Postkoitale Müdigkeit

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Unter postkoitale Müdigkeit versteht man die eintretende Müdigkeit nach einem Orgasmus. Sie tritt nicht nur nach dem Koitus ein, sondern auch bei jeder anderweitigen Art der sexuellen Befriedigung, wie beispielsweise Masturbation und kommt häufiger bei Männern zum Vorschein.

Statistiken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ersten Studien zufolge wurde angenommen, dass Frauen nach dem Sex erschöpft seien.[1] Häufiger als Männer geben Frauen aber auch an, nach dem Sex oft auch wacher und angeregter zu sein als zuvor.[2][3] Vor allem sind Männer von Müdigkeit betroffen.[4] In einer Umfrage unter 10.000 britischen Männern gaben 80 % der Männer an, sie seien nach dem Koitus so entspannt, dass sie sofort eindösen würden. Dem standen nur 46 % der Frauen mit ähnlichen Angaben gegenüber.[5]

Erklärungsansätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Männern automatisch entnommene Blutproben im Zwei-Minuten-Abstand über insgesamt 40 Minuten vor und nach dem Orgasmus zeigten nach dem Orgasmus einen rapiden Abfall von Adrenalin und Noradrenalin und eine Zunahme von Oxytocin und Prolaktin.[6] Vergleichbare Daten für Frauen zeigten ebenfalls einen Anstieg von Prolaktin, jedoch – im Gegensatz zum rapiden Abfall bei Männern – auch einen Anstieg von Adrenalin und Noradrenalin.[7]

Da Adrenalin und Noradrenalin eine Schlüsselrolle bei der zentralen Regelung des Niveaus von Wachheit haben, ist hier ein Abfall (Männer) ein Indikator von relativer Müdigkeit und ein Anstieg (Frauen) ein Indikator von erhöhter Wachheit.[8]

Adrenalin und Noradrenalin, die als Hormone vom Nebennierenmark ins Blut ausgeschüttet werden, passieren bei Gesunden jedoch in der Regel nicht die Blut-Hirn-Schranke und haben damit keinen direkten Einfluss auf Rezeptoren von Nerven im Gehirn. Sie haben jedoch über aufsteigende Fasern des Nervus vagus einen bedeutenden Einfluss auf die noradrenergen Nerven des Locus caeruleus im Hirnstamm,[9] die das Niveau der Erregung (Wachheit) in weiten Bereichen des Gehirns bestimmen.

Vereinfachend lässt sich auch sagen, dass ein Abfall von Adrenalin und Noradrenalin (Männer) eine Verschiebung der vegetativen Balance zu Gunsten des Parasympathikus (Parasympathikotonie) bedeutet (Erholung). Umgekehrt bedeutet ein Anstieg der beiden Hormone (Frauen) eine Verschiebung zu Gunsten des Sympathikus (Sympathikotonie, erhöhte Wachheit). Wie die obigen Statistiken zeigen, gibt es Unterschiede von Person zu Person und eventuell weitere Einflussfaktoren.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ruth Jahn: Amors Hormonpfeile. (online)
  • Wie Hormone wirken. (online; PDF; 2,3 MB)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. William H. Masters, Virginia E. Johnson: Human sexual response. Little, Braun & Co., Boston 1966.
  2. Rolf Degen: Vom Höchsten der Gefühle: wie der Mensch zum Orgasmus kommt. Eichborn, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-8218-5570-3.
  3. Rajeev Sharma: Sex Education. Lotus Press, New Delhi 2006, ISBN 81-8382-064-6 (online) → Zitat S. 145: "Post Coital Pleasure Having sex puts men to sleep but wakes women up."
  4. Harold I. Lief: Medical aspects of human sexuality: 750 questions answered by 500 authorities. Williams & Wilkins, Baltimore 1975 → Zitat: Men, on the other hand, do seem to have a general tendency to roll over and go to sleep after achieving orgasm.
  5. Typisch Mann. Sex macht ja so müde. In: Focus. vom 18. Februar 2005 (online).
  6. T. H. Krüger, P. Haake, D. Chereath et al.: Specificity of the neuroendocrine response to orgasm during sexual arousal in men. In: The Journal of endocrinology. Band 177, Nr. 1, 2003, S. 57–64, PMID 12697037.
  7. M. S. Exton, A. Bindert, T. Krüger, F. Scheller, U. Hartmann, M. Schedlowski: Cardiovascular and endocrine alterations after masturbation-induced orgasm in women. In: Psychosomatic medicine. Band 61, Nr. 3, Mai–Juni 1999, ISSN 0033-3174, S. 280–289, PMID 10367606.
  8. C. W. Berridge, B. E. Schmeichel, R. A. España: Noradrenergic modulation of wakefulness/arousal. In: Sleep Medicine Reviews. Band 16, Nr. 2, April 2012, ISSN 1532-2955, S. 187–197, doi:10.1016/j.smrv.2011.12.003, PMID 22296742, PMC 3278579 (freier Volltext) (Review).
  9. C. K. McIntyre, J. L. McGaugh, C. L. Williams: Interacting brain systems modulate memory consolidation. In: Neuroscience and biobehavioral reviews. Band 36, Nr. 7, August 2012, ISSN 1873-7528, S. 1750–1762, doi:10.1016/j.neubiorev.2011.11.001, PMID 22085800, PMC 3315607 (freier Volltext) (Review).