Eine quartische Gleichung oder polynomiale Gleichung 4. Grades, traditionell auch biquadratische Gleichung genannt, hat die Form

mit Koeffizienten
und
aus einem Körper
mit Charakteristik
, wobei
dann aus der
-Algebra stammt.
Im Folgenden werden als Körper nur die reellen oder die komplexen Zahlen betrachtet.
Nach dem Fundamentalsatz der Algebra lässt sich die Gleichung bis auf die Reihenfolge eindeutig in die Form

bringen, wobei
und
die nicht notwendigerweise verschiedenen vier komplexen Lösungen der Gleichung sind.
Ist
und
, dann lässt sich die Gleichung durch Substitution auf eine quadratische Gleichung zurückführen. Heutzutage, insbesondere in der Schulmathematik, ist es üblich, nur diese Spezialform biquadratische Gleichung zu nennen,[1] obwohl Biquadrat traditionell eine allgemeinere Bedeutung hat.
Die erste geschlossene Lösung der quartischen Gleichung fand der italienische Mathematiker Lodovico Ferrari (1522–1565). Diese Lösung veröffentlichte sein Lehrer Gerolamo Cardano 1545 in dem Werk Ars magna de Regulis Algebraicis. Eine weitere Lösungsmethode mit unterschiedlichem Ansatz wurde von Leonhard Euler 1738 in Sankt Petersburg publiziert, in dem Bestreben, eine allgemeine Lösungsformel auch für Gleichungen höherer Grade zu finden. Dass dies unmöglich ist, wurde von Niels Henrik Abel 1824 bewiesen (Satz von Abel-Ruffini).
Da die allgemeine Lösungsformel unübersichtlich ist, wird die allgemeine Gleichung schrittweise in speziellere, äquivalente Formen überführt. Die dabei vorgenommenen Transformationen der Variablen müssen am Ende an den Lösungen in umgekehrter Reihenfolge rückgängig gemacht werden.
Voraussetzung: Gegeben sei eine quartische Gleichung
mit
und
.
Aussage: Dann kann man ihre Lösungen auf algebraische Weise wie folgt angeben:[2]
Zunächst wird die Gleichung mit der Substitution

dahingehend vereinfacht, dass der kubische Koeffizient
verschwindet (Tschirnhaus-Transformation) und gleichzeitig der führende Koeffizient durch Division der gesamten Gleichung durch
zu
gesetzt wird.
Mit den Festlegungen
![{\displaystyle {\begin{array}{rl}\alpha &=-{\dfrac {3B^{2}}{8A^{2}}}+{\dfrac {C}{A}}\\[1em]\beta &={\dfrac {B^{3}}{8A^{3}}}-{\dfrac {B\,C}{2A^{2}}}+{\dfrac {D}{A}}\\[1em]\gamma &=-{\dfrac {3B^{4}}{256A^{4}}}+{\dfrac {B^{2}\,C}{16A^{3}}}-{\dfrac {B\,D}{4A^{2}}}+{\dfrac {E}{A}}\end{array}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b1533f1de737803d01f9d287bc703773281fcaf2)
reduziert sich die Gleichung zu
.
Am Ende der Rechnung werden die Nullstellen des Ausgangspolynoms als
zurückgewonnen. Im Folgenden kann also angenommen werden, dass der Koeffizient dritten Grades Null ist.
Ist
, dann erhält man den Spezialfall einer (echten) biquadratischen Gleichung

und kann die Nullstellen als Quadratwurzeln in beiden Vorzeichenvarianten aus den Lösungen der durch die Substitution
gewonnenen quadratischen Gleichung

bestimmen.
Sind die Koeffizienten reell und
, so ist es sinnvoller, nicht direkt die dann komplexen Lösungen der quadratischen Gleichung in
zu bestimmen und daraus die Quadratwurzeln, sondern die Gleichung erst auf andere Art reell zu faktorisieren, wobei die zwei quadratischen Faktoren wieder reelle Koeffizienten haben:
![{\displaystyle {\begin{array}{rl}u^{4}+\alpha u^{2}+\gamma &=\left[(u^{2}+{\sqrt {\gamma }})^{2}\right]-\left[(2{\sqrt {\gamma }}-\alpha )\,u^{2}\right]\\&=\left(\left[u^{2}+{\sqrt {\gamma }}\right]+\left[{\sqrt {2{\sqrt {\gamma }}-\alpha }}\,u\right]\right)\;\cdot \;\left(\left[u^{2}+{\sqrt {\gamma }}\right]-\left[{\sqrt {2{\sqrt {\gamma }}-\alpha }}\,u\right]\right)\\&=\left(u^{2}+{\sqrt {2{\sqrt {\gamma }}-\alpha }}\cdot u+{\sqrt {\gamma }}\right)\;\cdot \;\left(u^{2}-{\sqrt {2{\sqrt {\gamma }}-\alpha }}\cdot u+{\sqrt {\gamma }}\right)\end{array}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f79105d696c0778f807a75429b8993aa22132c05)
Für jeden Faktor können jetzt wieder einzeln die Nullstellen bestimmt werden:
|
|
|
|
Ist
, so versucht man, die Gleichung als Differenz zweier vollständiger Quadrate zu schreiben. Dabei werden komplexe Parameter
eingeführt. Die Darstellung als Differenz führt dann direkt zu einer Faktorisierung in quadratische Faktoren mit komplexen Koeffizienten:

Durch Vergleich mit
![{\displaystyle u^{4}+\alpha \,u^{2}+\beta \,u+\gamma =(u^{2}+\alpha +y)^{2}-[(\alpha +2y)\,u^{2}-\beta \,u+((\alpha +y)^{2}-\gamma )]}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ca7b26c7fb1acec988f5b017ce925cd7c58047b3)
ergeben sich
und
sowie
.
Damit der zweite Teil der Differenz ein vollständiges Quadrat in
ist, muss die Diskriminante dieses quadratischen Terms verschwinden:


Dies ist eine kubische Gleichung in
.
Aus einer der Lösungen für
ergeben sich zwei quadratische Gleichungen in
, die zu insgesamt vier Lösungen für
bzw. dann
führen.
Insgesamt werden folgende Rechenschritte durchgeführt:
,
,
mit ![{\displaystyle U={\sqrt[{3}]{-{\frac {Q}{2}}+{\sqrt {{\frac {Q^{2}}{4}}+{\frac {P^{3}}{27}}}}}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/6f06d0f57855690903ed72b47931ed47537e20d3)

.
Nun können die Nullstellen wie folgt berechnet werden:
![{\displaystyle u_{1,2,3,4}={\frac {1}{2}}\left[s\cdot w+r{\sqrt {w^{2}-4\left(\alpha +y+s\,z\right)}}\right]}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/3c14378913e21f221347b02ee2cb4afcd374b25e)
und in der Variablen der ursprünglichen Gleichung
.
Die Parameter
geben das in den zwei Quadratwurzeln zu wählende Vorzeichen an, alle vier Kombinationen von
und
sind nötig, um die vier Lösungen zu erhalten.
Hier wird die Zerlegung in ein Produkt mit zwei quadratischen Faktoren

zurückgeführt auf die Lösung
der kubischen Gleichung
.[3]
(Bei reellen Koeffizienten
und
gibt es ein reelles
mit
.)
Mit einer Lösung
dieser Gleichung errechnet sich direkt:
(Sonderfall
siehe unten)


[4]
Im Sonderfall
[5] ist die Lösung[6]

(Falls
ist, ist die Ausgangsgleichung
zu lösen.)[7]


Beispiel 1: Für
kommt man auf die Gleichung 3. Grades
.
Eine Lösung ist
. Daraus ergibt sich die Zerlegung:
.
Beispiel 2: Für
kommt man auf die Gleichung 3. Grades
. Eine Lösung ist
. Daraus ergibt sich die Zerlegung:
mit
![{\displaystyle p={\frac {3+{\sqrt {9+4{\sqrt[{3}]{10}}}}}{2}}\approx 3{,}598674508}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/6e7f046ea2f7da6ab25bb3a8256b37dd66dd8c5c)
![{\displaystyle q={\frac {{\sqrt {9+4{\sqrt[{3}]{10}}}}{\sqrt[{3}]{10}}+16+3{\sqrt[{3}]{10}}}{2{\sqrt {9+4{\sqrt[{3}]{10}}}}}}\approx 3{,}753109199}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/687cad02432563d137e179ba487b5dbfb859b44b)
![{\displaystyle s={\frac {3-{\sqrt {9+4{\sqrt[{3}]{10}}}}}{2}}\approx -0{,}598674508}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/da899794fbfe3026e9508e198a76b6700d08c71f)
![{\displaystyle t={\frac {{\sqrt {9+4{\sqrt[{3}]{10}}}}{\sqrt[{3}]{10}}-16-3{\sqrt[{3}]{10}}}{2{\sqrt {9+4{\sqrt[{3}]{10}}}}}}\approx -1{,}598674508}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/9cea2d39630110952a720ed049b34125cd9ed438)
Beispiel 3:
.
Hier ist
und
. Es liegt der Sonderfall
vor.
Beispiel 4:
Hier errechnen sich die Werte
und
über die Nullstellen:




Bei rein biquadratischen Gleichungen ohne ungerade Exponenten kommt man besser mit den obigen Gleichungen weiter.
![{\displaystyle {\begin{array}{rl}u^{4}+\alpha u^{2}+\gamma &=\left[\left(u^{2}+{\sqrt {\gamma }}\right)^{2}\right]-\left[\left(2{\sqrt {\gamma }}-\alpha \right)\,u^{2}\right]\\&=\left(\left[u^{2}+{\sqrt {\gamma }}\right]+\left[{\sqrt {2{\sqrt {\gamma }}-\alpha }}\,u\right]\right)\,\cdot \,\left(\left[u^{2}+{\sqrt {\gamma }}\right]-\left[{\sqrt {2{\sqrt {\gamma }}-\alpha }}\,u\right]\right)\end{array}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/6cc6027d1b23dbbd629d932eeec81bcc48ed2a70)
Für
ergeben sich erstaunliche Zerlegungen, wenn
eine Quadratzahl ist:

(s. o.)


und schließlich die gar nicht gewöhnlichen Zerlegungen mit nur ganzzahligen Koeffizienten


Hier bildet
ein pythagoreisches Tripel, wobei
als Koeffizient gar nicht auftritt. Dementsprechend sind auch die nächsten derartigen Zerlegungen


usw.
Wegen der Zerlegung von
lässt sich sogar als Sonderfall ein „pythagoreisches Tripel“
definieren, obwohl es kein rechtwinkliges Dreieck ergibt, sondern nur zwei zusammenfallende Dreiecksseiten.
Diese in der Schulmathematik häufigste Art von quartischen Gleichungen lässt sich durch Substitution relativ einfach auf eine quadratische Gleichung zurückführen. Dazu substituiert man mit
und erhält:
. Diese kann man durch die quadratische Lösungsformel lösen. Man erhält die Lösungen
. Aus der Rücksubstitution folgt:


Diese rein quadratischen Gleichungen haben je zwei Lösungen:


In diesem Fall ist
eine Lösung der Gleichung. Dann kann man den Faktor
, also
ausklammern und erhält die Gleichung
.
Die Lösungen der quartischen Gleichung sind dann
und die drei Lösungen der kubischen Gleichung
.
Sind alle Koeffizienten reell, lassen sich Fallunterscheidungen für die möglichen Lösungen angeben. Dies beruht auf folgender Tatsache: Ist die nicht-reelle Zahl
mit
Nullstelle eines beliebigen Polynoms mit reellen Koeffizienten, so ist es auch die konjugiert komplexe Zahl
(Beweis). Bei der Zerlegung des zugehörigen Polynoms ergibt das Produkt der beiden Faktoren

ein quadratisches Polynom mit reellen Koeffizienten, nämlich
. Also lässt sich jedes Polynom mit reellen Koeffizienten unabhängig von seinem Grad in lineare und quadratische Faktoren mit reellen Koeffizienten zerlegen. Es gibt für die quartische Gleichung also drei Möglichkeiten:
- Die Gleichung hat vier reelle Lösungen. Sie zerfällt in vier Linearfaktoren mit reellen Koeffizienten.
- Die Gleichung hat zwei reelle und zwei konjugiert komplexe Lösungen. Sie zerfällt in zwei Linearfaktoren und einen quadratischen Faktor mit reellen Koeffizienten.
- Die Gleichung hat zwei Paare konjugiert komplexer Lösungen. Sie zerfällt in zwei quadratische Faktoren mit reellen Koeffizienten.
Unter den Lösungen können einfache Lösungen oder solche mit einer Vielfachheit
oder
sein. (Erläuterung).
Im Einzelnen gibt es diese Möglichkeiten:
- eine Lösung mit Vielfachheit

- Beispiel:
, zerlegt 
- hat die vierfache Lösung
.
- eine Lösung mit Vielfachheit
und eine einfache Lösung
- Beispiel:
, zerlegt 
- hat die dreifache Lösung
und die einfache Lösung
.
- zwei Lösungen, jeweils mit Vielfachheit

- Beispiel:
, zerlegt 
- hat die zweifache Lösung
und die zweifache Lösung
.
- eine Lösung mit Vielfachheit
und zwei einfache Lösungen
- Beispiel:
, zerlegt 
- hat die zweifache Lösung
und die einfachen Lösungen
.
- Beispiel:
, zerlegt 
- hat die einfachen Lösungen
.
Auch hier kann die reelle Lösung mit Vielfachheit
auftreten. Es gibt also diese beiden Möglichkeiten:
- eine reelle Lösung mit Vielfachheit
und zwei konjugiert komplexe Lösungen
- Beispiel:
, zerlegt 
- oder mit reellem quadratischem Faktor

