Sachsen (Volk)

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Die Sachsen waren ein westgermanischer Völkerverband, der sich vermutlich im 3. Jahrhundert bildete und seit dem 4. Jahrhundert sicher belegt ist. Die Stämme der Chauken, Angrivarier und Cherusker, die sich zu den Sachsen zusammenschlossen, lebten im 1. Jahrhundert im Nordwesten des heutigen Deutschlands und im Osten der heutigen Niederlande (siehe Niedersächsisch). Seit der Merowingerzeit standen zumindest Teile der Sachsen immer wieder in einer losen Abhängigkeit zum Frankenreich, bis sie von Karl dem Großen endgültig unterworfen wurden.

In Abgrenzung zur meißnisch-osterländischen Bevölkerung im ehemaligen wettinischen Obersachsen bzw. zu den mitteldeutschen Bewohnern des Freistaates Sachsen, die sich heute als „Sachsen“ bezeichnen, wird für die heutigen niederdeutschen Bewohner im Kern des originären Siedlungsgebiets der Name „Niedersachsen“ verwendet. Dabei ist es allerdings schwierig, die Konnotation zu vermeiden, es sei von Bürgern des Landes Niedersachsen die Rede. Deshalb wird in der Geschichtswissenschaft der Name Altsachsen für das gesamte Siedlungsgebiet in Westfalen, Niedersachsen (ohne die traditionellen Siedlungsgebiete der Friesen und Slawen), im westlichen Sachsen-Anhalt, im südlichen Schleswig-Holstein und in den nordöstlichen Niederlanden bevorzugt.[1]

Altsächsische Grabbeigaben aus dem Gräberfeld von Liebenau
Teilrekonstruiertes germanisch-sächsisches Nebengebäude am Gräberfeld von Liebenau

Siedlungsgebiet

Die germanischen Völker der Sachsen waren im niederdeutschen Gebiet zwischen Zuiderzee (heute IJsselmeer), dem Raum von der Weser bis zur Elbe sowie nördlich der Elbe in Holstein (bis zur Eider) heimisch.

Das Stammesherzogtum Sachsen im Heiligen Römischen Reich um das Jahr 1000

Bis vor kurzem war die von Ptolemäus überkommene Ansicht vorherrschend, die Sachsen seien von ihren Ursitzen im heutigen Holstein seit dem 3. Jahrhundert nach Süden vorgedrungen, hätten dabei zahlreiche andere Völker unterworfen und sie dem sächsischen Völkerbund einverleibt. Diese Vorstellung gilt heute als überholt. Die wichtigste Quelle, die von jenen Ursitzen berichtet, wird heute in diesem Punkt stark angezweifelt. Auch scheint der Sachsenname anfangs eher als Sammelbezeichnung der Römer für seefahrende Raubscharen gedient zu haben, unabhängig von deren Herkunft. Darüber hinaus war die Auffassung verbreitet, die Sachsen hätten ihr Gebiet nach der Eroberung des Thüringerreiches (um 531) durch die Franken bis zur Unstrut ausgedehnt. Dies gilt nach dem heutigen Kenntnisstand ebenfalls als sehr unwahrscheinlich. Die Ostgrenze des sächsischen Siedlungsgebietes dürfte lange Zeit am Harz gelegen haben.[2]

In den darauffolgenden Jahrhunderten eroberten sächsische Völker weite Teile Niederdeutschlands (heute Nordwestdeutschland und östliche Niederlande) und gliederten die dort lebenden germanischen Völker ihrem Völkerverband ein, zuletzt im 6. und 7. Jahrhundert das Hamaland (heutiges Westmünsterland), das Land der Brukterer (heutiges Münsterland und nördliches Ruhrgebiet) und die Tubanten (heutige Twente, Provinz Overijssel). Später unterschied man drei bzw. vier Völkergruppen. In Norddeutschland und den östlichen Niederlanden (Groningen, Drenthe, Overijssel, Achterhoek) haben die niedersächsischen Dialekte, die sich aus dem Altsächsischen entwickelten, auch weiterhin ihr traditionelles Sprachgebiet.

Historische Namensverschiebung

Der heutige Freistaat Sachsen, historisch auch Kurfürstentum Sachsen (Kursachsen) bzw. Obersachsen, hat mit dem historischen Volk der Sachsen im niederdeutschen Sprachraum – außer dem Namen – nichts gemein: Die Vorfahren der Bewohner des heutigen Freistaates Sachsen gehör(t)en dem mittelhochdeutschen Dialektraum an.

Es handelt sich um eine dynastische Namenswanderung. Sie geschah dadurch, dass der Titel des Herzogs von Sachsen an Fürsten fiel, die außerhalb des alten Volksgebietes residierten, und der Name auf deren Länder übertragen wurde. Der Herzogstitel von Sachsen fiel nach dem Sturz Heinrichs des Löwen im Jahr 1180 an den Askanier Bernhard, der in Wittenberg residierte. Bereits zu diesem Zeitpunkt verlor im Deutschen Reich der Titel eines „Herzogs“ seine Bindung an ein Volksgebiet. Mit dem Aussterben der Askanier ging der sächsische Herzogstitel dann 1423 an die Wettiner über, die die Markgrafschaft Meißen innehatten, die im Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen lag. Da der Herzogstitel von Sachsen mit der Würde eines Kurfürsten verbunden war, war er der ranghöchste und trat an die erste Stelle der Titulatur. Die Länder unter der Herrschaft des wettinischen Hauses der Herzöge von Sachsen bezeichnete man nun als „Sachsen“. Auf diese Weise „wanderte“ mit der Verleihung der sächsischen Kurwürde an Friedrich den Streitbaren auch die Namensbezeichnung „Sachsen“ elbaufwärts.

