Shōjo

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Shōjo-Manga (jap. 少女漫画, Mädchencomic) sind japanische Comics, die speziell für heranwachsende Mädchen im Alter von etwa sechs bis achtzehn Jahren[1] gezeichnet werden.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kulturanthropologin Rachel Matt Thorn klassifiziert einen japanischen Comic als Shōjo-Manga, wenn er in einem Shōjo-Manga-Magazin erschienen ist. Auf welche Manga-Kategorie sich ein Manga-Magazin spezialisiert hat, geben die Verlage der jeweiligen Magazine bekannt.[2] Beispielsweise ist Akimi Yoshidas actionbetonter Thriller Banana Fish in einem für Shōjo-Manga eher untypischen, realistischen und klaren Stil gezeichnet, der den Werken Katsuhiro Otomos ähnelt,[3] aber trotzdem im Bessatsu Shōjo Comic erschienen, dessen Zielgruppe Mädchen im Mittel- und Oberschulalter sind.

Das männliche Pendant zum Shōjo-Manga bildet der Shōnen-Manga.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen in japanischen Mädchenzeitschriften wie Shōjo Club erste Comics für Mädchen. Diese wurden von Männern gezeichnet und waren noch als „Yonkoma-Manga“, als kurzweilige Comicstrips, konzipiert. Für das Monatsmagazin Shōjo kreierte Shōsuke Kuragane beispielsweise 1949 die Comicstripreihe Anmitsu-hime, in der die Namen der Hauptperson und aller anderen Figuren sich von Süßigkeiten herleiten.

Erfolgreich wurden Mädchenmanga allerdings erst in Form von langen Comics mit durchgehender Handlung, in Form von Story-Mangas. Den ersten Story-Manga für Mädchen schuf Osamu Tezuka von 1953 bis 1958 mit Ribon no Kishi für Shōjo Club. Darin geht es um die Prinzessin Saphir, die wegen der List eines Engels, der ihr das Herz eines Mannes mit auf die Welt gegeben hat, als Junge großgezogen wird. Der Engel wird von Gott auf die Erde geschickt, um Saphir das Herz wieder wegzunehmen, damit sie den Prinzen aus dem Nachbarreich heiraten kann. Tezuka ließ sich für Ribon no Kishi von der weiblichen Takarazuka-Theatergruppe beeinflussen und zeichnete den Comic mit denselben Mitteln, die ihm auch bereits zum Erfolg bei Manga für eine männliche Zielgruppe beschert hatten – mit Nähe zu filmischer Erzählweise und einem von Disney-Filmen beeinflussten Charakterdesign.

Andere männliche Comiczeichner schufen nach dem Vorbild Ribon no Kishi in den 1950er Jahren ebenfalls Shōjo-Manga, oft weil sie im Shōnen-Manga nicht akzeptiert wurden. Einige dieser Zeichner, wie Tetsuya Chiba, Leiji Matsumoto und Shōtarō Ishinomori, wurden später zu äußerst bekannten Autoren von Shōnen-Mangas.

1962 und 1963 wurden auch erste wöchentliche Manga-Magazine für Mädchen gegründet, Margaret vom Shūeisha-Verlag und Shōjo Friend vom Kōdansha-Verlag. Bereits 1955 waren die monatlichen Manga-Magazine Ribon und Nakayoshi von diesen beiden Verlagen gegründet worden. Margaret und Shōjo Friend wandten sich an eine etwas ältere Zielgruppe als ihre monatlichen Pendants.

Obwohl bereits Machiko Hasegawa mit ihrer Comicstripserie Sazae-san seit 1946 für Tageszeitungen gearbeitet hatte, etablierten sich Frauen in der Shōjo-Manga-Szene erst später. In den 1960er Jahren prägten Toshiko Ueda, Hideko Mizuno, Miyako Maki, Masako Watanabe und Chikako Urano nach und nach die Einstellung, Shōjo-Manga seien Comics von Frauen. Chikako Urano erlangte mit ihrer Volleyball-Serie Attack No. 1 (1968–1971) Beliebtheit und ebnete den Weg für Sportarten im Mädchenmanga. Sumika Yamamoto schuf mit Ace wo Nerae! von 1972 bis 1980 einen sehr erfolgreichen Tennis-Manga.

Den Mädchenmanga revolutionierte ab 1969 die Gruppe der 24er um Moto Hagio, Yumiko Ōshima, Keiko Takemiya und Riyoko Ikeda. Die wenigen Frauen, die bis dahin Shōjo-Manga veröffentlicht hatten, hatten sich an die von den Männern vorgegebenen Muster gehalten. Die 24er änderten dies mit der Einbringung von neuen Themen und unkonventionellen, auf Ästhetik ausgerichtete Zeichentechniken. Riyoko Ikeda stellte in ihrem 1800-seitigen Werk Die Rosen von Versailles (1972–1973) in den Kontext der Französischen Revolution eine fiktive Frauenfigur, die als General am französischen Hof einen Männerberuf ausübt und schließlich für die Revolution stirbt. In Moto Hagios Manga Thomas no Shinzō (1973–1975) geht es um eine homosexuelle Liebesbeziehung an einer europäischen Jungenschule. Keiko Takemiya griff dasselbe Motiv auch in ihrem Bestseller Kaze to Ki no Uta (1976–1984) auf. Die Popularität dieser homoerotischen Geschichten beeinflusste viele andere weibliche Mangaka, führte zur Gründung von eigenen Magazinen wie June und schließlich zur Etablierung eines eigenen Genres (Boys Love). Mit dem Erfolg der 24er übernahmen Frauen endgültig den Shōjo-Manga und nur noch vereinzelt konnten männliche Zeichner sich im Mädchenmanga durchsetzen (so etwa Shinji Wada, Mitsuru Adachi und Maya Mineo).

