St.-Stephani-Kirche (Aschersleben)

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St.-Stephani-Kirche in Aschersleben
St. Stephani bei Nacht
Blick vom Turm nach Osten über die Stadt

Die St.-Stephani-Kirche in Aschersleben wurde von 1406 bis 1507 erbaut und ist eine gotische Hallenkirche. Sie gehört heute mit der St.-Margarethen-Kirche und der St.-Johannis-Kirche zum Evangelischen Kirchspiel Aschersleben.

Die St.-Stephani-Kirche ist die größte Stadtkirche in Sachsen-Anhalt[1] und kann besichtigt werden.

Baugeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die St.-Stephani-Kirche ist der Nachfolgerbau für eine kleinere romanische Basilika, die an gleicher Stelle wie die heutige Kirche stand. Den Bau der Kirche begann man gegen Ende des 14. Jahrhunderts mit den Abbrucharbeiten der Türme der romanischen Basilika. Im Jahre 1406 baute man dann das jetzige Turmwerk, was man noch heute über dem Westportal der Kirche ablesen kann. Im gleichen Zuge begann man mit dem Bau des hohen Chores. Man verwendete im unteren Bereich des Turmes einen Teil des Materials der Türme der alten Kirche. Das Turmwerk baute man bis zur ersten Etage und ließ es dann für etwa 30 Jahre stehen. Während dieser Zeit trat eine Setzung des sandigen Baugrundes unter dem Turmwerk ein, was während der gesamten Bauphase der Türme zu Problemen führte, und schließlich sogar eine Änderung der Baupläne für das Turmwerk zur Folge hatte. Nach Fertigstellung des Südturmes (Höhe zirka 82 Meter) gab man den Gedanken auf, den Nordturm zu vollenden. Man vermauerte auch das schon geplante runde Schmuckfenster in der Turmfront. Mit dem Bau des Kirchenschiffes wurde erst 1480 begonnen. Man baute die große gotische Kirche sozusagen um die kleinere romanische Basilika herum und riss diese im Verlauf der Bauarbeiten Stück für Stück ab. Heute steht auch der südliche Turm in einer gewissen Neige. Regelmäßig wird überprüft, ob sich der Turm weiter neigt.

Zeittafel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1406 Baubeginn der gotischen Türme
1437 Guss der Abendglocke
1469 Vollendung der Türme
1475 Erster Blitzeinschlag in den Südturm
1480 Baubeginn des gotischen Langhauses und Abriss des romanischen Kirchenschiffes
1492 Fertigstellung der Mauern des gotischen Kirchenschiffes
1494 Die große Uhrglocke wird gegossen und das Dachstuhlholz wird auf der Elbe nach Aken geflößt
1506 Das Uhrwerk wird im Südturm installiert
1507 Kirchliche Weihe nach über 100 Jahren Bauzeit
1575 Guss der Kammerglocke durch Eckhart Kucher
1826 Die alte Brautglocke zeigt einen Riss
1839 Guss der neuen Brautglocke
1862 Kirche und Turm erhalten Blitzableiter
1925 Guss der Lutherglocke
1940 Von den 10 Glocken müssen 7 für Rüstungszwecke abgeliefert werden
1950 Im Frühjahr kehren alle 7 Glocken aus Hamburg nach Aschersleben zurück, werden wieder im Südturm aufgehängt und zu Himmelfahrt feierlich in den Dienst genommen
1957/58 Läutemaschinen werden eingebaut
2001 Der Turmkopf wird komplett saniert und die Turmbekrönung heruntergenommen und geöffnet

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Altar der Stephanikirche im östlichen Teil der Kirche

Die St.-Stephani-Kirche besitzt eine reiche Innenausstattung. So beherbergt sie Bilder aus der Cranach-Schule in Wittenberg und verschiedene andere Gemälde und Epitele. Im Zentrum des Hohen Chores befindet sich das alte Bronzetaufbecken aus dem 14. Jahrhundert.

Im Kirchenschiff befindet sich noch die alte Barockkanzel aus dem 17. Jahrhundert. Der von dem Kaiserlichen Kommerzienrat und Großgetreidehändler Gustav Ramdohr gestiftete Hochaltar mit Goldinschrift des Stifters seitlich, die Kanzel im Übergangsbereich von Hohen Chor und Schiff sowie das restliche Gestühl stammen aus der Zeit von 1905/06.

