Südschnellweg

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Der Südschnellweg zwischen Schallschutzwänden

Der Südschnellweg ist eine überwiegend vierstreifige Kraftfahrstraße in Hannover. Die rund 12 km lange Straße beginnt im Stadtteil Ricklingen und führt über die Stadtteile Döhren, Seelhorst, Bemerode und Kirchrode nach Anderten. Der Südschnellweg ist die einzige leistungsstarke Verbindungsstraße im Süden Hannovers, die das Niederungsgebiet der Leine hochwasserfrei durchquert.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Südschnellweg entstand ab 1954. Zusammen mit dem Westschnellweg, dem Messeschnellweg und anderen Schnellstraßen gehört er zu dem vom Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten Konzept der „autogerechten Stadt“, in der der Fernverkehr auf Schnellstraßen um das Stadtzentrum herumzuführen ist. Die Stadtplanung der niedersächsischen Landeshauptstadt erlangte als „Wunder von Hannover“ in den 1950er Jahren überregionale Bekanntheit.[1]

Verlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verlauf des Südschnellwegs (grün) im hannoverschen Schnellwegenetz mit den Bundesstraßen B 3, B 6 und B 65

Der Südschnellweg wird zwischen 35.000 bis 60.000 Fahrzeugen am Tag befahren (Stand: 2022). Er beginnt westlich in Hannover-Ricklingen am Landwehrkreisel, wo die Frankfurter Allee von Norden die Bundesstraßen B 6 und B 65 sowie von Süden die B 3 heranführt. Ab hier werden die drei Bundesstraßen gemeinsam über den Südschnellweg nach Osten geführt.

Der Schnellweg überquert die Leine, die Ricklinger Kiesteiche, die Hildesheimer Straße und am Seelhorster Kreuz den Messeschnellweg. Dort zweigt die B 3 nach Norden und die B 6 nach Süden ab. Danach überquert er die Bemeroder Straße und die Brabeckstraße sowie den Mittellandkanal an der Schleuse Anderten und endet an der Stadtgrenze Hannovers im Stadtteil Anderten nach der Anschlussstelle Hannover-Anderten (Bundesautobahn A 7). Die B 65 führt dort weiter nach Osten.

Brückenerneuerung Hildesheimer Straße[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Brücke in Döhren, 2007

Die 484 Meter lange Brücke des Südschnellwegs über die Hildesheimer Straße in Döhren weist seit den 2010er Jahren Rissbildungen auf und musste 2012 für Schwerlasttransporte gesperrt werden. Aufgrund einer weiteren Verschlechterung des Zustands wurden im Juni 2013 zwei der vier Fahrstreifen gesperrt. Die Brücke ist seit 2014 behelfsweise gesichert.[2] Trotzdem wird die einstreifige Verkehrsführung bis zum Neubau Mitte der 2020er Jahre beibehalten. 2015 startete ein Ideenwettbewerb zum Neubau der Querung der Hildesheimer Straße. Aufgrund herrschender Lärmschutzbestimmungen war ein Brückenneubau nicht möglich. Es gab die Wahl zwischen einem Brückenbauwerk an gleicher Stelle mit hohen Lärmschutzwänden, einem Brückenneubau weiter nördlich neben der Eisenbahntrasse oder einem Trog- oder Tunnelbauwerk. Letztendlich fiel die Entscheidung zugunsten eines Tunnels.[3]