Name

Seit den antiken und spätantiken Autoren, die den Begriff namentlich wiedergaben (lateinisch: Saxones, griechisch: Σάξονες), wird der Volksname von dem typischen Hiebmesser der Sachsen, dem Sax, abgeleitet.[3] Dieser Zusammenhang spielt auch in der sächsischen Volkssage mehrfach eine Rolle. Eine direkte Beziehung zum Volksnamen findet sich im Annolied aus dem späten 11. Jahrhundert: „von den mezzerin alsô wahsin, wurdin si geheizzin Sahsi“. Aus einer Handschrift des endenden 8. Jahrhunderts, dem sogenannten sächsischen Taufgelöbnis, sollte der Täufling einem Gott Saxnot neben den gemeingermanischen Göttern Wodan und Donar abschwören.

Seit dem 3. Jahrhundert klagten römische Quellen über sächsische Seeräuber. Sachsen, Angeln und Jüten wanderten dann im 5. Jahrhundert in den südöstlichen Teil der britischen Hauptinsel ein (siehe auch Hengist und Horsa): das heutige England (Angelsachsen). Sie wurden dort nach einer gewaltsamen Landnahme zu den dominierenden Kulturen. So wurde im keltischen beziehungsweise irischen Sprachgebrauch der Volksname (irisch: Sasana, schottisch-gälisch: Sasainn, walisisch für die engl. Sprache: Saesneg) für England verwendet. Der heutige Name England lässt sich klar von den Angeln ableiten, während Landschaftsnamen wie Wessex („Westsachsen“), Essex („Ostsachsen“), Sussex („Südsachsen“) und Middlesex („Mittelsachsen“) auf die sächsischen Einwanderer hinweisen.

Nach Berichten aus dem 4. Jahrhundert war das Siedlungsgebiet der Chauken deckungsgleich mit den Gebieten, in denen etwa zur selben Zeit unter anderem die Sachsen lokalisiert wurden. Da es keinerlei Hinweise auf kriegerische Auseinandersetzungen zwischen beiden Völkern gibt, wird vermutet, die Chauken seien damals ein Teilvolk der Sachsen gewesen bzw. dass sich beide Stämme friedlich zum größeren Volksverbund der Sachsen vereinigt haben.[4]

Innere Verhältnisse

Von der Völkerwanderung wenig berührt, bewahrten die auf dem Festland verbliebenen Sachsen vermutlich eine relativ ursprüngliche germanische Volksverfassung und standen bis zur Eroberung durch Karl den Großen nie unter einem gemeinsamen König. Beda Venerabilis ist der einzige, der vor der Zeit Karls des Großen über die inneren Verhältnisse der Sachsen berichtet. Er schreibt, dass die Altsachsen nicht einen König hätten, sondern sehr viele über dem Volk stehende Satrapen. Im Kriegsfalle hätten diese das Los entscheiden lassen, wer das Heer vorübergehend führt. Nach dem Krieg hätten wieder alle Satrapen die gleiche Machtfülle innegehabt.

In der ältesten Lebensbeschreibung des heiligen Lebuin (verfasst nach 840), wird von einer Versammlung der Sachsen in Marklo berichtet, bei der sich die Satrapen mit einem Gefolge von jeweils 36 Mann versammelt hätten. Lange hat man durch eine Missdeutung des Wortes „electi“ angenommen, es wären hier gewählte Volksvertreter zusammengekommen. Bis in die jüngste Vergangenheit wurde auch in Anlehnung an Tacitus, der von germanischen Monarchien und Republiken berichtet, an eine Art ursächsische republikanische Stammesverfassung gedacht. Dies dürfte aber nicht den Tatsachen entsprechen, wie auch die Ausdeutung des Tacitus heute als verfehlt betrachtet wird.

Ein weiteres Argument für diese Deutung gilt heute ebenfalls als nicht mehr haltbar. Karl der Große ließ im Gesetzeswerk Capitulatio de partibus Saxoniae Versammlungen in Sachsen verbieten. Früher wurde der Gesetzestext so ausgedeutet, dass eine einzige große Versammlung der Sachsen impliziert wurde. Dies wird heute stark angezweifelt und der Markloer Landtag gilt heute überhaupt als erdichtet. Demnach unterstanden die Sachsen bis zur Eroberung durch Karl den Großen mehreren Einzelherrschern, die zumindest zeitweise in einer Art formellem Unterordungsverhältnis zum fränkischen Herrscher gestanden haben dürften. Dies soll wohl durch Bedas Wortwahl Satrape ausgedrückt werden.[5] In Holstein wurden jährliche Versammlungen des Thing bis 1546 fortgesetzt.

Auf einen umfangreichen Pferdekult der Altsachsen deuten etwa zahlreiche Pferdegräber bei Rullstorf nahe Lüneburg hin.

Geschichte

Früheste Nennung

Die früheste Nennung der Sachsen wurde lange dem in Alexandria schreibenden Griechen Ptolemäus zugeschrieben, der in der Regierungszeit des Kaisers Mark Aurel (161–180 n. Chr.) starb und in dessen überlieferten Texten der Name des Volkes an mehreren Stellen auftaucht. Seiner Geographie zufolge bewohnten sie das Land an der Nordsee zwischen den Chauken, die bis zur Elbe siedelten, und den Sigulonen, die nordwärts einer Landenge auf der Kimbrischen Halbinsel wohnten. Die Sigulonen sind, wie zahlreiche Völker, die Ptolemäus zusammen mit ihnen nennt, sonst völlig unbekannt.

