Reuss (Fluss)

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Reuss
Furkareuss

Karte

Daten
Gewässerkennzahl CH: 38
Lage Westalpen

Voralpen

Schweizer Mittelland
Schweizer Jura


Schweiz Schweiz

Flusssystem Rhein
Abfluss über Aare → Rhein → Nordsee
Quelle im Oberen Schwärziseeli als Furkareuss
46° 33′ 44″ N, 8° 25′ 49″ O
Quellhöhe 2649 m ü. M.[1]
Mündung in die Aare bei WindischKoordinaten: 47° 29′ 32″ N, 8° 14′ 15″ O; CH1903: 660202 / 260482
47° 29′ 32″ N, 8° 14′ 15″ O
Mündungshöhe 329 m ü. M.[1]
Höhenunterschied 2320 m
Sohlgefälle 14 ‰
Länge 164 km[2]
Einzugsgebiet 3.425,97 km²[3]
Abfluss am Pegel Mellingen[4]
AEo: 3386 km²
Lage: 12,7 km oberhalb der Mündung
NNQ (2006)
MNQ 1935–2016
MQ 1935–2016
Mq 1935–2016
MHQ 1935–2016
HHQ (2005)
28,6 m³/s
93 m³/s
140 m³/s
41,3 l/(s km²)
179 m³/s
854 m³/s
Linke Nebenflüsse Göschener Reuss, Meienreuss, Kleine Emme
Rechte Nebenflüsse Gotthardreuss, Unteralpreuss, Chärstelenbach, Schächen, Lorze, Jonenbach
Durchflossene Seen Vierwaldstättersee
Durchflossene Stauseen Flachsee
Mittelstädte Luzern
Kleinstädte Emmen, Bremgarten
Die Reuss in Luzern

Die Reuss in Luzern

Die Reuss unter der Spreuerbrücke

Die Reuss unter der Spreuerbrücke

Die Reuss ist ein 164 Kilometer langer Fluss in der Schweiz mit einem Einzugsgebiet von 3426 Quadratkilometern. Damit ist sie nach Rhein, Aare und Rhone der viertgrösste Fluss der Schweiz.

Die Reuss entspringt im Gotthardmassiv im Südwesten des Kantons Uri und mündet bei Windisch und Gebenstorf im Kanton Aargau als rechter Nebenfluss in die Aare. Sie ist deren grösster und längster Nebenfluss.

Name[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Oberlauf der Reuss hiess früher wahrscheinlich *Sila, wie zur Erklärung des Ortsnamens Silenen vorausgesetzt wird.[5] Der heutige Name ist erstmals 1296 als Rusa belegt, im 16. bis 19. Jahrhundert erscheint er bisweilen als Ursa.[6]

In schweizerdeutschen Dialekten wird der Fluss meist Rüüss [ryːs] (auch Rüs oder Rüss) genannt. Lokale Varianten bilden Rüäss (Muotathal) oder Ryss (Basel, Uri).

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Flusslauf der Reuss wird in Abhängigkeit von den grossen vom Fluss durchquerten Landschaften in vier Abschnitte eingeteilt: die alpine Reuss, die subalpine Reuss, die Mittellandreuss und die Jurareuss.

Die Reuss entspringt mit mehreren Quellflüssen im Gotthardmassiv. Die Quelle der Furkareuss liegt auf 2649 m ü. M. im Oberen Schwärziseeli oberhalb des Furkapasses. Nach 19 Kilometern vereinigt sich die Furkareuss bei Hospental im Urserental mit der Gotthardreuss und wird von da an nur noch Reuss genannt. Wichtigster Zufluss der Furkareuss ist die Witenwasserenreuss. Bei Andermatt erreicht die Unteralpreuss, die im Tal zwischen dem Rotstock und dem Pizzo Barbarera entspringt und im Urserental die vom Oberalppass kommende Oberalpreuss aufnimmt, den Hauptfluss.