Mit Magazinen wie Mimi, das sich an jugendliche Mädchen im Alter von vierzehn bis 21 wandte, kamen ab Mitte der 1970er Jahre reifere Shōjo-Manga auf, die zur Entwicklung des Josei-Mangas Anfang der 1980er Jahre führten. Einer der wichtigsten Titel in Mimi war Waki Yamatos Manga-Umsetzung der klassischen Erzählung Genji Monogatari.

In den 1980er Jahren waren es vor allem Alltagsgeschichten mit Selbstironie, die sich im Shōjo-Manga durchsetzten. Mangas wie Momoko Sakuras Chibi Maruko-chan (seit 1987) über das Leben einer frechen Grundschülerin und Noriko Sasakis Tierarzt-Serie Dōbutsu no Oisha-san (1989–1994) verkauften sich mehrere Millionen Mal. Gegen Ende der 1980er Jahre machten viele Zeichnerinnen, die zuerst in der Amateur-Manga-Szene gearbeitet hatten, professionelle Veröffentlichungen, darunter Yun Kouga, Minami Ozaki und das Zeichnerteam CLAMP.

Von 1992 bis 2004 schuf Yōko Kamio mit Hana Yori Dango den mit Verkaufszahlen von 55 Millionen[4] meistverkauften Mädchenmanga in Japan. Darin steht ein Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen im Vordergrund, das auf eine reiche Privatschule wechselt und sich dort in Liebesverwicklungen wiederfindet. Eine Comicserie über Mädchen, die sich in Superheldinnen mit magischen Fähigkeiten verwandeln, kreierte Naoko Takeuchi mit Sailor Moon (1992–1997). Sailor Moon erreichte internationale Bekanntheit.

Stilmittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Häufig behandelte Themen sind die erste Liebe, Liebeskummer und Freundschaft. Die männlichen Figuren erfüllen oft das Bishōnen genannte japanische Idealbild eines jungen Mannes. Weibliche Figuren werden häufig mit übergroßen, glänzenden Augen dargestellt. Die Augen dienen häufig als eine Art „grafischer Spiegel“, in denen die Gefühle der Figur dargestellt werden.

Auflagenzahlen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Folgende Magazine hatten 2017 eine Auflage über 100.000 Stück und gehörten damit zu den meistverkauften der Gattung:[5]

Magazin Verlag Auflage
Bessatsu Margaret Shueisha 167.000
Ciao Shogakukan 452.000
Hana to Yume Hakusensha 125.000
LaLa Hakusensha 121.000
Ribon Shueisha 173.000
Shōjo Comic Shogakukan 101.000

Folgende Shōjo-Serien wurden über 20 Millionen Mal verkauft:[6][7]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jaqueline Berndt: Phänomen Manga. edition q, Berlin 1995, ISBN 3-86124-289-3, S. 94–125.
  • Frederik L. Schodt: Manga! Manga! The World of Japanese Comics. Kodansha America, 1983, ISBN 0-87011-752-1, S. 88–105 (englisch).
  • Mark McLelland: The "Beautiful Boy" in Japanese Girls' Manga. In: Toni Johnson-Woods (Hrsg.): Manga – An Anthology of Global and Cultural Perspectives. Continuum Publishing, New York 2010, ISBN 978-0-8264-2938-4, S. 63–92.
  • Jennifer Prough: Shōjo Manga in Japan and Abroad. In: Toni Johnson-Woods (Hrsg.): Manga – An Anthology of Global and Cultural Perspectives. Continuum Publishing, New York 2010, ISBN 978-0-8264-2938-4, S. 63–92.
  • Paul Gravett: Manga – Sechzig Jahre japanische Comics. Egmont Manga und Anime, Köln 2006, ISBN 3-7704-6549-0, S. 74–95.
  • Michiko Mae: Die Mädchen-Revolution durch shojo (Mädchen)-Manga. Dekonstruktion von Gender und Liebe. In: Mae Michiko, Elisabeth Scherer, Katharina Hülsmann (Hrsg.): Japanische Populärkultur und Gender: Ein Studienbuch. Springer VS, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-10062-9, S. 21–50.
  • Kristin Eckstein: Shôjo Manga. Text-Bild-Verhältnisse und Narrationsstrategien im japanischen und deutschen Manga für Mädchen. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-8253-6538-7.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Masanao Amano: Manga Design. S. 571
  2. What Shôjo Manga Are and Are Not auf matt-thorn.com (Memento vom 10. Juni 2004 im Internet Archive)
  3. Frederik L. Schodt: Dreamland Japan: Writings on Modern Manga. Diane Pub Co., 1996, ISBN 0-7567-5168-3, S. 206–207
  4. Artikel bei mainichi.co.jp (Memento vom 30. August 2007 im Internet Archive)
  5. 一般社団法人 日本雑誌協会. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. Februar 2018; abgerufen am 22. März 2018 (japanisch).
  6. Historic Shoujo Manga Circulation Numbers | ComiPress. Abgerufen am 27. Dezember 2018.
  7. 歴代発行部数ランキング | 漫画全巻ドットコム. Abgerufen am 27. Dezember 2018.
  8. 漫画家・矢沢あい「重病説」否定 超人気「ナナ」連載再開いつ? 25. April 2010, abgerufen am 27. Dezember 2018.
  9. 4000万部発行の少女漫画「王家の紋章」、ミュージカル製作発表記者会見 | アイデアニュース. Abgerufen am 27. Dezember 2018.
  10. 『あさりちゃん』連載35周年、コミックス100巻で完結. In: oricon. 25. Dezember 2013, abgerufen am 27. Dezember 2018 (japanisch).
  11. Sukeban Deka. In: TV Tokyo. Abgerufen am 27. Dezember 2018.