Projektive Ebene mit Kegelschnitten und Ferngerade
Ein nicht ausgearteter (n.a.) projektiver Kegelschnitt ist eine Kurve in einer pappusschen projektiven Ebene, die bei geeigneter Wahl einer Ferngerade
affin als Hyperbel
(s. Bild: c2) oder Parabel
(Bild: c1) beschrieben werden kann. Die Gleichung
beschreibt nicht immer einen n.a. Kegelschnitt.
- Ein n.a. Kegelschnitt lässt sich in homogenen Koordinaten (s. u.) durch eine Gleichung der Form
beschreiben und ist deswegen auch eine projektive Quadrik.
Geometrisch kann man sich einen n.a. projektiven Kegelschnitt
kreisähnlich vorstellen mit den wesentlichen Eigenschaften: 1) eine Gerade trifft
in 0, 1 oder 2 Punkten, 2) in jedem Punkt
von
gibt es genau eine Tangente
, d. h.
. Diese beiden Eigenschaften bestimmen allerdings noch nicht einen n.a. Kegelschnitt. Zusätzlich zu den geometrischen Eigenschaften 1), 2) besitzt ein n.a. Kegelschnitt viele Symmetrien (s. u.).
Der Vorteil eines projektiven n.a. Kegelschnitts ist die Tatsache, dass alle n.a. projektiven Kegelschnitte zur Kurve mit der Gleichung
projektiv äquivalent sind. Affin sind die affinen Kegelschnitte Ellipse, Parabel und Hyperbel nicht äquivalent: Eine Parabel lässt sich mit einer affinen Abbildung nicht in eine Ellipse oder Hyperbel überführen.
Die projektive Erweiterung der affinen Ebene über einem Körper K liefert das anschauliche inhomogene Modell der projektiven Ebene über K. Dabei wird jeder Gerade
bzw.
ein Punkt, der allen dazu parallelen Geraden auch angehört, hinzugefügt. Die neuen Punkte nennt man Fernpunkte und die Menge der neuen Punkte Ferngerade. In der projektiven Erweiterung gibt es die Parallelrelation zwischen Geraden nicht mehr. Die Geometrie ist „einfacher“ geworden: 1) Zu je zwei Punkten gibt es genau eine Verbindungsgerade. 2) Zwei Geraden schneiden sich in genau einem Punkt. Die zunächst inhomogene Beschreibung (d. h. die Ferngerade scheint eine Sonderrolle zu spielen) wird durch das homogene Modell beseitigt: Ein Punkt ist eine Ursprungsgerade, eine Gerade eine Ursprungsebene im
.[1] Der Vorteil des homogenen Modells ist: Die wichtigsten Kollineationen werden durch lineare Abbildungen induziert.[2][3]
Projektive Ebene: inhomogenes Modell
Definition:
Es sei K ein Körper und
die Menge der Punkte

die Menge der Geraden,
die Ferngerade, ihre Punkte sind die Fernpunkte.
heißt inhomogenes Modell der projektiven Ebene über dem Körper K.
Definition:
Es sei
ein Körper,
der Vektorraum
und
,
,
wobei
der von
aufgespannte Unterraum ist.
.
heißt homogenes Modell
der projektiven Ebene über
.
Satz:
und
sind isomorphe projektive Ebenen.
Die folgende Abbildung
bildet
auf
ab. Die projektive Gerade mit der Gleichung
wird dabei auf
abgebildet:
, falls
, falls
, falls
.
Die Umkehrabbildung ist:
Definition:
- Permutationen der Punktmenge
, die Geraden auf Geraden abbilden, heißen Kollineationen.
- Kollineationen von
, die von linearen Abbildungen induziert werden, heißen projektiv.
Bemerkung:
In den projektiven Ebenen
und
gilt der Satz von Pappos. Sie heißen deswegen pappussch.
Definition eines nicht ausgearteten projektiven Kegelschnitts[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Projektiver Kegelschnitt

in homogenen Koordinaten incl. inhomogenen Bezeichnungen
Projektiver Kegelschnitt