Bei Andermatt biegt der Fluss nach Norden ab und passiert die Schöllenenschlucht mit der alten Häderlisbrücke kurz vor Göschenen. Die steile Schlucht im oberen Bereich mit ihren hohen Granitwänden war im Mittelalter das grösste Hindernis für die Erschliessung des Gotthardpasses, das nur durch kühne Kunstbauten wie den Stiebenden Steg und die Teufelsbrücke und später das Urnerloch überwunden werden konnte. Hier merkwürdig ist der Reussfall.[7] In der Schöllenen befinden sich das Suworow-Denkmal, das dem russischen General Suworow gewidmet ist und an die Schlacht von 1799 zwischen Russen und Franzosen im Zweiten Koalitionskrieg erinnert, und das monumentale Felsengemälde von Heinrich Danioth.

Bei Göschenen liegen die Nordportale des Gotthardtunnels der Eisenbahn und des Gotthard-Strassentunnels der Autobahn A2. Beim Bahnhof Göschenen mündet die Göschenerreuss und bei Wassen die Meienreuss in den Hauptfluss. In diesem Talabschnitt sinkt der Fluss bis Amsteg mit einem starken Gefälle und durch mehrere Schluchten, unter anderem beim Pfaffensprung, in nördlicher Richtung, bis sie bei Erstfeld die breite Ebene des nördlichen Urner Reusstals erreicht.

In einem Kanal mit hohen Seitendämmen fliesst die Reuss zwischen Altdorf und Attinghausen neben der Autobahn über die Ebene nach Norden und erreicht bei Flüelen und Seedorf das Mündungsgebiet im Reussdelta am Vierwaldstättersee. Bei Attinghausen mündet von rechts der Schächen und bei Seedorf von links der Palanggenbach in den Reusskanal.

In Luzern fliesst die Reuss bei der Seebrücke aus dem Vierwaldstättersee und durchquert den Hügelzug Zimmeregg-Greterwald; hier erreicht sie das Mittelland. Zwischen dem Luzerner Stadtteil Reussbühl und Emmenbrücke nimmt sie die Kleine Emme auf und strebt dann in nordöstlicher Richtung durch das flache Tal von Emmen an Buchrain, Inwil und Root vorbei, bis sie bei Honau den Punkt erreicht, an dem sich die Grenzen der Kantone Luzern, Zug und Aargau treffen. Von da an fliesst sie als mäandrierender Fluss gegen Norden durch das Reusstal und bildet zunächst die Grenze zwischen dem aargauischen Freiamt und dem Kanton Zug und später dem Kanton Zürich. Bei Maschwanden mündet von rechts die Lorze in die Reuss, bei Obfelden der Lindenbach und bei Jonen der aus dem Tal von Affoltern am Albis und dem Jonental kommende Jonenbach. Als linksseitige kleinere Zuflüsse sind nördlich von Luzern vor allem der Rotbach und der Wissenbach zu erwähnen.

Bei Unterlunkhofen ist am Fluss 1975 mit dem Neubau des Kraftwerks Bremgarten der Flachsee entstanden. In einer weiten Flussschlaufe umschliesst die Reuss die Altstadt und die Fläche der Au von Bremgarten. Die gedeckte Holzbrücke von Bremgarten ist einer der ältesten Flussübergänge an der Reuss und liegt an der Hauptstrasse 1.

Unterhalb von Bremgarten fliesst die Reuss durch Schwemmebenen oberhalb von Hügelzonen mehrerer Endmoränen des eiszeitlichen Reussgletschers; im Flussbett liegen zahlreiche aus den Moränen ausgewaschene Findlinge. In der kleinen Schwemmebene südlich des Moränenzuges vom Maximalstand der Würmeiszeit liegt die Stadt Mellingen mit dem alten Flussübergang der Strasse von Lenzburg nach Baden. Bei Mellingen befindet sich die hydrometrische Station «Reuss-Mellingen» der Landeshydrologie.[8] Auf ihrem weiteren Lauf durchquert die Reuss bis Birmenstorf die Schotterflächen östlich des Birrfelds in einem kräftig eingetieften Flusstal.

Im Siedlungsgebiet von Windisch und Gebenstorf durchschneidet die Reuss die südlichste Kalkkette des Jura und mündet schliesslich östlich von Brugg in die Aare.

Einzugsgebiet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die wichtigsten Reuss-Seitentäler sind:

Zuflüsse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grössere direkte Zuflüsse von links sind die Göschenerreuss, die Meienreuss und die Kleine Emme, von rechts der Chärstelenbach, der Schächen und die Lorze.

