Radionuklidtherapie

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Als Radionuklidtherapie (auch Endoradiotherapie) werden Therapieverfahren bezeichnet, bei denen Radionuklide in nicht umschlossener Form eingesetzt werden. Die am häufigsten angewendeten Radionuklidtherapien sind die Radiojodtherapie und – mit großem Abstand – die Radiosynoviorthese. Die Radionuklidtherapie wird zu den nuklearmedizinischen Therapien gerechnet.

Prinzipien der Anreicherung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gewünscht ist eine möglichst hohe Aktivität des eingesetzten Radionuklids im Zielgewebe, um dort eine hohe und therapeutisch wirksame Herddosis zu erreichen. Gleichzeitig soll die Strahlenexposition für die nicht krankhaft veränderten Gewebe möglichst niedrig sein. Dazu müssen geeignete Anreicherungsmechanismen ausgewählt werden.

Das Radiopharmakon kann – wenn es wenig diffusibel ist – lokal in einen vorbestehenden Hohlraum (zum Beispiel Gelenke, Pleura (Rippenfell), Peritoneum (Bauchfell) oder Zysten) eingebracht werden (intrakavitäre Therapie). Bei anderen Therapien kommt das Radiopharmakon über Stoffwechselprozesse, über Kopplung an Rezeptoren oder spezifische Bindung von Antikörpern in das Zielgewebe.

Verwendete Nuklide[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Anfangszeit standen nur natürliche Radionuklide wie Radium oder Thorium zur Verfügung, deren Zerfallstrahlung einen für Nahfeldtherapie ungünstigen Anteil von energiereichen Beta- und Gammastrahlen hatte. Sie wurden außerdem in Unkenntnis oder unter Missachtung der damit verbundenen Risiken eingesetzt (vgl. Peteosthor). Heute werden ausschließliche oder überwiegende Beta-Strahler eingesetzt, nur ausnahmsweise auch Alpha-Strahler (224Ra). Wenn das verwendete Nuklid auch Gamma-Strahlung emittiert, trägt diese Strahlung nicht zum Therapieeffekt bei, kann aber genutzt werden, um zur Therapiekontrolle ein Szintigramm anzufertigen. Auch die Bremsstrahlung bestimmter Betastrahler kann für ein Szintigramm genutzt werden.

Das für die Einspritzung in Hohlräume (intrakavitäre Therapie) ab 1945 verwendete kolloidale 198Au wurde wegen ungünstiger Strahlungseigenschaften zunächst durch den reinen Betastrahler 32P ersetzt. Später kamen weitere Betastrahler wie 90Y, 89Sr, 186Re oder 169Er dazu. Für die Radiojodtherapie, die unter den metabolischen Anreicherungsraten die höchste Spezifität hat, wird ausschließlich der überwiegende Betastrahler 131I verwendet. Für die anderen Verfahren wird meist entweder 131I oder 90Y benutzt.

Liste von Radionuklidtherapien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese alphabetische Liste ist nicht vollständig. Fett hervorgehoben sind die häufig durchgeführten Therapien. Die anderen Therapien sind teilweise veraltet, experimentell oder wenigen Zentren vorbehalten. Die farblichen Hervorhebungen dienen der Zuordnung benachbarter Zeilen zueinander.