in inhomogenen Koordinaten: Hyperbel und Fernpunkte
Projektiver Kegelschnitt

in homogenen Koordinaten incl. inhomogenen Bezeichnungen
Projektiver Kegelschnitt

in inhomogenen Koordinaten: Parabel und Fernpunkt
Es werden zunächst die Kurven
als Quadriken in
(homogene Koordinaten) definiert. Die im vorigen Abschnitt erklärte Zuordnung
zwischen dem homogenen Modell
und dem inhomogenen Modell
liefert schließlich anschaulichere inhomogene Beschreibungen von
.
Definition:
Es sei
ein Körper. In
sei
.
In
ist
:
.
Jedes Bild von
unter einer Kollineation von
heißt nicht ausgearteter projektiver Kegelschnitt. (Ausgeartete Kegelschnitte sind: die leere Menge, 1 Punkt, 1 Gerade oder 2 Geraden.)
Definition:
.
In
ist
:
.
Bemerkung:
Die Gleichungen
beschreiben im
Kegel mit Spitzen im Nullpunkt (s. Bilder).
enthält die
- und
-Achsen,
enthält die
- und
-Achsen.
Lemma:
Die n. a. Kegelschnitte in
sind projektiv äquivalent zu
(oder
). (D. h., sie sind durch eine projektive Kollineation ineinander überführbar.)
Bemerkung:
Die lineare Abbildung
induziert eine projektive Kollineation, die
auf
abbildet. Im inhomogenen Modell wird diese Kollineation durch
beschrieben.
Bemerkung:
- Der „Einheitskreis“
ist im Fall
(d. h. 1+1=0) kein n. a. Kegelschnitt, da in diesem Fall die Gleichung
eine Gerade beschreibt.
- Im Fall
lässt sich die Gleichung
durch eine geeignete Koordinatentransformation in die Gleichung
überführen, d. h. der Einheitskreis ist nur im Fall
ein n. a. Kegelschnitt.
- Im Fall
schneidet der Einheitskreis die Ferngerade in zwei Punkten und ist im affinen Teil mit einer Hyperbel zu vergleichen.
Satz:
- Ein n.a. Kegelschnitt
- wird von einer Gerade
in höchstens 2 Punkten geschnitten. Im Fall
heißt
Passante, im Fall
Tangente und im Fall
Sekante.
- hat in jedem Punkt genau eine Tangente.[4]
- Ein n.a. Kegelschnitt
ist symmetrisch zu jedem Punkt
, durch den eine Sekante geht, d. h. es gibt eine involutorische Zentralkollineation
mit Zentrum
, die
invariant lässt.[5]
- Falls
ist, besitzt ein n.a. Kegelschnitt
Punkte.
- Es gelten die Pascalschen Sätze.[6]
Beispiele von Symmetrien im Fall
:
ist für jedes
eine Schrägspiegelung an der Gerade
, die
als Ganzes festlässt.
sind Fixpunkte auf
. Im Fall
ist die Schrägspiegelung die normale Spiegelung an der y-Achse.
- Die Involution
ist die „Spiegelung“ (involutorische Zentralkollineation) mit der Achse
und Zentrum
. Sie lässt
als Ganzes fest.
sind Fixpunkte auf
.
Beispiele von Symmetrien im Fall
:
ist für jedes
eine involutorische Zentralkollineation mit Zentrum
auf der Achse
, die
als Ganzes festlässt.
ist der einzige Fixpunkt auf
. (Auf
wirkt diese Abbildung als Translation in Richtung
.)
- Die Involution
ist die involutorische Zentralkollineation mit Zentrum
auf der Achse
. Sie lässt
als Ganzes fest.
ist der einzige Fixpunkt auf
.
Bemerkung:
- Die Tangente im Punkt
des Kegelschnitts
hat die Gleichung
. Im Fall
vereinfacht sich die Gleichung zu
, d. h. alle Tangenten gehen durch den Punkt
.
heißt der Knoten von
.
- Im inhomogenen Modell hat
im Punkt
die Tangente
. Die Tangenten in den Fernpunkten
sind die Koordinatenachsen. Im Fall
vereinfacht sich die Gleichung zu
, d. h. alle Tangenten gehen durch den Punkt
.
- Im inhomogenen Modell hat
im Punkt
die Tangente
. Die Tangente im Fernpunkt
ist die Ferngerade. Im Fall
vereinfacht sich die Gleichung zu
, d. h. alle Tangenten gehen durch den Punkt
(Fernpunkt der x-Achse).
Bemerkung:
Eine Punktmenge
mit den Eigenschaften
wird von einer Garade in höchstens 2 Punkten geschnitten.
hat in jedem Punkt genau eine Tangente (Gerade die mit
nur einen Punkt gemeinsam hat).
heißt Oval.[7][8]
Jeder n.a. Kegelschnitt ist ein Oval, aber nicht umgekehrt. Es gibt im reellen Fall viele Ovale, die keine Kegelschnitte sind: z. B. die Kurve
oder beim Kegelschnitt
ersetzt man die Parabel durch die Kurve
oder man setzt zwei Ellipsenhälften von verschiedenen Ellipsen glatt zusammen. Erst viele Symmetrien machen aus einem Oval einen Kegelschnitt.
Steiner-Erzeugung des Kegelschnitts