Lange Zeit hat man aus diesen Angaben auf Ursitze der Sachsen um 150 n. Chr. im heutigen Schleswig-Holstein geschlossen. Die Zuverlässigkeit dieser Angaben wird heute jedoch sehr in Frage gestellt. Insbesondere weil man vermutet, dass Ptolemäus seine Informationen über die Geographie Nordeuropas aus der Zeit um Christi Geburt bezogen haben dürfte, die Sachsen aber in keiner anderen Quelle vor ihm erwähnt sind. Tacitus etwa, der um 98 n. Chr. in seinem bekannten Werk Germania den Anspruch erhob, ein vollständiges Bild der Bewohner Germaniens zu zeichnen, erwähnte die Sachsen nicht. Man nimmt deshalb heute an, dass die Nennung der Sachsen bei Ptolemäus das Resultat einer Textverderbnis ist. Die Geographie des Ptolemäus ist wie viele antike Werke nicht im Original erhalten. Die älteste Handschrift ist etwa 1100 Jahre jünger als das Werk selbst. Vermutlich schrieb Ptolemäus ursprünglich von Avionen „ΑΒΙΟΝΕΣ“ (sprich Aviones), was von späteren Abschreibern in Sachsen „ΣΑΞΟΝΕΣ“ (sprich Saxones) verändert wurde. In der Mehrzahl der Handschriften findet sich auch nicht das Wort Sachsen, sondern eine Zwischenform „ΑΞΟΝΕΣ“ (sprich Axones).[6]

Sachsen in der Spätantike

Abgesehen von Ptolemäus werden Sachsen erstmals bei Eutrop für das Jahr 285[7] genannt, wobei Eutrops Text zwischen 364 und 380 n. Chr. entstand. Dies ist insofern von Bedeutung, da Autoren des Altertums oft Völkernamen der Gegenwart zur Beschreibung der Vergangenheit benutzten. So ist denkbar, dass der Name um 285 noch nicht bekannt war, wenngleich Eutrop auf eine relativ gute Quelle zurückgriff, die Enmannsche Kaisergeschichte. Lobreden des 3. Jahrhunderts aus Gallien erwähnen direkt keine Sachsen, allerdings mag der Panegyricus von 297 durchaus darauf anspielen.[8]

Die früheste zeitgenössische und somit gesicherte Nennung stammt aus dem Jahr 356, wo der Name der Sachsen in einer Rede des späteren Kaisers Julian (regierte 361–363) zusammen mit dem Volk der Franken genannt wird. Franken und Sachsen werden in der Rede als die „streitbarsten Völker am Rhein und am westlichen Meer“ beschrieben. Trotz zahlreicher Nennungen in spätantiken Quellen (z. B. Ammianus Marcellinus) sind die Sachsen bis etwa 450 n. Chr. ansonsten nicht näher geographisch fassbar. Sie treten in den Quellen dieser Zeit nur als kriegerische Seefahrer auf, deren Herkunft in der Regel im Dunkeln bleibt. Demnach könnte es sich bei dem Namen Sachsen anfangs eher um eine Art Sammelbezeichnung für Raubscharen an den gallischen und britischen Küsten gehandelt haben, die übers Meer kamen. Als Antwort auf die häufigen Überfälle errichten die Römer entlang der Süd- und Südostküste Britanniens und an der Kanalküste Galliens um das Jahr 300 den so genannten Litus Saxonicum, eine Kette stark befestigter Militärlager und Flottenstationen.

Wie andere Germanen auch, traten Sachsen in den römischen Militärdienst ein. So ist eine sächsische Schwadron, die Ala prima Saxonum in der Notitia Dignitatum erwähnt. Eine erste Nachricht, die über die Ursitze der Sachsen Auskunft geben könnte, liefert der Kirchenvater Hieronymus (um 347–419 n. Chr.) in seiner Lebensbeschreibung des Hilarion. Ein Leibwächter das Kaisers Constantius II. kam nach dieser Quelle aus dem Gebiet zwischen Sachsen und Alemannen, das im Text als Francia (Franken) bezeichnet wird. Die ersten Erwähnungen Saxonias stammen aus dem späten 4. Jahrhundert, sind aber nicht mit klaren geographischen Vorstellungen verbunden. Einen weiteren Anhaltspunkt liefert Zosimos, der berichtet, dass Sachsen die Salischen Franken um die Mitte des 4. Jahrhunderts aus deren Land, der großen Rheininsel Batavia vertrieben. Verwirrend ist allerdings, dass Zosimos an dieser Stelle vom sächsischen Teilvolk der Quaden spricht, die nie am Niederrhein lebten.[9]

Am Beginn des 5. Jahrhunderts verlor Rom zunehmend die Kontrolle über die britannischen Provinzen. Im Jahr 410 forderte Kaiser Honorius die Inselbewohner auf, sich selbst zu verteidigen. Spätestens in den 440er Jahren wurden Sachsen auf den Britischen Inseln sesshaft. Zuerst wurden sie von den Briten als Söldner angeworben, eroberten aber anschließend große Teile der Hauptinsel und siedelten sich dauerhaft an. Ihre angeblichen Anführer waren Hengest und Horsa. Ursprünglich wurden die Sachsen der britischen Inseln und jene des Festlands unterschiedslos als Sachsen bezeichnet. Erst im Verlauf des frühen Mittelalters wurde der Begriff Angelsachsen (vermutlich von Paulus Diaconus) zur Unterscheidung der britischen Sachsen von denen auf dem Festland eingeführt, bis er sich ab dem 9. Jahrhundert durchsetzte.[10]

Gregor von Tours berichtet vom Einfall des sächsischen Heerführers Adovacrius (seine Identität mit dem bekannten Odoaker ist umstritten und eher unwahrscheinlich) nach Gallien (Angers), wobei er aber von den gallo-römischen Truppen zurückgeschlagen wurde. Die Inseln der Sachsen wurden anschließend von den Franken unter Childerich I. eingenommen und verheert (siehe auch Paulus (Comes)). Der sächsische Einfall fand Gregor zufolge nach dem Tod des Aegidius († 464) statt.[11]

Sachsen im 6. und 7. Jahrhundert

Rekonstruktion eines sächsischen Langhauses der Merowingerzeit im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen
Rekonstruktion einer sächsischen Wohnanlage: Der „Sachsenhof“ in Greven-Pentrup

