Polyanilin

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Strukturformel
Struktur von Polyanilin
Allgemeines
Name Polyanilin
Andere Namen
  • PAni
  • ORMECON
CAS-Nummer
Monomer Anilin
Summenformel der Wiederholeinheit C6H5N / C6H4N (Oxidationszustand)
Molare Masse der Wiederholeinheit 90–91 g·mol−1
Kurzbeschreibung

dunkelbrauner Feststoff[1]

Eigenschaften
Aggregatzustand

fest[1]

Dichte

1,4 g·cm−3 (20 °C)[1]

Elektrische Leitfähigkeit

5–500 S/cm[2][3][4]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[5]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Polyanilin, Kurzzeichen PAni oder PANI, ist ein leitfähiges Polymer. Es findet v. a. Anwendung in der Endbeschichtung von Leiterplatten[6] und im Korrosionsschutz.[7] Polyanilin wird auch als „intrinsisch leitfähiges Polymer“ (ICP), also selbstleitend, bezeichnet, weil es in seiner Salzform ohne weitere Zusätze leitend ist. Polyanilin wird auch als „Organisches Metall“ bezeichnet, hat jedoch eine um mehrere Größenordnungen geringere Leitfähigkeit als diese. Die Verarbeitung und Anwendung von PAni erfolgt zum Beispiel als Dispersion.

Klassifizierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Polyanilin ist ein Radikal-Kation-Salz eines konjugierten Polymers mit oxidativ gekuppelten Anilineinheiten und einer Säure. Zudem unterscheiden sich Farbe und Eigenschaften des Polyanilins je nach Oxidationszustand, dabei sind im Wesentlichen drei wichtige zu unterscheiden:

  • Leicht gelblicher bzw. farbloser Oxidationsstatus: reduzierte Form des stabilen „grünen Polymers“, wird an Luft schnell wieder oxidiert; nicht-leitend.
  • Grüner Oxidationsstatus: Die stabilste Form des Polymers. Diese Oxidationsform ist die eigentlich gehandelte und verwendete Oxidationsstufe des Polyanilin; leitend bzw. sogar organisches Metall.
  • Blauer Oxidationsstatus: ebenfalls stabile Form des Polymers, neutrale nicht-leitende Form; kann aus der „grünen“ Form des PAni durch Neutralisation mit Basen gewonnen werden.

Reaktionsmechanismus/Herstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Polyanilin wird durch oxidative Polymerisation hergestellt, es wird also neben Lösungsmitteln und Lösungsvermittlern, wie Natriumdodecylsulfat, ein radikalbildendes Oxidationsmittel verwendet (z. B. Peroxidisulfat), welche die delokalisierte Elektronenstruktur des Anilins paraständig „angreifen“ und das Radikal letztendlich von der Aminogruppe aus einen Angriff auf ein anderes Anilin startet, welches ebenfalls paraständig eine π-Bindung vom Stickstoff der Aminogruppe zu einem Kohlenstoffatom eines anderen Anilins bildet. Das Radikal wandert dann weiter zu der Aminogruppe des eben angegriffenen Anilins und der Prozess wiederholt sich. Die dadurch entstehende Kettenlänge des Polymers ist abhängig von der Höhe der Temperatur und der Startkonzentration des Radikalbildners, die bei der ca. 24 Stunden andauernden Polymerisation verwendet wird. Am Ende des Polymerisates wird das Radikal abgesättigt.

Allgemein gilt:

  • Je höher die Temperatur (ca. 220 °C) und die Konzentration der Startersubstanz (Radikalbildner) ist, desto kürzer wird die durchschnittliche Kettenlänge des Polymers.
  • Je niedriger die Temperatur (20–100 °C) und die Konzentration der Startersubstanz ist, desto länger wird die durchschnittliche Kettenlänge des Polymers.