Die Muota, die Engelberger Aa und die Sarneraa münden als wichtige Zuflüsse in den Vierwaldstättersee.

Quellflüsse und Zuflüsse der Reuss[Z 1]
Name GKZ Lage Länge
in km
EZG
in km²
MQ
in m³/s
Mündung
Koordinaten
Mündungs­höhe
in m
Bemerkungen
Furkareuss CH000038 015,4000 0092,0100 0004,6100 Welt-Icon bei Hospental 144700000 Hauptquellarm (Oberlauf der Reuss)
Oberlaufname: Blaubergbach
Gotthardreuss CH000716 rechts 009,3000 0032,6200 0001,6200 Welt-Icon bei Hospental 144700000 Nebenquellarm
Unteralpreuss CH004417 rechts 013,4000 0052,6700 0002,5300 Welt-Icon westlich von Andermatt 142900000
Rossplattenbach CH005764 links0 003,8000 0005,5300 0000,2300 Welt-Icon bei ARA Andermatt, Andermatt 142700000
Göschenerreuss CH000715 links0 012,9000 0092,7700 0005,7700 Welt-Icon beim Bahnhof Göschenen 106200000 Alternativname: Älplerreuss
Oberlaufname: Chelenreuss
Rientalbach CH004407 rechts 002,8000 0005,9300 0000,2300 Welt-Icon bei Göschenen 104400000
Rohrbach CH004405 links0 005,3000 0008,1100 0000,3400 Welt-Icon bei Wattingen, Wassen 89200000
Meienreuss CH000714 links0 014,8000 0071,4900 0004,0900 Welt-Icon bei Wassen 82100000
Schisslauwitalbach CH004395 rechts 001,6000   Welt-Icon bei Halten, Wassen 81000000
Gornerbach CH004394 links0 008,7000 0017,6900 0000,7800 Welt-Icon bei Wiler, Gurtnellen 73700000
Fellibach CH004392 rechts 007,6000 0024,1500 0000,9800 Welt-Icon bei Felli, Gurtnellen 66200000
Meitschligenbach CH004391 rechts 002,8000 0002,8000   Welt-Icon bei Meitschligen, Gurtnellen 61200000
Intschialpbach CH004390 links0 004,3000 0008,3500 0000,3300 Welt-Icon bei Intschi, Gurtnellen 55900000
Leitschachbach CH004388 links0 006,6000 0009,1700 0000,3700 Welt-Icon bei Intschi, Gurtnellen 55100000
Bristenbach CH004387 rechts 002,9000 0001,8200   Welt-Icon bei Amsteg 52200000
Chärstelenbach CH000737 rechts 014,9000 0116,8000 0008,5800 Welt-Icon bei Amsteg 51600000 Alternativname: Kärstelenbach
Selderbach CH004379 rechts 003,1000 0001,7700   Welt-Icon bei Silenen 48900000 Alternativname: Kirchbach
Öfibach CH004378 rechts 003,8000 0005,1300   Welt-Icon bei Silenen 48600000 Alternativname: Efibach
Alpbach CH011081 links0 009,0000 0030,6800 0001,6800 Welt-Icon bei Erstfeld 46700000 Oberlaufname: Fulbach
Bockibach CH004358 links0 007,2000 0013,3300 0000,7100 Welt-Icon bei Ripshausen, Erstfeld 45600000
Chummetbach CH004357 links0 004,6000 0004,3000 0000,1700 Welt-Icon bei Attinghausen 44900000
Schächen CH000734 rechts 018,0000 0107,9800 0006,2100 Welt-Icon bei Attinghausen 44900000 Oberlaufname: Vorder Schächen
Gangbach CH011097 rechts 007,0000 0028,3600 0001,2100 Welt-Icon bei Attinghausen 44500000 Alternativnamen: Still Rüss und Walenbrunnen