Nicht restlos geklärt ist die Frage, ob die Sachsen maßgeblich an der Unterwerfung des Thüringerreiches (um 531) durch die Franken beteiligt waren. Die drei wichtigsten Quellen, die davon berichten, sind ein Bericht Rudolfs von Fulda (9. Jahrhundert), die Sachsengeschichte des Widukind von Corvey aus dem Jahr 968 und die Quedlinburger Annalen (11. Jahrhundert). Insbesondere, weil alle drei Quellen lange nach der Niederwerfung des Thüringerreiches entstanden, wird ihre Glaubwürdigkeit diesbezüglich stark in Frage gestellt. Auch kann davon ausgegangen werden, dass die zwei letzteren Quellen auf den Bericht des Rudolf von Fulda zurückgriffen, der vermutlich ein persönliches Interesse an der Darstellung einer alten sächsisch-thüringischen Grenze an der Unstrut hatte. An der Unstrut lag zu Rudolfs Zeiten die Grenze zwischen dem Erzbistum Mainz und dem Bistum Halberstadt, während die sächsisch-thüringische Grenze auch im 9. Jahrhundert höchstwahrscheinlich am Harz lag. Vor allem berichtet keine zeitgenössische Quelle (Gregor von Tours, Prokopios von Caesarea) von einer sächsischen Beteiligung.[2]

Hingegen scheinen die Sachsen in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts ihrerseits unter fränkischen Einfluss gelangt zu sein. Als im Jahr 555 der fränkische König Theudebald starb, erhoben sich die Sachsen allerdings gegen Chlothar I. Dieser zog gegen die Aufständischen, wobei er Thüringen verwüstete, da die Thüringer den Sachsen offenbar Hilfstruppen gestellt hatten. Kurz darauf (vermutlich 556) fand eine erneute sächsische Erhebung statt, in der die Sachsen die ihnen auferlegten Zwangsabgaben verweigerten. Gregor von Tours schreibt in diesem Zusammenhang von einer Niederlage Chlothars, während Marius von Avenches von einem erneuten Sieg Chlothars berichtet. Insbesondere weil Gregor von Tours hier ein christliches Beweisziel verfolgt, wird seine Darstellung eher in Zweifel gezogen. Unsicherheit besteht auch bezüglich der Erwähnung einer dritten Auseinandersetzung (556 oder 557), bei der Sachsen in die Francia (Franken) eingedrungen und bis in die Nähe von Deutz vorgestoßen sein sollen.[12]

Während der Völkerwanderung hatten sich Sachsen nicht nur in Britannien, sondern auch in anderen Gegenden, etwa in Westfrankreich niedergelassen. Gregor von Tours erwähnt Sachsen um Bayeux in der heutigen Normandie. Unter ihnen war ein gewisser Childerich, der Gregor persönlich bekannt war und zum Herzog im Gebiet links der Garonne aufstieg. Einige Sachsen hatten offenbar die Langobarden im Jahr 568 auf ihrem Zug nach Italien begleitet. Nach Gregor von Tours fielen diese Sachsen später im Gebiet von Riez im südöstlichen Gallien ein, schlossen dann aber mit dem Feldherrn Mummolus einen Vertrag und schworen, dem fränkischen König als Hilfstruppen zu dienen. Sie sollten sich in der Gegend ansässig machen, von der sie einst ausgezogen waren. Als sie dort ankamen, waren nach der Erzählung inzwischen allerdings bereits Sueben angesiedelt worden, die den Sachsen zwei empfindliche Niederlagen zufügten. Von den meisten Forschern werden die Wohnsitze dieser Sachsen und Sueben im Bereich der Bode vermutet, wo der Suebengau angeblich noch an letztere erinnert. Wahrscheinlicher ist aber, dass es sich um eine Region in Gallien handelt.[13]

Eine hohe Stellung erreichte im 7. Jahrhundert der Sachse Aighyna, der vermutlich von der gallischen Atlantikküste, möglicherweise aber auch aus England stammte. Unmittelbar an den Regierungsantritt von Dagobert I. als Teilkönig im fränkischen Reichsteil Austrasien scheint sich ein sächsischer Aufstand angeschlossen zu haben. Im Zuge eines darauf folgenden fränkischen Angriffs wurde der sächsische Führer Bertoald von Dagoberts Vater Chlothar II. angeblich im Zweikampf besiegt und das Land der Sachsen verwüstet. In den folgenden Jahren entglitt den Merowingern die Herrschaft über die sächsischen Volksgruppen zusehends.

Nach der fränkischen Niederlage gegen Samo an der Wogastisburg um das Jahr 631 unternahmen die Slawen Einfälle nach Thüringen. Daraufhin schickten die Sachsen offenbar Gesandte an Dagobert, mit der Bitte, ihnen die Zwangsabgaben von jährlich 500 Kühen zu erlassen, wenn sie dafür im Ausgleich auf eigene Kosten gegen die Eindringlinge kämpfen und die fränkischen Grenzen schützen würden.[14] Der Tod des Hausmeiers Pippin im Jahr 640 führte zu einer Krise innerhalb des Frankenreiches, die sich zuspitzte, bis das Heer Sigiberts III. unterstützt von Pippiniden in Thüringen einfiel, wo sich Herzog Radulf an der Unstrut verschanzt hatte. Das Heer des Königs musste sich geschlagen zurückziehen, worauf Radulf mit den Wenden und „benachbarten Stämmen“, worunter wohl die Sachsen zu verstehen sind, Frieden schloss.

In der Folgezeit scheinen sächsische Gruppen über Soest und Brilon (im östlichen Sauerland von NRW) bis zum Ruhrbuckel, zur Lippe und zur IJssel vorgedrungen zu sein. Dies ist allerdings nur aus archäologischen Funden zu rekonstruieren, da schriftliche Quellen zu diesen Vorgängen schweigen.[15] Allerdings ist die Auswertung archäologischer Funde diesbezüglich problematisch, da die Ausbreitung von Kunststilen und Waffentypen nicht zwangsläufig Rückschlüsse auf die Ausbreitung von Völkern erlaubt. Das Fürstengrab in Beckum beispielsweise wurde lange als das eines sächsischen Landnahmeführers interpretiert. Heute sieht man in dem Toten eher einen fränkischen Adeligen.[16]