: Vorgaben
Steiner-Erzeugung des Kegelschnitts

Steiner-Erzeugung des Kegelschnitts

Ein n.a. projektiver Kegelschnitt kann auch nach Steiner folgendermaßen erzeugt werden (s. Satz von Steiner):
- Hat man für zwei Geradenbüschel in zwei Punkten
(alle Geraden durch den Punkt
bzw.
) eine projektive, aber nicht perspektive Abbildung
des einen Büschels auf das andere, so bilden die Schnittpunkte zugeordneter Geraden einen nicht ausgearteten projektiven Kegelschnitt.
Erzeugung von
:
Um den projektiven Kegelschnitt
(Parabel) zu erzeugen, geben wir im inhomogenen Modell
der projektiven Ebene die 3 Punkte
, die x-Achse als Tangente im Punkt
und die Ferngerade
als Tangente im Punkt
vor (s. Bild). Als Geradenbüschel verwenden wir die Büschel in
und
. Mit Hilfe der beiden Geraden
und
als Achsen für Perspektivitäten
(s. Satz von Steiner) bilden wir zunächst das Geradenbüschel in
mit
auf das Büschel im Fernpunkt
(Parallelen zur Gerade
) und anschließend mit
auf das Büschel in
(Parallelen zur y-Achse) ab. Dabei wird die Gerade
zunächst mit der Gerade
geschnitten. Der Schnittpunkt ist
. Die Parallele zu
durch diesen Punkt ist
. Der Schnittpunkt mit
ist
. Hieraus ergibt sich
. Durchläuft
alle Zahlen
so erhält man alle Punkte der Parabel
.
Bemerkung: Die x-Achse wird bei der projektiven Abbildung
auf die y-Achse und die y-Achse auf die Ferngerade abgebildet.
Bemerkung: Die Steiner-Erzeugung von
liefert eine einfache Methode, viele Punkte einer Parabel zu erzeugen. Siehe: Parabel.
Erzeugung von
:
Um den projektiven Kegelschnitt
(Hyperbel) zu erzeugen, geben wir im inhomogenen Modell
der projektiven Ebene die 3 Punkte
, die x-Achse als Tangente im Punkt
und die y-Achse als Tangente im Punkt
vor. Als Geradenbüschel verwenden wir die Büschel in
und
.
bildet zunächst das Büschel in
auf das Hilfsbüschel im Punkt
ab. Aufgrund der Symmetrie ist dieser Fall rechnerisch leichter zu erfassen. Man rechnet leicht nach, dass die Gerade
durch die projektive Abbildung
auf die Gerade
abgebildet wird (s. Bild).
Bemerkung:
- Die y-Achse wird bei der projektiven Abbildung
auf
und
auf die x-Achse abgebildet.
- Die Abbildung zeigt auch den Zusammenhang der Steiner-Erzeugung mit einer affinen Version der 4-Punkte Ausartung des Satzes von Pascal.
Bemerkung:
Eine Erzeugung der Hyperbel
findet man hier.
n.a. Kegelschnitt: Polarität
Ein n.a. projektiver Kegelschnitt kann im Fall
auch nach Karl von Staudt als die Menge der selbstpolaren Punkte einer hyperbolischen projektiven Polarität aufgefasst werden.
Für einen Vektorraum
über einem Körper
sei
eine Abbildung von
in
mit den folgenden Eigenschaften
- (Q1)
für jedes
und
.
- (Q2)
ist eine Bilinearform.
heißt quadratische Form. (Die Bilinearform
ist sogar symmetrisch, d. h.
. )
Im Fall
gilt
, d. h.
und
bestimmen sich gegenseitig in eindeutiger Weise.
Im Fall
ist
.
Im Folgenden sei
. Dann ist
.
Für einen Punkt
ist
eine Gerade und heißt die Polare von
.
heißt der Pol von 
Die Zuordnung
ist eine projektive hyperbolische Polarität. Hyperbolisch bedeutet, dass es Punkte gibt, die auf ihren Polaren liegen. Solche Punkte heißen selbstpolar. (Falls eine Polarität keine selbstpolaren Punkte besitzt, heißt die Polarität elliptisch.)
Eigenschaften der Polarität:
- Die Polare eines Kegelschnittpunktes ist die Tangente in diesem Punkt.
(s. Bild),
.
Startet man nun umgekehrt mit einer projektiven hyperbolischen Polarität
in der projektiven Ebene
, so wird diese durch eine reguläre symmetrische Bilinearform
auf
beschrieben. Im Fall
ist dann
eine quadratische Form, die einen nicht ausgearteten Kegelschnitt
beschreibt. Ein so definierter Kegelschnitt heißt v. Staudt-Kegelschnitt.[9]
Projektiver Kegelschnitt: Symmetrie

