Proglas

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Proglas ist eine in Versen geschriebene Vorrede („Vorgesang“) zu der Übersetzung der Evangelien ins Altkirchenslawische aus dem 9. Jahrhundert. Als Autor gilt der hl. Kyrill.[1] Es ist das älteste erhaltene Schriftstück in altkirchenslawischer Sprache. Das Gedicht ist 110 Verse lang, jeder Vers besteht aus 12 Silben, der 111. Vers ist Amen.

Handschriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Proglas wurde im Jahr 1858 von A. F. Hilferding[2] in einer serbischen Handschrift aus dem 14. Jahrhundert entdeckt. Außerdem ist es in zwei altslawischen Übersetzungen der Evangelien aus dem 13. und 14. Jahrhundert und in einer russischen Handschrift aus dem 16. Jahrhundert[1] enthalten.

Bedeutung und Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gedicht befindet sich sowohl in formaler wie auch inhaltlicher Sicht auf einem sehr hohen Niveau. Es besingt die Übersetzung des Wortes Gottes in eine den Menschen verständliche Sprache und rühmt die Nationalsprache als ein notwendiges Mittel zu Verbreitung von Bildung und Frömmigkeit.[3]

„In keiner Literatur aus dieser Zeit und auch noch lange danach finden wir einen vergleichbaren Appell an das Volk, die Bücher in eigener Sprache zu schätzen.“[2]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

VORREDE (GESANG) ZUM HEILIGEN EVANGELIUM BIN ICH.
Wie die Propheten verheißen hatten,
Christus kommt die Völker zu sammeln,
denn er ist das Licht der ganzen Welt.

Das geschah in unserem siebten Jahrtausend.[4]
Sie sagten: Die Blinden werden sehen,
die Tauben werden das Wort Gottes hören.
Deshalb ist es nötig, Gott kennenzulernen.
So hört nun ihr Slawen diese Worte.

Verse 1 - 9

Der heilige Paulus lehrte:
Wenn ich im Gebet vor Gott trete,
möchte ich lieber fünf Worte mit meinem Verstand reden,
damit ich auch andere unterweise,
als zehntausend unverständliche Worte.

Verse 50 - 55, (vgl. auch 1. Kor. Kap. 14 Vers 19)

Nackt (schutzlos) stehen die Völker da,
wenn sie keine Bücher in eigener Sprache haben,
ohne diese Waffen
können sie nicht gegen den Widersacher menschlicher Seelen kämpfen
und sind dem ewigen Verderben ausgeliefert.

Verse 80 - 85 (vgl. auch Hebr. Kap. 4, Vers 12)

Anmerkung: Die Verse sind frei ins Deutsche übertragen aus dem tschechischen Text in Vašica[2]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Proglas wurde im 20. Jahrhundert von tschechischen Komponisten mehrmals vertont, z. B. in voller Länge von Zdeněk Pololáník (1980) und in Teilen von Jiří Pavlica.[5]

Radio Proglas ist ein privater christlicher Sender in Tschechien, gegründet 1995.[6]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Dvornik, Francis: Byzantine Mission among the Slavs, SS. Constantine-Cyril and Methodius, Rutgers University Press 1970, SBN: 8135-0613-1, S. 118 u. 369 (englisch). Dvornik zitiert R. Nachtigal: Rekonstrukcija treh starocerkvenoslov izvirnih pesnilev (Reconstruction of Three Old Church Slavonic Original Poems), Razprave Akademije znalosti i umetnosti v Ljubljane, Ljubljana 1943, pp. 43–156, esp. p. 89 ff.
  2. a b c Vašica, Josef: Literární památky epochy velkomoravské 863 – 885. Vyšehrad, Praha 1996, ISBN 80-7021-169-5, S. 37–38, 140–143 (tschechisch, 340 S.).
  3. Šmatlák, Stanislav, a kol. Slovensko. 4 Kultura, 1. Teil. 1. vyd. Bratislava: Obzor, 1979, 992 S., S. 33, 137 (tschechisch).
  4. Ausgehend vom traditionellen Schöpfungsdatum 5508 v. Chr. begann das 7. Jahrtausend der Welt im Jahr 492 n. Chr.
  5. Večerka, Radoslav: Staroslověnská etapa českého písemnictví. Nakladatelství Lidové Noviny, Praha 2010, ISBN 978-80-7422-044-9, S. 127 (tschechisch, 176 S.).
  6. Radio Proglas. Abgerufen am 21. Januar 2017

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wikisource hat den vollständigen Text in moderner Transliteration
  • Wikisource hat den vollständigen Text in Kyrillisch
  • Wikisource hat den vollständigen Text in Glagolitisch