Chronik

  • 98: Der römische Autor Tacitus beschreibt die Stämme Germaniens in seiner Schrift De Origine et situ Germanorum und nennt verschiedene Stämme im späteren sächsischen Sprachgebiet, kennt jedoch den Sachsennamen nicht.
  • um 140: Der in Alexandria schreibende griechische Geograph Ptolemäus stellt seinen Atlas Geographike Hyphegesis zusammen. In seiner überlieferten Form erwähnt dieser die Sachsen als zwischen Chauken und Sigulonen ansässig.[17] Dies galt lange Zeit über als früheste Erwähnung der Sachsen in den antiken Quellen[18] und hat dazu geführt, dass die Sachsen nach wie vor häufig auf modernen Karten Germaniens des 1./2. Jahrhunderts erscheinen. Heute geht die Wissenschaft von einer Textverderbnis aus, bei welcher der ursprünglich bei Ptolemäus vorhandene Name der Avionen (über eine bei Markianos von Herakleia belegte Zwischenform „ΑΞΟΝΕΣ“) mit dem bekannteren Namen der Sachsen ersetzt worden sei.[19]
  • 285/286: Für dieses Jahr erwähnt Eutrop einen Aufstand der Sachsen, welche zusammen mit den Franken das Meer vor Belgien und Armorica unsicher machten.[20] Eutrops Text entstand allerdings erst am Ende des 4. Jh. und scheint mit dem Begriff „Saxones“, ähnlich den Namen „Franken“, „Alemannen“ oder „Heruler“, einen geographisch noch nicht definierten Überbegriff darzustellen, der es kaum erlaubt, Kontinuitäten mit älteren Völkerschaften festzustellen. Von "Sachsen" wird ferner berichtet, sie unternähmen Piratenüberfälle auf die Küsten Belgiens, Britanniens und Galliens.[21]
Die Sachsenküste (Litus Saxonicum) um das Jahr 380
  • Um 300: Aufgrund häufiger Überfälle der Sachsen auf die römischen Küsten an der Nordsee und am Ärmelkanal befestigen die Römer diese Küsten und errichten entlang der Süd- und Südostküste Britanniens und an der Kanalküste Galliens den Litus Saxonicum, eine Kette stark befestigter Militärlager und Flottenstationen.
  • 356: Kaiser Julian erwähnt die Sachsen in einer Rede – die früheste zeitgenössische und somit gesicherte Nennung des Sachsennamens.
  • Ab ca. 400: Nebst Angeln und Jüten lassen sich auch Sachsen in Britannien nieder. Die Ortsnamenkunde lässt dabei vermuten, dass der Hauptteil dieser „Sachsen“ aus dem westlichen Niedersachsen und aus Flandern stammte.[22] Der Begriff Angelsachsen kommt erst gegen Ende des 8. Jahrhunderts auf.[23]
  • Um 450: Der britische Herrscher Vortigern soll[24] Sachsen zum Schutz gegen die schottischen Pikten angeworben haben.
  • Um 469: Nach Gregor von Tours fiel der sächsische Heerführer Adovacrius (seine Identität mit dem bekannten Odoaker ist umstritten und eher unwahrscheinlich) in Gallien (Angers) ein, wurde aber von gallo-römischen Truppen zurückgeschlagen. Die Inseln der Sachsen wurden anschließend von den Franken unter Childerich I. eingenommen und verheert (siehe auch Paulus (Comes)).[11]
  • 477: Angebliche Gründung des Königreiches Sussex (= „Süd-Sachsen“).
  • Um 500: Gründung des Königreiches Essex (= „Ost-Sachsen“).
  • Wahrscheinlich im 6. Jahrhundert: Gründung des Königreiches Wessex (= „West-Sachsen“).
  • Um 530: Die Sachsen erreichen den Rhein.
  • 531: Die Franken zerschlagen in der Schlacht bei Burgscheidungen das Königreich Thüringen. Die Beteiligung von Sachsen an dieser Schlacht ist umstritten und beruht wahrscheinlich auf einer verfehlten Gewichtung jüngerer Autoren[25], diente jedoch traditionell zur Erklärung des späteren Grenzverlaufs zwischen Franken und Sachsen. Vielmehr scheinen die Sachsen infolge der Zerschlagung des Thüringer Königreiches in eine lose Abhängigkeit des Frankenreiches gelangt zu sein.
  • 568: Viele Sachsen ziehen mit den Langobarden nach Italien, kehren aber bald wieder zurück, worauf es zum Streit mit den in den ehemals sächsischen Wohnsitzen angesiedelten Sueben kommt.
  • Für das Jahr 577 und später erwähnt Gregor von Tours die „Sachsen von Bayeux“.
  • Ab 596: Die britischen Sachsen werden zum Christentum bekehrt. Die Festlands-Sachsen bleiben bei ihrem alten Glauben.
  • 7. Jahrhundert: Die Sachsen beginnen, Herzöge zu wählen, angeblich zunächst nur in Kriegszeiten. Diese Verwaltungshierarchie könnte aber durchaus auch auf eine fränkische Oberherrschaft hindeuten, da die Bezeichnungen der Herzöge ausschließlich in fränkischen Quellen überliefert sind. Die wahrscheinlich fränkischen Herzöge versuchten, Autonomie zu erlangen, und stellten sich an die Spitze des Widerstandes gegen die unter den Pippiniden ausgerufene Christianisierung aller Landesteile, so auch der Sachsen.
  • 738: Erster Versuch der festeren Unterwerfung unter die Fränkische Krone durch Pippin den Jüngeren
  • 772 bis 804: Der Versuch der Einführung des Christentums in die größtenteils schon abhängigen Gebiete führte zu den mehr als dreißig Jahre dauernden Sachsenkriegen Karls des Großen
  • 772: Eroberung der sächsischen Eresburg und Zerstörung des wichtigsten religiösen Zentrums der sächsischen Religion, der Irminsul. Der alte Glaube wird von den christlichen Okkupatoren als Heidentum betrachtet.
  • 775: Zweiter Feldzug der Franken. Eroberung der strategisch wichtigen sächsischen Sigiburg hoch über der Ruhr.
Taufe des sächsischen Herzogs Widukind, Fresko aus dem 19. Jahrhundert
  • 777: Karl der Große beruft eine fränkische Reichsversammlung nach Paderborn ein, inmitten des Landes der vermeintlich besiegten Sachsen. Das gescheiterte Engagement Karls in Spanien lässt die Sachsen ihren Unabhängigkeitskampf unter Führung Herzogs Widukind wiederaufnehmen.
  • 785: Die Taufe des sächsischen Herzog Widukind leitet die Christianisierung der Sachsen ein.
  • 794: Entscheidende Schlacht auf dem Sintfeld.
  • 799: Als Machtdemonstration Karls findet erneut eine Reichsversammlung in Paderborn statt; die Sachsen sind endgültig besiegt.
  • 804: Eingliederung der Sachsen in das Reich Karls des Großen unter Beibehaltung der Things.
  • 809: Gesandte Karls einigen sich mit Gesandten des dänischen König auf die Eider als Grenzfluss zwischen dem Frankenreich und Dänischem Reich. Karls Einfluss auf die Sachsen endet bei der Burg Esesfeld am Übergang der Marsch zur Geest; die Sachsen Nordalbingiens halten an ihren Traditionen und ihren Fürsten auf der Geest fest.
  • 841–843: Mit dem „Stellinga-Aufstand“ kommt es letztmals zu Aufständen des sächsischen Volkes, angestachelt durch Lothar I., der Verbündete im Kampf gegen seinen Bruder Ludwig den Deutschen suchte.
  • 9. Jahrhundert: Bildung des Herzogtums Sachsen, bestehend aus den Teilen Engern, Westfalen, Ostfalen und Nordalbingien. Der Landesherr hat in Nordalbingien nur in der Marsch etwas zu sagen, auf der Geest regieren nach wie vor die traditionellen sächsischen Fürsten und Fürstenfamilien.