Abhängigkeit von Morphologie, Struktur und Leitfähigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trotz nahezu 30 Jahre währender Forschung ist es noch nicht gelungen aufzuklären, welche Struktur des Polyanilins (und ganz allgemein: welche Strukturprinzipien bei leitfähigen Polymeren überhaupt) vorteilhaft bzw. entscheidend für hohe Leitfähigkeit sind. Generell wird angenommen, dass hohe Kristallinität und lineare Anordnung von Ketten (Fibrillen) hohe Leitfähigkeit ermöglicht, zumindest aber für die technisch / kommerziell relevanten leitfähigen Polymere wie PEDOT und Polyanilin konnte dies nicht bestätigt werden, sie sind weitgehend amorph und zeigen für Leitfähigkeitsunterschiede von einem Faktor 1000 und mehr keine Unterschiede in der Kristallinität.

Eine 2010 erschienene Arbeit[8] schlägt eine neuartige Interpretation der experimentellen Daten vor. Hiernach besteht PAni vorwiegend aus relativ kurzen Kettensegmenten, die helical sind; durch fortgeschrittene Dispersionstechniken werden diese Helixelemente zu längeren und miteinander in Korrelation stehenden Helices angeordnet.

Nach [9] sind Polaronen, Ionen und Löcher an der Stromleitung beteiligt. Beim Ladungstransport entlang der Molekülkette spielen die delokalisierten Elektronen in den Benzolringen sowie das nicht gesättigte Stickstoffatom eine Rolle.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Terje A. Skotheim, Ronald L. Elsenbaumer, John R. Reynolds (Hrsg.): Handbook of Conducting Polymers. 2. Auflage. Marcel Dekker, New York 1997, ISBN 0-8247-0050-3.
  • Li-Ming Huanga, Cheng-Hou Chena and Ten-Chin Wen: Development and characterization of flexible electrochromic devices based on polyaniline and poly(3,4-ethylenedioxythiophene)-poly(styrene sulfonic acid). National Cheng Kung University Taiwan, 2006, doi:10.1016/j.electacta.2006.03.031.
  • B. Wessling: New Insight into Organic Metal Polyaniline Morphology and Structure. In: Polymers 2, Nr. 4, 2010, S. 786–798, doi:10.3390/polym2040786.
  • J. Stejskal, R.G. Gilbert: Polyaniline. Preparation of a conducting polymer (IUPAC technical report). In: Pure and Applied Chemistry. Band 74, Nr. 5, 2002, S. 857–868, doi:10.1351/pac200274050857.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Datenblatt Polyanilin bei Alfa Aesar, abgerufen am 14. April 2010 (Seite nicht mehr abrufbar).
  2. Seyed Hossein Hosseini, S. Jamal Gohari: Electrical field influence on molecular mass and electrical conductivity of polyaniline. In: Polymer Science Series B. Band 55, Nr. 7-8, Juli 2013, S. 467–471, doi:10.1134/S1560090413070087.
  3. J. Stejskal, R. G. Gilbert: Polyaniline. Preparation of a conducting polymer(IUPAC Technical Report). In: Pure and Applied Chemistry. Band 74, Nr. 5, 2002, S. 857–867, doi:10.1351/pac200274050857.
  4. Dispersionen: Patent EP1706431A1: Dispersionen intrinsisch leitfähiger Polymere und Verfahren zu deren Herstellung.
  5. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  6. W. S. Huang, M. Angelopoulos, J. R. White, J. M. Park: Metallization of Printed Circuit Boards Using Conducting Polyaniline. In: Molecular Crystals and Liquid Crystals Incorporating Nonlinear Optics. Band 189, Nr. 1, 1990, S. 227–235, doi:10.1080/00268949008037235.
  7. B. Wessling: Corrosion prevention with an organic metal (polyaniline): Surface ennobling, passivation, corrosion test results. In: Materials and Corrosion/Werkstoffe und Korrosion. Band 47, Nr. 8, 1996, S. 439–445, doi:10.1002/maco.19960470804.
  8. B. Wessling: New Insight into Organic Metal Polyaniline Morphology and Structure. In: Polymers 2, Nr. 4, 2010, S. 786–798, doi:10.3390/polym2040786.
  9. R. Rutsch, J. Toušek: Mobility of Holes and Polarons in Polyaniline Thin Films Determined by Impedance Spectroscopy Measurements. Beitrag zur Jahreskonferenz der Doktoranden 2018 der Karls-Universität Prag, ISBN 978-80-7378-374-7, abgerufen am 17. Jan. 2022