Philosophie in der DDR

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Bis 1990 lehrten circa 30 Universitätsprofessoren Philosophie in der DDR. Schätzungen besagen, dass es zusammen mit den Assistenten rund 150 Personen waren, die in der Deutschen Demokratischen Republik als akademische Lehrer der Philosophie tätig waren, die meisten von ihnen im Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR.

Es gab Philosophiehistoriker für Antike, Mittelalter, Neuzeit und Moderne, wobei die Moderne unter der Überschrift „bürgerliche Philosophie“ behandelt wurde und die zeitgenössische westliche Philosophie unter der Überschrift „spätbürgerliche Philosophie“.

Die bekannten philosophischen Disziplinen waren in der ganzen Breite vertreten. Je nach den Interessen der Lehrstuhlinhaber gab es Schwerpunkte bei Erkenntnistheorie oder Wissenschaftstheorie ebenso wie bei ethischen oder sozialen Fragen. An einigen Universitäten gab es das Phänomen der Bildung von „Schulen“ um einzelne Lehrstühle herum.

Marxismus-Leninismus als Staatsideologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der DDR war der Marxismus-Leninismus Staatsideologie. Da es im Marxismus-Leninismus zu einer großen Zahl an philosophischen Grundfragen festgelegte Auffassungen gibt (z. B. Determinismus statt Willensfreiheit, Materialismus statt Idealismus), bewegten sich alle in der DDR-Philosophie Lehrenden in einem fest abgesteckten Rahmen. Die Vorgaben des Staates sahen vor, dass jeder DDR-Philosoph sich als Marxist-Leninist zu sehen hatte, und philosophische Forschung musste sich an den vorgegebenen Leitlinien orientieren. Alfred Kosing berichtet das diese Festlegung verbindlicher Schemata, Strukturen oder Standpunkte durch politische Autoritäten und Gremien in der marxistischen Philosophie zum Dogmatismus führte. Obwohl man ständig zum wissenschaftlichen Meinungsstreit aufrief sei keiner Zustande gekommen. Die Vermengung von Politik und Philosophie führte zu denunzatorischen Verdächtigungen und politischen Verurteilungen, so dass sich niemand traute abweichende Meinungen zu äußern. Er erlebte am eigenen Leibe wie jemand, dem er im guten Glauben seine kritische Haltung gegenüber der offiziellen Meinung anvertraute, sorgfältig Buch über alle seine Äußerungen führte. Auf einer Tagung sei dieser wie ein Kettenhund auf ihn losgegangen und las aus dem Buch vor was er irgendwann gesagt hatte, um ihn als „Parteifeind“ zu entlarven. Kosing stürmte jedoch nach der Tagung zum Präsidium seines Instituts und brüllte mit seiner lautesten Stimme „Das ist hier kein wissenschaftliches Institut, sondern ein Irrenhaus!“ und drohte mit Kündigung und einen Bericht an Walter Ulbricht und konnte sich so und durch Rückendeckung, die von seinen Kollegen beneidete Situation erkämpfen, seine Meinung fortan offen vertreten zu können.[1]

Ost-West-Austausch der Philosophen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor 1990 gab es sehr wenig Austausch zwischen Philosophen der Bundesrepublik und der DDR. Es herrschte das Gefühl vor, nicht dieselbe Sprache zu sprechen, und der Umstand, dass nur besonders privilegierte DDR-Akademiker die Möglichkeit bekamen, an Tagungen im Westen teilzunehmen, wirkte als ein zusätzliches Hindernis. Im Westen interessierte man sich zumeist nur wenig für die Philosophen der DDR. Es gab jedoch unter den DDR-Philosophen einige Wissenschaftstheoretiker und Philosophiehistoriker, die auch im Westen bekannt wurden.