Mit Heinrich I. wurde im Jahr 919 ein sächsischer Herzog deutscher König. Ihm folgten die ersten deutschen Kaiser Otto der Große, Otto II. und Otto III. Die Epoche der Kaiser aus dem Hause der Liudolfinger endete mit dem Tod Heinrichs II. im Jahr 1024. Während dieses Jahrhunderts lag der politische und kulturelle Schwerpunkt des Reiches im Gebiet der Sachsen.

Nach der Achtserklärung Heinrichs des Löwen im Jahr 1180, wegen dessen Weigerung, dem Kaiser Friedrich Barbarossa Heerfolge nach Italien zu leisten, zerschlug der Kaiser das alte Stammesherzogtum Sachsen. Westfalen wurde in kirchlichen Besitz übergeben; Heinrich dem Löwen blieben Braunschweig und Lüneburg, die Fürsten und Bischöfe wurden für reichsunmittelbar erklärt; der Name Herzogtum Sachsen haftete nur noch einem kleinen Landesteil an der Elbe an.

Am 6. Januar 1423 wurde dieser Teil dem Markgrafen von Meißen, Friedrich dem Streitbaren, verliehen. Da der Herzogtitel die höhere Würde besaß, führte dieser von nun an den Titel „Herzog von Sachsen“, wodurch der heutige Freistaat Sachsen seine Bezeichnung bekam. Die Bewohner dieses Landstriches waren Nachfahren der seit dem 7.Jh. ansässigen Slawen (Sorben, Wenden), vor allem aber der im Zuge der Ostexpansion seit dem 12. Jh. eingewanderten mitteldeutschen Siedler aus den Gebieten des heutigen Thüringens und Hessens und hatten bis zur Namensübertragung keinen historischen Bezug zum ehemaligen sächsischen Stammesverband. Dieses neue Herzogtum Sachsen wurde danach lange als Obersachsen bezeichnet, das historische sächsische Siedlungsgebiet als Niedersachsen. Letztere Bezeichnung wurde bei der Auflösung Preußens nach dem Zweiten Weltkrieg als Name des heutigen Bundeslandes Niedersachsen wiederbelebt.

Sächsische Stammesgruppen

In der historischen Literatur kommen immer wieder die vier Bezeichnungen sächsischer Stammesgruppen vor. Ob es sich dabei nicht auch um die fränkische Einteilung in Verwaltungsprovinzen handelt, ist noch nicht geklärt. Im späten Mittelalter bezeichnete der Name „Ostfalen“ nicht ein Verwaltungsgebiet, sondern ein von „Engern“ (Angrivariern) und „Westfalen“ unterschiedenes Rechtsgebiet.

Trotz der Sachsenkriege wurde die freie Ordnung der sächsischen Teilstämme erhalten. Nie hatten die Sachsen sich einem Fürsten oder gar König unterordnen müssen. Nun wurden sie dazu gezwungen, konnten sich aber zum Teil für viele Jahrhunderte ihr sächsisches Recht und die Rechtsprechung auf dem jährlichen Thing erhalten.

Die Sachsen hatten über Jahrhunderte eine stabile Stammesverfassung mit jährlichen Versammlungen, den Thingen, bei denen alle politischen Angelegenheiten besprochen und Recht gesprochen wurde, geschaffen. Hierfür wurden Gaufürsten oder Stammesfürsten bestimmt, die auf diesen Thingen zusammentrafen, um die Interessen ihrer Stämme zu vertreten. Diese Gaufürsten hatten aber im Gegensatz zu Fürsten oder Herzögen anderer nicht sächsischer Gebiete keinen Anspruch auf das Gebiet oder Land, welches sie vertraten. Lediglich in Kriegszeiten stellten sich die Sachsen unter die Führung eines Herzogs, welcher ein angesehener Krieger war und vom Volk, genau wie die Gau- und Stammesfürsten, bestimmt bzw. gewählt wurde.