Ausbau mit Verbreiterung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seitens der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr gibt es Pläne, den Südschnellweg zu sanieren und auf einer Länge von rund 10 km nach Autobahn-Standard auszubauen. Das bedeutet eine Verbreiterung um rund 10 Meter auf etwa 25 Meter. Zudem sind im Verlauf des Schnellweges Arbeiten an maroden Straßenbrücken erforderlich, die wegen ihres baulichen Zustands nur noch bis zum Jahr 2023 genutzt werden dürfen.[4] Laut dem Bundesverkehrsministerium sei der Ausbau erforderlich, um mit einem Seitenstreifen und einem breiteren Mittelstreifen den Verkehr sicherer zu machen, unter anderem zur Schaffung von Raum für eine Rettungsgasse bei Stau. Zurückliegend gab es eine Reihe von Unfällen mit Personenschäden. Die Gesamtkosten für den Ausbau einschließlich des Tunnelbaus wurden anfangs auf 400 Millionen Euro,[5] später auf 580 Millionen Euro geschätzt.[6] Der Planfeststellungsbeschluss lag 2021 vor.[7] Die Arbeiten am ersten, rund vier Kilometer langen Bauabschnitt sollen von 2023 bis 2028 andauern. In dem Abschnitt ist im Niederungsgebiet der Leinemasch auf einer Länge von rund 2,5 km die Freimachung von 13 Hektar mit Grünflächen, darunter rund fünf Hektar mit Bäumen und Sträuchern, erforderlich.[8] Von den 13 Hektar würden vier Hektar dauerhaft versiegelt und sieben Hektar nach den Bauarbeiten wieder bepflanzt werden.

Protest gegen die Ausbaupläne[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schriftzug gegen Baumfällungen an der Böschung des Südschnellwegs

Die Ausbaupläne führten zu massiver Kritik durch Umweltschutzgruppen, weil sie nicht der Verkehrswende und dem Klimaschutz entsprächen. Umweltschützer kritisieren insbesondere den Kahlschlag an der Vegetation in der Leinemasch, die im Landschaftsschutzgebiet Obere Leine liegt. Außerdem befürchten sie, dass mehr Fahrspuren zu mehr Autoverkehr führen würden und bemängeln, dass der Radverkehr im Ausbaukonzept nicht berücksichtigt worden ist. Auch seien während der Baumaßnahmen über Jahre Beeinträchtigungen im Naherholungsgebiet Ricklinger Kiesteiche zu erwarten. Anlieger erhoben Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg[9], die jeweils negativ beschieden wurde.[10] Eine Entscheidung über eine Klage der Bürgerinitiative Umweltschutz Hannover, die keine aufschiebende Wirkung hätte, steht noch aus (Stand: November 2022).

Im Jahr 2021 begannen Protestaktionen, die sich als sonntägliche Spaziergänge, Demonstrationen, Mahnwachen und Fahrraddemonstrationen auf dem Schnellweg darstellten.[11] Größerer Art waren Demonstrationen im Oktober 2022 mit 800 Teilnehmern[12], im November 2022 mit 400 Teilnehmern[13][14] und im Dezember 2022 mit etwa 100 Teilnehmern.[15] Zu Beginn der Fäll- und Rodungszeit im Oktober 2022 richteten Umweltschützer vor Ort eine Dauermahnwache ein.

Baumbesetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aktivisten des Bündnisses Ende Gelände führten im Oktober 2022 eine Baumbesetzung am Südschnellweg durch, um Baumfällungen in dem zur Rodung vorgesehenen Waldbereich zu verhindern.[16] Dazu errichteten sie zwischen dem Schnellweg und einem Teich ein Camp mit Baumhäusern unter der Bezeichnung „Tümpel-Town“.[17] Im Dezember 2022 bestand es aus fünf Baumhäusern in bis zu 20 Meter Höhe.[18]

Nach Einschätzung der Polizei könnte es sich bei den Baumhäusern um bauliche Anlagen handeln, deren Errichtung in einem Landschaftsschutzgebiet eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Ebenso könnte durch die Baumbesetzung eine Ordnungswidrigkeit wegen Nichtanzeige einer Versammlung nach dem Niedersächsischen Versammlungsgesetz vorliegen.[19][20]

Baumrodungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Baumfällungsarbeiten für den Bau einer Behelfsbrücke vor dem Tunnelbau
Nach den Baumfällungen

Für den Bau einer Behelfsbrücke vor dem Tunnelbau erfolgten im Dezember 2022 erste Baumfällungen an den Böschungen des Schnellwegs, die nicht das Landschaftsschutzgebiet Obere Leine betrafen. Dabei kam es durch die Aktivisten aus dem Besetzercamp zu kleineren Aktionen, wie eine Baumbesetzung[21] und ein versuchtes Eindringen in den Rodungsbereich.[22] Etwa 100 Menschen führten eine spontane Demonstration durch,[23] weil angeblich von der Landesstraßenbaubehörde zu viele Bäume gefällt wurden.[24] Ob dies der Fall war, konnte später nicht geklärt werden.[25]