Name Indikation Anreicherungsmechanismus Radiopharmakon Nuklid Strahlungsart HWZ Anmerkung
MIBG-Therapie Neuroendokrine Tumoren, insb. Phäochromozytom aktive Aufnahme in neuroendokrine Zellen, Speicherung in neurosekretorischen Granula Metaiodbenzylguanidin 131I überw. β‑Strahler 8,02 Tage siehe auch MIBG-Szintigrafie
palliative Therapie von Skelettmetastasen Knochenmetastasen Einbau in Calciumphosphat Strontiumchlorid 89Sr reiner β‑Strahler 50,6 Tage  
Yttriumcitrat 90Y reiner β‑Strahler 2,67 Tage
palliative Therapie von Skelettmetastasen Knochenmetastasen Anlagerung an die Knochenoberfläche Bisphosphonate
z. B. HEDP oder EDTMP
186Re reiner β‑Strahler 3,72 Tage  
153Sm reiner β‑Strahler 1,93 Tage
peritoneale Therapie rezidivierender maligner Aszites (Bauchwassersucht) Punktion der Bauchhöhle Eiweiß-Kolloid 90Y reiner β‑Strahler 2,67 Tage  
32P reiner β‑Strahler 14,3 Tage
pleurale Therapie rezidivierender maligner Pleuraerguss Punktion des Pleuraraums Eiweiß-Kolloid 90Y reiner β‑Strahler 2,67 Tage Alternative: Pleurodese
32P reiner β‑Strahler 14,3 Tage
Radioimmuntherapie verschiedene Krebserkrankungen spezifische Antikörper-Bindung Immunkonjugate div.      
Beispiel:
Ibritumomab-Tiuxetan
maligne Lymphome von B-Zellen spezifische Antikörperbindung an CD20 Immunkonjugat von Ibritumomab und Tiuxetan 90Y reiner β‑Strahler 2,67 Tage  
Radiojodtherapie Schilddrüsenautonomie, Morbus Basedow, Struma, Schilddrüsenkrebs aktive Aufnahme in Schilddrüsenzellen (Natrium-Jodid-Symporter), Einbau in die Schilddrüsenhormone (u. a. Thyreoperoxidase) Natriumjodid 131I überw. β‑Strahler 8,02 Tage in vielen Ländern nur stationär möglich
Radiopeptidtherapie neuroendokrine Tumoren spezifische Bindung am Somatostatin-Rezeptor Edotreotid (DOTATOC) 90Y reiner β‑Strahler 2,67 Tage  
Radiophosphortherapie Polycythaemia vera, Essentielle Thrombozythämie Einbau in Nukleinsäuren, Einbau in Calciumphosphat Dihydrogenphosphat oder Natriumphosphat 32P reiner β‑Strahler 14,3 Tage  
Radiosynoviorthese Rheumatoide Arthritis, aktivierte Arthrose Injektion in das betroffene Gelenk Eiweiß-Kolloid 90Y reiner β‑Strahler 2,67 Tage Nuklid je nach Größe des behandelten Gelenks; meist ambulant möglich
186Re überw. β‑Strahler 3,72 Tage
169Er reiner β‑Strahler 9,40 Tage
224Ra-Radiumchlorid-Therapie Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew)   Radiumchlorid 224Ra α‑Strahler 3,66 Tage  
Selektive interne Radiotherapie Leberzellkarzinom, Cholangiozelluläres Carcinom, Lebermetastasen selektive Angiografie der Leberarterie Mikrosphären 90Y reiner β‑Strahler 2,67 Tage siehe auch Transarterielle Chemoembolisation
Lipiodol 131I überw. β‑Strahler 8,02 Tage
Rhenium-SCT[1] Basaliom, Plattenepithelkarzinome, Morbus Bowen Applikation auf Schutzfolie über betreffender Läsion, Entfernung nach der Einwirkzeit Aktivität ist in eine Methylakrylat-Matrix inkorporiert 188Re überw. β‑Strahler 16,9std.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Paolo Castellucci, F. Savoia u. a.: High dose brachytherapy with non sealed 188Re (rhenium) resin in patients with non-melanoma skin cancers (NMSCs): single center preliminary results. In: European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging. doi:10.1007/s00259-020-05088-z.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • H. Schicha, M. Dietlein, K. Scheidhauer. Therapie mit offenen radioaktiven Stoffen. In: U. Büll, H. Schicha, H.-J. Biersack, W. H. Knapp, Chr. Reiners, O. Schober. Nuklearmedizin. Stuttgart, New York 2001. ISBN 3-13-128123-5