Palanggenbach CH004356 links0 006,5000 0010,7300 0000,5400 Welt-Icon bei Seedorf 44100000
Gruonbach CH013358 rechts 003,9000 0008,3200 0000,5300 Welt-Icon bei Flüelen 43400000 Alternativname: Hinterbach
Mündet in den Urnersee
Isentalerbach CH000723 links0 013,2000 0059,6900 0004,0800 Welt-Icon bei Isleten 43400000 Alternativnamen: Isitaler Bach und Grosstalbach
Mündet in den Urnersee
Riemenstaldner Bach CH004346 rechts 008,3000 0027,4600 0002,0500 Welt-Icon bei Sisikon 43400000 Alternativname: Riemenstalderbach
Mündet in den Urnersee
Muota CH000740 rechts 033,0000 0316,9900 0018,5800 Welt-Icon bei Brunnen 43400000 Mündet in den Vierwaldstättersee
Innere Dorfbach CH000727 rechts 004,6000 0006,1000 0000,4100 Welt-Icon bei Gersau 43400000 Alternativname: Teuffibach
Mündet in den Vierwaldstättersee
Choltalbach CH000840 links0 006,9000 0021,1800 0001,5400 Welt-Icon bei Emmetten 43400000 Mündet in den Vierwaldstättersee
Lielibach CH000728 links0 007,0000 0010,2300 0000,7400 Welt-Icon bei Beckenried 43400000 Alternativname: Stafelbach
Mündet in den Vierwaldstättersee
Engelberger Aa CH000720 links0 037,8000 0229,0700 0012,4200 Welt-Icon bei Buochs 43400000 Mündet in den Vierwaldstättersee
Sarneraa CH000712 links0 018,0000 0336,2100 0012,6700 Welt-Icon bei Alpnachstad 43400000 Oberlaufname: Giswileraa
Mittellaufname: Dreiwässerkanal
Mündet in den Alpnachersee
Kleine Emme CH000707 links0 035,7000 0478,3500 0015,5000 Welt-Icon beim Reusszopf, zwischen Reussbühl und Emmenbrücke 43000000
Rotbach CH001072 links0 020,3000 0081,0400 0001,7400 Welt-Icon bei Inwil 41000000 Alternativname: Hellbühler Rotbach
Ron CH000709 rechts 010,2000 0021,8000 0000,5000 Welt-Icon bei Root 40800000 Alternativname: Rotseebach
Binzmülibach CH001069 rechts 004,0000 0005,8000 0000,1300 Welt-Icon bei Rotkreuz 40300000 Alternativname: Honauer Bach
Sinser Bach CH001065 links0 008,2000 0016,4100 0000,3600 Welt-Icon bei Sins 39400000
Sembach CH001057 links0 006,6000 0005,8200   Welt-Icon bei Mühlau 39000000 Mündet in den Reusskanal
Lorze CH000676 rechts 031,0000 0298,8800 0007,4100 Welt-Icon beim Rüssspitz, Obfelden 38700000
Lindenbach CH001064 rechts 006,7000 0012,5300 0000,5700 Welt-Icon bei Rickenbach bei Ottenbach 38400000
Wissenbach CH001059 links0 010,0000 0013,5900 0000,2700 Welt-Icon bei Merenschwand 38100000 Mündet in den Reusskanal
Jonenbach CH000675 rechts 020,5000 0043,3600 0000,8700 Welt-Icon bei Jonen 38000000 Alternativname: Jonen
Arnerbach CH001060 rechts 005,5000 0004,5600 0000,0900 Welt-Icon bei Unterlunkhofen 38000000
Mülibach CH001962 rechts 004,7000 0006,0800   Welt-Icon bei Mellingen 34400000
Reuss[Z 2] 164,0000 3425,9700 0140,0000 bei Windisch 32900000 Mündet in die Aare