Das alte Sachsenland bestand im Ganzen aus den drei Gauen:

  1. Westfalen: der westliche Teil des alten Sachsenlandes um die Flüsse Ruhr, Sieg, Lippe und Ems, also das heutige Münsterland über Osnabrück bis zur friesischen Grenze, im Süden einschließlich des heutigen östlichen Ruhrgebietes und Sauerlandes und im Westen die heutigen niederländischen Provinzen Overijssel und Drenthe.
  2. Engern: der mittlere Teil des alten Sachsenlandes um die Flüsse Weser, Diemel, Leine bis zur Aller, also das östliche Sauerland bzw. östliche Westfalen an der Weser von Hannoversch Münden bis über Minden um Göttingen bis an die untere Leine in Hannover hinunter bis Holstein und Friesland.
  3. Ostfalen: der östliche Teil des alten Sachsenlandes um die Flüsse Aland, Ohre, Saale, Oker, Bode im Osten bis zur Elbe, also die Gegend um Magdeburg, Braunschweig, Hildesheim, Halberstadt im Süden einschließlich des Harzes, im Norden und Osten bis zur Elbe.

Die Bezeichnung Westfalen ist als einzige erhalten geblieben, die Bezeichnungen Engern und Ostfalen sind bei der Auflösung des Herzogtums Sachsen nach der Achtserklärung Heinrichs des Löwen 1180 verlorengegangen. Nur der Name Engern hatte im Titel des Herrschers des jüngeren Herzogtums Sachsen mit dem Titel Herzog von Sachsen, Engern und Westfalen weiterhin Bestand. Ostfalen bestand darüber hinaus nur als Name des Ostfalengaus.

Niedersächsisch oder Niederdeutsch ist eine eigenständige Sprache mit einer eigenen Grammatik. Danach gliedert sich das Niedersächsische in folgende Sprachuntergruppen:

  1. Nordniedersächsisch
  2. Westfälisch
  3. Ostfälisch

Hier tauchen die alten sächsischen Stammes- oder Gaunamen wieder auf.

Das nordelbische Gebiet untergliederte sich in Dithmarschen, Holstein und Stormarn.

Westfalen

Die Westfalen lebten hauptsächlich zwischen dem Rheinvorland (Münsterland, mittlere Ruhr, Sauerland) und der Weser. Ihr Name hat die Bedeutung „Westmänner“ oder „Westsachsen“ und ist erstmals zur Zeit Karls des Großen bezeugt. In der letzten Zeit wurde die ethnische Zugehörigkeit der Westfalen zu den Sachsen überzeugend in Frage gestellt. Auffällig ist, dass die archäologischen Funde aus Westfalen belegen, dass die dort ansässige Bevölkerung schon im 6. Jahrhundert unter starkem fränkischen Einfluss stand, ohne jedoch dem Frankenreich zugerechnet werden zu können.

Eine Zugehörigkeit zur sächsischen Ethnie kann ebenso nicht nachgewiesen werden. Wohl erst der Druck der fränkischen Eroberung hat die westfälische Bevölkerung zum Zusammengehen mit den Sachsen genötigt. In der Betrachtung durch die erfolgreiche fränkische Seite wurden dann auch die eigenständigen Bevölkerungsteile Westfalens unter dem Begriff der Sachsen subsumiert.[26]

Ostfalen (Saxoniae Orientalis)

Die Ostfalen („Ostmänner“) lebten zwischen Weser und Elbe. Dieses ursprünglich thüringische Gebiet wurde erst im 7. bis 10. Jahrhundert besiedelt.

Engern

Die Engern nahmen in Sachsen offenbar eine zentrale Stellung ein. Sie lebten an der Weser, zwischen Ostfalen und Westfalen. In ihrem Gebiet liegt die Stätte der jährlichen Versammlung von Marklo an der Weser. Der Name der Engern (lateinisch „Angarii“) scheint die verkürzte Form des Namens der Angrivarier zu sein, die demnach einen wichtigen Stamm der Sachsen bildeten.

Nordalbingier

Als Nordalbingier (von lateinisch Alba=Elbe) werden die nördlich der Elbe siedelnden Stormaren, Holsteiner und Dithmarscher bezeichnet. Von den übrigen sächsischen Stämmen unterschieden sich die Nordalbingier durch das Fehlen einer Unterteilung in Stände. So gab es weder Adel noch Laten. Alle Bauern waren vor Gericht gleich. Eliten bildeten sich nur für fest umrissene Aufgabenbereiche und auch nur vorübergehend aus. Ämter waren also nicht vererblich. Damit ähnelte die Verfassung der drei Stämme eher dänischem als sächsischem Recht. Das Siedlungsgebiet der Nordalbingier wurde nach Norden von Eider und Levensau (westlich von Kiel), nach Osten durch die Schwentine begrenzt und stieß nur an der Kieler Förde an die Ostsee. Die östlich angrenzenden Gebiete waren im 5. Jahrhundert aufgegeben worden und wurde seit Ende des 7. Jahrhunderts von einwandernden Slawen erneut urbar gemacht (Ostholstein und Lauenburg), die im Hochmittelalter von den Holsteiner Grafen unterworfen wurden. Dithmarschen, Holstein und Stormarn waren im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem dänischen Königreich und dem deutschen Kaiserreich vom restlichen Sachsen getrennt. Oft regierten hier landflüchtige dänische Könige mit Duldung des Kaisers, die in Dänemark vom Thron gestürzt worden waren – wie auch in einigen Teilen Nordwestniedersachsens. Zweimal wurde dieses Gebiet vom Kaiser dem dänischen Königshaus zuerkannt.

Sprachen

  1. Die Sprache im sächsischen Stammesverband wird dem Nordseegermanischen zugeordnet und bildete gemeinsam mit den verwandten Sprachen der Angeln und Jüten die Grundlage des Angelsächsischen. Das Festlandsächsische stand bis zum 10. Jh. dem Altenglischen näher als dem Althochdeutschen. Bis heute gibt es einen gemeinsamen Grundwortschatz zwischen dem Englischen und dem Niederdeutschen. Erst durch den Einfluss des normannischen Französischen bekam das Englische seine germanisch-romanische Gestalt.
  2. Auch das als Sprache der Hanse verbreitete Niederdeutsche geht vor allem auf das Sächsische zurück. In Schleswig-Holstein und den nördlichen Teilen des Bundeslandes Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern wird bis heute neben Hochdeutsch auch Niederdeutsch gesprochen. Auch Westfälisch, Ostfälisch und das in Brandenburg und im Norden von Sachsen-Anhalt bis ins 20. Jh. in ländlichen Gebieten gebräuchliche „Platt“ sind niederdeutsche Dialekte. Selbst die heutige berlinerisch-brandenburgische Mundart hat ein deutlich niederdeutsches Substrat.
  3. Der heute umgangssprachlich als „Sächsisch“ bezeichnete Dialekt Obersachsens (Kursachsen), des heutigen Freistaates Sachsen, Ost-Thüringens sowie des südlichen Sachsen-Anhalts, geht auf ostmitteldeutsche Sprachen zurück und gehört zur thüringisch-obersächsischen Dialektgruppe.