Bemerkung:
Die lineare Abbildung
induziert die involutorische Zentralkollineation
mit Achse
und Zentrum
, die
invariant lässt (s. Abschnitt „Eigenschaften eines n.a. Kegelschnitts“).
Bemerkung:
Polaritäten gibt es auch für die affinen Kegelschnitte Ellipse, Parabel und Hyperbel.
- ↑ CDKG: Computerunterstützte Darstellende und Konstruktive Geometrie (TU Darmstadt) (PDF; 3,4 MB), S. 249.
- ↑ CDKG: Computerunterstützte Darstellende und Konstruktive Geometrie (TU Darmstadt) (PDF; 3,4 MB), S. 250.
- ↑ Projektive Geometrie. (PDF; 180 kB). Kurzskript, Uni Darmstadt, S. 6.
- ↑ Planar Circle Geometries, an Introduction to Moebius-, Laguerre- and Minkowski Planes. (PDF; 891 kB), S. 24.
- ↑ Planar Circle Geometries, an Introduction to Moebius-, Laguerre- and Minkowski Planes. (PDF; 891 kB), S. 28.
- ↑ Planar Circle Geometries, an Introduction to Moebius-, Laguerre- and Minkowski Planes. (PDF; 891 kB), S. 29–34.
- ↑ Planar Circle Geometries, an Introduction to Moebius-, Laguerre- and Minkowski Planes. (PDF; 891 kB), S. 23.
- ↑ Projektive Geometrie. (PDF; 180 kB). Kurzskript, Uni Darmstadt, S. 12.
- ↑ Hanfried Lenz: Vorlesungen über projektive Geometrie, Akad. Verl. Leipzig, 1965, S. 67.
- Albrecht Beutelspacher, Ute Rosenbaum: Projektive Geometrie. 2., durchges. und erw. Auflage. Vieweg-Verlag, Wiesbaden 2004, ISBN 3-528-17241-X.
- Daniel R. Hughes, Fred C. Piper: Projective Planes. Springer, Berlin u. a. 1973, ISBN 3-540-90044-6.
- Hanfried Lenz: Vorlesungen über projektive Geometrie. Akademie Verlag, Leipzig 1965, DNB 452996449.
- Günter Pickert: Projektive Ebenen. 2. Auflage. Springer, Berlin u. a. 1975, ISBN 3-540-07280-2.