Bei den Rodungsarbeiten war die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort. Presseberichten zufolge sicherten 1400 Polizisten, unter anderem aus dem Bundesgebiet, sie ab. Es habe sich um einen der größten Einsätze bis dahin in Hannover gehandelt.[26]

Reaktionen der Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trotz der Umstrittenheit des Ausbaus erklärte der damalige niedersächsische Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) den Ausbau für unausweichlich.[27] Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hielt an den Planungen fest.[28] Der hannoversche Oberbürgermeister Belit Onay (Bündnis 90/Die Grünen) hielt die Ausbauplanungen für überzogen, sie seien „völlig aus der Zeit gefallen“.

Nach der niedersächsischen Landtagswahl 2022 berief der neue niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) im November 2022 kurzfristig einen „runden Tisch“ ein,[29] dem Teile der Ausbaugegner fern blieben.[30] Lies wollte im festgefahrenen Streit nach Lösungen suchen, machte aber klar, dass der Tunnelbau für den Südschnellweg wie geplant starten müsse.[31] Er verhängte ein einseitiges Moratorium, wonach Rodungen im Landschaftsschutzgebiet bis zum Beginn der Rodungssaison im Oktober 2023 nicht stattfinden werden. Auch würde das in dem Gebiet liegende Besetzercamp „Tümpel-Town“ mit den Baumhäusern solange nicht geräumt.[32]

Podiumsdiskussion unter einer Brücke des Südschnellwegs

Im Dezember 2022 veranstaltete die Hannoversche Allgemeine Zeitung unter einer Brücke des Südschnellwegs eine Podiumsdiskussion mit verschiedenen Landespolitikern, darunter der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies (SPD), und Ausbaugegnern. Im Ergebnis ließ sich über den Ausbau des Südschnellwegs kein Konsens herstellen, da die Positionen der Gegner und Befürworter zu festgefahren waren.[33]

