Schwenkflügel

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General Dynamics F-111 mit verschiedenen Flügelstellungen

Schwenkflügel sind Tragflächen, deren Pfeilung durch einen Schwenkmechanismus verändert werden kann.

Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schwenkmechanismus einer MiG-23
Achse des Schwenkmechanismus eines Tornado

Je nach Ausführung werden entweder die gesamten Tragflächen oder nur Teile der Tragflächen geschwenkt. Der Luftwiderstand und der Auftrieb des Tragwerks können so an die jeweilige Fluggeschwindigkeit und Einsatzbedingungen angepasst werden. Bei niedriger Geschwindigkeit oder bei Start und Landung werden die Flächen auf geringe Pfeilung gestellt, wodurch trotz der geringen Geschwindigkeit ein hoher Auftrieb erzeugt werden kann. Start- und Landegeschwindigkeit können so verringert werden und auch die Manövrierfähigkeit im Langsamflug wird verbessert. Beim schnellen Flug wird die Pfeilung erhöht, was den Luftwiderstand des Flugzeuges verringert und somit eine größere Geschwindigkeit und Reichweite ermöglicht.

Die Pfeilung ist dabei nur der offensichtlichste Teil. Besonders wichtig ist aus aerodynamischer Sicht, dass sich durch das Schwenken auch die Flügelstreckung und die Profiltiefe verändern lassen. Letzteres ergibt sich daraus, dass sich, bei gleichbleibender Dicke des Flügels, die Profilsehne durch das Zurückschwenken (in Strömungsrichtung gesehen) verlängert.

Eine besondere Form des Schwenkflügels stellt das sogenannte Schiebeflügel-Konzept (engl. „oblique wing“) dar, bei dem eine durchgehende Tragfläche um einen zentralen Drehpunkt geschwenkt wird und das ebenfalls auf deutsche Entwürfe gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zurückgeht. Schwenkrotor-Flugzeuge, die statt der Rotorgondeln die ganze Tragfläche nach oben schwenken können (z. B. die Hiller X-18), werden ebenfalls oft als Schwenkflügelflugzeuge bezeichnet. Die korrekte Bezeichnung hierfür ist aber Kippflügelflugzeug.

Ebenfalls nicht zu verwechseln ist der Schwenkflügler mit dem Knickflügel („Möwenflügel“) sowie den faltbaren Tragflächen von Trägerflugzeugen, die der platzsparenden Unterbringung auf den Decks der Flugzeugträger dienen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 4. Juni 1942 wurde dem deutschen Aerodynamiker Albert Betz ein geheimgehaltenes Zusatzpatent (799/42) mit der Bezeichnung „Flugzeug mit Einrichtung zur Änderung der Flügelpfeilung“ erteilt, was als Geburtsstunde des Schwenkflügelkonzepts betrachtet werden darf.[1] Als erstes Schwenkflügelflugzeug gilt heute der Prototyp der Messerschmitt P.1101, dessen Flügel am Boden in einem Bereich von 35°–45° verstellbar waren. Nachdem das Flugzeug gegen Ende des Zweiten Weltkriegs als Kriegsbeute in amerikanische Hände gefallen war, wurde auf dessen Basis die Bell X-5 entwickelt, die im Flug verstellbare Schwenkflügel besaß.

Vor- und Nachteile[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schwenkflügel bieten Vorteile, wenn hohe Anforderungen an Langsamflugverhalten, Startbahnlänge, Nutzlastkapazität sowie gleichzeitig an den Flug mit sehr hohen Geschwindigkeiten (Überschallfähigkeit, z. B. beim Eindringen in den gegnerischen Luftraum oder bei Abfangmanövern) in einer Flugzeugzelle vereint werden sollen. Nachteile entstehen gegenüber Festflügel-Konstruktionen durch erhöhtes Leergewicht und die Komplexität des Schwenkmechanismus.