Anmerkungen zur Tabelle

  1. Von der Quelle zur Mündung. Daten von Swisstopo (map.geo.admin.ch)
  2. Die Daten der Reuss zum Vergleich

Flussbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Regulierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Einzugsgebiet der Reuss ereigneten sich in geschichtlicher Zeit oft verheerende Hochwasser. Zur Regulierung des Abflusses aus dem Vierwaldstättersee dient in Luzern das Nadelwehr des Kraftwerks Mühlenplatz.

Flusskorrektion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1662 suchten die Kantone Zürich, Luzern und Zug in einer Konferenz eine Lösung für die an den Reussufern im Gebiet der Ortschaften Maschwanden und Merenschwand entstandenen Erosionsschäden.

Von 1851 bis 1861 baute der Kanton Uri nach einem Projektplan der Ingenieure M. Hegner, Richard La Nicca und Karl Emanuel Müller für den Fluss in der Reussebene einen Kanal von Attinghausen bis zur Mündung in den Urnersee.[9]

Im Jahr 1810 erteilte der Kanton Aargau dem Badener Wasserbauingenieur Johann Gottfried Tulla den Auftrag für eine Studie über Korrektionsmassnahmen an der Reuss. 1811 begannen die Bauarbeiten mit dem Durchstich einer Flussschlaufe bei Fischbach-Göslikon unterhalb von Bremgarten. Doch auch nach dem Abschneiden eines zweiten Mäanders blieben weitere Erosionsschäden an den Flussufern nicht aus. Aus weiteren Gutachten der Ingenieure Richard La Nicca von 1851 und Conradin Zschokke von 1905 gingen neue flussbauliche Vorschläge hervor. Während die ursprünglich geplante Begradigung der Reuss im Gebiet der weiteren grossen Schlaufen bei Eggenwil unterblieb, liess der Kanton Aargau zwischen 1905 und 1950 die Ufer in diesem flachen Flussabschnitt stellenweise sichern und mit Mauern, Betonverkleidungen und Wuhren verstärken.[10]

Nach einer Konvention der Kantone Zug und Aargau von 1825 galten neue Vorschriften für die Uferverbauungen in der Ebene an der Lorze. Nach einem grossen Hochwasser im Jahr 1846 wurde die Reussverordnung von 1847 erlassen. Nach dem Gutachten von Richard La Nicca von 1851 liess der Kanton Zug den Binnenkanal rechts der Reuss von Cham bis Maschwanden ausführen und 1872 den Reussdamm verstärken. Mit dem Gesetz vom 13. Februar 1915 über den Hochwasserschutz an der Reuss initiierte Zug ein grosses Flussbauprojekt, das bis 1924 dauerte.[11]

1910, 1912 und 1953 kam es wegen Hochwassers zu Dammbrüchen und zu Überschwemmungen in der Reussebene südlich von Bremgarten. Bei Rottenschwil ereignete sich 1972 nochmals eine Überschwemmung der Allmend. Am 14. Dezember 1969 wurde in einer Volksabstimmung im Kanton Aargau das Reusstalgesetz angenommen, das zur Sanierung der flussbaulichen Anlagen, der Errichtung des neuen Kraftwerks Bremgarten und der Ausscheidung zahlreicher Naturschutzgebiete in der Reussebene führte.[12]

Natur und Umwelt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gewässerökologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neue Untersuchungen haben gezeigt, dass die biologischen Verhältnisse in der Reuss unterhalb des Vierwaldstättersees vor allem wegen der intensiven Siedlungsentwässerung teilweise gemäss den Anforderungen der Gewässerschutzverordnung ungenügend sind.[13]

Renaturierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr nach dem Alpenhochwasser 2005 wurde mit der Projektierung einer Renaturierung begonnen, welche auf einem rund 13 Kilometer langen Abschnitt umgesetzt werden soll. Mit Stand vom Februar 2024 sind nach wie vor Beschwerden gegen die Renaturierung hängig.[14]

Naturschutzgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Mündung der Reuss in den Urnersee, den südlichen Teil des Vierwaldstättersees, liegt das ausgedehnte Naturschutzgebiet Reussdelta, das mit der Einführung des nachhaltigen Kiesabbaus aufgrund des im Jahr 1985 von den Urner Stimmberechtigten angenommenen Reussdeltagesetzes gesichert ist.[15] Ausbruchmaterial aus dem Umfahrungstunnel von Flüelen und dem Gotthard-Basistunnel diente für Aufschüttungen vor dem Delta.

Nach dem Bau des neuen Kraftwerks Zufikon und der grossen Melioration des Reusstals von Maschwanden bis Unterlunkhofen[16] um 1970 bildete sich der Flachsee, ein weites Naturschutzgebiet in der Reussebene.

