von 50 bis 500 µg/min[5] zur Anwendung.

Phäochromozytom[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Arzneistoff wird zur Therapie von Blutdruckkrisen beim Phäochromozytom – einem Tumor, der Katecholamine (Noradrenalin, Adrenalin und Metanephrine) produziert – zum Beispiel während der präoperativen Vorbereitung und des chirurgischen Eingriffes angewendet.[6]

Phentolamin-Hemmtest[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Phentolamin-Hemmtest, auch Phentolamin-Suppressionstest genannt, ist ein diagnostischer Funktionstest, um eine autonome Katecholaminproduktion, wie sie beispielsweise beim Phäochromozytom auftritt, festzustellen. Er wird bei unklaren Befunden durchgeführt. Suppression bedeutet, dass die Ausschüttung von Hormonen gehemmt beziehungsweise unterdrückt wird. Beim Regitin-Test – wie er auch genannt wird – wird den Betroffenen Phentolamin verabreicht und anhand des systolischen Blutdruckabfalls nach der intravenösen Injektion von Phentolamin der Phäochromozytom-Nachweis erbracht.

Anwendung als Antidot[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Intoxikationen durch indirekte Sympathomimetika, wie Cocain, Amphetamin und amphetaminartigen Substanzen ist eine Blockade der alpha-Rezeptoren indiziert, wenn die Sedation des Patienten allein nicht ausreicht. Mittel der Wahl zur Behandlung von Tachykardie und arteriellen Hypertonie ist das Antidot Phentolamin. Eine alleinige Betablockade kann durch die ungehinderte Wirkung an den Alpharezeptoren zu schweren hypertensiven Komplikationen führen.[7]

Erektile Dysfunktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Phentolamin ist in Kombination mit Papaverin oder mit Aviptadil angezeigt zur Behandlung der erektilen Dysfunktion.

Zahnmedizin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die in der Zahnmedizin gebräuchlichen Lokalanästhetika werden gewöhnlich mit Epinephrin als Vasokonstringens kombiniert, um die Blutgefäße einzuengen und zu verhindern, dass das Anästhetikum nicht zu schnell von der Injektionsstelle abfließt. Als Nebenwirkung der zahnärztlichen Lokalanästhesie können noch Stunden nach der Behandlung Parästhesien (Fehlempfindung) der Lippe, der Zunge oder beider Organe (Verlust des Empfindungsvermögens, Brennen, Kribbeln) bis zur allgemeinen Empfindungslosigkeit oder Gefühlstaubheit (Sensibilitätsstörungen) auftreten.

Phentolaminmesilat bewirkt durch die Erweiterung der Blutgefäße und damit einhergehenden erhöhten Blutfließgeschwindigkeit (Aufhebung der Epinephrin-Wirkung), dass das Anästhetikum abfließen kann. In klinischen Versuchen reduzierte das Medikament die Zeit um die Empfindung der Lippen wieder zu erlangen auf 75 bis 85 Minuten, also mehr als die Hälfte.[8][9] Novalar Pharmaceuticals, eine kleine Arzneimittelfirma aus San Diego, erhielt im Mai 2008 die Zulassung von der Food and Drug Administration (FDA) für diese zahnmedizinische Indikation (Handelsname OraVerse). Es ist seit Anfang 2011 in Deutschland zugelassen und seit 2013 im Handel erhältlich.[10]

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Phentolamin darf nicht angewendet werden bei bekannter Überempfindlichkeit gegenüber dem Arzneistoff. Eine absolute Kontraindikation besteht bei Hypotonie, einem Myokardinfarkt (Herzinfarkt), auch in der Anamnese, Koronarinsuffizienz, Angina Pectoris oder anderen Hinweise auf eine Koronarerkrankung, bei Gastritis und einem peptischen Ulcus.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ernst Mutschler u. a.: Mutschler - Arzneimittelwirkungen Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage. Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8047-1952-1.
  • Reinhard Larsen: Anästhesie und Intensivmedizin in Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. (1. Auflage 1986) 5. Auflage. Springer, Berlin/ Heidelberg/ New York u. a. 1999, ISBN 3-540-65024-5, S. 65–69 und 76.

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monopräparate
  • OraVerse (USA)
  • Regitin (Schweiz), nicht mehr im Handel
Kombinationspräparate
  • mit Papaverin: Androskat (A, NL)
  • mit Aviptadil: Invicorp (DK)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Europäische Arzneibuch-Kommission (Hrsg.): EUROPÄISCHE PHARMAKOPÖE 5. AUSGABE. Band 5.0–5.8, 2006.
  2. a b Eintrag zu Phentolamin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 30. Mai 2014.
  3. Sean Sweetman (Hrsg.): Martindale: The Complete Drug Reference, 35th Edition: Book and CD-ROM Package. Pharmaceutical Press, ISBN 0-85369-704-3.
  4. a b Datenblatt Phentolamine hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 19. April 2011 (PDF).
  5. Reinhard Larsen: Anästhesie und Intensivmedizin in Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. 1999, S. 76.
  6. Dossier über Phäochromozytom.
  7. Antidote bei Vergiftungen des Schweizerischen Toxikologischen Informationszentrums 2008 (PDF; 233 kB).
  8. E. V. Hersh u. a.: Reversal of soft-tissue local anesthesia with phentolamine mesylate in adolescents and adults. In: J Am Dent Assoc. 2008 Aug;139(8), S. 1080–1093, PMID 18682623.
  9. M. Tavares u. a.: Reversal of soft-tissue local anesthesia with phentolamine mesylate in pediatric patients. In: J Am Dent Assoc. 2008 Aug;139(8), S. 1095–1104, PMID 18682624.
  10. OraVerse – der aktuelle Stand ZMK.