St. Nikolai (Quedlinburg)

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St. Nikolai in Quedlinburg

St. Nikolai in Quedlinburg ist die Pfarrkirche der Neustadt in Quedlinburg. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Kirche im Jahr 1222. Sie ist damit die älteste Kirche des Bezirks Neustadt.[1] Heute ist sie als Kulturdenkmal eingetragen. Sie gehört zur evangelischen Kirchengemeinde Quedlinburg innerhalb der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

Erwähnenswert ist die Pastorenehefrau Dorothea Christiane Erxleben, deren Mann Johann Christian Erxleben im 18. Jahrhundert Pastor an der Kirche war. Sie promovierte 1754 an der Universität Halle als erste deutsche Ärztin.

Baugeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nordseite der Nikolaikirche (März 2017)
Als Kugelpanorama anzeigen

Das Gebäude soll auf Pfählen und Ellernblöcken (aus Ellern, bzw. Erlenholz) in sumpfigem Gelände errichtet worden sein. Ursprünglich war es eine dreischiffige romanische Basilika. In ihrer jetzigen Gestalt ist sie im Westbau frühgotisch, während die übrigen Teile spätgotisch sind. Der Anbau des Chorraums kam im 13. hinzu, weitere Anbauten folgten im 15. Jahrhundert.

Die Hallenkirche besitzt verschiedenartig gegliederte Pfeiler, einen einschiffigen Chor und Doppeltürme. Die Türme sind 72 Meter hoch, der Glockenturm (ohne Uhr) kann heutzutage bestiegen werden. Nach zahlreichen Blitzeinschlägen erhielten sie 1878 einen Blitzableiter. Das nördlich angebaute, sogenannte Saigertürmchen am Helm des Nordturms soll die Nordrichtung anzeigen. Es stammt aus dem Barock und enthält das Schlagwerk für die Turmuhr.[1] Die Türme wurden am 13. November 1972 beim Orkan „Quimburga“, dem sogenannten Niedersachsen-Orkan, beschädigt. Beide Turmhelme drohten abzustürzen. Die Anwohner mussten für einige Tage ihre Häuser verlassen. Es wurde diskutiert, die Türme abzutragen.

Die EKD stellte zwischen 1973 und 1975 die Summe von 877.000 D-Mark bereit, damit über ein Kirchenbauprogramm in der DDR dieselbe Summe in DDR-Mark für Sanierungs-Bauleistungen dieses Sakralbaus verfügbar war.[2] Von 1974 bis 1980 wurden die Türme saniert, mit Kupfer eingedeckt, die Wetterfahnen und Knöpfe neu vergoldet. Bei der Gelegenheit wurde in den Nordturm ein neues Uhrwerk eingebaut, das alte war nicht mehr zu gebrauchen. Der Mittelbau zwischen den Türmen wurde in dem Zuge wieder auf sein altes Höhenmaß reduziert.

Am 1. Dezember 2013 löste sich ein Stück Gewölberippe im südlichen Seitenschiff, woraufhin bis auf den Hohen Chor die Decke überspannt und die Kirche zeitweise gesperrt werden musste.[1] Die Kirchenbücher gaben Aufschluss darüber, dass sich immer wieder Gewölberippen gelöst hatten. Ultraschallmessungen zeigten, dass die historischen, eisernen Verbindungsdübel korrodiert waren.[3] Weitere ungünstige Faktoren waren der weiche Sandstein und der instabile Untergrund. Aus diesen Gründen wurde 2017 damit begonnen, alle Rippensteine aus stabilerem Warthauer Sandstein zu ersetzen.[4] Diese Arbeiten wurden 2021 abgeschlossen.

Östlich der Kirche, Konvent 20a, befindet sich das Pfarrhaus der Gemeinde.

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hochaltar nach Restaurierung
Heidfeld-Epitaph von 1661

Eine Überlieferung aus der Bauzeit der Kirche berichtet von einer Sage, der zufolge ein ortsansässiger Schäfer einen reichen Schatz fand, welchen er für die Erbauung dieser Kirche zur Verfügung stellte. Sie wird daher auch als „Schäferkirche“ bezeichnet. Zwei Schäfer Figuren zieren zwei Ecken eines Turmes. Aufgrund der Statik mussten diese Figuren zeitweise herunter genommen werden, waren im Kircheninneren aufgestellt und sind heute wieder an ihren alten Plätzen.