Bei Rottenschwil hat die Stiftung Reusstal im Bereich einer ehemaligen, etwa um 1700 abgeschnittenen Reussschlinge das Naturschutzgebiet Stille Reuss Rottenschwil geschaffen.[17]

An den Städten Bremgarten und Mellingen vorbei fliesst die Reuss weiter durch das teilweise tief in Molasse und Schotterterrassen eingeschnittene Tal, bis sie unterhalb von Windisch und Gebenstorf beim «Wasserschloss der Schweiz» in die Aare mündet. Als einer der wenigen grösseren Flussabschnitte der Schweiz ist die Reuss unterhalb von Bremgarten auf einer Länge von 25 Kilometern weitgehend unverbaut geblieben, ohne Kraftwerke, Staustufen und Seitendämme. Das Reussuferschutzgebiet besteht seit 1966.[18]

Verkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schifffahrt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit dem Mittelalter benützten die Schiffleute von Luzern und aus den Ortschaften am Fluss die Reussstrecke bis zur Aare als Transportstrasse.[19][20]

Flussübergänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zweite Teufelsbrücke über die Reuss, Andermatt UR

Zwischen dem Gotthard und der Mündung in die Aare am Jurasüdfuss wird die Reuss von zahlreichen Verkehrswegen gekreuzt. In den Tälern des Kantons Uri führen die Gotthardstrasse, die Gotthardbahn und die Autobahn A2 über zahlreiche, oft kühn konstruierte Brückenbauwerke, die als technikgeschichtliche Sehenswürdigkeiten gelten, wie die Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht, die Häderlisbrücke bei Göschenen oder die Intschireussbrücke bei Gurtnellen.

Unterhalb des Vierwaldstättersees stehen die berühmten Holzbrücken in der Stadt Luzern, die Kapellbrücke und die Spreuerbrücke. Am Flusslauf durch das Mittelland stehen zahlreiche Strassen- und Eisenbahnbrücken, wie die Reussbrücke Sins–Hünenberg, die Eisenbahnbrücke und die Holzbrücke von Bremgarten, die hohe Bahnbrücke bei Mellingen und die frühe Eisenbahnbrücke von Vogelsang.

Rund 150 Brücken überqueren die Reuss vom Zusammenfluss der Furkareuss und Gotthardreuss bei Hospental bis zur Mündung in die Aare bei Windisch.

Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Energiewirtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Kantonen Uri, Luzern und Aargau nutzen mehrere Wasserkraftwerke das Gefälle der Reuss zur Erzeugung von elektrischer Energie. Die grösste Leistungskonzentration ist im Kanton Uri zu finden, wo die Wasserkraft mit der dreistufigen Reuss-Kaskade von Hochdruck-Laufwasserkraftwerken genutzt wird, die hauptsächlich Bahnstrom für die SBB erzeugen. Das gigantische Projekt eines Urserenkraftwerks, das das ganze Urserental überstaut hätte, wurde nicht realisiert. Die im Kanton Tessin entspringende Gotthardreuss wird vom Kraftwerk Lucendro genutzt, dessen Unterwasser in den Tessin abgeleitet wird.

Im Mittelland wird die Reuss von mehreren Kleinkraftwerken genutzt. Das einzige grössere Kraftwerk ist das Kraftwerk Bremgarten-Zufikon. Die Kraftwerke Ottenbach und Bruggmühle werden als Museumskraftwerke unterhalten.

Karte der Wasserkraftwerke an der Reuss

Liste der Wasserkraftwerke an der Reuss:[21]

Name des Kraftwerks Besitzer Typ des Kraftwerks Lage erste Inbetrieb-
nahme
Durchfluss-
menge m³/s
max
Roh-
fallhöhe
Turbine Leistung MW Energie pro Jahr GWh/a
Lucendro AET Speicherkraftwerk Airolo 1947 7 1001 2 × Pelton 58 102
Urserenkraftwerk CKW Speicherkraftwerkgruppe Pumpspeicherwerke Pfaffensprung Erstfeld (nicht realisiert) 1270[A 1] 2900[A 1]
Göschenen
(Stufe Andermatt)
CKW Hochdruck-Laufkraftwerk Göschenen 1961 12 343 2 × Francis[A 2] 32,5 144
Wassen SBB Hochdruck-Laufkraftwerk Pfaffensprung 1949 26 281 2 × Francis[A 2] 56 290
Amsteg SBB Hochdruck-Laufkraftwerk Amsteg 1923 50 279 3 × Pelton[A 3] 120 444
Mühlenplatz EWL Laufkraftwerk