- hat die zweifache Lösung
und die konjugiert komplexen Lösungen
.
- zwei einfache reelle Lösungen und zwei konjugiert komplexe Lösungen
- Beispiel:
, zerlegt 
- oder mit reellem quadratischem Faktor

- hat die einfachen Lösungen
und die konjugiert komplexen Lösungen
.
Hier gibt es diese beiden Möglichkeiten:
- zwei konjugiert komplexe Lösungen mit Vielfachheit

- Beispiel:
, zerlegt 
- oder mit zwei reellen quadratischen Faktoren

- hat die zweifachen konjugiert komplexen Lösungen
.
- zwei Paare einfacher konjugiert komplexer Lösungen
- Beispiel:
, zerlegt 
- oder mit zwei reellen quadratischen Faktoren

- hat die konjugiert komplexen Lösungen
und
.
Für den Fall reeller Koeffizienten kann man die Gleichung wie folgt lösen.[1] Gegeben sei eine Gleichung vierten Grades

mit reellen Koeffizienten
und
. Durch die Substitution

überführt man diese in die reduzierte Gleichung

mit reellen Koeffizienten
und
. Im Fall
ist diese Gleichung biquadratisch und somit leicht zu lösen. Im allgemeinen Fall
erhält man aus den Lösungen der reduzierten Gleichung durch Rücksubstitution die Lösungen der ursprünglichen Gleichung. Mittels der Koeffizienten der reduzierten Gleichung bildet man die sogenannte kubische Resolvente
.
Die Lösungen der Gleichung vierten Grades hängen folgendermaßen mit den Lösungen der kubischen Resolvente zusammen:
Kubische Resolvente |
Gleichung vierten Grades
|
sämtliche Lösungen reell und positiv |
vier reelle Lösungen
|
sämtliche Lösungen reell, eine positiv und zwei negativ |
zwei Paare von zueinander komplex konjugierten Lösungen
|
eine positive reelle Lösung und zwei komplexe, zueinander konjugierte Lösungen |
zwei reelle und zwei konjugiert komplexe Lösungen
|
Die Lösungen der kubischen Resolvente seien
. Für jedes
sei
eine beliebige der beiden komplexen Wurzeln aus
. Dann erhält man die Lösungen der reduzierten Gleichung durch
![{\displaystyle {\begin{array}{lcl}y_{1}&=&\sigma {\tfrac {1}{2}}\left({\sqrt {z_{1}}}+{\sqrt {z_{2}}}-{\sqrt {z_{3}}}\right)\\[5pt]y_{2}&=&\sigma {\tfrac {1}{2}}\left({\sqrt {z_{1}}}-{\sqrt {z_{2}}}+{\sqrt {z_{3}}}\right)\\[5pt]y_{3}&=&\sigma {\tfrac {1}{2}}\left(-{\sqrt {z_{1}}}+{\sqrt {z_{2}}}+{\sqrt {z_{3}}}\right)\\[5pt]y_{4}&=&\sigma {\tfrac {1}{2}}\left(-{\sqrt {z_{1}}}-{\sqrt {z_{2}}}-{\sqrt {z_{3}}}\right),\end{array}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/34d6de5d13f420b4b01b8d25b0f04a8daf567595)
wobei
so zu wählen ist, dass
.
Durch die Rücksubstitution

erhält man die Lösungen der ursprünglichen Gleichung vierten Grades.
- ↑ a b Bronstein, Semendjajev: Taschenbuch der Mathematik. 22. Auflage, Verlag Harri Deutsch, Thun 1985, ISBN 3-87144-492-8.
- ↑ Frei nach Ferrari.
- ↑ Quelle: Lösungsformel von Joachim Mohr.
- ↑ Implementierbar als
w = sqrt(a^2 - 4 * u)
p = (a + w)/2
q = ((b - u) * (w + a) - 2 * c)/(2 * w)
s = (a - w)/2
t = ((b - u) * (w - a) + 2 * c)/(2 * w)
- ↑ Quelle: kilchb.de.
- ↑ In diesem Fall ist das Schaubild der Parabel vierten Grades

symmetrisch zu der Geraden mit der Gleichung
.
Die Lösung erhält man durch Substitution

über die elementar lösbare Gleichung
.
- ↑ kilchb.de.