Der Großteil der dekorativen Ausstattung stammt aus dem Barock. Beachtenswert ist der über zehn Meter hohe und sieben Meter breite Altar aus Holz. Er wurde 1712 vom Bildschnitzer Jobst Heinrich Lessen aus Goslar angefertigt. Er zeigt die Szenen Abendmahl, Kreuzigung, Kreuzabnahme und Auferstehung Jesu. Der Altartisch ist vermutlich romanischen Ursprungs. Die Kanzel stammt von 1731, der Taufengel von 1693. Ein 1661 gefertigtes Holzepitaph des Bürgermeisters Timotheus Heidfeld und seiner Frau Catharina und ein frühgotischer Abendmahlkelch sind seit 1928 wieder im Innenraum zu betrachten. Das Taufbecken ist mittelalterlich.[1]

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ein Teil der Fenster mit Glasmalereien versehen (Glasmalerei Ferd. Müller, Quedlinburg).

Nach einem Brand zu Heilig Abend 1996 (ausgelöst durch eine defekte Sitzbankheizung) musste die Kirche umfassend saniert werden, da der Innenraum stark verrußt war, Fenster durch teils geschmolzenes Zinn beschädigt wurden und Teile der Decke sich lösten.[5] Im Zuge der Sanierung wurde die Heizung durch eine Umluftheizung ersetzt und am nördlichen Chor außen eine WC-Anlage installiert. Der Großteil der Kosten wird durch Spenden von Quedlinburger Privatleuten und Firmen aufgebracht, weshalb die Sanierung viele Jahre andauert.

Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Orgel

Die Orgel entstammt dem Hausneindorfer Orgelbaubetrieb unter der damaligen Leitung von Ernst Röver. Der Spieltisch verfügt über zwei Manuale und Pedal. Die mehrfach umgebaute Orgel verfügt heute über 30 Register, Koppeln sind I/P, II/P; MK I/II; feste Registraturen sind , , sowie Tutti per Knopfdruck. Die Orgel verfügt über eine pneumatische Traktur.[6] Der Orgelprospekt stammt noch von der 1848 gebauten Vorgängerorgel Johann Friedrich Schulzes aus Paulinzella.[7][8]

Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von den einst mindestens fünf Läuteglocken sind zwei übriggeblieben. Die große, 1290 gegossene Magdalenenglocke wurde im Jahre 1873 neu gegossen und im Ersten Weltkrieg vernichtet. Die verbliebenen beiden Kirchenglocken hängen im mittelalterlichen Holzglockenstuhl. Die große Glocke von 1333 ist die älteste datierte der Stadt – und eine der ältesten Sachsen-Anhalts[1] – und zeigt vier seltene Glocken-Ritzzeichnungen von hoher Qualität.[9] Außerdem hängen im Seigertürmchen am Helm des Nordturmes eine Glocke für die Viertelschläge und eine Schale für die vollen Stunden.[10]

Glocke Gussjahr Durchmesser (mm) Masse (kg, ca.) Schlagton
Große Glocke 1333 1.603 3.000 d1 +3/16
Silber- oder Taufglocke 1467 1.170 1.300 fis1 +2/16
Stundenglocke 1516 974 300 ais1
Viertelstundenglocke 15. Jh. 365 27 cis3

Glocken-Ritzzeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige Glocken haben seltene, kunsthistorisch bedeutsame Glockenritzzeichnungen, die in einem Werk der Kunsthistorikerin Ingrid Schulze gewürdigt werden.[11]

Galerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oberpfarrer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1539–1542: Marcus Scultetus
  • 1542–1553: Johannes Botho
  • 1553–1565: Andreas Ernst
  • 1565–1593: Marcus Scultetus
  • 1593–1599: Johann Arndt (1590?)
  • 1599–1613: Bartholdus Valstein
  • 1613–1626: Johannes Steuerwald
  • 1626–1634: Christian Fessel
  • 1635–1636: Nikolaus Meißner
  • 1637–1663: Seth Calvisius I.
  • 1664–1676: Christoph Bencke
  • 1677–1684: Sethus Calvisius der Jüngere
  • 1686–1719: Albert Meinecke
  • 1719–1723: Joachim Quenstedt
  • 1723–1731: Justus Jacobus Schulze
  • 1732–1733: Georg Heinrich Riebow
  • 1733–1756: Caspar Julius Wunderlich
  • 1756–1773: Johann August Meermann
  • 1773–1780: Johann Jakob Rambach
  • 1780–1799: Johann August Hermes
  • 1799–1805: Johann Andreas Hasse
  • 1806–1824: Johann Albert Christian Schwalbe
  • 1824–1833: Karl Gerhard Haupt
  • 1834–1840: Johann August Wilhelm Besser
  • 1841–1846: Karl Rohde
  • 1847–1881: Heinrich Ferdinand Theune
  • 1882–1904: Karl Erbstein
  • 1905–1925: Martin Klewitz
  • 1925–1950: Willi Meyer
  • 1950–1952: Günter Baron
  • 1952–1969: Gerhard Müller
  • 1970–1985: Horst Hofmann
  • 1985–1991: Johannes Schulz
  • 1991–: Peter Heyroth

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: St. Nikolai – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Carola Nathan: Absturz im Advent. Alle Gewölberippen der Quedlinburger Nikolaikirche müssen erneuert werden. In: Deutsche Stiftung Denkmalschutz (Hrsg.): Monumente. Magazin für Denkmalkultur in Deutschland. Nr. 4. Monumente Publikationen, 2017, ISSN 0941-7125, S. 23.
  2. Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (Hrsg.): Sonderbauprogramm – Zwischenbericht. Berlin 1976 (mit Kurz-Porträt dieses Bauwerks).
  3. Carola Nathan: Absturz im Advent. Alle Gewölberippen der Quedlinburger Nikolaikirche müssen erneuert werden. In: Deutsche Stiftung Denkmalschutz (Hrsg.): Monumente. Magazin für Denkmalkultur in Deutschland. Nr. 4. Monumente Publikationen, 2017, ISSN 0941-7125, S. 24 f.
  4. Carola Nathan: Absturz im Advent. Alle Gewölberippen der Quedlinburger Nikolaikirche müssen erneuert werden. In: Deutsche Stiftung Denkmalschutz (Hrsg.): Monumente. Magazin für Denkmalkultur in Deutschland. Nr. 4. Monumente Publikationen, 2017, ISSN 0941-7125, S. 26.
  5. Fraunhofer IRB: Kurztexte zur Denkmalpflege: Brandschäden (Memento vom 24. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
  6. Quedlinburg: Die Super7 (Memento vom 8. März 2013 im Webarchiv archive.today), abgerufen am 3. Februar 2013
  7. Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer, Band 1: Thüringen und Umgebung. Pape Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-921140-86-4, S. 275.
  8. Informationen zur Orgel. In: orgbase.nl. Abgerufen am 23. November 2023 (deutsch, niederländisch).
  9. Die Kunsthistorikerin Ingrid Schulze hat dazu ein eigenes Kapitel (ab Seite 27, allerdings geht sie von einem Verlust der Glocke im Zweiten Weltkrieg aus) in ihrem Buch Ritzzeichnungen von Laienhand – Zeichnungen mittelalterlicher Bildhauer und Maler? Figürliche Glockenritz-Zeichnungen vom späten 13. Jahrhundert bis zur Zeit um 1500 in Mittel- und Norddeutschland. Leipzig 2006, ISBN 978-3-939404-95-8.
  10. Constanze Treuber: Gegossene Vielfalt. Hinstorff, Rostock 2007, S. 119–121.
  11. Ingrid Schulze: Ritzzeichnungen von Laienhand – Zeichnungen mittelalterlicher Bildhauer und Maler? Figürliche Glockenritz-Zeichnungen vom späten 13.Jahrhundert bis zur Zeit um 1500 in Mittel- und Norddeutschland. Leipzig 2006, ISBN 978-3-939404-95-8.

Koordinaten: 51° 47′ 22,6″ N, 11° 8′ 58,3″ O