Psychiatriezentrum Münsingen

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Die „Irrenanstalt“ Münsingen um 1895
Das Psychiatriezentrum Münsingen 2007

Die PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG ist eine Psychiatrische Klinik in Münsingen bei Bern.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG behandelt jährlich über 3'100 psychisch erkrankte Erwachsene. Die Therapieschwerpunkte liegen in den Fachgebieten Depression und Angst, Psychose und Abhängigkeit sowie Alters- und Neuropsychiatrie. Am Spitalzentrum Biel betreibt das PZM die Psychiatrie Biel/Bienne, welche die psychiatrische Versorgung der Bevölkerung in der Region Biel-Berner Seeland-Jura, verantwortet. Neben dem Klinikbereich führt das Psychiatriezentrum Münsingen ein Wohnheim für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung, ein Kompetenzzentrum zur Behandlung geistig beeinträchtigter Menschen sowie geschützte Werkstätten.

Das PZM beschäftigt rund 760 Mitarbeiter (Stand Januar 2020).

Der Bau des Psychiatriezentrums Münsingen begann 1895 nach Plänen von Paul Adolphe Tièche. Infolge chronischen Platzmangels in der Klinik Waldau bei Bern beschloss der Grosse Rat die Errichtung einer zweiten „Irrenanstalt“ auf dem Schlossgut in Münsingen. Gebaut wurde die Anlage in einem gemischten Block- und Pavillonsystem.

Das neue Psychiatriezentrum Münsingen galt als innovativ und offen für neue Therapieverfahren. Die Klinikleitung nahm ausdrücklich mehr Entweichungen in Kauf, damit sie die Kranken in Werkstätten und im Freien beschäftigen konnte, anstatt sie zu isolieren. Als erste Heilanstalt der Schweiz führte Münsingen im Jahr 1898 die Familientherapie und im Jahr 1929 die Beschäftigungstherapie ein. Das PZM galt in der Behandlung von Schizophrenien schon bald als führend. 1937 fand in Münsingen ein erster internationaler Kongress zu dem Thema statt.[1]

Zum Behandlungsangebot gehört die ambulante, teilstationäre und stationäre Abklärung, Diagnostik und Behandlung für psychisch kranke Erwachsene. Das therapeutische Handeln beinhaltet als Schwerpunkte die Psychotherapie, die Soziotherapie und die Pharmakotherapie. Sie werden ergänzt durch Spezialtherapien.

Der Schriftsteller Friedrich Glauser (1896–1938) verbrachte insgesamt sechs Jahre in der Klinik in Münsingen und machte diese 1936 zum Schauplatz von Matto regiert, dem dritten Roman um die Detektivfigur Wachtmeister Studer. Der Krimi gilt als Glausers Schlüsselroman und löste bei seinem Erscheinen 1937 einen Skandal im bernischen Gesundheitswesen aus, in deren Folge Max Müller (Oberarzt am PZM) zum Regierungsrat und Direktor des Gesundheitswesens zitiert wurde und der Psychiatrischen Klinik Waldau eine Disziplinaruntersuchung drohte. Szenen des Dokumentarfilms Glauser – Das bewegte Leben eines grossen Schriftstellers des Schweizer Regisseurs Christoph Kühn aus dem Jahr 2011 wurden im PZM aufgenommen.

2022 stellte die Aufsichtsbehörde systematische ungerechtfertigte Zwangs- und Isolationsmassnahmen gegen Patientinnen in Münsingen fest. Die verantwortlichen Therapeuten seien überzeugt gewesen, sie vor „satanistischen Ritualen“ schützen zu müssen. Ärztinnen im PZM seien Anhänger der esoterischen Kirschblüten-Gemeinschaft. Mehrere der betroffenen Patientinnen begingen Suizid. Der ärztliche Leiter wurde entlassen.[2]

Im öffentlich zugänglichen Park des Psychiatriezentrums befindet sich die "Dampfbahn Aaretal" und eine Minigolfanlage.

Direktoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans Maurer, Michael Gerber, Sarah Pfister: Psychiatriezentrum Münsingen PZM. (Schweizerische Kunstführer, Nr. 863/864, Serie 87). Hrsg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 2009, ISBN 978-3-85782-863-8.
  • Fredi Lerch: Therapeutischer Wille unter Strom – Die Geschichte des Elektroschocks in der Heil- und Pflegeanstalt Münsingen. Hrgs. PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG, Münsingen 2019, ISBN 978-3-033-07456-9.
  • Kris Schneeberger: Baumreisen – Ein künstlerischer Wegweiser zu 55 ausgewählten Bäumen im Naturpark Münsingen. Hrsgg. PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG, Stämpfli Verlag AG, Bern 2020, ISBN 978-3-7272-6075-9.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Psychiatriezentrum Münsingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bangen, Hans: Geschichte der medikamentösen Therapie der Schizophrenie. Berlin 1992, ISBN 3-927408-82-4 S. 49
  2. Unfassbar: Drei Suizide von Patientinnen an psychiatrischer Klinik wegen „Satanic Panic“? | gwup | die skeptiker. Abgerufen am 25. November 2022 (deutsch).
  3. Fussnote 40 in: «Sie müssen an Ihre Heilung glauben!»: Paul Dubois, 1848-1918, ein vergessener Pionier der Psychotherapie. Schwabe, Basel 2001, S. 36.
  4. Friedrich Glauser: Briefe I, 1911-1935. Arche, Zürich 1988, S. 45.
  5. «jahrzehntelang»: Rudolf Wyss zum Gedenken. In: Der Bund. 19. Juli 1996.
  6. «Psychiatrie ist nicht da, um Menschen zu entsorgen». In: Berner Zeitung. 2. Dezember 2005.
  7. Rolf Ineichen wird neuer Direktor des Psychiatriezentrums Münsingen, Medienmitteilung des Kantons Bern, 24. März 2005, abgerufen am 26. April 2012.
  8. Ivo Spicher übernimmt Leitung, Berner Oberländer, 30. September 2020, abgerufen am 30. September 2020.

Koordinaten: 46° 52′ 50″ N, 7° 33′ 12″ O; CH1903: 608735 / 192154