Leistungen der DDR-Philosophie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der DDR wurden Werkausgaben zu den Texten von Aristoteles, Leibniz, Feuerbach, Hess und die Marx-Engels-Gesamtausgabe herausgegeben. Unter den weiteren Arbeiten, die im Rahmen der DDR-Philosophie entstanden, werden üblicherweise diese besonders hervorgehoben:

Abwicklung der DDR-Philosophie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf der Grundlage des Einigungsvertrags wurden die Institutionen der DDR-Philosophie in den Jahren 1990 bis 1993 umgebaut oder abgeschafft. Die Zuständigkeit für den Umbau lag in den Händen der Landesregierungen. Man richtete Evaluierungs-, Gründungs- und Berufungskommissionen ein, in denen westdeutsche Professoren die Mehrheit hatten. Daneben gab es auch Ehren- und Personalkommissionen, die ausschließlich mit ehemaligen DDR-Bürgern besetzt waren. Das Ergebnis der Beratungen bestand darin, dass nahezu alle Personen, die zuvor die DDR-Philosophie ausgemacht hatten, ihren Arbeitsplatz verloren.

Gerd Irrlitz, Philosophieprofessor aus Berlin, erhielt eine Stelle, die seiner früheren Position entsprach. Dasselbe galt für einige Logiker. Das Berliner Zentralinstitut für Philosophie wurde ganz aufgelöst.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Georg Klaus, Manfred Buhr (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. 1. Aufl., Leipzig: VEB Bibliographisches Institut 1964 (1 Bd.), 10. neubearb. und erw. Aufl., Leipzig: VEB Bibliographisches Institut 1974 (2 Bde.), 11. Auflage, Leipzig: VEB Bibliographisches Institut 1975 (2 Bde.); auch als Marxistisch-leninistisches Wörterbuch der Philosophie. 1. Aufl., Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1972 (3 Bde.), [5. Aufl.]. neubearb. u. erw. Ausgabe, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1975 (3 Bde.).
  • Volker Caysa, Petra Caysa, Elke Uhl, Klaus-Dieter Eichler: Hoffnung kann enttäuscht werden. Ernst Bloch in Leipzig.; Verlag Hain, Berlin 1992, ISBN 978-3-445-08573-3.
  • Volker Gerhardt, Hans-Christoph Rauh (Hrsg.): Anfänge der DDR-Philosophie 1945-1958. Ansprüche, Ohnmacht, Scheitern. Christoph Links Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-86153-225-5.
  • Alfred Kosing: Innenansichten als Zeitzeugnisse: Philosophie und Politik in der DDR. Erinnerungen und Reflexionen. Verlag am Park in der Edition Ost, Berlin 2008, ISBN 978-3-89793-178-7.
  • Hans-Christoph Rauh, Peter Ruben (Hrsg.): Denkversuche. DDR-Philosophie in den 60er Jahren. Christoph Links Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-86153-359-6.
  • Hans-Martin Gerlach, Hans-Christoph Rauh (Hrsg.): Ausgänge. Zur DDR-Philosophie in den 70er und 80er Jahren. Christoph Links Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-557-7.
  • Hans-Christoph Rauh; Philosophie aus einer abgeschlossenen Welt. Zur Geschichte der DDR-Philosophie und ihrer Institutionen. (Mit Beiträgen von Camilla Warnke und Peer Pasternack), Ch. Links Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-86153-882-0.
  • Hans-Christoph Rauh, Alexander Amberger, Andreas Heyer, Michael Eckardt: Anfang und Ende der ostdeutschen Philosophie. Studien zum Wirken von Ernst Bloch, Wolfgang Harich, Georg Klaus und weiteren Philosophen in der DDR. Helle Panke e.V., „Philosophische Gespräche“, Heft 47, Berlin 2017.
  • Hans-Christoph Rauh: Personenverzeichnis zur DDR-Philosophie 1945–1995, De Gruyter, Berlin/New York 2021, ISBN 978-3-11-073705-9.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Alfred Kosing: Innenansichten als Zeitzeugnisse. Philosophie und Politik in der DDR. Erinnerungen und Reflexionen. Berlin 2008, S. 178 ff. und 235.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]