(Kleinkraftwerk)

Luzern 1998 58 1,8 1 × Kaplan 0,8 3
Rathausen CKW Laufkraftwerk

Ausleitungskraftwerk

(Kleinkraftwerk)

Emmen 1896 45 7 1 × Rohrturbine 2 15,9
Perlen 1 Perlen Papier Laufkraftwerk

Ausleitungskraftwerk

(Kleinkraftwerk)

Perlen, Buchrain 1873 45 1 × S-Turbine 1 8
Perlen 2 Perlen Papier Laufkraftwerk

Ausleitungskraftwerk

(Kleinkraftwerk)

Perlen, Root 1875 45 3,4 3 × Saugheber-Turbine 1,1 7,8
Ottenbach Kanton Zürich Historisches Ausleitungskraftwerk

(Kleinkraftwerk)

Ottenbach 1920 4 2,02 1 × Francis 0,06
Bremgarten-Zufikon AEW Laufkraftwerk Bremgarten 1975 200 12 2 × Rohrturbine 20 106
Bruggmühle AEW Laufkraftwerk Bremgarten 1998 30 1 × Rohrturbine 0,5 3,5
Windisch Axpo Ausleitungskraftwerk

Laufwasserkraftwerk (Kleinkraftwerk)

Windisch 1830 55 2 12
  1. a b Zahlen vom Projekt 1943/44, enthalten auch die später gebauten Kraftwerke Göschenen und Wassen sowie das bestehende Kraftwerk Amsteg
  2. a b davon eine Turbine für Bahnstromerzeugung
  3. alle Turbinen für Bahnstromerzeugung

Freizeitverkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unterhalb von Göschenen eignet sich die Reuss für das Wildwasserfahren.[22]

Kleine Boote können die Reuss vom Vierwaldstättersee bis zur Mündung in die Aare bei normalem Wasserstand mit Einschränkungen befahren. Bei den Stauwehren von Rathausen, Perlen, Ottenbach, Bremgarten-Zufikon, Bremgarten und Windisch bestehen Durchfahrt- oder Transportmöglichkeiten.[23] Für Kanus und kleine Schlauchboote sind nur die Abschnitte unterhalb der Staustufe bei Perlen bis zum Kraftwerk Bremgarten-Zufikon und vom Hexenturm im Westen der Stadt Bremgarten bis zur Staustufe der Spinnerei Kunz bei Gebenstorf bei einem Abfluss zwischen 150 und 270 m³/s (Messstation Mellingen) geeignet.[24]

Den Ufern der Reuss entlang führen Wanderrouten, die stellenweise schmal und anspruchsvoll sind.[25]

In der Umgebung von Bremgarten findet seit 1982 jährlich der Laufsportanlass Reusslauf statt.[26]

Im Reusstal sind Velorouten eingerichtet, die teilweise den Uferwegen folgen, unterhalb von Bremgarten wegen den Steilufern des Flusses jedoch auf die Schotterterrassen ausweichen (Veloland-Route 77).[27]

Landesgeschichte und kulturelle Grenze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Reuss ist von landesgeschichtlicher Bedeutung, da sie seit dem 10. Jahrhundert für ca. 200 Jahre der Grenzfluss zwischen dem Königreich Burgund und dem Herzogtum Alemannien im deutschen Kaiserreich war und seit der frühen Neuzeit Landesteile der Schweiz trennte. Bis heute wirkt diese Grenze kulturell nach, siehe Brünig-Napf-Reuss-Linie (Jassgrenze).