Röver-Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kirche beherbergt weiterhin eine Röver-Orgel aus dem Jahr 1907, welche die alte, 1655 bis 1657 von Georg Nothnagel gebaute und 1712 von dem Orgelmacher Christoph Concius (Wernigerode) überholte Orgel ersetzte. 1907 wurde der Prospekt der Vorgängerorgel von 1855 übernommen und erweitert.[2]

Die Orgel wurde dann von 1940 bis 1944 von der Firma Palandt & Sohnle (Hildesheim) mit neuen Pfeifen ausgestattet.[3] Das Instrument hat heute 51 Register (ca. 3.500 Pfeifen) auf drei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind pneumatisch.[4]

I Hauptwerk C–f3
1. Bordun 16′
2. Prinzipal 8′
3. Quintadena 8′
4. Gemshorn 8′
5. Nasat 513
6. Oktave 4′
7. Gedecktflöte 4′
8. Gambe 4′
9. Oktave 2′
10. Blockflöte 2′
11. Nachthorn 113
12. Sesquialter II
13. Mixtur IV–VI
14. Trompete 8′
15. Trompete 4′
II Oberwerk C–f3
16. Salizet 16′
17. Principal 8′
18. Gedeckt 8′
19. Holzflöte 8′
20. Octave 4′
21. Flöte 4′
22. Zartgeige 4′
23. Oktave 2′
24. Waldflöte 2′
25. Glockenterz 135
26. Scharff V
27. Rankett 16′
28. Schalmei 8′
III Schwellwerk C–f3
29. Gedeckt 16′
30. Prinzipal 8′
31. Gedeckt 8′
32. Salizional 8′
33. Oktave 4′
34. Rohrflöte 4′
35. Nasat 223
36. Schwiegel 2′
37. Quinte 113
38. Sifflöte 1′
39. Tertian II
40. Vox humana 8′
Tremulant
Pedal C–f1
41. Prinzipalbass 16′
42. Subbass 16′
43. Oktavbass 8′
44. Gedecktbass 8′
45. Oktave 4′
46. Quinte 223
47. Flöte 2′
48. Mixtur II–VI
49. Posaune 16′
50. Trompete 8′
51. Klarine 4′
  • Koppeln
    • Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
    • Superoktavkoppel: II/I
    • Suboktavkoppeln: II/I, III/II

Orgelprospekt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um die Orgel herum wurden 1907 auch wieder die insgesamt 26 Ölgemälde von einstigen Mitgliedern des Ascherslebener Magistrats aufgehängt. Diese wurden in den Jahren um 1660 zum Gedenken an die „vorzügliche Leitung der Stadt“[5] während des Dreißigjährigen Kriegs vom Maler Wulf Ernst Lindemeyer (* 1601; † um 1663)[6] aus Halberstadt angefertigt und ursprünglich alle im Jahre 1663 angebracht.[7] Sie zeigen:

  • drei Bürgermeister: Ascan Pflaume, Daniel Lindau, Joh. Hertzog
  • drei Stadtvögte: Daniel Hauenschild, Valentin Zwanzig, Joh. Roloff
  • zwei Schultheißen: Gottfried Herwig und Andreas Müller (der 3. war Valentin Drosihn)
  • zwei Oberreitherren: Johann Müller und Johann Wolff (der 3. Erasmus Beyse war kurz zuvor gestorben)
  • zwei Oberkämmerer: David Beyse und Daniel Pfeiffer (der 3. fehlt)
  • drei Kämmerer: Valentin Lamprecht, Theodor Herzog, Balthasar Büssdorf
  • drei Reitherrn: Andreas Gräffenstein, Busse Maschau, Caspar Niethard
  • drei Oberbauherrn: David Waldmann, Michael Heise, Caspar Heyberg
  • drei Weinherrn: Asmus Pflaume, Valentin Lamprecht II, Hennig Müller, und
  • zwei Bauherrn: Joachim Ramdohr und Burchard Hecht (der 3. fehlt).

Einer der Ratsherren wollte sich nicht malen lassen, nämlich der Schultheiß Valentin Drosihn, weil er sich, wie es heißt, seiner großen Nase schämte.

Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glocke 2 – Sonntagsglocke (o.) und Glocke 3 – Lutherglocke
Glockenstuhl

Die Kirche besitzt heute insgesamt zehn Glocken, wobei sich sechs in der Glockenstube befinden, von denen fünf elektrisch geläutet werden. Zwei weitere Glocken befinden sich in einem Erker an der Nordseite des Turmes. Hierbei handelt es sich um die Glocken des Schlagwerks, das außer Betrieb ist. Im südlichen Teil des Kirchenschiffes befindet sich ein kleiner Glockenstuhl mit zwei Glocken, die aus dem Dachreiter über dem Hohen Chor stammen. Bei diesen Glocken handelt es sich um die Tauf- und Hospitalsglocke.

Die Lutherglocke von 1925 stammt aus der Erfurter Thomaskirche. Die Magdeburger Domgemeinde kaufte sie 1957, um ihre wertvollen historischen Glocken zu entlasten. Jedoch waren die an den alten Domglocken vorgenommenen Klangmessungen fehlerhaft, so dass die Lutherglocke klanglich nicht dazu passte und nach fast 25 Jahren Lagerung bei Schilling in Apolda 1981 von der Stephanigemeinde erworben wurde.[8]

Das Geläut befindet sich in einem technisch mangelhaften Zustand (unter anderem sind die gekröpften Stahljoche der Klangentfaltung sehr hinderlich[9]), dem eine Generalüberholung bevorstehen wird.[10]

Nr.
 
Name
(Bezeichnung)
Gussjahr
 
Gießer, Gussort
 
Durchmesser
(mm)
Masse
(kg)
Schlagton
(HT-1/16)
1 Kammerglocke 1575 Eckhart Kucher, Magdeburg[9] 1830 3710 b0 0−4,5
2 Sonntagsglocke 1331 unbekannt 1600 2400 c1 0+4
3 Lutherglocke 1925 Schilling, Apolda 1300 1332 es1 −2
4 Abendglocke 1437 vermutlich Joh. Floris 1120 879 g1 0+2
5 Ave-Maria-Glocke 2. H. 13. Jh. unbekannt 920 355 as1 −6
6 Kleine Glocke 2. H. 13. Jh. unbekannt 830 342 b1 0+3
I Stundenschlag-Glocke 1494(?) unbekannt 1170 776 e1 0−7
II Viertelschlag-Glocke 13. Jh. unbekannt 630 276 g2 0−6
III Dachreiter-, Taufglocke 14. Jh. unbekannt 330 40 ~es3
IV Haus-, Hospitalsglocke 14. Jh. unbekannt 230 25 ~b3

Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • U. Stephan, W. Schlothauer: 500 Jahre Stadtkirche St. Stephani zu Aschersleben. 1. Auflage. Buchhaus am Markt, Dezember 2006, ISBN 978-3-00-020488-3.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: St.-Stephani-Kirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. https://kircheaschersleben.wordpress.com/unsere-kirchen/
  2. pretzien.de
  3. evangelische-kirche-aschersleben.de (Memento des Originals vom 4. Mai 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.evangelische-kirche-aschersleben.de
  4. https://www.orgelbau-huefken.de/fileadmin/user_upload/Restaurierung/aschersleben-roeverorgel/aschersleben-roever-disposition.pdf
  5. Prof. Dr. Emil Straßburger: Geschichte der Stadt Aschersleben. Neudruck, Naumburg/Saale 2003, S. 297
  6. Eintrag auf regiowiki.hna (Memento vom 5. August 2020 im Internet Archive) sowie Artikel von Griep, Hans-Günther (1963): Daniel und Wulf-Ernst Lindemeyer. Maler, Holzschneider und Kupferstecher in Goslar (1601–1663), in: Harz-Zeitschrift. Jg. 15, 1963, S. 105
  7. Adolf Brinkmann: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 25): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Aschersleben (Verlag O. Hendel, Halle a. d. S., 1904) Seite 43 (Digitalisat uni-heidelberg)
  8. Glocken. Abgerufen am 16. Juli 2023.
  9. a b https://domglocken-magdeburg.de/wp-content/uploads/2020/03/Claus_Peter_Artikel_2015_Domglocken_MD_compressed.pdf
  10. Constanze Treuber u. a.: Gegossene Vielfalt. Glocken in Sachsen-Anhalt. Hinstorff, Rostock 2007, S. 19–22.

Koordinaten: 51° 45′ 14,2″ N, 11° 27′ 18,3″ O