Das Aufkommen von Relaxed Stability-Kontrollsystemen in den 1970er Jahren merzte viele Nachteile von Festflügelsystemen aus. Kein neues Schwenkflügelflugzeug wurde seit der Tupolew Tu-160 gebaut, allerdings ist bemerkenswert, dass das Nachfolgesystem der Grumman F-14 – die F/A-18E/F – eine verminderte Nutzlast bzw. Reichweite wegen seiner kleinen Festflügel hat.[2]

Alternative Lösungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der North American XB-70 wurden die Flügel – genau genommen: die Flügelenden – nicht horizontal, sondern vertikal geschwenkt. Ab ca. Mach 1,8 wurden beide Flügelenden bis maximal 65° nach unten geklappt.

Beim Oblique Wing wird ein durchgehender Flügel in Hochdecker-Konfiguration schräggestellt.

Prototypen (in Klammern) und in Serie produzierte Schwenkflügler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Typ Verwendungszweck Baujahr von Baujahr bis Herkunft
(Messerschmitt P.1101) (Experimentalflugzeug) (1945) (1945) Deutsches Reich
(Bell X-5) (Experimentalflugzeug) (1951) (1958) Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
General Dynamics F-111 Mittelstrecken-Jagdbomber /
strategischer Bomber / Aufklärer
1967 1982 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Mikojan-Gurewitsch MiG-23 Jäger/Jagdbomber 1967 1985 Sowjetunion Sowjetunion
Rockwell B-1A strategischer Langstrecken-Bomber 1970 1977 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Mikojan-Gurewitsch MiG-27 Jagdbomber 1970 1986 Sowjetunion Sowjetunion
Suchoi Su-17 / Su-20 / Su-22 Jagdbomber 1970 1990 Sowjetunion Sowjetunion
(Boeing 2707) (Passagierflugzeug – Projekt) (1966) (1971) Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
(Dassault Mirage G) (Mehrzweckkampfflugzeug – Prototyp) (1971) (1973) Frankreich Frankreich
Suchoi Su-24 taktischer Bomber 1971 1974 Sowjetunion Sowjetunion
Tupolew Tu-22M Bomber 1972 1993 Sowjetunion Sowjetunion / Russland Russland
Panavia Tornado Mehrzweckkampfflugzeug 1973 1999 Deutschland Deutschland & Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich & Italien Italien
Grumman F-14 Luftüberlegenheitsjäger 1972 1992 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Grumman EF-111 Elektronische Kampfführung 1977 1985 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Rockwell B-1B strategischer Langstrecken-Bomber 1981 1988 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Tupolew Tu-160 strategischer Langstrecken-Bomber 1984 1994 Sowjetunion Sowjetunion / Russland Russland
Tupolew Tu-160M strategischer Langstrecken-Bomber 2001 noch in Produktion
Russland Russland

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Schwenkflügel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Heiko Thiesler: Schwenkflügelflugzeuge. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-613-04504-0
  • Die Pfeilflügelentwicklung in Deutschland bis 1945. In: Hans-Ulrich Meier (Hrsg.): Die Pfeilflügelentwicklung in Deutschland bis 1945. Bernard & Graefe Verlag, Bonn 2006, ISBN 3-7637-6130-6.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans-Ulrich Meier: Der Hochgeschwindigkeitsflug und seine aero- und gasdynamischen Herausforderungen. In: Hans-Ulrich Meier (Hrsg.): Die Pfeilflügelentwicklung in Deutschland bis 1945. Bernhard & Graefe, Bonn 2006, ISBN 3-7637-6130-6, S. 147–150.
  2. Bob Kress, Paul Gilcrist: Battle of the Superfighters – F-14D Tomcat vs. F/18 E/F Super Hornet. In: Flight Journal Magazine. Februar 2002 (online (Memento vom 4. April 2009 im Internet Archive) – „[...] it has only 36 percent of the F-14's payload/range capability“).