Literatur

  • Bremer Archäologische Blätter, Beiheft 2/2000 zur gleichnamigen Ausstellung im Focke-Museum: „Siedler, Söldner und Piraten“. Chauken und Sachsen im Bremer Raum, Der Landesarchäologe Bremen, ISSN 0068-0907.
  • Matthias Becher: Non enim habent regem idem Antiqui Saxones. Verfassung und Ethnogenese in Sachsen während des 8. Jahrhunderts. In: Hans-Jürgen Häßler (Hrsg.): Studien zur Sachsenforschung Band 12, 1999, S. 1–31. (Vollversion)
  • Torsten Capelle: Die Sachsen des frühen Mittelalters. Theiss, Stuttgart 1998, ISBN 3-8062-1384-4.
  • Torsten Capelle, Matthias Springer, Heinrich Tiefenbach: Sachsen. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 26, de Gruyter, Berlin/New York 2004, ISBN 3-11-017734-X, S. 24–60.
  • Wilhelm Gebers: Auf dem Weg nach Walhall – Die Pferde der Altsachsen – Begleiter in Leben und Tod. Industrie-Museum Lohne, Lohne 2004, ISBN 3-9808151-8-8.
  • Bruno Krüger (Hrsg.): Die Germanen – Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa. Handbuch in 2 Bänden. Akademie-Verlag, Berlin 1983. (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR, Bd. 4).
  • Wolfgang Giese: Der Stamm der Sachsen und das Reich in ottonischer und salischer Zeit. Studien zum Einfluß des Sachsenstammes auf die politische Geschichte des Deutschen Reichs im 10. und 11. Jahrhundert und zu ihrer Stellung im Reichsgefüge mit einem Ausblick auf das 12. und 13. Jahrhundert. Steiner. Wiesbaden 1979, ISBN 3-515-02787-4.
  • Hans-Jürgen Häßler: Niedersachsens frühe Bevölkerung: Die Altsachsen der spätrömischen Kaiserzeit und des frühen Mittelalters. Hannover 2004, ISBN 3-89995-094-1.
  • Matthias Springer: Die Sachsen. Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-016588-7. (Mit teils abweichenden Forschungspositionen; Rezension in Sehepunkte.)
  • B. Bohling: Warum die Sachsen keine Sachsen sind. Die Geschichte der Niedersachsen und die Wanderung des Sachsennamens von der Nordsee in die Mark Meißen., 2011. (Online beim Freundeskreis für Archäologie in Niedersachsen, pdf)

Einzelnachweise

  1. Capelle: (1998) S. 10,11.
  2. a b Springer, Die Sachsen, S. 57–96.
  3. Albert Genrich: Der Name der Sachsen – Mythos und Realität. In: Studien zur Sachsenforschung, 7. S. 137–144, Verlag August Lax, Hildesheim 1991
  4. Ernst Schwarz: Germanische Stammeskunde, VMA Verlag Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-938586-10-5, S. 119ff und 130ff.
  5. Springer, Die Sachsen, S. 131 ff.
  6. Springer: Die Sachsen, S. 17–31.
  7. Eutrop erwähnt aufständische Sachsen für das Jahr, in dem Kaiser Marcus Aurelius Carinus ermordet wurde: Eutrop, Breviarium, 9, 21
  8. Vgl. Klaus-Peter Johne: Die Römer an der Elbe. Berlin 2006, S. 287f.
  9. Springer, Die Sachsen, S. 32–46.
  10. Springer, Die Sachsen, S. 47–56.
  11. a b Springer, Die Sachsen, S. 53.
  12. Springer, Die Sachsen, S. 97–99.
  13. Springer, Die Sachsen, S. 100–111.
  14. Springer, Die Sachsen, S. 111 ff.
  15. Eugen Ewig, Die Merowinger und das Frankenreich. Kohlhammer Verlag, fünfte aktualisierte Auflage 2006, S.143 f.
  16. Springer, Die Sachsen, S. 115.
  17. Ptol. 2,11.
  18. So etwa noch im KIP, Bd. 4, Sp. 1577.
  19. Springer, Die Sachsen, S. 17–31.
  20. Eutrop, 9.21.
  21. Atlas zur Geschichte Band 1, VEB Hermann Haack, Leipzig 1981, S. 16, Karte I
  22. Udolph 1999, S. 447; Udolph 1995, S. 266.
  23. Springer, Die Sachsen, S. 47.
  24. laut Gildas
  25. Rudolf von Fulda (nach 850), Widukind von Corvey (968) und die Quedlinburger Annalen (um 1020).
  26. Kristina Nowak: Der Krieg gegen die ‚Sachsen‘ – Ein Beitrag zur ethnischen Identität in Westfalen, in: Ralf Molkenthin / Bodo Gundelach (Hrsg.): De Ludo Kegelorum, Beiträge zur Ernennung Dieter Schelers zum Honorar-Professor, Morschen 2008, S. 9–19; Kristina Nowak: Geschichte wird von Siegern geschrieben…., Quellen des 6. bis 9. Jahrhunderts und der archäologische Kontext in Westfalen, in: Henriette Brink-Kloke (Hrsg.); Die Herrschaften von Asseln, Ein frühmittelalterliches Gräberfeld am Dortmunder Hellweg, München, Berlin 2007, S. 89–94