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Anne-Marie Dubler, Hans Stadler: Reuss. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Thomas Burger: Reuss. Auen der Reussebene zwischen Sins und Rottenschwil. Aarau 2003.
  • Monika Beck, Michael van Orsouw: Flusslandschaft Reuss. Zug 2004.
  • Heinrich Jäckli: Talgeschichtliche Probleme im aargauischen Reusstal. In: Geographica Helvetica 1956, S. 46–59 (Digitalisat).
  • Josef Schurtenberger: Die Reuss. Solothurn 1973.
  • Rudolf Siegrist: Die Flussschotter der Eiszeit im Aargau und ihre natürliche pflanzliche Besiedelungsmöglichkeit: eine geologisch-klimatologisch-botanische Studie. Aarau 1953.
  • Max Werder u. a.: Kanton Aargau. Sanierung der Reusstalebene. Ein Partnerschaftswerk. Aarau 1982.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Reuss (Fluss) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Geoserver der Schweizer Bundesverwaltung (Hinweise)
  2. Auswertungen zum Gewässernetz. (XLSX) BAFU, Dezember 2013, abgerufen am 9. August 2017 (Auflistung Fliessgewässer der Schweiz >30km).
  3. Modellierter mittlerer jährlicher Abfluss. In: Topographische Einzugsgebiete der Schweizer Gewässer: Teileinzugsgebiete 2 km². Abgerufen am 30. August 2017.
  4. Messstation Mellingen 1935–2016 (PDF; 128 kB) Bundesamt für Umwelt BAFU
  5. Gabrielle Schmid: Silenen UR (Uri). In: Dictionnaire toponymique des communes suisses – Lexikon der schweizerischen Gemeindenamen – Dizionario toponomastico dei comuni svizzeri (DTS|LSG), Centre de dialectologie, Université de Neuchâtel, Verlag Huber, Frauenfeld/Stuttgart/Wien 2005, ISBN 3-7193-1308-5 und Éditions Payot, Lausanne 2005, ISBN 2-601-03336-3, S. 833f.
  6. Anne-Marie Dubler, Hans Stadler: Reuss. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  7. Reussfall auf ETHorama
  8. Max Werder (u. a.): Kanton Aargau. Sanierung der Reusstalebene. Ein Partnerschaftswerk. Aarau 1982. S. 11–14.
  9. Peter Püntener: Hochwasser im Kanton Uri. Ein historischer Rückblick und das Hochwasser vom 24./25. August 1987. In: Schweizer Ingenieur und Architekt, 2000, S. 752–755.
  10. Franz Studer: Reusskorrektion. In: Gemeinde Fischbach-Göslikon. Dorfchronik, 1991, S. 103–115.
  11. E. Zumbach: Zugerische Reussverbauung in alter und neuer Zeit. Zug 1924.
  12. Max Werder (u. a.): Kanton Aargau. Sanierung der Reusstalebene. Ein Partnerschaftswerk. Aarau 1982. S. 54.
  13. Biologische Untersuchung der Mittelland Reuss, Kleinen Emme und Unteren Lorze. Gewässerschutzfachstellen der Kantone Aargau, Luzern, Zug und Zürich. Kurzbericht 2013.
  14. Hochwasserschutz wichtiger als Agrarland. In: schweizerbauer.ch. 28. Februar 2024, abgerufen am 28. Februar 2024.
  15. Schutzzone Reussdelta bei Flüelen.
  16. Information Reussebene (PDF).
  17. Reuss-Stiftung: Wanderführer Stille Reuss. (PDF) Abgerufen am 21. Mai 2019.
  18. Geschichte der Schutzgebiete an der Reuss.
  19. Fritz Glauser: Verkehr im Raum Luzern-Reuß-Rhein im Spätmittelalter. Verkehrsmittel und Verkehrswege. In: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 1978, S. 2–19.
  20. Max Baumann: Von Fährleuten, Schiffern und Fischern im Aargau. Der Fluss als Existenzgrundlage ländlicher Bevölkerung. Windisch 1977.
  21. Bundesamt für Energie (Hrsg.): Statistik der Wasserkraftanlagen der Schweiz. 1. Januar 2020 (admin.ch).
  22. Website des Kanuclubs Uri.
  23. Informationen zur Wasserstrasse.
  24. Iwona Eberle: Gummibootführer Schweiz. Werd Verlag, Thun 2015, ISBN 978-3-85932-742-9.
  25. Reussuferweg.
  26. Website der Organisation Bremgarter Reusslauf.
  27. Veloroute von Veloland an der Reuss.