Im Dezember 2022 reisten die stellvertretende niedersächsische Ministerpräsidentin Julia Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen) und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) mit einer Delegation zum Bundesverkehrsministerium in Berlin.[34] Die etwa 20-köpfige Delegation aus Niedersachsen, darunter Kritiker und Befürworter des Projekts, diskutierten mit der Staatssekretärin Susanne Henckel über mögliche Änderungen bei der Planung des Schnellwegausbaus.[35] Es wurde eine Expertenrunde eingesetzt, die den geplanten Ausbau überprüfen und im Februar 2023 erste Ergebnisse liefern sollte.[36]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Südschnellweg (Hannover) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Das Wunder von Hannover. In: Der Spiegel. Nr. 23, 1959, S. 56–69 (online).
  2. Conrad von Meding: Schnellwegbrücke ab Dienstag nur noch einspurig befahrbar. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung. 15. Mai 2013, ZDB-ID 43261-1, S. 56–69 (Online [abgerufen am 7. Oktober 2019]).
  3. Ausbau des Südschnellwegs (B 3) in Hannover. „Landschaft – Straße – Stadt“: Auf dem Weg zu einer optimalen Lösung für komplexe Verkehrssituation. In: strassenbau.niedersachsen.de. NLStBV, 29. Juli 2019, abgerufen am 7. Oktober 2019.
  4. André Zuschlag: Autos über alles in Die Tageszeitung vom 26. Oktober 2020
  5. Hannover: Hunderte demonstrieren gegen Südschnellweg-Ausbau bei ndr.de vom 4. Oktober 2022
  6. Christian Bohnenkamp: 580 statt 360 Millionen Euro: Bund legt neue Kostenschätzung für Hannovers Südschnellweg vor in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 26. Januar 2023
  7. Planfeststellungsbeschluss für Südschnellweg steht beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Bauen, Verkehr und Digitalisierung vom 19. Oktober 2021
  8. Für den Südschnellweg Ausbau werden 13 Hektar Grünfläche abgeholzt bei hannover-entdecken.de vom 23. April 2021
  9. Klage gegen Ausbau des Südschnellwegs in Hannover bei ndr.de vom 29. November 2021
  10. Südschnellweg so breit wie eine Autobahn: Klagen gegen den Ausbau sind faktisch verloren in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 4. März 2022
  11. Hannover: Fahrrad-Protest gegen den Ausbau des Südschnellwegs bei ndr.de vom 19. Juni 2022
  12. Hannover: Hunderte demonstrieren gegen Südschnellweg-Ausbau bei ndr.de vom 4. Oktober 2022
  13. 400 radeln mit bei Demo gegen den Ausbau des Südschnellweges durch Hannover in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 4. November 2022
  14. Protestcamp gegen Ausbau von Südschnellweg geht weiter bei ndr.de vom 4. November 2022
  15. Nadine Conti: Polizei zieht Zaun um Tümpeltown in Die tageszeitung vom 4. Dezember 2022
  16. Christian Bohnenkamp: Aktivisten besetzen mehrere Bäume am Südschnellweg in Hannover in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 4. Oktober 2022
  17. Conrad von Meding: Baumbesetzung am Südschnellweg: So leben die Klimaaktivisten in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 6. Oktober 2022
  18. Conrad von Meding: Interview mit Baumbesetzern: „Der Protest wird weitergehen“ in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 3. Dezember 2022
  19. Besetzung der Leinemasch: Das sagt die Polizei zu „Tümpel-Town“ in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 5. Oktober 2022
  20. Umweltaktivisten besetzen Bäume gegen Ausbau der B3 in Süddeutsche Zeitung vom 5. Oktober 2022
  21. Conrad von Meding: Die Ruhe vor der Rodung in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 5. Dezember 2022, S. 11 (Online)
  22. Bilanz der Rodungsarbeiten am Südschnellweg: Polizei sieht friedlichen Einsatz< bei Sehnde-News vom 7. Dezember 2022
  23. Manuel Behrens: Spontandemo in der Leinemasch: Aktivist in Gewahrsam, Kritik an Rodungen und Polizeiaufgebot in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 5. Dezember 2022
  24. Südschnellweg in Hannover: Rodungen sind abgeschlossen bei ndr.de vom 6. Dezember 2022
  25. Christian Bohnenkamp: Ärger um Rodungen an Hannovers Südschnellweg: Hat das Land zu viele Bäume gefällt? in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 6. Dezember 2022
  26. Stefan Sievering: 1400 Polizisten gegen 10 Baumhocker in Bild-Zeitung vom 5. Dezember 2022
  27. Finn Andorra: Bleibt die Leinemasch? bei t-online vom 3. Oktober 2022
  28. Marco Seng: Stephan Weil: Keine Neuplanung für umstrittenen Ausbau des Südschnellwegs in Hannover in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 23. September 2022
  29. Conrad von Meding: Muss der neue Südschnellweg in Hannover so breit werden wie geplant? Verkehrsminister Lies beruft Runden Tisch ein in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 17. November 2022
  30. Sehr geehrter Herr Verkehrsminister Lies, bei leinemaschbleibt.de vom 17. November 2022
  31. Hannover: Findet Lies Kompromisse im Streit um Leinemasch? bei ndr.de vom 17. November 2022
  32. Conrad von Meding: Hannover: Besetzte Bäume am Südschnellweg werden nicht geräumt in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 29. November 2022
  33. Andreas Voigt: Umweltschützer warnen Minister Lies: „Zu viele Versprechen gebrochen“ in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 9. Dezember 2022
  34. Marco Seng: Südschnellweg-Gipfel in Berlin: Bund ist gesprächsbereit in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 22. Dezember 2022
  35. Gespräche zum Südschnellweg in Berlin mit Julia W. Hamburg und Olaf Lies, Niedersächsisches Kultusministerium vom 22. Dezember 2022
  36. Südschnellweg: Umstrittener Ausbau beschäftigt Experten bei ndr.de vom 22. Dezember 2022